Meine Länder

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Sonntag, 16. Juli 2023

"Sir, give me money!"

Zwei Sachen: Erstens, mir geht dieses Ge-Sir-se furchtbar auf den Senkel, insbesondere dann, wenn die Leute meinen Vornamen kennen, den ich ja durchaus recht freigiebig bekanntgebe. Zweitens, man müsste mal die Kostenfunktion auf- und feststellen, wie lange ein Bettler optimalerweise bei einem einzigen Angebettelten bleibt - gibt er zu früh auf, verliert er möglicherweise diejenigen Angebettelten, die irgendwann so genervt sind, dass sie dem Bettler was geben; gibt er zu spät auf, verliert er mögliche andere Anbettelopfer.

In dem Sinne haben die beiden Jungen, die Uli und mich heute zwischen Intramuros, der Altstadt von Manila, und dem Rizal-Park angebettelt haben (auf dem Hin- und auf dem Rückweg, obwohl wir ihnen schon auf dem Hinweg nichts gaben), alles falsch gemacht, denn sie waren viiiel zu lange an uns dran, obwohl wir sie ignoriert haben, und haben am Ende erst nichts gekriegt, denn - treue Leser wissen, dass ich zwei Grundregeln beim Reisen haben: keine Versprechungen, die ich nicht zu halten gedenke, und kein Geld an Kinder.

Der Schlaf war kurz, aber sehr angenehm, der Wecker allerdings umso grausamer. Ich stellte ihn zweimal weiter, bis 8.50 Uhr, dann stand ich auf, denn Frühstück gab es nur bis 10 Uhr. Uli war genauso fit wie ich, als wir uns aus dem Zimmer begaben und ins Penthouse zum Frühstück hochfuhren.

Die Auswahl war okay, mit philippinischem und internationalem Frühstück, ich versuchte mich an den frittierten Schwein- und Hühnchen-Klößen und am Fisch, dazu aß ich eine Kartoffel-Kohl-Mischung und spülte das Ganze mit einem Calamansi-Saft herunter. So richtig hungrig waren wir aber beide nicht, obwohl das Essen wirklich okay war, also verließen wir wieder den Frühstücksraum, packten unsere sieben Sachen und checkten aus, denn das Wetter sollte ab 16 Uhr schlechter werden und vorher wollten wir was sehen ...

Bei Nieselregen ging es durch die Gässchen von Intramuros, der "innerhalb der Mauern" gelegenen Altstadt von Manila, von der aber 1945 in der Schlacht um Manila viel kaputtgegangen ist. Es ging vorbei an San Agustín, der ältesten noch existierenden Kirche Manila, und an der Kathedrale, deren achte Version inzwischen an dieser Stelle steht. In beiden war aber gerade - völlig überraschend am Sonntagmorgen - Gottesdienst, sodass wir die Kirchen nur von außen begutachteten - schick war das allemal.

Wir marschierten weiter zum Fort Santiago, konnten nicht mit Kreditkarte den Eintritt bezahlen und wollten erstmal nach einer Bank und dann vielleicht nach der Fähre auf dem Pasig, dem Fluss hier durch Manila, schauen. Die Banken nehmen für das Geldabheben bei internationalen Karten mehr als vier Euro Gebühr, aber da das Bankenkartell das einheitlich macht, blieb uns halt nichts anderes übrig als in den sauren Apfel zu beißen.

Jetzt liefen wir - inzwischen schon definitiv schwitzend, denn warm blieb es ja trotz bewölktem Himmel - aber erst einmal zurück zum Fort Santiago und bezahlten wucherhafte 1,23 Euro (75 Pesos) Eintritt. Dafür bekamen wir nicht zur Zutritt zum schönen Park mit schöner Terrasse mit Blick auf den (nicht so schönen) Fluss, sondern auch Zugang zum Weißen Kreuz, der Grabstätte von 600 Filipinos und Amerikanern, die die Japaner Ende des Zweiten Weltkrieges haben verhungern und ersticken lassen. Zusammen mit der Ausstellung auf der Plaza Santa Isabel, in der die Geschichte der Philippinen im Zweiten Weltkrieg beschrieben wurde, war es ein schräges Gefühl, einen Teil der Geschichte des Zweiten Weltkrieges zu lesen, in dem nicht die Deutschen die Hauptrolle als Schurken geschrieben haben ...

