... jaja, so langsam reicht es mit den deutschsprachigen Liedtexten, okay ...
"Bewölkt" war der Himmel durchaus, aber dabei blieb es leider nicht, denn der Himmel hatte heute Morgen seine Pforten geöffnet. Ich hatte in weiser Voraussicht meine knallrote Wetterjacke (anstelle meines Sakkos) mitgenommen und durfte dieses also gleich unten vor der Hoteltür anziehen.
Ich hatte heute Morgen im Bett noch ein wenig im Internet gesurft, weil ich ja schon vor ein paar Wochen um dieses Baseballspiel heute in Chiba herumgeschlichen war. Die Webseite dieses Vereins gibt es nach wie vor nur auf Japanisch, aber ich fand eine Erklärungsseite, wie man an den Automaten der hier an jeder Straßenecke vorhandenen 24-Stunden-Läden die Karten ziehen kann (dabei sollte man genau bezeichneten japanischen Schriftzeichen folgen ...).
Im 7-Eleven bekam ich es nicht gebacken, weil es die Zeichenfolge, die da in meiner Anleitung standen, überhaupt nicht (mehr) gab, sodass ich mich in die nächste Alternative, den FamilyMart, aufmachte. Nach einigen Versuchen erwischte ich die Seite mit Baseball und musste dann eine von sechs gegnerischen Mannschaften aussuchen. Es wäre ja zu einfach, wenn die chronologisch sortiert gewesen wären, vielmehr ging ich im FamilyMart-WLAN online, guckte, wie der heutige Gegner auf Japanisch geschrieben wird, verglich das mit den Zeichenfolge der Mannschaften - und siehe da, ich hatte die Saitama Seibu Lions gefunden. Dann tauchte auch etwas auf, was ich als Datum "17. Mai" entziffern konnte - juchhe. Anschließend kam eine Seite mit Preisen, ich wählte eine Karte für 2.800 Yen (etwa 22 Euro oder so). Aber dann kamen zwei Hinweisseiten, wo ich durch Ausprobieren (drei- oder viermal drückte ich den falschen Knopf und musste von vorn anfangen ...) die richtige Kombination fand, aber als ich irgendwelche Zahlen eingeben musste, ließ ich allen Das-will-ich-selber-hinkriegen-Stolz fahren und bat um Hilfe. Die Bedienung in dem Supermarkt erläuterte mir, dass ich nur meine Telefonnummer eingeben müsste - was ich dann tat - und dann druckte sie mir einen Zettel aus, mit dem ich an der Kasse meine Eintrittskarte bekam. Wahrscheinlich bin ich tatsächlich der einzige Ausländer in ganz Japan, der sich seine verflixte Eintrittskarte selber vorab kaufen will. Ts.
Ich trat wieder hinaus in den Regen, als mir klar wurde, dass Baseballspiele bei Regen nicht selten abgesagt werden - ich hatte aber Hoffnung, denn heute Nachmittag sollte es zu regnen aufhören (und außerdem ist Chiba ein ganzes Stück von Kamata entfernt!).
Ich fuhr in die Stadt (die Japaner haben übrigens alle - alle! - Regenschirme und keine Regencapes, Letzteres ist ein eindeutiges Erkennungsmerkmal für Ausländer) und lief zum Asakusa-Tempel. Diese buddhistische Tempelanlage ist wirklich außergewöhnlich schön, mit dem ersten und dem zweiten Eingangstor, mit der Pagode an der Seite, die angeblich Asche von Buddha beherbergen soll. Nicht ganz so schön, jedenfalls im Regen, sind die vielen Stände mit Opfergaben (und Nippes) auf dem Weg zu der Tempelanlage, denn es regnet von allen Seiten auf dich herab und manche Leute rempeln einen in dieser engen Gasse dann auch mit ihren Regenschirmen an. Naja, ich habe es offensichtlich überlebt.
