Meine Länder

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Mittwoch, 18. Mai 2016

Alle veräppeln

... wollten sie mich heute, aber nix da, ich habe einfach gemacht, was ich wollte - naja, nicht immer, aber meistens, hm, okay, manchmal, argh ...

Ich war gestern Abend ja erst spät ins Bett gekommen, aber das half nichts, dass ich bis um 10 Uhr auschecken musste. Also quälte ich mich aus meinem Bett, ging duschen und frühstücken. Danach ging ich nochmal ins Zimmer, packte, checkte aus (was sehr schnell ging) und deponierte mein Gepäck im Hotel; ich würde heute Abend zurückkommen, es holen und dann zum Flughafen fahren. Das war der Plan. Höhö.

Ich ging in strahlendem Sonnenschein (das blieb auch den ganzen Tag so, ich hatte mich eingeschmiert, aber habe jetzt ein bisschen Farbe bekommen) zu "meinem" Bahnhof in Kamata, setzte mich in meine Linie und stieg irgendwo unterwegs in die Ringlinie um. Mit der fuhr ich bis Harajuku, denn ich wollte auf den Aussichtsturm der Stadtregierung. Dazu stieg ich also in Harajuku aus und lief und lief und lief in einem klimatisierten Gang mit Rollbändern und lief und lief und lief. Ich bin kein Volkswagen, deswegen lief ich irgendwann nicht weiter, denn ich war da, wo ich hinwollte. Die Schlange für die Aufzüge zur Aussichtsplattform war sehr kurz, der Blick in meine Tasche sehr pro forma (solange da keine Drähte rausgucken, kann man mit da hochnehmen, was man möchte) und mit dem ersten Schwung stand ich im Fahrstuhl hoch in den 45. Stock.

Obwohl die Aussichtsplattform in meinem Online-Reiseführer stand, halte ich sie für einen Geheimtipp - denn dafür, dass man von da oben einen so fantastischen Ausblick hat, und vor allem dafür, dass das Ganze kostenlos ist (!!!), war erstaunlich wenig im 45. Stock los. Man sieht nicht nur, wie riesenriesenriesengroß diese Stadt, man sieht nicht nur Wolkenkratzer wie den Tokyo Skytree, man sieht nicht nur - ja, ganz dahinten - den Pazifik, sondern man sieht auch den Fudschijama, den bekanntesten Berg Japans. Wow, sehr, sehr beeindruckend. Nach der Aufnahme einer angemessen großen Zahl von Fotos einschließlich Selfies und dem Kauf einiger Postkarten (die dann geschrieben und im gut versteckten Postamt unten in der Stadtverwaltung abgegeben wurden) stieg ich gleich in die U-Bahn um und fuhr in Richtung Yasukuni-Schrein (den ich jetzt auf Deutsch als "Jasukuni" umschreiben müsste, aber so schreibt den selbst in Deutschland keiner).

Um diesen Yasukuni-Schrein wird so ein Bohai gemacht, weil dort auch Kriegsverbrechern gedacht wird. Besonders wenn der japanische Premierminister in seiner Funktion als Premier (und nicht etwa als Privatmensch) dort auftaucht, hagelt es sofort Protestnoten aus Korea (da sind sich Norden und Süden anscheinend sogar mal einig) und China, weil diese Länder dieses Gedenken als Verherrlichung des Krieges ansehen.

Diesen Schrein guckte ich mir also mal und natürlich ist für den Normalchristen dort nichts zu erkennen, was auf irgendwelche politische Bedeutung schließen lässt. Im Übrigen ist die umgebende Parkanlage einfach schön.

Ebenfalls sehr schön ist der Kitanomaru-Park, der vom Yasukuni-Park nur durch eine Straßenbrücke getrennt ist. Von der sehr lebendigen Stadt kommt man schlagartig in eine Oase der Ruhe mit großen Rasenflächen, kleinen Wäldchen mitsamt Spazierwegen und einigen Wasserflächen. Dieser und der noch größere Kaiserliche Garten (soweit er zugänglich ist, aber das was zugänglich ist, ist völlig ausreichend ...) sind für meinen Geschmack so etwas wie Tokios Central Park - das ist richtig schön, und das Schlendern dort im Park war sogar mal richtig Urlaub.