Sehr interessant, mir vorher gänzlich unbekannt und mit überraschendem Deutschlandbezug erwies sich das kleine Museum zur Lebensgeschichte des philippinischen Nationalhelden José Rizal. Der 1861 geborene Augenarzt aus wohlhabendem und gebildetem Haus weilte nämlich Ende der 1880er-Jahre in und um Heidelberg, um dort - nach heutigen Maßstäben und nach meinem Verständnis - seinen Facharzt zu machen. Aus dieser Zeit ist folgender Spruch in der Wikipedia verewigt (in Übersetzung): "Zweimal in der Woche gehe ich in die Bierbrauerei, um mit meinen studentischen Freunden Deutsch zu sprechen." Soso, klar, zum Deutschsprechen ...

Im Städtchen Wilhelmsfeld in der Nähe von Heidelberg, wo Rizal lebte, gibt es heute auch eine José-Rizal-Straße, zumal er dort eines seiner wichtigsten Werke überarbeitete. Seine Schriftstellerei brachte Rizal aber auch in die Klemme, denn die Spanier, die damals über die Philippinen herrschten, waren von seiner kirchenkritischen (und antispanischen) Haltung nicht so richtig begeistert.

Nach seiner Rückkehr wurde Rizal innerhalb der Philippinen exiliert, reiste noch einmal - während die Revolution ausbrach - nach Europa (auf dem Weg nach Kuba), wurde dort festgenommen und am Ende im Dezember 1896, zwei Jahre, bevor die Spanier die Herrschaft über die Philippinen an die US-Amerikaner verloren, hingerichtet. (Achso, die Amis haben dann den Sumpf um die Altstadt ausgetrocknet und dort einen Golfplatz angelegt ...)

Nach diesem ungeplant bildungsbürgerlichen Ausritt verließen wir das Fort Santiago und liefen in Richtung der bei Google ausgewiesenen Fähranlegestelle. Allein, dort, in der Nähe der Einwanderungsbehörde, war nicht so richtig etwas, und das, das da war, waren Menschen, die ein bisschen komisch auf die Ausländer schauten, die offenbar nicht so ganz richtig wussten, was sie da wollten.

Als der erste Kinderbettler über uns herfiel, zogen wir uns zurück und machten uns auf in eine hübsche, philippinische Büffetkneipe. Die hatten glücklicherweise auch Bier, sodass wir das Büffet Büffet sein ließen und uns mit einer Hopfenkaltschale etwas abkühlten.

Der Mann mit dem Hammer war ganz offenkundig in der Nähe, sodass wir aufbrachen, ehe wir dort einpennten, und liefen noch einmal an der Kirche San Agustín vorbei, gingen auch mal kurz rein (das Ding ist immerhin Weltkulturerbe), wollten aber keinen Eintritt bezahlen und liefen nun nach Extramuros, also aus dem von der alten Stadtmauer umgebenen Gebiet heraus.

Nach einigem Suchen (ständig quatschten uns Tuktok-Fahrer und öfter auch Kinderbettler an) kamen wir am Rizal-Park heraus, mit Statue und philippinischen Flaggen und so ... Jetzt hatten wir aber auch genug und liefen zurück nach Intramuros.

Uli gestand mir, dass sie noch nie Tuktuk gefahren war, also liefen wir jetzt doch bereitwillig einem der Anbieter in die Arme, und nachdem er noch 350 Pesos pro Person für die halbe Stunde Rundfahrt aufgerufen hatten, wurden es am Ende 250 Pesos - immer noch viel zu viel, aber vor allem erweckt der Schlingel den Eindruck, dass die gesamte Rundfahrt, die er da anbietet, eine halbe Stunde dauert. In Wirklichkeit soll sich der Preis auf 350 Pesos pro halber Stunde Rundfahrt beziehen, und wenn die Rundfahrt halt eineinhalb Stunden dauert, zahlt man 1.050 Pesos - Saftsäcke ...

Wir verstanden uns mit unserem Guide aber recht gut, sodass er uns darauf aufmerksam machte, und da wir die erste halbe Stunde mit genau den Sachen verbracht hatten, die wir noch nicht gesehen hatten, passte das - für den Fahrer womöglich - wider Willen ganz gut, denn wir ließen uns jetzt dann halt sofort zum Hotel zurückkutschieren.

