Meine Länder

Meine Länder
Länder in dunkelgrün wurden bereits besucht,
Länder in hellgrün sind fest geplant,
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Sonntag, 23. September 2018

"Saya punya Jerman"

"Ich habe Deutschland" (oder etwas ganz Verwandtes) brüllten die Mädels einander zu, nachdem die erste mich am Nationalmonument abgefangen, mir - zur Verbesserung ihres Englisch - ein paar Fragen gestellt (ja, mir, zur Verbesserung, nicht lachen da hinten!) und mich dann gebeten hatte, mich in ihre Trefferliste einzutragen. Das obligatorische Foto wurde auch geschossen, und als ich nicht wusste, was in der Liste mit "FB/IG" gemeint war, mussten die Mädels kichern - wer weiß denn nicht, dass das "Facebook/Instagram" heißt? Noch größer war das Gekichere, als ich überlegen musste, wie ich denn auf Instagram heiße - dass sie nicht die Augen verdrehten ("Wie doof ist der denn? Hat der etwa keinen Instagram-Account? Lebt der hinter dem Mond?"), ist alles.

Nachdem ich mich also eingetragen hatte (unter einem Australier und einem Franzosen) und die eine Schülerin das ihren Kolleginnen mitgeteilt hatte (ich vermute, es geht darum, möglichst viele Länderpunkte einzusammeln, für sowas habe ich ja gar kein Verständnis ...), hatte ich gleich mal eine ganze Horde von Schülerinnen an der Backe und musste in mindestens drei Listen Autogramme geben ... Fotos wurden ebenfalls für jede Liste als Beweismittel geschossen, ich will gar nicht wissen, wann auf Instagram demnächst Unmengen von Bildern mit dem Titel "Indonesische Schülerinnen mit großem, dicken Europäer" auftauchen (ja, für indonesische Verhältnisse bin ich nicht nur sehr breit, sondern auch ziemlich hoch, das merkte ich, als ich heute in der Schlange zum Bus stand, aber dazu gleich mehr) ...

Heute Morgen hatte ich Volltrottel meinen Wecker gestellt, auf 7 Uhr. Wieso auch immer, wahrscheinlich wollte ich was vom Tag haben, aber mein Gehirn sagte um 2 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit: "Spinnste wohl?" Um 8.30 Uhr stand ich dann auf, duschte nochmal kurz (ich hatte gestern Abend noch "richtig" geduscht, eine echte Wohltat ...) und wankte dann gegen halb zehn zum Frühstück.

Die Kombination aus viel indonesischem und ein bisschen europäischem Frühstück gefiel mir sehr gut, ich verspeiste Glasnudeln und Fisch und ein bisschen Rinderbacon, danach noch zwei, drei süße Teilchen und trank zu alldem Guavensaft - auch lecker. Danach guckte ich mal kurz am Pool vorbei, befand ihn für hübsch, aber nicht atemberaubend und entschied mich also gegen einen Faulenzertag am Pool und für eine Stadterkundung.

Ich lief in Richtung Nationalmonument, wurde unterwegs mehrfach bestaunt, schwitzte nach zehn Minuten wie im Dampfbad (nur halt hier mit Klamotten ...), überquerte eine Straße auf der Fußgängerbrücke und lief weiter in Richtung des Eingangs zum Monas (Monument Nasional, wie das Nationalmonument auf Indonesisch heißt). Die Schlange zum Eingang war ein bisschen lang, also ließ ich es sein und ging an der Polizeistation dort vorbei in Richtung Nationalmuseum - mein grundsätzlicher Plan war es, mit den kostenfreien (!) Touristenbussen mal im Kreis durch Jakarta zu fahren ... Da dieser Plan vorläufig daran scheiterte, dass die Busse am Sonntag erst um 12 Uhr anfangen zu fahren, und ich zudem fast schon am Nationalmuseum war, entschied ich mich, dieses aufzusuchen.

Ausländer zahlen den doppelten Preis, aber bei 50 Cent Eintritt kann man kaum meckern, die Sicherheitsschleuse steht dort auch nur zur Zierde, denn sie piepte zwar, aber es war keiner da, der darauf achtete, und plötzlich war ich wieder von Menschenmassen (Kindermassen, um genau zu sein) umgeben. Heute war irgendein von McDonald's gesponsorter (Werbung hat funktioniert ...) Kindertag, aber ich ging um die Kinderscharen herum und betrat das Museum, das - nahezu durchweg auch auf Englisch beschildert, sehr löblich - von der Prähistorie bis zur Kolonialzeit die Geschichte des indonesischen Archipels abbildet. Nicht das beste, aber eines der besseren Museen, die ich besucht habe in meinem Leben - besonders die Porzellan- und Edelmetallausstellung im vierten Stock fand ich sehr hübsch.

