Meine Länder

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Freitag, 1. Mai 2015

Röcke

... viele Röcke und viele schwarze Anzüge haben wir heute gesehen, denn wir haben eine Stippvisite nach Jerusalem unternommen.

Gestern Abend bekam ich noch einen ziemlichen Schreck, weil ich, als ich mein Handy auf das israelische Netz freischaltete, auf einmal zwei SMS bekam, dass wir unsere Fahrräder nicht ordnungsgemäß zurückgegeben hätten. Ohje. Ich zog mich also schnell an, ging runter an den Stand, wo wir die Fahrräder abgegeben haben, keine Fahrräder mehr da. Mist! Aber wenigstens kam ich auf die Idee, zu gucken, ob ich neue ausleihen kann (weil man nur neue Fahrräder ausleihen kann, wenn man die alten abgegeben hat). Das ging, sodass ich nun davon ausgehe, dass die SMS sich auf doch schon abgeschlossene Ausleihvorgänge bezogen, in denen wir drei Sekunden später die Fahrräder "richtig" abgegeben haben. Trotzdem war das ein ganz schöner Schreck.

Gut schlafen konnte ich trotzdem, da ich - wie meine Ma - ziemlich k.o. war. Weil wir gestern früh ins Bett gegangen waren, waren wir heute Morgen entsprechend früh wach. Auf in die Fluten, die ebenso wie gestern Abend durchaus wellig waren. Soooooooooo schön. Speziell, wenn man dann vom Meer oder vom Strand aus diesen fantastischen Blick auf Alt-Jaffa hat. Meine Ma versteht inzwischen, wieso ich so begeistert von Israel im Allgemeinen und Tel Aviv im Besonderen bin.

Nach dem Duschen gingen wir zu unserer Bushaltestelle, verpassten den ersten Bus zum Busbahnhof, weil der Kassierer im Supermarkt, in dem ich zwei Flaschen Wasser kaufte, unglaublich, wirklich unglaublich langsam war, aber erwischten dann wenigstens den zweiten Bus. Im labyrinthartigen Busbahnhof von Tel Aviv fanden wir die Verkaufsstelle für die Fahrkarten nach Jerusalem trotzdem recht schnell (und auch einen Verkaufsstand von sehr leckerem Brot und leckeren Teilchen, der ganz speziell meine Ma begeisterte) und ab ging die einstündige Fahrt durch ein zunächst flaches fruchtbares, danach hügeliges recht bebautes Gebiet. Als unser Busfahrer sein armes Gefährt ziemlich bergauf quälte, waren wir fast schon in Jerusalem und hatten unterwegs ein Zipfelchen des Westjordanlandes, zumindest in den Grenzen von 1967, durchfahren. Merken tut man das nicht.

Am Busbahnhof in Jerusalem stiegen wir aus und sprangen Minuten später in die Buslinie 1, die uns - auf Umwegen - direkt zum Eingang zur Klagemauer fuhr, die eigentlich einfach nur "Westmauer" heißt, weil die Juden an der Mauer keineswegs klagen, sondern einfach nur beten. Sei's drum. Wie schon vor zwei Jahren ist die Westmauer sehr, sehr, sehr beeindruckend. Meine Kippa kam mal wieder zum Einsatz, aber ohne Schirmmütze war die Sonne zu drückend, mit Kippa und Schirmmütze war's zu warm, sodass ich am Ende nur mit meiner Sparkassen-Schirmmütze durch die Gegend lief. War ja auch eine Kopfbedeckung ...

Nach dem Besuch an der Westmauer liefen wir ein wenig durch die Altstadt von Jerusalem, die zur Mittagszeit am Freitag recht leer war: Viele (muslimische) Händler und viele (muslimische) Käufer waren offenbar zum Mittagsgebet, sodass da kaum Gedränge war: sehr angenehm. Ebenfalls sehr angenehm war, dass die (wenigen) Händler einen dann auch nicht doof von der Seite anquatschten, sondern in Ruhe gucken ließen. Meine Ma kaufte zu akzeptablem Preis eine kleine blau-weiße Schale, eher wir wieder zurück zur Klagemauer gingen.

Den heutigen Tag hatte ich als Ausflugstag wieder einmal extrem clever gewählt, weil man am Freitag nicht auf den Tempelberg kommt, weil das Freitagsgebet auch in Jerusalem am Freitag stattfindet. Illigenzbestie, ich ...

Naja, vielleicht fahre ich für 4,50 € pro Strecke am Sonntag nochmal hoch nach Jerusalem, man ist ja in einer Stunde von Busbahnhof zu Busbahnhof, das kann man schon mal machen.

Wir fuhren wieder vom Dungtor zurück zum Busbahnhof und fuhren wieder - wie auf dem Hinweg - durch Viertel, in denen eine beachtliche Anzahl von orthodoxen Juden lebt: Ich habe erst in der Innenstadt die erste Frau mit einer Hose gesehen, ansonsten trägt da jede, aber wirklich jede Frau, einen Rock, der zumindest die Knie bedeckt. Männer ohne Kippa sind genauso rar gesät wie Frauen in Hosen, denn fast jeder trug diese orthodoxe Standarduniform aus weißem Hemd und schwarzer Hose, viele dazu ein schwarzes Sakko oder gar einen Mantel; jeder trug natürlich eine Kippe oder einen dieser breitkrempigen Hüte, sehr viele auch Schläfenlocken. Hallo, ich bin in Jerusalem! Es ist aber manchmal ziemlich lustig, einen Zehnjährigen in diesen Klamotten zu sehen, das sieht dann wirklich ein bisschen übertrieben aus, aber wem's gefällt ...

Die Central Bus Station von Jerusalem ist nicht ganz so labyrinthartig wie die von Tel Aviv, sodass wir relativ schnell die Ticketstation und dann auch den Ausgang zum Bus nach Tel Aviv fanden. Wieder waren wir eine gute Stunde unterwegs, und diesmal sanken unsere Köpfe auch ab und zu gen Scheibe.

Von der Bushaltestelle an der Allenby-Straße ging es schnurstracks in Richtung Strandkneipe, schließlich hatten wir Hunger und Durst. Lecker Schawarma und lecker Tintenfisch wechselte den Besitzer, dazu gab's Hopfenkaltschalen in jeweils doppelter Ausführung, und der Blick auf den Strand gab's dazu, zwar nicht gratis, aber fast. Ach Leute, Tel Aviv ist einfach soooooooo schön. Und daran ändern auch die vielen französischsprachigen Menschen, die um einen herum sitzen, nichts ...

Ich führte meine Ma zum Schluss dann noch zu Molly Bloom's, einem Irish Pub in der Nähe des King-David-Hotels, wo wir noch einen Absacker zu uns nahmen, ehe wir jetzt wieder - für Tel Aviv relativ früh - im Bettchen sind.

Morgen ist Sabbat, also nix da mit Irgendwohinfahren, also ganz in Ruhe faulenzen. Wird auch toll.

Jetzt noch ein paar Fotos:
Strand in Tel Aviv

Blick auf Jaffa

In der Altstadt von Jerusalem

Blick auf die Westmauer (Klagemauer), rechts im Bild die Al-Aksa-Moschee

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