... (Substanz geht über die Form) ist ein Grundsatz der internationalen Rechnungslegung. Den habe ich offenbar so verinnerlicht, dass ich ihn auch bei meinen Blogs anwende: Ich weiß (bzw. merke regelmäßig beim Lesen am nächsten Tag), dass ich in meinen Berichten die deutsche Sprache manchmal ein wenig harsch behandle, da fehlen dann Wörter oder sind zu viele (Präpositionen sind besonders beliebt), manchmal schreibe ich auch "fahren" statt "waren" und manchmal verwechsle ich sogar "dass" und "das" (sehr selten, hoffe ich, aber dann ein sicheres Zeichen von Übermüdung). Ich weiß auch, dass manche Sätze und manchmal ganze Spannungsbögen ins Leere gehen (der Hundeeintopf gestern hat dann übrigens doch nur 10.000 Won, etwa 7,50 Euro, gekostet), das tut mir leid. Ich bitte nur insofern um Verständnis, als dass ich halt am Ende des Tages die berichtenswerten Ereignisse (und auch manche nicht für alle berichtenswerten) herunterrattere; meistens will ich schnell ins Bett, aber trotzdem noch die Geschichten erzählen, so lange ich sie frisch im Gedächtnis habe. Es gibt Tage, an denen ich noch in der Lage
und willens bin, den Post gegenzulesen, ehe ich in abschicke, aber diese Tage sind nicht sooo häufig.
Bear with me, sagen die Engländer, tragt dieses Joch gemeinsam mit mir. Danke!
Manchmal ist es ja wirklich zum Mäusemelken, denn heute Nacht war ich ab etwa 4.45 Uhr hellwach. Als mein Wecker um 5.45 Uhr runterging, hatte ich schon eine volle Stunde wachgelegen ... Hm.
Nach kurzem Frühstück um Punkt 7 Uhr war ich überpünktlich an dem Hotel, zahlte meine heutige Tour und setzte mich in den Bus.
Die Busbesatzung bestand zur Hälfte aus Japanern mit eigener Führerin, zur anderen Hälfte aus einer bunt gemischten englischsprachigen Gruppe mit Leuten aus Singapur, den Niederlanden, Finnland, ein paar Amerikaner waren auch dabei und einem Deutschen. Der Deutsche wurde von der Reiseführerin gleich mal gefragt, ob er aus West- oder Ostdeutschland stamme (das ist mir auch schon lange nicht mehr passiert), aber sie wollte damit illustrieren, dass sie im Ausland öfter - relativ sinnloserweise, weil Nordkoreaner normalerweise sowieso ihr Land nicht verlassen dürften - gefragt würde, ob sie aus Nord- oder Südkorea komme.
Wir fuhren aus Seoul raus und kamen relativ schnell in Sichtweise der ersten Stacheldrahtverhaue, die das "normale" Südkorea von einem immer noch formal zivil kontrollierten Gebiet abtrennen, in dem man aber schon ziemlich viel Militär sieht. In dieses spezielle Gebiet fuhren wir mit unserem Bus hinein und fuhren zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man einen sehr beeindruckenden Blick auf Kaesong, eine größere nordkoreanische Stadt, und insgesamt auf das südwestliche Nordkorea hatte. Das ist schon interessant, wenn man die Flaggen Nord- und Südkoreas auf den beiden Seiten sieht, die nordkoreanische Propaganda hört (die selbst die südkoreanischen Soldaten nicht wirklich verstanden) und da hinten sogar eine Statue von Kim Il-Sung erahnen kann. Fotos durften offiziell nur in die eine Richtung gemacht werden, wenn man sich nicht dranhielt, passierte aber auch nicht wirklich etwas ...
Weiter ging es dann zum sogenannten dritten Tunnel (von insgesamt vier Tunneln, die die Nordkoreaner wohl zur Infiltration des Südens bauten und die von Südkoreanern entdeckt wurden). Die Fahrt mit der Einspurbahn hinunter auf gut 70 Meter Tiefe war lustig, zumal die Röhre wirklich ziemlich eng war. Als wir dann unten waren und die paar hundert Meter ans Tunnelende gingen, war selbst ich schon zu groß, sodass ich zwei Drittel des Weges geduckt laufen müsste (dank der Helme haute ich mir wenigstens nicht ständig den Schädel an). Ich hatte Rücken ... Ich will gar nicht wissen, wie es dem Zwei-Meter-Riesen ging, der auch in unserer Gruppe war. Der arme Kel! Am Ende des Tunnels ist dann eine Betonwand, die einen Spalt offen ist, durch den mal auf die nordkoreanische Seite schauen kann (da ist ebenfalls eine Betonwand). Da steht man also vor einer Betonwand und schaut durch diese auf eine andere Betonwand. Naja, wenigstens ist man dabei unter der Demilitarisierten Zone und
fast schon in Nordkorea ...
