Meine Länder

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Samstag, 6. Mai 2023

Ein Hühnchen mit Ærø zu rupfen

... hatte ich seit gut 24 Jahren, denn damals, im Frühjahr 1999, war ich zum Abschluss eines (durch die EU geförderten) Projekts meiner Schule mit einigen Schülern meiner Schule und aus dem europäischen Ausland (unter anderem aus den Niederlanden und Österreich) auf der Ostsee segeln. Mir ging es während der Reise nicht wirklich gut, jedermann (einschließlich mir) missdeutete das als Heimweh (und das bei einem Sechzehnjährigen, wie peinlich!), aber ich wollte nicht heim zu Mama und Papa, sondern ich wollte vor allem meine Ruhe haben, und das war halt in der beengten Umgebung des Segelboots mit unserer Sechs- oder Acht-Mann-Kajüte nicht möglich. Ein Zwischenstopp auf der Reise war Marstal auf der Insel Ærø in der Dänischen Südsee, und auch wenn ich heute nicht nach Marstal kommen würde (sondern "nur" nach Ærøskøbing), wollte ich die Gelegenheit nutzen, das damalige Trauma aufzuarbeiten und meinen Frieden mit Ærø zu machen.

Ich schlief - es geschehen noch Zeichen und Wunder in einem meiner Urlaube dieses Jahr - einfach mal aus. Das hieß zwar immer noch, dass ich gegen halb neun wach war, aber ich blieb einfach noch ein bisschen liegen und kuschelte in meinem Schlafzimmer mit Blick aufs Meer. Schöööön!

Ein Blick hinaus zeigte, dass das Wasser heute Morgen nicht mehr ganz so hochstand, und in einem Anfall von Wahnsinn zog ich mir die Badehose an und die Flipflops und ging die paar Meter zum Meer. Ich bekam auf WhatsApp etliche Kommentare zu dem Bild vom Steg, wo ein Stückchen zwischen Steg und Ufer zu fehlen scheint, aber da sind Steine im (flachen) Wasser, sodass man von da gut auf den Steg steigen kann. Bei den paar Schritten über die Steine merkte ich aber schon, dass das Wasser a...llerwertestenkalt war, und als ich auf dem Steg stand, pfiff mir die Wind um die Ohren und durchs Handtuch (das ich mir um meinen nackten Oberkörper geschlungen hatte), dass ich von jedweder weiteren Ausübung der Schnapsidee absah und mich schleunigst in mein Strandhaus zurückzog.

Ich ging erst einmal warm duschen, sang dabei ein altes dänisches Volkslied namens "Mimimi" und pflegte danach meine halb erfrorenen Füße.

Als ich fertig war, guckte ich mal auf die Karte und sah, dass von Svendborg aus eine Fähre nach Ærøskøbing führe, allerdings schon in einer knappen Stunde. Ich hatte die Strecke unterschätzt, denn das Navi zeigte eine halbe Stunde Fahrtzeit an, also packte ich meine sechs Sachen (die siebte Sache, die Flasche Wasser, vergaß ich ...) und fuhr nach Svendborg.

Der Parkplatz, den ich in Svendborg angepeilt hatte, war voll, also fuhr ich ein Stück weiter und bog - schon nach der Autoschlange für die Fähre nach Ærøskøbing (ich wollte als Fußgänger mitfahren) - auf einen anderen Parkplatz ein. Dort checkte ich mit der Kreditkarte ein, die ersten zwei Stunden waren kostenfrei, danach musste ich nur bis 14 Uhr bezahlen, sodass ich am Ende mit weniger als zwei Euro Parkgebühren davon kam.

Ich lief schnellen Schrittes (ich wusste nicht, bis wann Fußgänger auf die 11.05-Uhr-Fähre drauf können) zum Schiff, buchte am Automaten meine Fahrkarte und wurde eingelassen. Ich begab mich - natürlich - direkt an Deck und verbrachte fast die ganze Fahrt dort oben (eine kleine Ausnahme machte ich, um das Passwort fürs Schiffs-WLAN zu suchen und zu finden).

Es war windig, es war frisch, aber mit Hut und Kapuze und Anorak war das alles gut zu überstehen (und trotz bewölkten Himmels habe ich gut Farbe im Gesicht). Die Abfahrt in Svendborg war toll, weil man dort einen schönen Blick auf etliche Fachwerkhäuser hatte, danach ging es an mehreren kleinen Inselchen vorbei, und 75 Minuten später kamen wir schon in Ærøskøbing an.

