Max, ein tadschikischer Student, der uns auf dem Hinweg zu dieser Gaststätte fast direkt neben unserem Hotel abgefangen und - sehr sympathisch - ein Gespräch ans Bein gebunden hatte, um seine Englischkenntnisse aufzubessern, wurde sofort befragt, wo es denn hier - im Ramadan! - ein wohlverdientes Bier nach einer staubigen Tour heute (gleich mehr!) gebe. Er fragte seinen Kumpel, den Taxifahrer, und bot uns natürlich dessen Dienste an, verwies uns aber nur auf einen Supermarkt (in dem es, wie sich herausstellte, ungekühltes Bier gab) und auf eine Gaststätte, die wir suchten, aber erst von Google in die falsche Straße gelockt wurden und dann an der richtigen Stelle feststellen mussten, dass es geschlossen hat ... Gegenüber war aber eine Kneipe, und das war die Lamm-Rind-Kneipe ...
Nach dieser maximal unlinearen Einstiegserzählung (und ja, ich erzähle noch, ob wir an Bier gekommen sind) springen wir noch einmal zurück an den heutigen Morgen: Das Aufstehen war einigermaßen machbar, auch wenn sowohl meine Mutter als auch ich unglaublichen Unfug geträumt hatten, und um kurz nach sieben war wir beim Frühstück. Am Ende wurde es ein bisschen hektisch, weil das Frühstück ein bisschen spät kam, aber wir wären pünktlich zur Abholzeit fertig gewesen, wenn sich bei der Rechnung nicht noch ein Fallstrick aufgetan hatte: Meine Mutter hatte gestern die über das 100-Somoni-Limit hinausgehenden Bestellungen beim Frühstück bezahlt, aber das wollten sie uns heute noch einmal abnehmen. Ich unterstelle hier in Tadschikistan grundsätzlich eher Unbeholfenheit als betrügerische Absicht, und dementsprechend entspannt blieb ich - das Ganze wurde zu unseren Gunsten geklärt, und ab ging die Fahrt ...
Zunächst ging es durch die sehr fruchtbare Ebene, die ich als westliche Ausläufer des Ferganatals bezeichnen würde, die schneebedeckten Berge des Pamir bildeten einen fantastischen Hintergrund. Es fahren hier mehr Opel als in Deutschland, es ist unglaublich ... Hinter Shakhristan ging es so langsam die Berge hoch, und kaum hatten wir uns versehen, hielt der Fahrer vor dem Shakhristan-Tunnel für einen "Fotostop" ... Wir machen Fotos von der atemberaubenden Gebirgslandschaft, danach ging es durch den ebenso atemberaubenden (weil stockdunklen) Tunnel - dass unser Fahrer nichtsdestotrotz im Tunnel einen Lkw überholte, versteht sich von selbst - schließlich hätte man Gegenverkehr ja gesehen ...
Als wir aus dem 2.751 Meter hochgelegenen Tunnel herauskamen, waren wir in einer Landschaft mit sehr viel Schnee, aber die Straße war, soweit nötig, freigefräst ... Ab hier ging es bergab, wir guckten nicht ganz so gerne vorne oder zur Seite raus, denn es ging 200, 300 Meter einigermaßen senkrecht bergab, und Leitplanken gab es selten, häufiger gab es dreißig Zentimeter hohe Erdwälle, die im Falle eines Falles eher als Sprungschanze gedient hätten als uns aufgehalten ... Feuchte Hände? Ich? Aber sicher!
"'Ne Achterbahnfahrt ist vom Adrenalin-Kick her 'n Scheißdreck dagegen", so darf ich eine mitfahrende Person zitieren, denn natürlich sind da auch Lkws auf dieser Hauptverbindungsstraße zwischen Chudschand und Duschanbe unterwegs, die dann auch überholt werden ... Eine weitere Gefahrenquelle besteht durch Kuhschlag, denn da stehen oberhalb der Straße an einigen Stellen Kühne im Abhang, und keinen von uns hätte es gewundert, wenn da ab und zu so eine Kuh auf die Straße purzeln würde ...
Achso, und unterwegs lag ein Hund mitten auf der Straße und ließ sich nicht stören, zumal alle Autos um den herumfahren - ganz entspannt blieb der, ganz entspannt ...
In Aini im Hochtal ging es - Blicke auf die canyonartige Schlucht des Serafschan-Flusses inklusive - auf die Straße in Richtung Pandschakent ...
