Meine Länder

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Sonntag, 9. April 2023

Den "Holzhacker-Fahrstil"

... der tadschikischen Marschrutka-Fahrer haben wir heute ausgiebig genossen, und wenn Christian, von dem das Zitat stimmt, mit Blick auf die Straße in dem Gefährt sitzen kann, ist das auch für jeden von uns erträglich, selbst wenn über nicht ganz optimale Straßen oder Eisenbahnübergänge gerumpelt wird, was das Zeug hält, und auch wenn der Sicherheitsabstand der Kleinbusse hier beim Überholen oder an den Haltestellen nicht immer (naja, eigentlich nie!) deutschen Standards entspricht.

Die verrückte Aktion, die wir für heute eigentlich angedacht hatten, war, mit dem Sammeltaxi von Chudschand zur usbekischen Grenze zu fahren, von dort nach Kokand im (usbekischen) Fergana-Tal und von dort über Rishton nach Kirgisistan zu gelangen. Das war eigentlich auch alles eingetütet (auch wenn das eine verrückte Tour geworden wäre, aber das hält uns ja nun wirklich nicht davon ab, das durchzuziehen), nur fiel mir gestern auf einer Website, die sehr gut informiert klingt, auf, dass diese Grenze nur für Usbeken und Kirgisen geöffnet ist und wir - möglicherweise/wahrscheinlich - da gar nicht drüber gekommen wären.

Hinzu kam das dringende Bedürfnis eines nicht unbeträchtlichen Teils der Reisegruppe (so ca. 100%), mal einigermaßen gut auszuschlafen, sodass wir uns erst gegen 9 Uhr zum Frühstück trafen und uns mehr oder weniger stillschweigend entschieden, die Tour heute sein zu lassen.

Das Frühstück (100 Somoni pro Zimmer pro Tag als Limit, man erinnere sich) war hervorragend, und wir tranken frisch gepressten Orangensaft, der das Limit natürlich unmissverständlich sprengte. Das war uns aber wurscht, denn wir waren zufrieden.

Mit dem Taxi ging es zum Pandschschanbe-Platz, an dem eine Moschee, ein Mausoleum und ein großer Basar waren, und wir guckten uns den Basar an, denn die Moschee sah recht modern aus und das Mausoleum sah zu aus. Der Basar entsprach ungefähr meinen Erwartungen an den Basar einer Großstadt in der ehemaligen Sowjetunion: Er war voll, es gab viel einzukaufen (an den - weitgehend ungekühlten - Frischfleischständen gingen wir strammen Schrittes vorbei), kaum jemand sprach auch nur ein Wort Englisch und die Obststände boten unglaublich rote Erdbeeren an. Dennoch waren wir nicht ganz unglücklich, als wir aus dem Gewusel draußen waren, auch wenn uns eine Bierkneipe auffiel, die wir kurz begutachteten. Auf mein Geheiß hin nahmen wir diese aber erst für den Heimweg ins Visier und gingen stattdessen in Richtung des nahegelegenen Marschrutka-Bahnhofes.

Wir wollten zum Staudamm in Kairakum und wurden von einem Jungen zum (richtigen) Bus Nr. 40 verwiesen, der - Wedelbewegung - irgendwo dahinten losfährt. Ich eruierte also den Abfahrtsort, während meine Reisegruppe an Ort und Stelle stehen blieb, kam diesmal aber früher - und mit einer Erfolgsmitteilung - zurück, sodass wir gemeinsam den Weg zum 100 Meter entfernten Haltepunkt aufnahmen.

Dabei mussten wir aber eine Straße überqueren, und ich bekam am Ende einen leichten Anschiss von meiner Mutter, weil ich ihr zugetraut hatte, dass sie das auch allein schafft. Schaffte sie natürlich auch ...

