... sagte der sierra-leonische Senior Immigration Officer zu mir: "Das Visum ist abgelaufen."
"No, it is not." ("Nein, st es nicht."), entgegnete ich, und tatsächlich hatte der Kollesch, der erst von seinem Adlatus vom Klo geholt werden musste und nicht etwa in Uniform, sondern in einem mehr oder weniger schicken zivilen Anzug auftauchte, Ausstellungsdatum und Ablaufdatum meines Visums verwechselt ... Saftladen, aber es passt ins Bild der sierra-leonischen Behörden, dazu aber gleich mehr.
Aber fangen wir am besten von vorne an: Um 4 Uhr klingelte mein Wecker. Bäh, wenigstens war ich früh ins Bett gegangen und hatte einigermaßen geschlafen, aber trotzdem ist 4 Uhr, auch wenn es in Deutschland schon 6 Uhr war, nicht so richtig meine Vorstellung von Urlaubsfreuden. Aber was soll's, ich wollte nach Sierra Leone.
Punkt 5 Uhr stand ich unten, der Rezeptionist pennte noch auf seiner Couch und nahm schlaftrunken meinen Schlüssel entgegen. Der Security-Mensch holte für mich im eintrudelnden Gewitter (es tröpfelte stark, aber nichts Dramatisches) ein Taxi, und auf meine Frage, was der Preis für die Fahrt zum gare routière, zum Taxistand für die weiten Fahrten war, tippte er eine "1.000" auf mein Handy. Das wären aber nur 10 Cent gewesen, das konnte nicht stimmen. Also tippte ich eine 0 dahinter, um auf 10.000 zu kommen, und er nickte, gleichzeitig sprachen aber beide wieder auf mich ein. Nun denn, auf ging's.
Das Gefährt mit der obligatorischen geplatzten Windschutzscheibe und der fast obligatorischen Funzel anstelle eines vernünftigen Scheinwerfers fuhr also nun mit mir über die ganz gute Straße raus aus Conakry in einen Vorort, dabei einmal eine Polizeikontrolle - und das Gebrüll der Polizisten - einfach ignorierend (entweder war das dreist oder war bekifft, beides halte ich für gleich wahrscheinlich ...). Er hielt irgendwo im Dunkeln an, ich gab ihm 10.000 Franc (1 Euro), und er fing an zu mosern ...
Er habe "cent mil francs" gesagt, also 100.000 Francs oder 10 Euro. Nun, Freundchen (als ich auf Deutsch "Freund" sagte, verstand er "Boy", was er als rassistisch empfand, woraufhin ich "Freund" als "ami" übersetzte), ihr habt mir beide, Security-Mensch und du selbst, die 10.000 Franc bestätigt. Der Typ machte diesen - typisch westafrikanischen - Laut der Entrüstung, den ich bisher nur von meiner kamerunischen Ex-Kollegin kannte. Bei der passte dieses sehr hoch in der Tonlage gesprochene "eeeh?" irgendwie ins Bild, aber bei gestandenen Männern kommt das für mich immer wieder ein bisschen komisch ... (auch nachher im Überlandtaxi brachte ein anderer Mann so seine Verwunderung zum Ausdruck, da musste ich immer grinsen ...).
Einer der Überlandtaxifahrer schlichtete, und am Ende landeten wir bei 70.000 Franc, weil ich einsah, dass Barrimamadou mich gestern dann wohl doch nicht übervorteilt hatte, sondern einen vernünftigen Preis haben wollte, als er 10.000 Franc für eine kürzere Fahrt auf dem Motorrad haben wollte, aber ganz ehrlich, liebe Leute, Zahlen müsste man doch lesen können - auch als Taxifahrer ...
Nun denn, ich war um kurz vor sechs Uhr am Taxistand, da waren auch schon Leute, ich wurde mehr oder weniger ignoriert, als ich - nachdem mich ein Guide zum Stand geführt hatte - nun an dem Schild "Conakry-Freetown" stand.