Ich ging einen etwas anderen Weg zurück als hin und kam an einer kleinen Gaststätte vorbei, die Nudelsuppen mit Einlage anbot. An solchen kleinen Gaststätten gibt es außen so Automaten, an denen man ein Essen wie eine Marke am Zigarettenautomaten auswählt, bezahlt, ein Plastikkärtchen erhält und dieses dann bei der Bedienung abgibt. Das ist für beide Seiten praktisch, denn so muss die nicht Geld wechseln und ich muss nicht reden, was sowieso nix bringen würde, weil mein Japanisch immer noch nicht besser geworden ist seit vorgestern. Ich bekam den letzten freien Platz im Lokal mit einer dreiköpfigen Familie am Tisch und guckte erstmal den Japanern beim Essen zu. Da wird geschlürft, was das Zeug, denn so werden die Nudeln angeblich gleichzeitig gekühlt. Als mein Essen kam, probierte ich das mit dem Schlürfen, aber wie das so ist, was einem die Eltern gründlich ausgetrieben haben, kriegt man nicht auf die Schnelle wieder so hin. Ich verbrannte mir also beim erfolglosen Schlürfversuch ganz hübsch die Lippen, verteilte einen nicht unbeträchtlichen Teil der Suppe auf meinem glücklicherweise bunt gemusterten Hemd und war am Ende pappsatt: Die ordentliche Brühe enthält gefühlt ein halbes Kilo Nudeln, obendruff sind noch fünf flache Fleischstücke und ein bisschen Sellerie und Zeugs. Nein, Fotos gibt's nicht, weil ich es bescheuert finde, in einem normalen Einheimischenlokal sein Essen zu fotografieren. War sehr lecker, aber ich war pappsatt, zumal ich erst zwei Stunden vorher gefrühstückt hatte. Man steht dann einfach auf und geht, zumal draußen manchmal noch Leute auf eigens bereitgestellten Hockerchen warten.
Ich fuhr wieder mit der U-Bahn, diesmal in Richtung Shibuya, stieg dort in die Ring-Linie ein und fuhr noch eine Station. Ich wollte nämlich zum Meiji-Schrein. Dieser Schrein für den Kaiser, der zur Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert Japan zum Ausland hin öffnete, liegt in einem wunderschönen Park, der bei Sonne ganz bestimmt noch schöner ist. Der Schrein selbst ist nur von außen anzuschauen, und selbst da darf nicht so richtig fotografiert werden, sodass ich fototechnisch mit den immer noch sehr hübsch anzusehenden Außenanlagen vorliebnehmen musste. Hier kann man dann auch Wünsche auf ein Holztäfelchen schreiben und dieses an Vorrichtungen um einen großen Baum herum anbringen, auf dass sie in Erfüllung gehen.
Nach dem Besuch dort fuhr ich wieder zurück nach Ahikabara und musste noch ein bisschen Zeit überbrücken, weil ich nicht extrem viel zu früh in Chiba landen wollte. Ich guckte mich in der "Electric City" um, wo es allerhand Elektrokrams zu kaufen gibt, überlegte, ob ich in eine Maid Bar gehe, in der die Kellnerinnen wie knallbunt bekleidete Hausmädchen herumlaufen, ließ es aber sein, als ich las, dass es da manche Kellnerinnen übertreiben und die Kundschaft mit dem Löffelchen füttern ...
Stattdessen entwickelte sich Appetit auf ein Bier, und ich fand eine Kneipe in einem Untergeschoss. Mir schallte Blasmusik entgegen und eindeutig als Deutsch identifizierbarer Gesang. Ich setzte mich - angewiesen von einer in deutschen Tracht gekleideten Kellnerin - hin und bekam bei "Eine Seefahrt, die ist lustig", "Das Wandern ist des Müllers Lust" und so'n Schnulli immer wieder von Neuem einen Lachanfall. "Bier her, Bier her, oder ich fall um" kam zwar aus den Lautsprechern, aber die Kellnerinnen verstanden mich nicht, sodass ich doch auf die Speisekarte zeigen musste. Es war wirklich und ernsthaft zum Schießen. Nur wenn die Japaner denken, dass das der aktuelle deutsche Musikgeschmack ist, dann sind sie ungefähr 60 Jahre zu spät dran. Grässlich.