Zum Abschluss ging es zum für den Fall der Wiedervereinigung schon bereitstehenden Bahnhof in Richtung Pjöngjang und zu einer Brücke, über die nach dem Koreakrieg Gefangene ausgetauscht wurden. Das Essen ist einer koreanischen Gaststätte (wieder Schuhe ausziehen ...) war recht lecker, die Einzelreisenden wurden an einen Tisch gesetzt, an dem sich dann herausstellte, dass einer der beiden anderen in Singapur bei der Konkurrenz meines Arbeitgebers und der andere in Singapur für eine niederländische Bank HR-Chef ist und auch schon mit (globalen) Kollegen von mir zu tun hatte. Es ist eine kleine Welt manchmal ...
Danach fuhr ich mit einigen anderen zurück nach Seoul, während der Großteil der Gruppe in die Joint Security Area weiterfuhr. Seufz. Alles ein bisschen doof gelaufen, aber man soll ja das Positive sehen: Ich werde nochmal nach Seoul kommen, um in dieses vermaleidete Grenzhäuschen zu kommen, und wenn es schon im September ist.
In Seoul fuhren wir dann am Eingang zum Gyeongbokgung-Palast vorbei, und das sah schön aus, das wollte ich mir angucken. Also lief ich nach dem Aussteigen in die Richtung, vorbei am Rathaus und an einer Falungong-Gruppe. Da standen zwei Statuen, und vor der einen wurde ich von einem koreanischen Studenten in ziemlich gutem Englisch angesprochen; er fragte mich, ob ich den Typen kennen würde. Ich war gerade im Begriff, die englischsprachige Hinweis zu lesen: Es handelte sich um den Erfinder der koreanischen Schrift. Der Typ kam mir gerade recht, weil ich mir von ihm bestätigen lassen wollte, dass es korrekt sei, wie ich mir zusammengereimt hatte, wie man meinen Namen auf Koreanisch schreiben würde. Er hatte an dem einen oder anderen Symbol noch was zu meckern, vor allem, weil es nicht so richtig ein "e" im Koreanischen gibt, aber ich hatte mich gar nicht so doof angestellt - es geschehen noch Zeichen und Wunder.
Danach betrat ich die Palast-Anlage und bezahlte meinen Eintritt. Ich ging also da rein und war begeistert: Ein palastartiges Gebäude nach dem anderen tat sich mir auf mit einer Architektur, die ich noch nicht oft gesehen habe, viel in grün gehalten, sehr beeindruckend (siehe Fotos). Das Beste war: Diese Palastanlage hörte gar nicht mehr auf, nach dem einen Palast kam noch ein zweiter und ein dritter und ein vierter, dann kam ein Park mit einem Teich und Pavillon, da oben links war noch ein Palast des Königs, damit er sich von seinem Prinzregenten absetzen konnte, da rechts war noch eine Pagode und hinten links stand noch ein Wasserschlösschen in der Gegend herum. Und das Unfassbare ist: Die Koreaner nehmen für dieses Teil 3.000 Won Eintritt, das sind 2,25 Euro. Unglaublich. Ebenfalls unglaublich ist, dass dieses Ding
kein Weltkulturerbe ist. Ja, sind die anderen Paläste noch schöner?! Das werde ich mir morgen - nach dem Ausschlafen - noch einmal in Ruhe anschauen.
Morgen wird wirklich ausgeschlafen, und damit das so ist, gehe ich jetzt (es ist gleich 19.30 Uhr) mal los und erkunde das Seouler Nachtleben. Ich bin gespannt ...
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Blick auf Nordkorea ... |
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... vom Aussichtspunkt |
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Mit dem Gefährt ging's in den Tunnel - unten Fotos verboten, militärische Sicherheitszone |
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Der Erfinder der koreanischen Schrift |
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Gyeongbokgung I |
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Gyeongbokgung II |
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Gyeongbokgung III |
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Gyeongbokgung IV |
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Gyeongbokgung V |
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Gyeongbokgung VI vor Skyline von Seoul |
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