Wir warteten und warteten, irgendwann riefen ein paar Leute den Wagen nach Pamelap aus, ich wusste nicht, wo das war, aber der Zufall in Gestalt des Sierra-Leoners Daniel kam nun ins Spiel. Der nämlich kam mit großen Gepäck an und war der Einzige, der vernünftiges Englisch sprach. Ich fragte ihn, wie das hier läuft, und auf den zweiten Anhieb wusste er auch etwas mit mir anzufangen. Er fragte, ob ich unbedingt direkt nach Freetown wolle oder ob es okay sei, auch in den Wagen nach Pamelap, das ist nämlich die guineische Stadt an der Grenze zu Sierra Leone, zu steigen. Das war mir ziemlich wurscht, ich wollte nur endlich weg, also kaufte er für mich eine Fahrkarte nach Pamelap, mein Gepäck kostete zwei Euro (zu den 5,50 Euro für die Fahrt) extra, sei's drum, und irgendwann wurde sein großes und schweres Gepäck aufs Dach geladen, mein Gepäck war im Kofferraum.
Daniel hielt mich vom Geldwechsel ab, weil er wusste, dass es in Guinea noch einige Wegelagerer in Form von Soldaten gibt, der Geldwechsler versicherte, dass das nur zwei Checkpoints wären und das den Ausländer insgesamt 1,50 Euro (einen Euro am ersten und fünfzig Cent am zweiten) kosten würde, aber Daniel war sich da nicht ganz so sicher ... Also wechselte ich erstmal kein Geld (und machte damit auch keinen Fehler).
Um 7.30 Uhr, also nach fast zwei Stunden Wartezeit, ging es dann endlich los, ich teilte mir mit drei Männern eine Bank, das war einfach nur unbequem, aber für ein paar Stunden erträgt man ja so manches (und ich schwor mir, nie wieder die Möglichkeit auszuschlagen, für den doppelten Preis auf den Beifahrersitz zu kommen).
Es ging los, auch dieses Auto hatte völlig anzeigeunfähige Armaturen, aber der elektrische Fensterheber funktionierte. Halleluja. Die Fahrt aus Conakry ging einigermaßen schnell, und sobald wir die Stadt verlassen hatten, zeigte sich Guinea in seiner vollen, grünen Pracht, mit morgendlichen Nebelschwaden, die die Hügel umhüllten - das war sehr schön, das muss ich sagen.
Etwa gleichzeitig mit dem Verlassen der Hauptstadt wurde die Straße aber schlechter und ging von "Straße mit Schlaglöchern" schrittweise und errativ über in Schlammpisten mit automobilgroßen Schlaglöchern von teilweise einem halben Meter Tiefe, durch die unser (höhergelegtes) Auto mit Müh und Not kam. Der Achszapfen hinten links machte keinem Insassen große Freude, denn das Auto knarzte und schaukelte und machte und tat, und jeder hoffte inständig, dass wir nicht plötzlich vollbremsen müssten, denn bei jedem Bremsvorgang schlug das hinten in dem Rad herum wie sonstwas.
So katastrophal schlechte Straßen habe ich auf einer Hauptverkehrsstraße (das ist ja die Straße zwischen der guineischen und der sierra-leonischen Hauptstadt!) noch nie gesehen, wenn ich das überhaupt schon mal gesehen habe.
Den Vogel schoss das Stück kurz vor der Grenze ab, denn da war die Straße völlig verschwunden, und es gab eine Seenlandschaft auf der Straße, bei der die Seen mehrere Meter lang waren. Zwei Jungs liefen vor uns her, um uns die am wenigstens absaufgefährdete Strecke zu signalisieren und bekamen danach (von den Afrikanern!) dafür ein Trinkgeld.
Da sprachen auch die Leutchen im Bus auf einmal mit mir und meinten: "Africa is good, isn't it?" ("Afrika ist gut, gell?") Mein "yes, absolutely" ("ja, absolut") sorgte für schallendes Gelächter im ganzen Bus ...
Wir gehörten zu den Glücklichen, deren Auto diese Tortur gut überstand (viele LKWs und Transporter waren mitten im Weg liegengeblieben), die Motorräder fuhren an uns vorbei, bei einem hielt der Sozius eine Schubkarre hinter sich fest, die einfach mitgezogen wurde - unfassbar das Ganze, unfassbar ...
Der Geldwechsler hatte recht behalten, und die Organisation der Bestechung in Guinea ist vorbildlich. Der Fahrer kündigt den Checkpoint ein paar Minuten vorher an, es wird gesammelt im Bus, der Fahrer gibt das Geld ab, das Militär gibt den Weg frei - so soll es sein oder vielleicht eher doch nicht ... Zumindest ist man schnell durch.