Ich bezahlte, stieg wieder auf zum Bahnhof und in die Bahn ein, musste einfach umsteigen und kam dann am dem Stadion nächstgelegenen S-Bahnhof an. Da standen ein paar Jungs in der Gegend herum, die man guten Gewissens als Baseballfans identifizieren durfte, sodass ich guter Dinge war, dass das Spiel doch stattfindet und mich in Richtung Stadion begab. Ich kam nur ein paar hundert Meter weit, als mir der Shuttlebus ins Auge fiel, der für 100 Yen (80 Cent) die paar Minuten vom Bahnhof zum Stadion fährt - ein sehr gutes Zeichen ...
Ich war etwa eine Stunde vor dem Spiel am Stadion, guckte mich im Fanshop um, erwarb die günstigstmögliche Baseballkappe (so'n Riesenfan von den Chiba Lotte Marines werde ich wohl doch nicht, um für 'ne Kappe 50 Euro auszugeben) und ging ins Stadion. Die Eingangskontrolle überstand ich unverletzt, nur leider waren die Sitze unüberdacht, und es hatte nach zwischenzeitlichem Nichtregen (von Trockenheit will ich nicht reden) wieder angefangen zu nieseln. Ich überlegte, wie ich meinen Sitz vom Regen befreie, als schon eine Bedienstete mit einem Lappen neben mir stand und das für mich übernahm - sehr aufmerksam. Überhaupt lief da jede Menge "Crew" herum ...
Lustig sind die weiblichen Teile der Crew, die in Biermarkenuniform und mit Biertornister auf dem Rücken (!) alle 60-90 Sekunden die Treppe runterrennen, sich am Treppenabsatz winkend bemerkbar machen und dann - heute war dank des Wetters leider sehr geringer Besuch - meist enttäuscht wieder nach oben liefen. Eine Minute später kam wieder die nächste Dame; irgendwann hatte ich Mitleid und bestellte ein Bier aus dem Tornister. War trinkbar, wenn auch mit 700 Yen (6 Euro) ein wenig teuer.
Nun saßen wir da mit Regencape bewaffnet kurz vor dem Spiel auf unseren Sitzen, da tauchten meine Nebenleute und ich auf der Videowand auf. Hallo, winke, winke, Daumen hoch, wieder etwas abgehakt, was ich in meinem Leben immer mal wieder haben wollte ...
Pünktlich zur Nationalhymne hörte der Regen auf, so stellt der Kaiser (von Japan, nicht der Franz) sich das vor.
Das Spiel war in den ersten Innings sehr wenig unterhaltsam, die beiden Mannschaften bekamen kaum einen Läufer bis zur ersten, geschweige denn bis zur zweiten Base. Im vierten Inning schlug der Schläger der Gastmannschaft einen Homerun, was aber - da keine Base besetzt war - nur einen Run einbrachte. Im fünften Inning dann jedoch brach der Pitcher (Werfer) der Gastmannschaft brutal ein und Chiba erzielte in einem einzigen Inning vier Runs, die mussten wieder von vorne anfangen mit den Schlägern, weil alle schonmal drangewesen waren ...
Nachdem der Gast-Pitcher ersetzt worden war, beruhigte sich das Spiel wieder, sodass Chiba am Ende mit 5:2 gewann. Doch, das waren wirklich kurzweilige drei Stunden - ich verstehe immer noch nicht, was so viele Deutsche gegen Baseball haben. Klar muss man die Regeln erstmal verstehen, aber dann kann man das wirklich genießen. (Und Stimmung haben die beiden Fangruppen trotz des ungemütlichen Wetters sehr, sehr ordentlich gemacht!)
Der Bus zurück fuhr (hier stellt man sich selbstverständlich in der Schlange an, bis man an der Reihe ist mit dem Einsteigen) und die S-Bahn-Fahrerei in Tokio ist für mich inzwischen ja fast schon Routine (haha). Unten in meinem FamilyMart um die Ecke kaufte ich noch etwas zu trinken und drei warme Hackfleischbällchen zu essen, die ich dann im Zimmer verspeiste.