In der fast vollen Marschrutka waren keine vier Plätze mehr frei, also warteten wir auf die nächste und okkupierten dort die besten Plätze. Für 20 Somoni - etwa zwei Euro - ging es bis nach Kairakum; unterwegs kamen wir - an einer T-Einmündung - an einem riesigen Auflauf von Marschrutkas, Menschen und Polizei vorbei, Wahnsinn, wie sich die Minibusse dort gefühlt ineinander verkeilten, aber dann doch wieder friedlich auflösten.

Ich hieß den Fahrer kurz vor dem Staudamm anzuhalten, er war etwas überrascht, ließ uns aber raus, gab uns noch 2 Somoni Rückgeld, weil wir nicht bis zur Endhaltestelle gefahren waren, und nun standen wir da. Er war gerade weg, als uns auffiel, dass wir den Staudamm nicht zu Fuß überqueren durften, was uns durch den Soldaten, der uns beobachtet hatte, auch noch einmal - sehr freundlich, aber bestimmt - verdeutlicht wurde.

Also liefen wir ein paar Schritte zurück zu einer hochgelobten Gaststätte, in der einigermaßen tote Hose war, trotzdem bekamen wir vom ein wenig Englisch sprechenden Juniorchef wieder so ein Kabuff zugewiesen, diesmal mit Blick auf den Stausee, der durchaus nicht zu verachten war. Für eine große Flasche Cola und eine große Flasche Wasser zahlten wir auch 20 Somoni (also wieder zwei Euro), dann fingen wir - mit Seeblick - an zu politisieren, bis wir schließlich wieder einigermaßen hydriert aufbrachen.

Eine weitere Marschrutka wurde geentert, damit uns diese über den Staudamm führe und uns unmittelbar danach rausließe, das klappte auch ganz gut, und so kamen wir an einem Ort heraus, der offenbar so touristisch ist, dass man dort einen dieser "I (Herz) Tajikistan"-Schriftzüge aufgebaut hatte.

Dieser Schriftzug wurde eifrig fotografiert, ebenso wie der Blick auf den See, dann spielten wir Marschrutka-Roulette und stiegen in die Linie Nr. 66 ein. Die fuhr zurück zur wahnsinnigen T-Einmüdung, aber von dort in Richtung Süden. In Gafurow mussten wir nachzahlen, weil wir weiter nach Chistewarz fahren wollten (an die Endhaltestelle halt), und dort wurden wir aus dem Bus geschmissen.

Nun hatten wir etwas geschafft, wovon das Auswärtige Amt mit Nachdruck abrät: Wir waren im tadschikisch-kirgisischen Grenzgebiet gelandet. Juchhe ...

Wir entschieden uns aber dagegen, noch näher an die umstrittene Grenze heranzulatschen, kauften dafür noch Getränke und fuhren - diesmal für 70 Cent pro Person - zurück in Richtung Chudschand.

Unterwegs stellte meine Mutter fest, dass viele tadschikische Frauen mit Erstaunen feststellten, dass Jessi und sie Hosen trugen, ohne das dazu passende lange Kleid zu tragen; die Frauen stupften sich anscheinend sogar gegenseitig an, um sich dieses Schauspiel anzuschauen. Wenig überraschend war mir das gar nicht aufgefallen. Aufgefallen waren mir dagegen schon seit gestern (sind wir erst gestern nach Tadschikistan gekommen?!) die unzähligen Bilder des hiesigen Staatspräsidenten Emomalij Rahmon an vielen Hauswänden und noch mehr Plakaten. Herr Rahmon ist seit 1994 im Amt und sicherlich komplett unschuldig daran, dass ich meinen eigenen Blog hier nicht aufrufen kann. (Schrägerweise kann ich den Blog schreiben und hochladen, denn der wird über eine andere Internetadresse befüllt und die scheint nicht gesperrt zu sein ...)