Wir kamen, noch in Guinea, auf das allerletzte Stück Etappe, und die Straße wurde von der Europäischen Union finanziert. Die Guineer im Bus meinte zu mir "Alpha Condé finish", was ich als "Hier hört das Reich von [Guineas Präsident] Alpha Condé auf" interpretierte. Na, meinerwegen.
Die Straße bis Pamelap war jetzt gut, aber es warne ja nur noch ein paar Kilometer.
In Pamelap kamen wir so gegen 12 Uhr an und wurden sofort von Leuten umzingelt, die uns in ihre Autos nach Sierra Leone schaffen wollten. Daniel hielt sie alle erstmal auf Abstand, deponierte sein Gepäck bei mir und suchte uns erstmal ein Auto. Er tat einen Beifahrersitz (doppelter Preis, aber immer noch nur neun Euro) für mich auf in einem Auto, das "gleich" losfahren sollte, sodass ich vor Einbruch der Dunkelheit ankäme, was sicherer wäre. Na, vielen Dank auch ...
Wir trennten uns also hier, Daniel und ich, und auch wenn ich nicht so ganz sicher bin, was er - wie er erzählte - neulich in Gummersbach mit Flüchtlingen getrieben hat, war das wieder einmal ein Beispiel, dass Menschen jedenfalls teilweise einfach gut sein können. Vielen Dank, lieber Daniel, für deine Unterstützung!
Von "gleich losfahren" konnte natürlich keine Rede sein, aber etwa eine halbe Stunde später ging es dann wirklich los. Das Auto war fast leer, weil die zwei Familien, die hintendrin saßen, schon über die Grenze waren (die Guineer und Sierra-Leoner machen an der Grenze nicht so'n Mist mit Stempeln und so ...), sodass nur der Fahrer, ein älterer Herr und ich die Grenze in Angriff nahmen.
Der guineische Grenzer suchte erstmal den commissaire, dessen Tür aber zu war. Er versuchte, ihn anzurufen, irgendwann tauchte er auf und führte mich in sein Büro. In gutem Englisch fragte er mich aus, erzählte, dass er in Dortmund, Bochum, Köln, Düsseldorf und sogar in Herne gewesen sei, untersuchte meinen Pass auf Fälschungsspuren, fand keine und genehmigte schließlich, dass der Grenzer mich aus Guinea ausstempeln durfte. Nun denn ...
Die Ebola-Kontrolle bei der Einreise nach Sierra Leone war verwaist, ich ging auf Geheiß des Taxifahrers einfach dran vorbei. Der erste Grenze trug meine Daten in einem Buch ein und machte mir, als ich als Beruf "Mathematiker" angab, ein Angebot, doch an einer sierra-leonischen Universität zu lehren ... Naja, was sagste da als Tourist? "Why not?" ("Warum nicht?").
Danach wurde ich ins Interpol-(!)-Buch eingetragen, durfte von dannen ziehen, der sierra-leonische Grenzer begrüßte mich zwar in begrenztem Englisch mehrfach in seinem Land, durfte mich aber auch nicht einstempeln, das machte der eingangs erwähnte Senior Immigration Officer ...
Um 13.33 Uhr hatte ich auch die Ausgangskontrolle aus der Grenzzone überstanden und war ordnungsgemäß in mein 140. Land eingereist. Juchhe!
Es ging weiter, über einwandfreie Straßen (nach eindreiviertel Stunden begegnete uns das erste ernstzunehmende Schlagloch!), aber die sierra-leonischen Behörden ließen es sich nicht nehmen, drei Checkpoints aufzustellen, bei denen zumindest die bekloppten Ausländer jeweils aussteigen und dem Grenzer am Straßenrand Patschehändchen geben mussten.
Freunde, wenn ihr Checkpoints einrichtet, dann checkt dort wenigstens vernünftig was und macht das nicht nur zum Zeitvertreib - der Polizist am ersten Checkpoint meinte dann so schelmisch zu mir, wir seien doch Brüder und er müsste was zu trinken kaufen und so. Zwinker, zwinker ... Ich redete ihm das aus, er meinte, wir wären doch Freunde, ich drückte ihm nochmal freundschaftlich die Hand, seine Kollegen lachten ihn aus, weil er nicht den Euro oder so aus mir rauspresste, und ich lief weiter, zurück zum Auto und ab ging's. Das war allerdings der einzige Versuch der Herbeiführung einer Bestechung hier, und die ging ja auch glimpflich aus - alles gut ...