Viele Rapsfelder gibt es hier auf den dänischen Inseln, das hatte ich schon 1999 festgestellt, und da zu einer guten Traumabewältigung eine gewisse Stärkung gehört, ging ich erst einmal zu Mittag essen. Ich fiel in die heimische Räucherei (røgeri) ein und aß erstmal zwei Fischfrikadellen mit Kartoffelsalat (der dänische Ausdruck für Kartoffelsalat ist praktischerweise kartoffelsalat, ich spreche Dänisch!); dazu trank ich ein Bier, weil ich definitiv wieder nüchtern war, als ich das Auto wieder anspannte.

Danach lief ich durch das - zurecht so beschriebene - malerische Kleinstädtchen mit dem Kopfsteinpflaster und den bunten Häuschen, in denen unzählige Bars und Kneipen, kleine Lädelchen und sicherlich auch das eine oder andere Wohnzimmer waren. Ich lief eine Runde, stellte fest, dass die nächste Fähre erst in einer knappen Stunde führe, ging kurz einkaufen (ich brauchte Shampoo und Zahnpaste und dringend etwas zu trinken) und ging danach noch einmal eine größere Runde, bei der ich auch - zwischen zwei Häusern hindurch - an den Strandweg kam. So ein Häuschen da, mit größerem Garten und direktem Blick aufs Meer, würde ich auch nehmen - sehr, sehr schön!

Für die Rückflug buchte ich mir wieder die Karte am Automaten (7,50 Euro pro Strecke, das ist gerade für das sonst sehr teure Dänemark wirklich ziemlich günstig), ging an Bord und verzog mich jetzt aber - zum Aufwärmen nach dem ganzen Durchgepustetwerden - unter Deck. Ach nein, halt, für einen kurzen Blick auf Ærøskøbing war ich noch einmal kurz an Deck gewesen.

Ærøskøbing hat mir wirklich sehr, sehr gut gefallen, das Ærø-Trauma kann ich jetzt offiziell für beendet erklären (wenn es das nicht ohnehin schon lange war ...), vielleicht komme ich sogar mal wieder ...

In Svendborg ging ich als einer der Letzten von Bord, machte noch einen kleinen Spaziergang durch das ebenfalls sehr schöne Städtchen (schon moderner als Ærøskøbing, mit Glasfassaden von Banken, aber in der Innenstadt eben auch schöne Fachwerk- und Backsteinbauten) und lief dann zurück zum Auto.

Ich überlegte, ob ich in Svendborg schon zu Abend esse, aber das war ein bisschen früh, also fuhr ich zurück in Richtung Faaborg, machte aber einen kleinen Umweg zum Schloss Egeskov. Mein Navi sagte mir an, dass das schon zu sei, ich wollte aber ohnehin nicht rein (auch weil die es mit dem Eintritt meines Erachtens ein bisschen übertreiben, die wollen 260 Kronen Eintritt, umgerechnet 34 Euro), aber ein Foto vom Tor hin zum Schloss wollte ich machen. Der Parkplatz war schon ziemlich leer, ich lief die paar Meter zurück, machte das Bild und fuhr danach endgültig zu nach Faaborg.

Meine anvisierte Gaststätte war zu, also guckte ich nochmal auf Google Maps, fand jetzt hier in Faaborg auch eine røgeri, haderte ein bisschen, weil das nach kalter Küche aussah, was da auf den Bildern war, entschied mich dann für eine klassische Kompromisslösung und bestellte zu meiner Räuchereiplatte aus Makrele, Lachs, Hering und Garnelen mit Kartoffelsalat noch Pommes dazu, damit hatte ich lecker (wirklich sehr leckeren!) Fisch und noch dazu etwas Warmes im Magen.

Jetzt aber - es war erst 18 Uhr, 18.30 Uhr oder so - fuhr ich zurück in meine Bude, sitze jetzt hier, schreibe Blog, trinke Flens und genieße meinen Urlaub, das alles mit Blick aufs Meer - es ist ganz wunderbar (auch wenn mir die Gräten vom Kopfsteinpflaster wieder ein bisschen wehtun).

Das gegenläufige Schiff (mit dem fuhr ich zurück)

Ærøskøbing

Ærøskøbing: Bibliothek

Ærøskøbing

Ærøskøbing: Strandweg

Ærøskøbing: Häuschen am Strandweg

Das Schiff hat schon das Maul auf, um die Autos zu fressen

Kirche in Svendborg

Platz in Svendborg

Blick auf Schloss Egeskov

Hafen in Faaborg


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