Boah, bin ich kaputt ...
Ich schlief wie ein Stein, außer,
dass gegen 6 Uhr die Klimaanlage anfing zu klacken, keine Ahnung, wieso, aber
davon wachte ich auf. Inzwischen war das WLAN zum Dienst angetreten, sodass ich
heute Morgen den gestrigen Blogeintrag hochladen konnte.
Ich marschierte runter, wurde per
Fingerzeig zum Frühstücksraum beordert und setzte mich dort hin. Der Kellner
(kein Buffet) stellte mir zuliebe das Fernsehen auf einen englischsprachigen
Kanal ein (wäre nicht nötig gewesen) und brachte dann das zwar nicht üppige,
aber sehr leckere Frühstück, bestehend aus Orangensaft, Kaffee (ja, ich trank
ihn mit viel Milch …), einer Flasche Wasser (wurde mitgenommen), einem
Croissant und einem anderen Teilchen, Mutter, Marmelade, Honig, Streichkäse und
einem Ei. Danach war ich durchaus gesättigt.
Ich ging nochmal kurz aufs Zimmer,
schmierte mich ein (was sich als sehr sinnvoll erweisen sollte), obwohl es
nebelig-diesig draußen war, und machte mich dann zu Fuß auf. Ich lief an der
Flughafenstraße entlang in Richtung „Innenstadt“, es war kühl und windig,
gerade recht für mich. „Innenstadt“ setze ich in Anführungszeichen, denn direkt
unterhalb des – sehr kleinen – Unabhängigkeitsplatzes ist erstmal ein großer
Sandplatz, auf dem zwei kaputte Fußballtore stehen. Mir kamen ein paar Esel auf
Wanderschaft entgegen und ein weiterer legte sich mir in den Weg, sodass ich um
ihn herumging. Soviel zur zweitgrößten Stadt Mauretaniens …
Ich lief weiter (unterwegs kam ich
an einigen Lokalen, viele davon in der Nähe meines Hotels, und einigen
Fischgeschäften, in denen ich eher keinen Fisch kaufen würde, vorbei), wurde
auf einmal von einem Soldaten auf die andere Straßenseite verjagt, weil ich
nicht direkt an der Kaserne vorbeilaufen sollte (ich könnte ja die großartige
mauretanische Marine ausspionieren …), und merkte, dass ich nicht so einfach
ans Wasser komme, denn überall ist schon Hafen.
Ich überlegte, mir ein Taxi weiter
in Richtung Süden, zur Spitze der Halbinsel, auf der Nouadhibou liegt, zu
nehmen, aber dafür brauchte ich erstmal Kohle. Zwei mauretanische Banken
akzeptierten meine Kreditkarte nicht, aber bei der Société Générale (drei von
vier Akzenten hatte ich von mir aus richtig gesetzt …) hatte ich Glück. Nun im
Besitz von mauretanischem Geld setzte ich mich erstmal auf eine Bank, trank
mein Wasser aus und wollte neues kaufen. Also lief ich in Richtung Supermarkt,
merkte, dass ich erst jetzt auf der richtigen Hauptstraße war, die zwar
belebter, aber auch nicht viiiiel großstädtischer war als die Straße, auf der
ich gekommen war, lief spontan mal durch einen kleinen Handymarkt und machte
dann im Supermarkt für 200 Ouguiya einen 5.000er klein (was der Inhaber nicht
so ganz großartig fand …), ehe ich mich auf eine Bank setzte. Kurz zuvor hatte
ich mit meinen zwei Flaschen Wasser am spanischen Konsulat gestanden, als ein
älterer Mann vorbeilief, umdrehte, sich meine eine Flasche (aus der Tüte!) griff
und mich anguckte: „Oui?“ Ich sagte „non“ und er trollte sich, aber irgendwie scheinen
mir manche älteren Mauretanier ziemlich unverschämt zu sein – denkt ihr, ich
bin auf der Wurstsuppe dahergeschwommen oder was? Und nein, das hat nichts damit
zu tun, dass ich unhöflich wäre – ich hätte ja vielleicht gestern Abend den
Typen am Flughafen sogar vorgelassen, und ich hätte dem heute auch einen
Schluck Wasser abgegeben, aber da muss man halt „mit de Leut“ reden, sich
einfach vordrängeln oder etwas an sich nehmen, sorry, das geht nicht, auch
nicht, wenn ich deutlich jünger bin als ihr.