Auch in Sierra Leone gibt es viele alte LKWs, auf denen die deutsche (oder niederländische) Beschriftung noch gut zu erkennen ist, auch Sierra Leone ist unglaublich grün, und weil es nicht so zersiedelt erscheint wie Guinea, kommt es mir irgendwie sehr karibisch vor mit den rollenden grünen Hügeln, das ist schon sehr schön hier, das muss ich sagen.
Irgendwie kommt mir Sierra Leone auch sauberer vor, das mag an den Schuluniformen der Kinder liegen (das war ja früher britische Kolonie), das mag an den besseren Straßen liegen, wie auch immer - Sierra Leone gefiel mir (abzüglich Botschaft und Polizei-Checkpoints) schon jetzt sehr, sehr gut.
Als wir in Richtung Freetown kamen, begegneten wir auf einmal hochmodernen Mautstationen, die irgendwie komplett aus Europa hierher verpflanzt schienen, nur die Maut kostete gerade einmal 20 Cent fürs Auto, das waren keine europäischen Preise.
Ich war unsicher, ob ich in Waterloo (die haben hier einige Orte, die nach Schlachten benannt sind, Waterloo eben oder Hastings zum Beispiel) aussteigen und mir ein anderes Taxi chartern sollte, um nach Tokeh zu kommen, denn von Waterloo nach Tokeh gibt es zwei Wegen: einmal durch Freetown durch und einmal über den Süden der Halbinsel.
Ich entschied mich falsch, indem ich mich entschied, bis zum Ende der Reise in Freetown mitzufahren, denn die Reise endete am östlichen Stadtrand, sodass ich für Tokeh (was im Westen der Halbinsel liegt) überhaupt nix gewonnen hatte ...
Ich lachte mir einen Taxifahrer an, charterte sein Taxi für 20 Euro, und er fuhr mich die eineinviertel Stunden von Freetown - zurück über Waterloo, den Weg, den wir gekommen waren - über den Süden der Halbinsel nach Tokeh. Ich kam hier im Dunkeln im Hotel an, mit meiner Buchung war irgendwas komisch, sei's drum, denn man führte mich auf mein Zimmer ...
So begeistert war ich von einem Zimmer selten, und wenn es morgen hell wird, dürfte es so sein, dass ich direkt vor meiner Terrasse den Pool und direkt davor den Strand und das Meer habe. Ich hoffe, das wird so, so toll ...
Das Essen (Fish & Chips und danach Shrimps, ich hatte seit gestern Mittag nichts mehr gegessen!) war sehr lecker, und die paar Bier (sierra-leonisches "Star") waren auch gut. Weitermachen!
So - ein Fazit zu diesem Tag:
Ich hatte gestern Abend noch geguckt, ob es vielleicht doch eine Flugverbindung von Conakry nach Freetown gibt. Die hätte es gegeben, mit Turkish Airlines und Umsteigen in Burkina Faso, aber knapp 1.000 Euro wollte ich dann doch nicht ausgeben. Der Tag heute war jetzt nicht der entspannteste und bequemste meines Lebens, aber dafür werde ich ihn so schnell nicht vergessen und mir morgen und übermorgen eine entsprechende Entschädigung hier am Strand abholen (selbst wenn es gewittert ...).
Ständig wird gehupt, in Guinea wie in Sierra Leone, teilweise ohne für mich ersichtlichen Grund, aber wir haben heute nur einen größeren Unfall gesehen und waren auch nur in einen Beinahe-Blechschaden verwickelt, alles halb so wild also ...
Achja, und Ebola: Man sieht zwar an den Grenzen noch Ebola-Warnschildern, und auf Schildern an der Straße wird gegen das Stigma, das Ebola-Überlebenden wohl anhaftet, angekämpft, aber sonst merkt man hier nichts mehr von dem Ausbruch vor drei Jahren - man gibt sich die Hand, man sitzt nebeneinander im Bus auf engstem Raum, alles (wieder) okay, so scheint es ...
Die Fotos sind heute nur begrenzt aussagekräftig, ich wollte nicht mit fünf Guineern im Bus die furchtbaren Straßen fotografieren ...