Nach einer guten Stunde kam ich wieder raus und sah den Bus dort stehen, aber er war voll und ich stand - aus der Menge von Indonesiern herausragend - in der Schlange für den nächsten Bus. Mir war es ja egal, ob ich den Bus BW1, BW2 oder BW4 nehme, irgendwo würde der mich schon hinbringen.

Im zweiten Anlauf kam ich rein, saß in der letzten Reihe, schlug mir mehrfach den Schädel an (hatte ich erwähnt, dass ich ein bissel groß für dieses Land bin?) und guckte zu, wie der Fahrer uns durch den Stau, der sich "Jakartaer Stadtverkehr" nennt, schlängelte. Die Motos und die Tuktuks (!) fuhren teilweise über den Gehweg, um schneller voranzukommen, was unser Bus zum Glück nicht versuchte (ich bezweifle aber, dass es nicht schonmal einer probiert hat ...), und in der Nähe der Istiklal-Moschee stiegen alle aus. Der Schaffner kam extra nochmal hoch, um mich auch rauszubugsieren, aber da ich der einzig (Nur-)Englischsprachige war und ihn bei seiner Ansage nicht verstanden hatte (und ich ihn, ehrlich gesagt, auch mit einem Reiseführer verwechselte), konnte ich da nur begrenzt was für.

Ich stieg ein paar Meter weiter in den Bus BW4 ein, nachdem ich mich dort in die Schlange eingereiht hatte, der Bus kam, ich fand einen Platz, und als wir im Norden der Stadt waren, stiegen wieder alle aus. Die Schaffnerin hatte auch diesmal was Längeres (nur auf Indonesisch) angesagt und diesmal vermutete ich (richtig), dass ich auch mit rausmüsste, was mir aber ganz gelegen kam, denn wir waren in der "Altstadt" von Batavia, der früheren niederländischen Hafenstadt, gelandet.

Ich lief erstmal am Bahnhof vorbei in die falsche Richtung, lief einmal im Kreis, überquerte todesmutig (und anfangs noch joggend, später nur noch gleichmäßigen Schrittes gehend) die Straßen, wurde in der Fußgängerzone wieder von Schülern angequatscht, doch als ich auf ihre Frage, ob sie ein Interview mit mir führen dürften, "why not?" ("warum nicht?") antwortete, waren sie verdutzt und gingen. Da haben sie wohl zwar das "not" verstanden, aber es völlig fehlinterpretiert. Ich musste nicht lange auf die nächste Gelegenheit zum Autogrammegeben warten, denn eine weitere Schülerin (übrigens sprechen ausschließlich die Damen mit einem, die Jungs trauen sich nicht ...) sprintete neben mir - diesmal erfolgte das Interview sogar mit Videoaufnahme - ich komme noch ins Fernsehen!

Jetzt war ich aber mir nichts, dir nichts auf dem alten Rathausplatz gelandet, und nachdem das Interview fertig war (vier Fragen, keine Sorge), sprang mir das Café Batavia ins Auge (das hat sogar, wie ich eben feststellte, einen eigenen Wikipedia-Artikel!). Da ich Durst hatte, weil ich meine Flasche Wasser schon im ersten Bus ausgetrunken hatte (und im zweiten die Klimaanlage kaputt war), fiel ich dort ein, wurde in den Nichtraucher-Bereich (das ist schon ein Fortschritt für Indonesien, normalerweise wird hier laut Reiseführer überall geraucht) verwiesen, und bestellte dort Cola, Wasser und ein Jumbo-Bier vom Fass sowie gebratenen Reis mit Hühnchen und Nudeln.

Das 0,5-l-Bier kostet, mit Steuern und Service Charge, knapp acht Euro, aber ich vermute stark, da ist in diesem islamisch geprägten Land ein Stückchen Sündensteuer mit druff, sei's drum, ich trank nach dem Essen noch eins ...

