Meine Länder

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Sonntag, 16. April 2023

Der Mann mit dem Hammer

... hatte sich gestern die ganze Zeit schon angekündigt (auch auf der Autofahrt, bis ich das Radio auf lauter stellte), und als ich - wieder einmal - nach sehr gutem Essen im Schnitzer am Tisch saß und bald eingeschlafen wäre, machte ich mich - auf vermeintlich französische Weise, also ohne große Verabschiedung - auf nach Hause. Ich putzte mir noch die Zähne, dann war ich vor 19.30 Uhr im Bett und schlief bis heute Morgen fast durch, so durch, wie man halt in meinem Alter noch durchschlafen kann ...

Es war toll, das wird niemanden überraschen; es war anstrengend, auch das wird keinen wundern, der in den letzten Tagen mehr oder weniger regelmäßig diesen Blog gelesen hat; und es war eine ganz wunderbare Abenteuerreise in einen Winkel der Erde, der mit der von mir ja an sich bevorzugten Beschreibung "zwischen Afghanistan und Sibirien" nicht wirklich viel zu tun hat.

Die Blogeinträge abends, entweder beim oder - noch schlimmer - nach dem Bier geschrieben, sollen ja - so ist mein wohldurchdachtes Konzept, höhö - die Fakten des Tages, die Stimmung unterwegs, die Kleinigkeiten beschreiben, die mir am Tag auffallen und die ich sonst vergesse; in meinem Fazit - Christian nennt das in seinen Facebook-Posts ebenso zutreffend "Nachlese" - versuche ich die Reise - mit ein bisschen Abstand, nicht völlig übermüdet und vor allem nüchtern (in mehreren Bedeutungen) - ein bisschen einzuordnen, was mich so über die Tage hinweg bewegt und beschäftigt hat. Mal sehen, ob das dieses Mal gelingt ...

Das Erste, was auf der Reise auffällig war, war, wie entspannt die Grenzer und Zöllner unterwegs waren. Wir mussten keine einzige Zollerklärung oder Einreisekarte ausfüllen, weder am Flughafen noch an den Landgrenzen (das war 2017 in Usbekistan noch ganz deutlich anders gewesen), der eine oder andere Grenzer begrüßte einen sogar ausdrücklich in seinem Land, die Ein- und Ausreisen gingen überall ziemlich fix (am längsten dauerte die Einreise nach Kasachstan, aber auch da waren wir in, keine Ahnung, einer Viertelstunde durch). Dass wir in Usbekistan, Tadschikistan und Kasachstan visumsfrei einreisen konnten (so wie es für Kirgisistan auch gegangen wäre), ist nicht selbstverständlich, die Tadschiken haben die Visumsfreiheit für Deutsche erst 2022 eingeführt, die Usbeken 2019 (denn 2017 benötigten wir noch ein Visum), und Kirgisistan und Kasachstan waren auch nicht wesentlich früher dran (nämlich 2012 bzw. 2014). Jetzt fehlt nur noch Turkmenistan (aber das kommt nicht so schnell, fürchte ich) - und natürlich Russland (ist das noch Zentralasien?), aber auch da stehen sicherlich, sagen wir, geopolitische Gründe im Raum, die vielleicht auch nicht so schnell abgeräumt sein werden. Geklappt hat das an den Grenzen also jeweils wunderbar, auch wenn der eine usbekische Visumsverlanger und der kasachische Grenzer, der - nach Christians Erzählung - eher sparsam schaute, als er bei der Ausreise aus Kasachstan unseren Einreisestempel vom gleichen Tag sah, aber sogleich von seinem Chef zur Weiterarbeit angetrieben wurde, noch ein (wirklich nur klitzekleines) bisschen Sand ins Getriebe streut. (Übrigens benötigen die Menschen dort offenbar auch einen richtigen Reisepass zum Grenzübertritt, Personalausweise scheinen nicht zu genügen.) Achso, und dass die usbekische Ausreise elektronisch geht, am Flughafen wie an der kasachisch-usbekischen Grenze (da sogar für die Einreise!), das ist fast schon vorbildlich, zumal die menschlichen Grenzer deutlich länger zum Durchwinken brauchen als der Automat (beim Automaten stempelt zwar immer noch einer, aber der stempelt eher "blind", sobald der Computer einen durchgewunken hat).