"No, it is not." ("Nein, st es nicht."), entgegnete ich, und tatsächlich hatte der Kollesch, der erst von seinem Adlatus vom Klo geholt werden musste und nicht etwa in Uniform, sondern in einem mehr oder weniger schicken zivilen Anzug auftauchte, Ausstellungsdatum und Ablaufdatum meines Visums verwechselt ... Saftladen, aber es passt ins Bild der sierra-leonischen Behörden, dazu aber gleich mehr.
Aber fangen wir am besten von vorne an: Um 4 Uhr klingelte mein Wecker. Bäh, wenigstens war ich früh ins Bett gegangen und hatte einigermaßen geschlafen, aber trotzdem ist 4 Uhr, auch wenn es in Deutschland schon 6 Uhr war, nicht so richtig meine Vorstellung von Urlaubsfreuden. Aber was soll's, ich wollte nach Sierra Leone.
Punkt 5 Uhr stand ich unten, der Rezeptionist pennte noch auf seiner Couch und nahm schlaftrunken meinen Schlüssel entgegen. Der Security-Mensch holte für mich im eintrudelnden Gewitter (es tröpfelte stark, aber nichts Dramatisches) ein Taxi, und auf meine Frage, was der Preis für die Fahrt zum gare routière, zum Taxistand für die weiten Fahrten war, tippte er eine "1.000" auf mein Handy. Das wären aber nur 10 Cent gewesen, das konnte nicht stimmen. Also tippte ich eine 0 dahinter, um auf 10.000 zu kommen, und er nickte, gleichzeitig sprachen aber beide wieder auf mich ein. Nun denn, auf ging's.
Das Gefährt mit der obligatorischen geplatzten Windschutzscheibe und der fast obligatorischen Funzel anstelle eines vernünftigen Scheinwerfers fuhr also nun mit mir über die ganz gute Straße raus aus Conakry in einen Vorort, dabei einmal eine Polizeikontrolle - und das Gebrüll der Polizisten - einfach ignorierend (entweder war das dreist oder war bekifft, beides halte ich für gleich wahrscheinlich ...). Er hielt irgendwo im Dunkeln an, ich gab ihm 10.000 Franc (1 Euro), und er fing an zu mosern ...
Er habe "cent mil francs" gesagt, also 100.000 Francs oder 10 Euro. Nun, Freundchen (als ich auf Deutsch "Freund" sagte, verstand er "Boy", was er als rassistisch empfand, woraufhin ich "Freund" als "ami" übersetzte), ihr habt mir beide, Security-Mensch und du selbst, die 10.000 Franc bestätigt. Der Typ machte diesen - typisch westafrikanischen - Laut der Entrüstung, den ich bisher nur von meiner kamerunischen Ex-Kollegin kannte. Bei der passte dieses sehr hoch in der Tonlage gesprochene "eeeh?" irgendwie ins Bild, aber bei gestandenen Männern kommt das für mich immer wieder ein bisschen komisch ... (auch nachher im Überlandtaxi brachte ein anderer Mann so seine Verwunderung zum Ausdruck, da musste ich immer grinsen ...).
Einer der Überlandtaxifahrer schlichtete, und am Ende landeten wir bei 70.000 Franc, weil ich einsah, dass Barrimamadou mich gestern dann wohl doch nicht übervorteilt hatte, sondern einen vernünftigen Preis haben wollte, als er 10.000 Franc für eine kürzere Fahrt auf dem Motorrad haben wollte, aber ganz ehrlich, liebe Leute, Zahlen müsste man doch lesen können - auch als Taxifahrer ...
Nun denn, ich war um kurz vor sechs Uhr am Taxistand, da waren auch schon Leute, ich wurde mehr oder weniger ignoriert, als ich - nachdem mich ein Guide zum Stand geführt hatte - nun an dem Schild "Conakry-Freetown" stand.