Dieses sollte allerdings nicht das
bizarrste Erlebnis des heutigen Tages sein, denn nun wollte ich ja mein Taxi
nehmen, der Schiffsfriedhof war mein Ziel. Der Taxifahrer verstand mich so
(sagen wir mal …), dass ich das ganze Taxi (mitsamt seinem Sohn …) chartern
wollte, und da er das so verstand, war der Preis auch einigermaßen akzeptabel
(1.000 Ougiyas, ca. 2,30 € für eine viertelstündige Fahrt), und mir war’s dann
am Ende recht. Wir fuhren also aus Nouadhibou heraus durch mehr oder weniger
Wüste, links war das Meer, rechts die Eisenbahnschienen und ein paar Meter
dahinter die Westsahara (bzw. Marokko, wenn man Marokkaner ist).
Wir landeten in Cansado, einem
Vorort von Nouadhibou mit ein paar Hotels, in denen man als Tourist vielleicht
auch unterkommen könnte – nach rechts (nach Süden) wollte ich ein paar Schritte
gehen, aber irgendwann kam da ein Schild, dass der Zutritt verboten sei, also
wandte ich mich um und ging nach Norden, wieder in Richtung Nouadhibou, dort wo
auch in Google Maps ein Schiffsfriedhof eingezeichnet war. Nachdem ich an einem
Hotel vorbeigelaufen war, dessen Tennisplatz so aussah, als ob da zuletzt jemand
Tennis gespielt hätte, als Boris Becker noch in die Windeln machte, ging es –
an einer Moschee vorbei – in ein Gebiet, das eher wie ein Wohnviertel aussah. Irgendwie
sah vieles verlassen aus, ich bog nach rechts auf eine Schotterpiste ab, denn
ich wollte wenigstens einen Blick auf den Schiffsfriedhof erhaschen.
Ich ging immer weiter, und
tatsächlich mehr oder weniger plötzlich stand ich am Strand – das war auch
deswegen so unerwartet, weil bis dahin immer Klippen den Rand des Festlandes
säumten, und jetzt hatte ich hier auf einmal ebenerdigen Zugang zum Atlantik.
Schwimmen hätte ich dort allerdings selbst dann nicht schwimmen wollen, wenn
ich meine tolle neue Badehose dabeigehabt hätte, denn erstens lag hier allerlei
Müll rum und zweitens sah man überall im Wasser Schiffe, fahrtüchtige und
unfahrtüchtige, dass ich nicht unbedingt riskieren wollte, eine größere Dosis
Schiffsöl auf meine Haut zu kriegen …
Nun stand ich da und sah nur in der
Ferne eben ein paar Schiffe in Strandnähe. Ich entschied mich, am Strand
entlangzumarschieren. Unterwegs kam mir ein Mann vorbei, den ich zuvor mit
einem Eselskarren am Strand entlangfahren gesehen hatte, unterwegs saß ein
weiterer Mann nur mit Badehose und diesem Turban/Tuch vor dem Mund bekleidet am
Strand (er war wohl gerade schwimmen gewesen …), und ich stolperte am Strand
entlang (das ist anstrengend, da im Sand zu laufen). Meine Arme und meine Rübe
hatten schon angefangen, Bekanntschaft mit rötlicher Farbe zu machen, sodass
ich mein Hemd auszog (es flog mir nur einmal weg, aber ich fing es wieder auf)
und es als Umhang verwendete. So kam nicht nur mehr Wind auf mein Unterhemd
(schöööön), sondern auch weniger Sonne auf meine Arme und in meinen Nacken (gut
und für meine Verhältnisse gar nicht so doof …).
Zwischendrin musste ich eine Art
von Hafengebäude umgehen, also folgte ich den Spuren des Eselskarren um das
Gebäude herum, wurde von dem Badenden (nur voll bekleidet überholt) und
entschied mich dagegen, gleich zur Hauptstraße zu gehen, sondern guckte mit den
Schiffsfriedhof aus der Nähe an.
Joa, da läuft man dann über dieses
Sand-Müll-Gemisch, vorbei an den Hütten der Fischer, kämpft mit dem Hemd und
dem Wind (irgendwann hatte ich das Hemd falsch herum über meinem Kopf …),
schießt Fotos und erfreut sich an dieser sehr sonderbaren, sehr bizarren, aber
irgendwie interessant-schönen Sehenswürdigkeit im wahrsten Sinne des Wortes.