"Richtig Urlaub" ist der Einsatz für den großen Auftritt - Trommelwirbel - meiner Füße. Die wollten nämlich nicht mehr und riefen laut und deutlich: "Wir wollen zum Baseball, da kann der da oben drei Stunden auf seinem Stühlchen sitzen und sich das Bier von den Kanistermädchen an den Platz bringen lassen." Die Leute guckten schon, wer da so laut ruft, also gab ich nach und versprach meinen Füßen den Gang zum Baseball.

Nun fing das Baseballspiel wie gestern um 18.15 Uhr an; es wäre also so gegen 21.15 Uhr zu Ende; um 22 Uhr wäre ich spätestens am S-Bahnhof und ich bräuchte sicher eineinhalb Stunden ins Hotel, wo ich also - wenn alles gut lief - um 23.30 Uhr ankäme. Mein Flieger geht gleich um 2 Uhr, bis ich dann am Flughafen gewesen wäre - das wäre alles knapp geworden. Ich entschied mich also, mein Gepäck sofort zu holen und dann in einem der Schließfächer, die es hier an den meisten Bahnhöfen gibt, einzuschließen, sodass ich mir den Weg nach dem Baseball spare. Am günstigen erwies sich der Bahnhof Hamamatsuchō (wusste ichs doch, dass auf das "o" ein Strich kommt), weil der nicht nur auf meiner Strecke in Richtung Baseball lag, sondern auch den einen Endpunkt der Einspurbahn zum Flughafen in Haneda bildete (ich kam in Narita an, fliege jetzt aber von Haneda weg; auf dem Heimweg komme ich in Narita an und fliege von dort auch wieder weg). Außerdem könnte ich dann noch bei meinem Sushi-Laden zu Mittag essen - das war mein Plan.

Es kam alles anders: Ein Selbstmörder (vielleicht war's auch wirklich nur ein Personalunfall mit Verletzung, ich weiß nicht) bremste mich übel aus. Ich war gerade in Tamachi an meinem Bahnsteig, als die japanische Bahn, die  im Durchschnitt zehn Sekunden (Sekunden, nicht Minuten!) Verspätung hat, eine Viertelstunde Verspätung anzeigte. Es wurden 20, 25, 30 Minuten. Was nun? Es war jetzt etwa 15.15 Uhr; ich hatte zehn Minuten Fahrtstrecke vor mir, Essen dauert auch seine Zeit und zum Hotel musste ich auch noch (und Eintrittskarten fürs Baseball kaufen) - um 16 Uhr, allerspätestens 16.30 Uhr sollte ich schon im Zug zurück in Richtung Chiba zum Baseball sitzen. Hm. Knapp. Es wurden 40 Minuten, 50 Minuten (der kommt jetzt eh nicht mehr), ehe ich mich entschied, jetzt hier in Tamachi zu Essen und meinen ursprünglichen Plan (abends, also nach dem Baseball, mein Gepäck zu holen zu verwirklichen). Jetzt war ich ja aber in Tamachi durch die Chipkartenkontrolle gegangen und wurde beim Versuch, am gleichen Bahnhof wieder rauszugehen, abgewiesen. Doof. Also ging ich zum Bahnsteig in Richtung Hauptbahnhof und sah in dem Moment die Bahn, auf die ich 55 Minuten gewartet hatte, abfahren. Das konnte nicht euer Ernst sein, Bahn!

Wenigstens war die Streckensperrung jetzt aufgehoben, ich entschied mich abermals um, nahm den nächsten Zug, jetzt war Sushischaufeln im Schnelldurchgang angesagt. Ich kam gegen 15.45 Uhr an meinem Sushi-Lokal an - es war zu! Mittagpause! Hatten sich denn alle gegen mich verschworen?