Wir warteten und warteten, irgendwann riefen ein paar Leute den Wagen nach Pamelap aus, ich wusste nicht, wo das war, aber der Zufall in Gestalt des Sierra-Leoners Daniel kam nun ins Spiel. Der nämlich kam mit großen Gepäck an und war der Einzige, der vernünftiges Englisch sprach. Ich fragte ihn, wie das hier läuft, und auf den zweiten Anhieb wusste er auch etwas mit mir anzufangen. Er fragte, ob ich unbedingt direkt nach Freetown wolle oder ob es okay sei, auch in den Wagen nach Pamelap, das ist nämlich die guineische Stadt an der Grenze zu Sierra Leone, zu steigen. Das war mir ziemlich wurscht, ich wollte nur endlich weg, also kaufte er für mich eine Fahrkarte nach Pamelap, mein Gepäck kostete zwei Euro (zu den 5,50 Euro für die Fahrt) extra, sei's drum, und irgendwann wurde sein großes und schweres Gepäck aufs Dach geladen, mein Gepäck war im Kofferraum.
Daniel hielt mich vom Geldwechsel ab, weil er wusste, dass es in Guinea noch einige Wegelagerer in Form von Soldaten gibt, der Geldwechsler versicherte, dass das nur zwei Checkpoints wären und das den Ausländer insgesamt 1,50 Euro (einen Euro am ersten und fünfzig Cent am zweiten) kosten würde, aber Daniel war sich da nicht ganz so sicher ... Also wechselte ich erstmal kein Geld (und machte damit auch keinen Fehler).
Um 7.30 Uhr, also nach fast zwei Stunden Wartezeit, ging es dann endlich los, ich teilte mir mit drei Männern eine Bank, das war einfach nur unbequem, aber für ein paar Stunden erträgt man ja so manches (und ich schwor mir, nie wieder die Möglichkeit auszuschlagen, für den doppelten Preis auf den Beifahrersitz zu kommen).
Es ging los, auch dieses Auto hatte völlig anzeigeunfähige Armaturen, aber der elektrische Fensterheber funktionierte. Halleluja. Die Fahrt aus Conakry ging einigermaßen schnell, und sobald wir die Stadt verlassen hatten, zeigte sich Guinea in seiner vollen, grünen Pracht, mit morgendlichen Nebelschwaden, die die Hügel umhüllten - das war sehr schön, das muss ich sagen.
Etwa gleichzeitig mit dem Verlassen der Hauptstadt wurde die Straße aber schlechter und ging von "Straße mit Schlaglöchern" schrittweise und errativ über in Schlammpisten mit automobilgroßen Schlaglöchern von teilweise einem halben Meter Tiefe, durch die unser (höhergelegtes) Auto mit Müh und Not kam. Der Achszapfen hinten links machte keinem Insassen große Freude, denn das Auto knarzte und schaukelte und machte und tat, und jeder hoffte inständig, dass wir nicht plötzlich vollbremsen müssten, denn bei jedem Bremsvorgang schlug das hinten in dem Rad herum wie sonstwas.
So katastrophal schlechte Straßen habe ich auf einer Hauptverkehrsstraße (das ist ja die Straße zwischen der guineischen und der sierra-leonischen Hauptstadt!) noch nie gesehen, wenn ich das überhaupt schon mal gesehen habe.
Den Vogel schoss das Stück kurz vor der Grenze ab, denn da war die Straße völlig verschwunden, und es gab eine Seenlandschaft auf der Straße, bei der die Seen mehrere Meter lang waren. Zwei Jungs liefen vor uns her, um uns die am wenigstens absaufgefährdete Strecke zu signalisieren und bekamen danach (von den Afrikanern!) dafür ein Trinkgeld.
Da sprachen auch die Leutchen im Bus auf einmal mit mir und meinten: "Africa is good, isn't it?" ("Afrika ist gut, gell?") Mein "yes, absolutely" ("ja, absolut") sorgte für schallendes Gelächter im ganzen Bus ...
Wir gehörten zu den Glücklichen, deren Auto diese Tortur gut überstand (viele LKWs und Transporter waren mitten im Weg liegengeblieben), die Motorräder fuhren an uns vorbei, bei einem hielt der Sozius eine Schubkarre hinter sich fest, die einfach mitgezogen wurde - unfassbar das Ganze, unfassbar ...
Der Geldwechsler hatte recht behalten, und die Organisation der Bestechung in Guinea ist vorbildlich. Der Fahrer kündigt den Checkpoint ein paar Minuten vorher an, es wird gesammelt im Bus, der Fahrer gibt das Geld ab, das Militär gibt den Weg frei - so soll es sein oder vielleicht eher doch nicht ... Zumindest ist man schnell durch.