Jetzt ist es schon halb eins hier, ich muss morgen um 10 Uhr auschecken, ohjeohje. Ich werde mein Gepäck hier aufbewahren lassen, denn morgen Abend muss ich schon zum Flughafen. Mein Flieger geht um 2 Uhr nachts und um 4.25 Uhr bin ich planmäßig in Seoul. Aber davor gucke ich mir - bei hoffentlich schönerem Wetter - noch die kaiserlichen Gärten an.
Tokio ist hoch-, hoch-, hochinteressant. Natürlich konnte ich in den zwei, drei Tagen nicht alles sehen von Tokio ("alles sehen" geht wahrscheinlich in drei Jahrzehnten nicht, und dann müsste man eh wieder von vorne anfangen), aber der Eindruck, den ich gewonnen habe, ist ein wirklich guter. Hier gefällt es mir.
Auch wenn natürlich dieses Verbeugen und Sumo und Tempel und Schreine und Essenbestellen am Automaten ungewohnt sind und auch wenn die Japaner es einem nicht so ganz extrem einfach machen, hier nur mit Englisch durchzukommen: Irgendwie fühle ich mich in Tokio nicht so "fremd" wie in anderen Gegenden der Erde. Das liegt vielleicht daran, dass die Japaner auch so pünktlich sind wie man das uns Deutschen nachsagt, dass es hier so ordentlich und aufgeräumt ist wie in Deutschland (mit Ausnahme meiner Wohnung). Der Zug fährt halt, wenn er soll, die Leute stehen auf der linken Seite der Rolltreppe und gehen auf der rechten, die Beschilderung in der Bahn ist super, keiner haut dich beim Essen übers Ohr, du zahlst keine Touristensteuer, es hat wahrscheinlich seinen Grund, wieso man die Japaner die Preußen Asiens genannt hat. Schön ist's in Tokio
.
"Bewölkt" war der Himmel durchaus, aber dabei blieb es leider nicht, denn der Himmel hatte heute Morgen seine Pforten geöffnet. Ich hatte in weiser Voraussicht meine knallrote Wetterjacke (anstelle meines Sakkos) mitgenommen und durfte dieses also gleich unten vor der Hoteltür anziehen.
Ich hatte heute Morgen im Bett noch ein wenig im Internet gesurft, weil ich ja schon vor ein paar Wochen um dieses Baseballspiel heute in Chiba herumgeschlichen war. Die Webseite dieses Vereins gibt es nach wie vor nur auf Japanisch, aber ich fand eine Erklärungsseite, wie man an den Automaten der hier an jeder Straßenecke vorhandenen 24-Stunden-Läden die Karten ziehen kann (dabei sollte man genau bezeichneten japanischen Schriftzeichen folgen ...).
Im 7-Eleven bekam ich es nicht gebacken, weil es die Zeichenfolge, die da in meiner Anleitung standen, überhaupt nicht (mehr) gab, sodass ich mich in die nächste Alternative, den FamilyMart, aufmachte. Nach einigen Versuchen erwischte ich die Seite mit Baseball und musste dann eine von sechs gegnerischen Mannschaften aussuchen. Es wäre ja zu einfach, wenn die chronologisch sortiert gewesen wären, vielmehr ging ich im FamilyMart-WLAN online, guckte, wie der heutige Gegner auf Japanisch geschrieben wird, verglich das mit den Zeichenfolge der Mannschaften - und siehe da, ich hatte die Saitama Seibu Lions gefunden. Dann tauchte auch etwas auf, was ich als Datum "17. Mai" entziffern konnte - juchhe. Anschließend kam eine Seite mit Preisen, ich wählte eine Karte für 2.800 Yen (etwa 22 Euro oder so). Aber dann kamen zwei Hinweisseiten, wo ich durch Ausprobieren (drei- oder viermal drückte ich den falschen Knopf und musste von vorn anfangen ...) die richtige Kombination fand, aber als ich irgendwelche Zahlen eingeben musste, ließ ich allen Das-will-ich-selber-hinkriegen-Stolz fahren und bat um Hilfe. Die Bedienung in dem Supermarkt erläuterte mir, dass ich nur meine Telefonnummer eingeben müsste - was ich dann tat - und dann druckte sie mir einen Zettel aus, mit dem ich an der Kasse meine Eintrittskarte bekam. Wahrscheinlich bin ich tatsächlich der einzige Ausländer in ganz Japan, der sich seine verflixte Eintrittskarte selber vorab kaufen will. Ts.