Nein! Der Automat im FamilyMart gab mir im zweiten Anlauf meine Baseballkarte, das Hotel gab mir meinen Koffer, jetzt musste ich halt in Chiba was zu essen auftreiben. Zurück zum Bahnhof, ich nahm den Zug um 16 Uhr, schloss in Hamamatsuchō für zweimal vier Euro mein Gepäck ein, fuhr weiter zum Hauptbahnhof, stieg dort um in die Bahn in Richtung Chiba und kam eine Stunde vor Spielbeginn am Bahnhof an.

Sushi wurden es heute keine, sondern Ramen, spezielle Nudeln, wieder mit Fleisch und diesmal mit Ei obendruff, bei der letzten Nudel bekleckerte ich mich (ich muss ja jetzt den ersten Tag in Seoul auch noch ungeduscht überstehen, naja, vielleicht dusche ich am Flughafen, wenn das geht) und nahm eine halbe Stunde vor Spielbeginn den Shuttlebus. Ich stieg aus, roch lecker Grillfleisch und bestellte nochmal fünf Spießchen, wobei ich die Inhaber zum Lachen brachte, weil ich halt von jedem eins probieren wollte ...

Die Nationalhymne verpasste ich, und ich scheine beim Baseball der Heimmannschaft nur am ersten Spieltag Glück zu bringen. Heute verlor Chiba (gegen den gleichen Gegner wie gestern und morgen, das ist im Baseball so üblich) mit 0:3. Schade. Feuerwerk gab's zwischendrin trotzdem! War vielleicht als Anfeuerung gedacht ... Achso, als sich heute der eine Schlagmann von Chiba und der Catcher von Seitama das erste Mal am Schlagmal sahen, haben sie sich voreinander kurz verbeugt - sowas passiert in der US-Liga bestimmt eher selten ...

Heute war die Schlange für den Shuttlebus kurz nach dem Spiel deutlich länger als gestern, weil gestern weniger Zuschauer da waren und die auch für die Siegesfeierlichkeiten blieben; aber auch so kam ich schnell zum Bahnhof. Natürlich fuhren jetzt alle Züge pünktlich und ich war mit Umsteigen am Hauptbahnhof und in Hamamatsuchō (das schreibe ich gern, gell?) schon in der Einspurbahn.

Bei Nacht ist die zwanzigminütige Fahrt zum Flughafen schon beeindruckend, bei Tag muss sie absolut fantastisch sein, weil man jede Menge Panoramablicke auf Tokio und Hafen und Bucht und alles Mögliche hat. Ich habe Tokio ja schon gestern meine baldige Wiederkehr angedroht, jetzt ist es endgültig soweit (zumal sich ja bei solchen Flugpreisen, die günstiger als nach Amerika sind, fast schon eine Woche oder so - Betonung auf "oder so" - lohnt ...).

Der Check-in hier ging fix, nachdem sich die Check-in-Damen alle hübsch vor ihren Kabüffchen aufgestellt und sich dann verbeugt hatten - das war richtig süß ...

Sicherheitskontrolle und Ausreise überstand ich (ich bekam den Stempel in den Pass um genau 0.01 Uhr) problemlos und jetzt sitze ich hier in dem sehr schönen Flughafen Haneda und bin schon sehr gespannt auf Seoul: Mein Flieger geht um 2 Uhr Ortszeit und braucht etwa zweieinhalb Stunden; ich bin also gegen halb fünf in Seoul und schlage mich dann in Richtung meines Hotels durch, bei dem ich mein Gepäck abzugeben gedenke. Danach werde ich koreanisch frühstücken und mal sehen, wie ich mir so den Tag vertreibe, bis ich um 15 Uhr dann einchecken kann ...

Land Nr. 108, ich komme ...
Skyline Tokio

Da hinten ist er, der Fujiyama (jetzt auf Englisch geschrieben)

Yasukuni-Schrein

Tor zum Kitanomaru-Park

Im Kitanomaru-Park

Im Kaiserlichen Garten

Feuerwerk trotz Niederlage

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