Wir kamen, noch in Guinea, auf das allerletzte Stück Etappe, und die Straße wurde von der Europäischen Union finanziert. Die Guineer im Bus meinte zu mir "Alpha Condé finish", was ich als "Hier hört das Reich von [Guineas Präsident] Alpha Condé auf" interpretierte. Na, meinerwegen.
Die Straße bis Pamelap war jetzt gut, aber es warne ja nur noch ein paar Kilometer.
In Pamelap kamen wir so gegen 12 Uhr an und wurden sofort von Leuten umzingelt, die uns in ihre Autos nach Sierra Leone schaffen wollten. Daniel hielt sie alle erstmal auf Abstand, deponierte sein Gepäck bei mir und suchte uns erstmal ein Auto. Er tat einen Beifahrersitz (doppelter Preis, aber immer noch nur neun Euro) für mich auf in einem Auto, das "gleich" losfahren sollte, sodass ich vor Einbruch der Dunkelheit ankäme, was sicherer wäre. Na, vielen Dank auch ...
Wir trennten uns also hier, Daniel und ich, und auch wenn ich nicht so ganz sicher bin, was er - wie er erzählte - neulich in Gummersbach mit Flüchtlingen getrieben hat, war das wieder einmal ein Beispiel, dass Menschen jedenfalls teilweise einfach gut sein können. Vielen Dank, lieber Daniel, für deine Unterstützung!
Von "gleich losfahren" konnte natürlich keine Rede sein, aber etwa eine halbe Stunde später ging es dann wirklich los. Das Auto war fast leer, weil die zwei Familien, die hintendrin saßen, schon über die Grenze waren (die Guineer und Sierra-Leoner machen an der Grenze nicht so'n Mist mit Stempeln und so ...), sodass nur der Fahrer, ein älterer Herr und ich die Grenze in Angriff nahmen.
Der guineische Grenzer suchte erstmal den commissaire, dessen Tür aber zu war. Er versuchte, ihn anzurufen, irgendwann tauchte er auf und führte mich in sein Büro. In gutem Englisch fragte er mich aus, erzählte, dass er in Dortmund, Bochum, Köln, Düsseldorf und sogar in Herne gewesen sei, untersuchte meinen Pass auf Fälschungsspuren, fand keine und genehmigte schließlich, dass der Grenzer mich aus Guinea ausstempeln durfte. Nun denn ...
Die Ebola-Kontrolle bei der Einreise nach Sierra Leone war verwaist, ich ging auf Geheiß des Taxifahrers einfach dran vorbei. Der erste Grenze trug meine Daten in einem Buch ein und machte mir, als ich als Beruf "Mathematiker" angab, ein Angebot, doch an einer sierra-leonischen Universität zu lehren ... Naja, was sagste da als Tourist? "Why not?" ("Warum nicht?").
Danach wurde ich ins Interpol-(!)-Buch eingetragen, durfte von dannen ziehen, der sierra-leonische Grenzer begrüßte mich zwar in begrenztem Englisch mehrfach in seinem Land, durfte mich aber auch nicht einstempeln, das machte der eingangs erwähnte Senior Immigration Officer ...
Um 13.33 Uhr hatte ich auch die Ausgangskontrolle aus der Grenzzone überstanden und war ordnungsgemäß in mein 140. Land eingereist. Juchhe!
Es ging weiter, über einwandfreie Straßen (nach eindreiviertel Stunden begegnete uns das erste ernstzunehmende Schlagloch!), aber die sierra-leonischen Behörden ließen es sich nicht nehmen, drei Checkpoints aufzustellen, bei denen zumindest die bekloppten Ausländer jeweils aussteigen und dem Grenzer am Straßenrand Patschehändchen geben mussten.
Freunde, wenn ihr Checkpoints einrichtet, dann checkt dort wenigstens vernünftig was und macht das nicht nur zum Zeitvertreib - der Polizist am ersten Checkpoint meinte dann so schelmisch zu mir, wir seien doch Brüder und er müsste was zu trinken kaufen und so. Zwinker, zwinker ... Ich redete ihm das aus, er meinte, wir wären doch Freunde, ich drückte ihm nochmal freundschaftlich die Hand, seine Kollegen lachten ihn aus, weil er nicht den Euro oder so aus mir rauspresste, und ich lief weiter, zurück zum Auto und ab ging's. Das war allerdings der einzige Versuch der Herbeiführung einer Bestechung hier, und die ging ja auch glimpflich aus - alles gut ...