Ich trat wieder hinaus in den Regen, als mir klar wurde, dass Baseballspiele bei Regen nicht selten abgesagt werden - ich hatte aber Hoffnung, denn heute Nachmittag sollte es zu regnen aufhören (und außerdem ist Chiba ein ganzes Stück von Kamata entfernt!).
Ich fuhr in die Stadt (die Japaner haben übrigens alle - alle! - Regenschirme und keine Regencapes, Letzteres ist ein eindeutiges Erkennungsmerkmal für Ausländer) und lief zum Asakusa-Tempel. Diese buddhistische Tempelanlage ist wirklich außergewöhnlich schön, mit dem ersten und dem zweiten Eingangstor, mit der Pagode an der Seite, die angeblich Asche von Buddha beherbergen soll. Nicht ganz so schön, jedenfalls im Regen, sind die vielen Stände mit Opfergaben (und Nippes) auf dem Weg zu der Tempelanlage, denn es regnet von allen Seiten auf dich herab und manche Leute rempeln einen in dieser engen Gasse dann auch mit ihren Regenschirmen an. Naja, ich habe es offensichtlich überlebt.
Ich ging einen etwas anderen Weg zurück als hin und kam an einer kleinen Gaststätte vorbei, die Nudelsuppen mit Einlage anbot. An solchen kleinen Gaststätten gibt es außen so Automaten, an denen man ein Essen wie eine Marke am Zigarettenautomaten auswählt, bezahlt, ein Plastikkärtchen erhält und dieses dann bei der Bedienung abgibt. Das ist für beide Seiten praktisch, denn so muss die nicht Geld wechseln und ich muss nicht reden, was sowieso nix bringen würde, weil mein Japanisch immer noch nicht besser geworden ist seit vorgestern. Ich bekam den letzten freien Platz im Lokal mit einer dreiköpfigen Familie am Tisch und guckte erstmal den Japanern beim Essen zu. Da wird geschlürft, was das Zeug, denn so werden die Nudeln angeblich gleichzeitig gekühlt. Als mein Essen kam, probierte ich das mit dem Schlürfen, aber wie das so ist, was einem die Eltern gründlich ausgetrieben haben, kriegt man nicht auf die Schnelle wieder so hin. Ich verbrannte mir also beim erfolglosen Schlürfversuch ganz hübsch die Lippen, verteilte einen nicht unbeträchtlichen Teil der Suppe auf meinem glücklicherweise bunt gemusterten Hemd und war am Ende pappsatt: Die ordentliche Brühe enthält gefühlt ein halbes Kilo Nudeln, obendruff sind noch fünf flache Fleischstücke und ein bisschen Sellerie und Zeugs. Nein, Fotos gibt's nicht, weil ich es bescheuert finde, in einem normalen Einheimischenlokal sein Essen zu fotografieren. War sehr lecker, aber ich war pappsatt, zumal ich erst zwei Stunden vorher gefrühstückt hatte. Man steht dann einfach auf und geht, zumal draußen manchmal noch Leute auf eigens bereitgestellten Hockerchen warten.