Das Zweite, was auffällt, wenn man irgendwo ankommt - jedenfalls dann, wenn man ein Fahrzeug benutzt, um zum Hotel zu kommen -, ist, wie die Menschen fahren, und das, meine Damen und Herren, ist gewöhnungsbedürftig, aber auch gewöhnungsfähig: Ich habe auf der ganzen Tour keinen Unfall gesehen, und das ist überraschend, so brutal, wie die Männer (und wir haben nur Männer fahren sehen) durch die Gegend heizen. Die technische Ausstattung ist gefühlt ein Jahrzehnt oder so hinter unserer zurück (Usbekistan ist übrigens fest in Chevrolet-Hand, Tadschikistan ist Opel-dominiert), Anschnallen ist nur auf den Vordersitzen und dann auch nur der Polizei wegen angesagt, der Kofferraum steht auch mal offen (oder der Koffer wird aufs Dach gebunden), aufgefahren wird sehr dicht, ebenso wird dicht an anderen Autos vorbeigefahren, aber man das natürlich auch umdrehen und sagen, dass die Autofahrer dort eine sehr gute Fahrzeugbeherrschung haben. Offene Korruption haben wir auf der Straße keine gesehen, nur einmal musste unser Fahrer (der auf der langen Tour) anhalten; er hielt ein Schwätzchen mit den Polizisten, die guckten ins Auto ("hello!" allenthalben), wir guckten alle, ob er was zahlt/zahlen muss, haben aber alle nichts gesehen.

Überhaupt, Shariyor, unser Fahrer von Chudschand nach Pandschakent, war fantastisch - ja, der spricht kaum ein Wort Englisch (außer "driver" und "photo stop"), aber wie der den Geländewagen über die Schlaglochpiste zu den Sieben Seen bugsierte, das war schon sehr gut, und auch im Berg, bei Schnee, war ich froh, dass er gefahren ist, weil er sich dort auskennt. Insgesamt aber sind die Straßen sowohl in Usbekistan als auch in Tadschikistan den Umständen entsprechend recht gut - richtig furchtbare Schlaglochpisten gab es (mit der großen Ausnahme Sieben Seen natürlich) keine, meist waren die Straßen recht ordentlich asphaltiert, das schlechteste Hauptverbindungsstück, an das ich mich jetzt erinnere, war von der tadschikisch-usbekischen Grenze hinter Pandschakent nach Samarkand, aber auch da konnte unser (Renn-)Fahrer oft mit 100 Sachen über die Piste heizen.

Für Taxis haben wir viel Geld ausgegeben, auch weil ich die Taxi-App der GUS-Staaten nicht herunterladen konnte, weil das nur mit einer Nummer funktioniert, die in diesen Staaten angelegt ist. Das war insofern ärgerlich, als wir das Doppelte und Dreifache dessen bezahlt haben, was ein Mensch mit App gezahlt hätte, und es eben keinen wirklich Sinn ergibt für diesen Betreiber, weniger Umsatz zu machen ... Alles in allem waren aber die meisten Taxifahrten tat- und schuldangemessen, sodass wir da jetzt auch nicht arm geworden sind, auch weil wir alles durch vier teilen konnten.

Das Dritte, was auffällt, wenn man dann im Land ist, ist die (manchmal etwas unbeholfene) Freundlichkeit der Menschen. Ja, im Geschäftsleute-Hotel in Taschkent bekommt man professionelle, aber auch ein bisschen oberflächliche Freundlichkeit (obwohl da auch die eine Bedienung mit ihrem Englisch und einem großen bisschen Deutsch glänzte und sich - glaube ich - ernsthaft darüber freute, dass wir immer wiederkamen und mit ihr Deutsch sprachen), und oberflächliche Freundlichkeit ist immer noch viel besser als tiefgründige Schroffheit! Was ich aber immer wieder schön fand, war das Gefühl, dass die Menschen sich wirklich freuen, uns helfen zu können, uns zu Gast zu haben in ihrem Land, und wenn da mal - auf beiden Seiten - aufgrund der Sprachbarriere (und weil entweder Google Translate oder das WLAN nicht funktionieren) etwas danebengeht, dann tut es das halt, aber das ist dann auch nicht schlimm. Die Dankesgeste, bei der man die Hand aufs Herz legt und sich kurz verbeugt, haben wir uns jedenfalls schnell angewöhnt, zumal sie auch als Gruß verwendet wird, und da freute sich jeder.

In Usbekistan haben wir vom Ramadan, der in wenigen Tagen endet, so überhaupt nichts mitbekommen, da gab es Essen und Trinken auf der Straße, alles kein Thema. In Tadschikistan hingegen merkte man den muslimischen Einfluss vergleichsweise stark, und das hat mich in einem ehemaligen sowjetischen Land wirklich ein bisschen überrascht: Es war nicht ganz so einfach, tagsüber etwas zu essen zu bekommen (insbesondere im eher ländlichen Pandschakent), und Alkohol in Gaststätten klappte überhaupt nicht. Es gab allerdings sowohl in Chudschand als auch in Pandschakent mindestens einen Laden, der - notfalls mit einem Tuch vor Blicken von außen geschützt - Alkohol (bis hinauf zum hochprozentigen Wodkagedöns) anbot; und der in Chudschand war praktischerweise (wobei ich nicht sicher bin, dass das ein Zufall war ...) direkt neben dem Hotel.