Während der Fahrt guckten wir uns aber die beiden Tore an, durch die - in jeweils zwei verschiedenen Zeitabschnitten, wenn ich das richtig verstanden und die mir keinen Mist erzählt haben - nur der Generalgouverneur die Stadt betreten durfte. Auch die Kanonen der Spanier und Japaner sahen wir, der Guide und ich sprachen über japanische und deutsche Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg, er sprach ein paar Mal von "General Hitler", aber im Großen und Ganzen war das wirklich spannend, was wir heute so in Manila erlebten.

Nachdem das Tuktuk uns am Hotel herausgelassen hatten und wir uns noch einmal frischgemacht hatten, rief ich - doch schon recht früh - das Taxi, das uns zum Flughafen bringen würde. Wieder ging es für 'n Appel und 'n Ei (weniger als sechs Euro) durch den beginnenden Regen und vollendeten Manilaer Stadtverkehr. Ein Bus nahm uns die Vorfahrt, sodass unser Fahrer schärfer bremsen musste, aber wir kamen gut am Flughafen an ...

Wir wollten gleich ausreisen, hatten die Rechnung aber ohne die philippinische Bürokratie gemacht: Damit die Grenzpolizei den Ausreisestempel auch auf die Bordkarte stempeln kann, benötigt man eine physische Bordkarte. Dass Philippine Airways auch für seinen Heimatflughafen mobile Bordkarten ausstellt, ergibt dadurch natürlich überhaupt gar keinen Sinn, das konnte mir auch keiner erklären und wir waren schon - Schlangen über Schlangen zum Check-in - fast auf dem Weg zum Supervisor, als mir einfiel, dass die Tante in Singapur uns gestern ja schon Bordkarten ausgedruckt hatte ... Dort stehen zwar noch die falschen Sitzplätze (ich hatte uns gestern Abend noch umgesetzt, elektronisch, auf einen Zweiersitz, sodass Uli am Gang und ich am Fenster sitzen kann), aber das konnte die Grenzpolizei ja nicht überprüfen - mal gucken, was das gleich wird.

An der Sicherheitskontrolle (Schuhe aus, seufz) wurde mir mal wieder das Deo, das jetzt durch drei Flughäfen durchgelaufen war, abgenommen (seufz, arme Mitpassagiere), wir fanden ein Plätzchen, auf dem wir ein Bierchen tranken, dann machte ich - wir hatten ewig Zeit - einen kleinen Spaziergang.

Ich ging zur - zutreffend, aber recht unpoetisch - "Passenger Lodging Facility", also etwa Passagierunterkunftseinrichtung, genannten Lounge, wo man offiziell nur gegen Gage von 27 Euro für 24 Stunden ein "Zimmer" buchen kann. Ich fragte, ob ich nur duschen könne, das konnte ich - für etwa fünf Euro -, aber nur, wenn ich nicht auf einer Quittung bestünde. Höhö ... Das ist mir doch wurscht, wenn die die Steuer oder ihren Arbeitgeber betrügen, also willigte ich ein.

Zwei Worte: herrlich! Ja, okay, nur abnehmbarer Duschkopf und auch sonst nicht unbedingt pieksauber bis in die hinterste Ecke, aber das war völlig wurscht, ich wollte nur das kalte (absichtlich, ich hätte auch heißes Wasser einstellen können) Wasser über meinen Prachtkörper prasseln hören, und das konnte ich ...

Erfrischt (leider ohne Deo) latschte ich zu Uli zurück und jetzt warten wir gerade auf das Boarding, das so in einer (sehr) guten Stunde anfangen müsste. Nächster Bericht dann aus Sydney oder Christchurch, mal gucken, wieviel Zeit wir in Sydney noch haben ...

San Agustín

Kathedrale

Fort Santiago

Weißes Kreuz

Im Fort Santiago

Gemälde mit Lebensstationen Rizals

Nachbildung eines deutschen Straßenschildes

Kathedrale mit calesas

Mit den Dingern sind wir nicht gefahren

Philippinische Flagge auf dem Rizal-Platz

Rizal-Denkmal

Intramuros

Japanische Kanone

Spanische Kanone

Altes Stadttor

Spanischer König Philipp II., Namensgeber der Philippinen

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