Ich fuhr wieder mit der U-Bahn, diesmal in Richtung Shibuya, stieg dort in die Ring-Linie ein und fuhr noch eine Station. Ich wollte nämlich zum Meiji-Schrein. Dieser Schrein für den Kaiser, der zur Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert Japan zum Ausland hin öffnete, liegt in einem wunderschönen Park, der bei Sonne ganz bestimmt noch schöner ist. Der Schrein selbst ist nur von außen anzuschauen, und selbst da darf nicht so richtig fotografiert werden, sodass ich fototechnisch mit den immer noch sehr hübsch anzusehenden Außenanlagen vorliebnehmen musste. Hier kann man dann auch Wünsche auf ein Holztäfelchen schreiben und dieses an Vorrichtungen um einen großen Baum herum anbringen, auf dass sie in Erfüllung gehen.
Nach dem Besuch dort fuhr ich wieder zurück nach Ahikabara und musste noch ein bisschen Zeit überbrücken, weil ich nicht extrem viel zu früh in Chiba landen wollte. Ich guckte mich in der "Electric City" um, wo es allerhand Elektrokrams zu kaufen gibt, überlegte, ob ich in eine Maid Bar gehe, in der die Kellnerinnen wie knallbunt bekleidete Hausmädchen herumlaufen, ließ es aber sein, als ich las, dass es da manche Kellnerinnen übertreiben und die Kundschaft mit dem Löffelchen füttern ...
Stattdessen entwickelte sich Appetit auf ein Bier, und ich fand eine Kneipe in einem Untergeschoss. Mir schallte Blasmusik entgegen und eindeutig als Deutsch identifizierbarer Gesang. Ich setzte mich - angewiesen von einer in deutschen Tracht gekleideten Kellnerin - hin und bekam bei "Eine Seefahrt, die ist lustig", "Das Wandern ist des Müllers Lust" und so'n Schnulli immer wieder von Neuem einen Lachanfall. "Bier her, Bier her, oder ich fall um" kam zwar aus den Lautsprechern, aber die Kellnerinnen verstanden mich nicht, sodass ich doch auf die Speisekarte zeigen musste. Es war wirklich und ernsthaft zum Schießen. Nur wenn die Japaner denken, dass das der aktuelle deutsche Musikgeschmack ist, dann sind sie ungefähr 60 Jahre zu spät dran. Grässlich.
Ich bezahlte, stieg wieder auf zum Bahnhof und in die Bahn ein, musste einfach umsteigen und kam dann am dem Stadion nächstgelegenen S-Bahnhof an. Da standen ein paar Jungs in der Gegend herum, die man guten Gewissens als Baseballfans identifizieren durfte, sodass ich guter Dinge war, dass das Spiel doch stattfindet und mich in Richtung Stadion begab. Ich kam nur ein paar hundert Meter weit, als mir der Shuttlebus ins Auge fiel, der für 100 Yen (80 Cent) die paar Minuten vom Bahnhof zum Stadion fährt - ein sehr gutes Zeichen ...
Ich war etwa eine Stunde vor dem Spiel am Stadion, guckte mich im Fanshop um, erwarb die günstigstmögliche Baseballkappe (so'n Riesenfan von den Chiba Lotte Marines werde ich wohl doch nicht, um für 'ne Kappe 50 Euro auszugeben) und ging ins Stadion. Die Eingangskontrolle überstand ich unverletzt, nur leider waren die Sitze unüberdacht, und es hatte nach zwischenzeitlichem Nichtregen (von Trockenheit will ich nicht reden) wieder angefangen zu nieseln. Ich überlegte, wie ich meinen Sitz vom Regen befreie, als schon eine Bedienstete mit einem Lappen neben mir stand und das für mich übernahm - sehr aufmerksam. Überhaupt lief da jede Menge "Crew" herum ...
Lustig sind die weiblichen Teile der Crew, die in Biermarkenuniform und mit Biertornister auf dem Rücken (!) alle 60-90 Sekunden die Treppe runterrennen, sich am Treppenabsatz winkend bemerkbar machen und dann - heute war dank des Wetters leider sehr geringer Besuch - meist enttäuscht wieder nach oben liefen. Eine Minute später kam wieder die nächste Dame; irgendwann hatte ich Mitleid und bestellte ein Bier aus dem Tornister. War trinkbar, wenn auch mit 700 Yen (6 Euro) ein wenig teuer.