Auch in Sierra Leone gibt es viele alte LKWs, auf denen die deutsche (oder niederländische) Beschriftung noch gut zu erkennen ist, auch Sierra Leone ist unglaublich grün, und weil es nicht so zersiedelt erscheint wie Guinea, kommt es mir irgendwie sehr karibisch vor mit den rollenden grünen Hügeln, das ist schon sehr schön hier, das muss ich sagen.
Irgendwie kommt mir Sierra Leone auch sauberer vor, das mag an den Schuluniformen der Kinder liegen (das war ja früher britische Kolonie), das mag an den besseren Straßen liegen, wie auch immer - Sierra Leone gefiel mir (abzüglich Botschaft und Polizei-Checkpoints) schon jetzt sehr, sehr gut.
Als wir in Richtung Freetown kamen, begegneten wir auf einmal hochmodernen Mautstationen, die irgendwie komplett aus Europa hierher verpflanzt schienen, nur die Maut kostete gerade einmal 20 Cent fürs Auto, das waren keine europäischen Preise.
Ich war unsicher, ob ich in Waterloo (die haben hier einige Orte, die nach Schlachten benannt sind, Waterloo eben oder Hastings zum Beispiel) aussteigen und mir ein anderes Taxi chartern sollte, um nach Tokeh zu kommen, denn von Waterloo nach Tokeh gibt es zwei Wegen: einmal durch Freetown durch und einmal über den Süden der Halbinsel.
Ich entschied mich falsch, indem ich mich entschied, bis zum Ende der Reise in Freetown mitzufahren, denn die Reise endete am östlichen Stadtrand, sodass ich für Tokeh (was im Westen der Halbinsel liegt) überhaupt nix gewonnen hatte ...
Ich lachte mir einen Taxifahrer an, charterte sein Taxi für 20 Euro, und er fuhr mich die eineinviertel Stunden von Freetown - zurück über Waterloo, den Weg, den wir gekommen waren - über den Süden der Halbinsel nach Tokeh. Ich kam hier im Dunkeln im Hotel an, mit meiner Buchung war irgendwas komisch, sei's drum, denn man führte mich auf mein Zimmer ...
So begeistert war ich von einem Zimmer selten, und wenn es morgen hell wird, dürfte es so sein, dass ich direkt vor meiner Terrasse den Pool und direkt davor den Strand und das Meer habe. Ich hoffe, das wird so, so toll ...
Das Essen (Fish & Chips und danach Shrimps, ich hatte seit gestern Mittag nichts mehr gegessen!) war sehr lecker, und die paar Bier (sierra-leonisches "Star") waren auch gut. Weitermachen!
So - ein Fazit zu diesem Tag:
Ich hatte gestern Abend noch geguckt, ob es vielleicht doch eine Flugverbindung von Conakry nach Freetown gibt. Die hätte es gegeben, mit Turkish Airlines und Umsteigen in Burkina Faso, aber knapp 1.000 Euro wollte ich dann doch nicht ausgeben. Der Tag heute war jetzt nicht der entspannteste und bequemste meines Lebens, aber dafür werde ich ihn so schnell nicht vergessen und mir morgen und übermorgen eine entsprechende Entschädigung hier am Strand abholen (selbst wenn es gewittert ...).
Ständig wird gehupt, in Guinea wie in Sierra Leone, teilweise ohne für mich ersichtlichen Grund, aber wir haben heute nur einen größeren Unfall gesehen und waren auch nur in einen Beinahe-Blechschaden verwickelt, alles halb so wild also ...
Achja, und Ebola: Man sieht zwar an den Grenzen noch Ebola-Warnschildern, und auf Schildern an der Straße wird gegen das Stigma, das Ebola-Überlebenden wohl anhaftet, angekämpft, aber sonst merkt man hier nichts mehr von dem Ausbruch vor drei Jahren - man gibt sich die Hand, man sitzt nebeneinander im Bus auf engstem Raum, alles (wieder) okay, so scheint es ...
Die Fotos sind heute nur begrenzt aussagekräftig, ich wollte nicht mit fünf Guineern im Bus die furchtbaren Straßen fotografieren ...
Unser Gefährt in Guinea |
Straße schon in Sierra Leone (gut!) |
Blick auf Sonnenuntergang und Nationalpark |
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