Dort kauften wir ab und zu Bier und durften das dann - ich konnte es kaum glauben und fragte deswegen mehrfach nach - auf die Terrasse des Hotelrestaurants mitnehmen und dort konsumieren (selbst Gläser bot man uns an!). Hier machten wir am ersten Abend auch den Fehler, dass wir auswärts aßen, weil ich dachte, dass das Restaurant im Umbau (war es) und deswegen die Küche geschlossen sei (war sie nicht); am zweiten Abend in Chudschand hatten wir im Restaurant Omar Khayyam das beste Essen der gesamten Reise, da stimmte einfach alles ...

Aber auch sonst sind wir ganz offensichtlich nirgendwo verhungert, das Essen im Hotel in Taschkent war immer wieder lecker (wenn auch für Usbekistan ziemlich teuer), sodass wir immer wieder kamen (und weil es praktisch ist, nach dem Abendessen gleich ins Bett zu können), das Mittagessen in Chudschand in dem Schnellrestaurant wird uns vor allem wegen meiner längeren unentschuldigten Abwesenheit auf der Suche nach einem Geldautomaten in Erinnerung bleiben, denn das Essen dort war - wie man im Englischen sagt - nichts, um [eine Postkarte darüber] nach Hause zu schreiben. Das Abendessen in Pandschakent war eher ein Reinfall, weil die Rinder-Spieße der Damen sehr böckelten - mein Essen war dagegen okay, ich habe leider den Zettel weggeworfen, denn ich glaube, das war schon Lagman.

In Samarkand jedenfalls haben Jessi und Christian eine Zuneigung zum Lagman entwickelt, zu der Suppe mit viel Rindfleisch und vielen Nudeln, die als eine der Nationalspeisen Usbekistans gilt. Das Lagman war in unserer Mittagessenkneipe am Anreisetag gut (der Rest des Essens war okay, aber nichts Herausragendes), das Lagman war in unserer Touristengaststätte in Samarkand, die wir zweimal aufsuchten, gut (und da war auch der Rest des Essens lecker).

Und am Schluss waren wir wieder in Taschkent, haben - weil wir sowohl am ersten Tag spät vom Flieger als auch am vorletzten Abend spät vom Zug kamen - dort die 24-Stunden-Küche sehr zu schätzen gewusst, weil wir da auch um 23 Uhr noch etwas Gutes zu essen bekamen, das war sehr, sehr praktisch.

Das Mittag-/Abendessen auf dem Heimweg in Riga war auch sehr gut, meine Ma und ich aßen endlich mal wieder Fisch nach einer Woche in Zentralasien, so weit entfernt vom Meer wie irgend möglich auf der Welt, und die Cepelinai (die lettischen Klöße) waren auch sehr lecker.

Die Biere waren - ein Stück bedingt durch den Ramadan - in Tadschikistan fast allesamt ungekühlt (wir wussten uns mit dem Kühlschrank im Zimmer zum Teil zu helfen), in Usbekistan waren sie immer gut gekühlt, egal, ob vom Fass (Taschkent, eine Kneipe in Samarkand) oder aus der Flasche (Rest von Samarkand). Trinkbar waren die zentralasiatischen Biere in jedem Fall, jedenfalls, wenn sie kalt waren - und wenn Bier warm ist, schmeckt es wahrscheinlich nie, sodass das kasachische Bier, das wir auf unserem einstündigen Ausflug nach Dschibek Dscholi konsumiert haben, keine Aussage über die Qualität dortiger Hopfenschalen erlaubt. In Lettland am Anfang und am Schluss war alles kalt, alles okay, auch wenn die lettischen Biere (besonders die dunkeln) immer so ein bisschen trübe aussehen.

Die Tour jedenfalls hat uns allen großen Spaß gemacht, auch wenn sie geistig und körperlich nicht unanstrengend war (wir sind öfter sehr spät ins Bett und/oder sehr früh aufgestanden), und wir sind schon am Planen, ob wir uns - dann aber ohne meine Mutter, denn die vier Stunden über die Schlaglochpisten zu den Sieben Seen hatten sie bei aller Begeisterung am Ende doch geschafft - den Pamir Highway einmal vornehmen, im Sommer 2024, wenn hoffentlich die kirgisisch-tadschikische Grenze wieder offen ist. Alternativ oder konsekutiv - da bei der Pamir-Highway-Tour kein neues Land für mich herauskommt, jedenfalls wenn man keinen Abstecher nach Afghanistan plant, höhö - steht auch noch Turkmenistan auf dem Wunschzettel, da hat der Chef unseres kirgisischen Reisebüros, das uns Transfer von Chudschand nach Pandschakent organisiert hat, sehr spannende Bilder auf Lager gehabt. Aber bringen wir erst einmal die Reisen 2023 alle unter, dann sehen wir weiter.

Einen habe ich noch: Von Jessi abgeguckt habe ich mir die Technik, Panoramabilder nicht nur horizontal, sondern - gerade in Kuppelgebäuden - auch vertikal zu machen; dabei entstehen ganz wunderbare und überraschend räumliche Fotos, das kann sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen ...

Central Asia, over and out - stay tuned for Bulgaria, Israel, Denmark, Caribbean, Australia, New Zealand etc.

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