Nun saßen wir da mit Regencape bewaffnet kurz vor dem Spiel auf unseren Sitzen, da tauchten meine Nebenleute und ich auf der Videowand auf. Hallo, winke, winke, Daumen hoch, wieder etwas abgehakt, was ich in meinem Leben immer mal wieder haben wollte ...
Pünktlich zur Nationalhymne hörte der Regen auf, so stellt der Kaiser (von Japan, nicht der Franz) sich das vor.
Das Spiel war in den ersten Innings sehr wenig unterhaltsam, die beiden Mannschaften bekamen kaum einen Läufer bis zur ersten, geschweige denn bis zur zweiten Base. Im vierten Inning schlug der Schläger der Gastmannschaft einen Homerun, was aber - da keine Base besetzt war - nur einen Run einbrachte. Im fünften Inning dann jedoch brach der Pitcher (Werfer) der Gastmannschaft brutal ein und Chiba erzielte in einem einzigen Inning vier Runs, die mussten wieder von vorne anfangen mit den Schlägern, weil alle schonmal drangewesen waren ...
Nachdem der Gast-Pitcher ersetzt worden war, beruhigte sich das Spiel wieder, sodass Chiba am Ende mit 5:2 gewann. Doch, das waren wirklich kurzweilige drei Stunden - ich verstehe immer noch nicht, was so viele Deutsche gegen Baseball haben. Klar muss man die Regeln erstmal verstehen, aber dann kann man das wirklich genießen. (Und Stimmung haben die beiden Fangruppen trotz des ungemütlichen Wetters sehr, sehr ordentlich gemacht!)
Der Bus zurück fuhr (hier stellt man sich selbstverständlich in der Schlange an, bis man an der Reihe ist mit dem Einsteigen) und die S-Bahn-Fahrerei in Tokio ist für mich inzwischen ja fast schon Routine (haha). Unten in meinem FamilyMart um die Ecke kaufte ich noch etwas zu trinken und drei warme Hackfleischbällchen zu essen, die ich dann im Zimmer verspeiste.
Jetzt ist es schon halb eins hier, ich muss morgen um 10 Uhr auschecken, ohjeohje. Ich werde mein Gepäck hier aufbewahren lassen, denn morgen Abend muss ich schon zum Flughafen. Mein Flieger geht um 2 Uhr nachts und um 4.25 Uhr bin ich planmäßig in Seoul. Aber davor gucke ich mir - bei hoffentlich schönerem Wetter - noch die kaiserlichen Gärten an.
Tokio ist hoch-, hoch-, hochinteressant. Natürlich konnte ich in den zwei, drei Tagen nicht alles sehen von Tokio ("alles sehen" geht wahrscheinlich in drei Jahrzehnten nicht, und dann müsste man eh wieder von vorne anfangen), aber der Eindruck, den ich gewonnen habe, ist ein wirklich guter. Hier gefällt es mir.
Auch wenn natürlich dieses Verbeugen und Sumo und Tempel und Schreine und Essenbestellen am Automaten ungewohnt sind und auch wenn die Japaner es einem nicht so ganz extrem einfach machen, hier nur mit Englisch durchzukommen: Irgendwie fühle ich mich in Tokio nicht so "fremd" wie in anderen Gegenden der Erde. Das liegt vielleicht daran, dass die Japaner auch so pünktlich sind wie man das uns Deutschen nachsagt, dass es hier so ordentlich und aufgeräumt ist wie in Deutschland (mit Ausnahme meiner Wohnung). Der Zug fährt halt, wenn er soll, die Leute stehen auf der linken Seite der Rolltreppe und gehen auf der rechten, die Beschilderung in der Bahn ist super, keiner haut dich beim Essen übers Ohr, du zahlst keine Touristensteuer, es hat wahrscheinlich seinen Grund, wieso man die Japaner die Preußen Asiens genannt hat. Schön ist's in Tokio
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