Nun musste ich mich ein bisschen beeilen, um noch ins Historische Museum zu kommen, das sich im alten Rathaus Batavias befindet und um 17 Uhr zumachen wollte. Um 15.45 Uhr kam ich noch rein und konnte mich in dem Haus mit den hübschen alten Möbeln und einer Ausstellung zur Geschichte Batavias und des Hauses selbst umsehen - auch hier konnte man für 25 Cent wenig falsch machen. (Das Frauengefängnis - ein einziger großer Raum, in dem ich mich tief ducken musste - hat mich mit seiner Einfachheit ziemlich beeindruckt.)

Um 16.45 Uhr kam ich raus, ging nochmal auf den Rathausplatz, drehte dann aber um und ging zum Bahnhof, weil ich probieren wollte, mit dem Zug (S-Bahn?) zurückzukommen. Da man hier für die Zugfahrt solche RFID-Karten benutzt, wollte ich eine solche kaufen - ich ging in einen der Supermärkte rein, wo man die angeblich kaufen konnte, und wollte eine Prepaid-Karte für den Zug haben. Der erste Kassierer sprach kein Englisch, der zweite führte mich zu den Fahrkartenautomaten, wo aber elend lange Schlangen waren. Ich nahm dankend Reißaus, probierte es - noch erfolgloser - in einer anderen Kette und war schon wieder auf dem Weg zum Bus, als ich mich entschied, es nochmal an einem Geldautomaten zu probieren.

Da standen zehn Automaten in der Gegend rum, und einer nahm im dritten Anlauf auch mein Geld, spuckte eine solche RFID-Karte aus (die an sich schonmal drei Euro kostet, Saftladen), die ich im zweiten Anlauf (die scheint man erst aktivieren zu müssen) auch erfolgreich einsetzte, um die Zugangssperre zum Bahnsteig zu überwinden.

Ich nahm den Zug in Richtung Bekasi, betrat zunächst versehentlich den Frauenwagen, stellte meinen Irrtum schnell fest (alles pink und nur Frauen drin ...), stieg in den nächsten Wagen ein, stellte kurz vor Abfahrt entsetzt fest, dass es zwei Strecken dorthin gibt, hoffte darauf, dass der Zug die für mich richtige nehmen würde und war beruhigt, als als erste Station "Jayakarta" angesagt wurde, der erste Stopp auf der richtigen Linie. Unterwegs kam ein Typ durch den - übrigens ohnehin schon sehr sauberen und recht geräumigen Zug - sprühte Wasser auf den Boden und kam ein paar Minuten später mit einem Mopp zurück, mit dem er das Wasser großflächig auf dem Zugboden verteilte - kein Wunder, dass es da so sauber ist.

Ich stieg in der Nähe meines Hotels (wie ich nach einem Blick auf Google Maps festgestellt hatte) wieder aus, hatte für die knapp halbstündige Fahrt 3.000 Rupien (ca. 15-20 Cent) bezahlt, weigerte mich, mich von einem Tuktuk-Fahrer übers Ohr hauen zu lassen (der wollte für fünf Minuten Fahrt einen ganzen Euro haben, der Wucherer!), und lief dann eben zehn Minuten zum Hotel, nicht ohne noch weitere vier Mal beim Überqueren der Straßen mein Leben in Gottes Hände zu geben ... (Boah, dramatischer ging's eh nicht mehr.)

Hier habe ich jetzt erstmal geduscht und wollte vielleicht noch ein Bierchen aus der Minibar entnehmen, stellte aber eben enttäuscht fest, dass meine Minibar leer ist - Saftladen! Naja, muss ich halt mit dem Wasser vorliebnehmen, das das Hotel kostenfrei zur Verfügung stellt. Heute gehe ich nicht mehr raus.

Da ich jetzt (es ist halb neun) ins Bett gehen möchte (außer, ich gucke Bundesliga, was auf Fox läuft), sollte ich - wenn der Muezzin nicht wieder so laut ist diese Nacht - morgen relativ früh fit sein. Dann wird erstmal gefrühstückt, und ich denke, dann fahre ich nochmal in die Altstadt, denn dort gibt es wohl noch ein paar Sachen zu sehen - außerdem muss die Karte ja leer werden ...

Und übermorgen geht es ja dann schon nach Osttimor, Kinder, wie die Zeit vergeht ...

Wenig Verkehr

Nationalmonument mit Skyline

Ganz linke Nummer

Rathaus von Batavia

Alte Geschichte

Blick auf den Rathausplatz mit indonesischer Flagge

Tugu Tani (Heldendenkmal) und dahinter mein Hotel

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