Wir waren gerade vier Stunden unterwegs gewesen, da ging es - plangemäß - von der Hauptstraße ab, hoch in die Berge zu den Sieben Seen. Sergey, unser Tourveranstalter (nicht unser Fahrer!), hatte uns gestern noch ein Allradauto untergejubelt (ohne Aufpreis), und das war gut so, denn schon bald wurde die bis dahin weitgehend (für uns durchaus nicht unüberraschend) hervorragende Straße durch eine Schotter- und wenig später durch eine Schlaglochpiste ersetzt.
Die Sieben Seen sind eine Kette von - wenig überraschend - sieben Seen, die hoch im Fann-Gebirge liegen, und so fuhren wir - die Straße wurde immer schlechter, es machte noch mehr Spaß, auch wenn bzw. weil wir in dem Auto herumgewirbelt wurden wie einst in der Mongolei - immer höher in den Berg hinein, dieses kristallklare Wasser war ganz großartig, die Aussicht auf die schneebedeckten Berge ebenso - ganz, ganz toll ...
Am sechsten See drehten wir um - auf etwa 2.150 Metern -, weil unser Fahrer und ein gegenläufiger Busfahrer (da fuhren Busse über die Schlaglochpiste!) sich verständigt hatten, dass die Fahrt zum siebten See nicht möglich sei; Sergey wurde angerufen und der erläuterte uns, dass wir zwei Stunden dorthin wandern könnten und der Fahrer auf uns warten würde. Das wurde dankend abgelehnt, sodass wir - nach diversen Fotos - wieder zurückfuhren und dabei sogar durch das Bett des vierten Sees fuhren, weil die Seen insgesamt niedrigen Wasserstand hatten. Am Ende waren wir vier Stunden auf der Schlaglochpiste und insgesamt achteinhalb Stunden unterwegs gewesen, aber die Zeit war wie im Fluge vergangen, und uns ging es trotz der ganzen Sitzerei und dank des regelmäßigen Aussteigens ganz gut ...
Der Check-in im Hotel funktionierte problemlos, wir wanderten in Richtung Stadt, trafen Max, liefen weiter, fanden die Gaststätte und verließen sie wieder.
Auf dem Hinweg hatten wir einen Supermarkt aufgetan, in dem es gekühlte hopfenhaltige Getränke gab, und dort wurde für den Heimweg eingekauft. Jetzt sitzen wir bei Jessi und Christian auf dem Zimmer, genießen das Feierabendbier und sind gespannt auf die morgige Tour über die tadschikisch-usbekische Grenze nach Samarkand.
Achso: Bei der Bezifferung der Höhe der Baumgrenze habe ich mich so dermaßen verschätzt, dass meine Mutter mich die ganze Zeit spöttisch anguckte, in dem Fall aber leider zu recht ... Aber das ist halt Biologie, also Grünzeug, also eher nix für mich ...
Noch einige Beobachtungen, die in der Tourbeschreibung nicht so richtig Platz fanden: Während Chudschand schon einigermaßen modern ist, fragten wir uns in diversen Dörfern da an der Schlaglochpiste auf 1.700 oder 1.900 Metern, wie die überhaupt Geld verdienen, denn jeden Tag nach Pandschakent zu fahren, wäre ja eine mehrstündige Pendelei, und so viel Landwirtschaft gibt es da oben im kargen Berg irgendwie auch nicht ...
Für die Kinder unterwegs und auch hier in Pandschakent sind wir westliche Ausländer richtige Attraktionen, da wird das rudimentäre Englisch ausprobiert, da wird dem Ausländer gewunken und ein "Hello!" zugerufen, manch einer kriegt noch ein "How are you?" hin, es ist fast schon süß ... 2019 waren anscheinend weniger als 4.000 Deutsche (im ganzen Jahr!) in Tadschikistan, und man merkt, dass das hier noch alles andere als touristisch ist - aber das macht ja, alles in allem, hier auch ein großes bisschen den Charme aus ...
Unterwegs in Richtung der Berge |
Shakhristan-Tunnel |
Blick vom Tunnel in Richtung Tal |
... und weiter in Richtung Tal |
Unser Toyota-Jeep |
Erster See (glaube ich) |
Fünfter See (wahrscheinlich) |
... oder vielleicht ist das der fünfte See? |
Müsste der sechste See sein ... |
Zurück bei Sonnenschein |
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