In Chudschand machten wir noch einmal einen kurzen Abstecher zum Basar und entschieden uns dann, die Bierkneipe aufzusuchen. Allerdings gibt es dort keine Toilette, sondern nur die des Basars, und die ist sagen wir ... einer der am furchtbarsten stinkenden Orte der Erde ... Verdammte Axt, ich musste nur pinkeln (aber das halbwegs dringend), aber ich habe vom Betreten bis zum Verlassen dieser Toilette gewürgt ... Jessi und Christian weigerten sich dementsprechend, diese Toilette zu benutzen, sodass wir meine Mutter - die in der Kneipe gewartet hatte - abholen und nach Hause fahren wollten.

Allerdings hatte meine Mutter in unserer Abwesenheit schon vier Bier bestellt, sodass wir uns trennten: Jessi und Christian liefen zurück zum Hotel, während meine Mutter und ich die vier bestellten (Fass-!)Biere vernichteten. Diese schmeckten uns so dermaßen gut, dass wir noch ein jeweils drittes Bier nahmen. Wir hatten die gerade vor uns stehen, als ein Tadschike, der schon die ganze Zeit am Tisch gegenüber geräucherte Heringe gegessen hatte, zu uns kam und uns einen seiner geräucherten Heringe auf den Tisch legte.

Wir bedankten uns für diese unerwartete Freundlichkeit (insgesamt sind die Menschen hier sehr freundlich, die Sprachbarriere macht die Kommunikation ein bisschen schwierig, aber spätestens, wenn man - wie die Menschen hier - als Zeichen des Dankes sich die Hand aufs Herz legt und sich leicht verbeugt, wird man sehr gut verstanden) und spendierten dem "Herrn mit dem Fisch" noch ein Bier.

Am Ende zahlten wir für sieben Bier gerade so vier Euro, liefen zum Taxistand und machten, dass wir nach Hause kamen ... Die Bierbeiz war nicht so wunderschön wie die Kneipe in der Altstadt in Riga, aber irgendwie war es mit den Tadschiken, die mitten im Ramadan in der Kellerbar ihre Mass verzehrten, auch hochinteressant.

Jessi und Christian saßen, als wir ankamen, schon im Hotelrestaurant - Christian hatte wieder aus dem Geschäft nebenan Bier geholt. Als wir uns gesetzt hatten, wurden vier Gläser bestellt, Christian holte aus dem Zimmer das im Kühlschrank gekühlte tadschikische Bier, das wir gestern Abend gekauft hatten, und das wurde dann - zusammen mit den ganz hervorragenden Speisen aus dem Hotelrestaurant - konsumiert.

Kurzum: Es war fantastisch. Jessi hatte als Vorspeise gerollte Auberginen, die toll waren, meine Ma mit Orangenfilets gefülltes Hühnchen und ich unglaublich leckere Kalbszunge in Senfsauce, absolut genial. Jessi und Christian bestellten dann als Hauptgericht nach Christians Salat auch das mit Orangen gefüllte Hühnchen, während ich Lammkoteletts aß. Lamm im Ausland ist ja immer so eine Sache, aber das hier, das war zum Darniederknien - keine Riesenportion (das kann man für sieben Euro aber auch nicht erwarten), aber mit Abstand das beste Lammkotelett, das ich je hatte - unglaublich, fantastisch, soooooo toll ...

Mit dem - fälschlicherweise anstatt des Käsekuchens gebrachten - Schokoladenkuchen wurde der Abend abgerundet, jetzt sind wir schon recht früh im Zimmer und im Bett, aber das war heute wieder ein wahnsinnig spannender Tag.

Morgen geht es mit dem Allradauto von Chudschand durch die Berge nach Pandschakent, da freuen wir uns auch sehr darauf!

Fotos von heute (leider war der Himmel bedeckt):

Pandschschanbe-Platz mit Moschee und Mausoleum

... aus der Nähe

Blick auf den Stausee ...

Ich liebe doch alle Länder

Lecker Lamm heute Abend

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