In den 1980er-Jahren fing das wohl
an, dass mehr oder weniger gewissenlose Schiffseigner mauretanische Beamte
bestachen, ihre Schiffe hier auf Grund laufen und sie dann ihrem Schicksal
überließen. Nach und nach landeten mehr Schiffe hier an ihrer letzten
Ruhestätte, sodass der Schiffsfriedhof von Nouadhibou zu einem der größten der
Welt wurde. Eigentlich wollten die Mauretanier mit chinesischer Hilfe bis
September 2017 hier alle Wracks abräumen, aber – für mich zum Glück – kamen sie
offenbar doch nicht so schnell hinterher wie gewünscht. Und so stand ich jetzt
da und guckte mich satt – ich hoffe nur, dass keiner der Fischer seine
Handykamera rausholte und mich
fotografierte, wie ich da mit meinem Hemd im Clinch lag, sonst lachen die noch
wochenlang über den bekloppten Ausländer …
So, jetzt war ich durch – gebraten
und gedünstet – und lief die paar hundert Meter zur Straße. So’n bisschen kam
ich mir vor wie James Bond, der irgendwo mitten in der Wüste aus einem
unterirdischen Versteck aufsteigt, sich an die einsame Straße stellt und ins
nächstbeste Taxi einsteigt, als wäre das das Selbstverständlichste der Welt.
Naja, ich stand da zehn Minuten, Viertelstunde, bis endlich ein (nicht volles)
Taxi kam (übrigens einer der ganz vielen uralten und manchmal etwas verbeulten,
aber immer noch fahrtüchtigen Mercedes) und für mich anhielt.
Normalerweise, so steht es im
Reiseführer, sollen auf dem Beifahrersitz zwei Personen und auf der Rückbank
vier Personen sitzen. Jetzt saß vorne ein junger Mann und hinten auf der
Rückbank nur eine alte Oma. Wahrscheinlich hätte ich mich, wegen
Geschlechtertrennung und so, auf den Beifahrersitz quetschen sollen, aber hier
machte ich mal wieder etwas, was ich gut kann, und stellte mich dumm. Auf der
Rückbank war nämlich zwischen der Oma und mir noch so viel Platz, dass da
selbst der strengste saudische Kleriker nicht auf die Idee kommen konnte, dass
das unzüchtig oder sonstwas wäre (und wenn doch, gehört er ausgepeitscht). Am
Ende brachten die mich zu dem Restaurant, in das ich jetzt wollte, ich zahlte
200 Ouguiyas, also weniger als 50 Cent für die viertelstündige Fahrt, und alle
waren zufrieden …
Das Restaurant Galloufa begrüßte
mich mit einem der englischen Sprache mächtigen Kellner, was ich so betone,
weil das hier nicht so selbstverständlich ist. Meist werde ich auf Französisch
angesprochen, und wenn sie an meinem verständnislos-panischen Gesichtsausdruck
oder an meinen untauglichen Versuchen, die Sprache Molières zu vergewaltigen,
merken, dass mein Französisch, öhem, verbesserungsfähig ist, sprechen sie meist
sofort Spanisch mit mir, aber so schnell, dass ich größte Mühe habe, es zu
verstehen. Jetzt sprach der Typ also Englisch, was mir das Leben erleichterte.
Am Meer isst man Fisch, und also aß
ich eine Fischplatte für 10 €, also nicht ganz wenig Geld für hier, aber das
ist ein Lokal, das von Spaniern geführt und von Spaniern frequentiert wird, da
zahlt man halt auch halbwegs spanische Preise, passt schon (die Toilette würde
in Europa allerdings ganz schnell aus dem Verkehr gezogen, aber das merkte ich
zum Glück erst nach dem Essen …). Achso, das Essen (zwei Fische, vier Garnelen,
Tintenfischringe, bisschen Reis, bisschen labrige Pommes, bisschen Gemüse) war
lecker (wirklich!), die Cola auch, und als ich sah, dass etliche Spanier zum Essen
ein (echtes) Bier tranken (alle Gerüchte, dass man Mauretanien „trocken“ sei,
sind offenbar stark übertrieben), trank ich halt auch eins (und später, als sie
mir zwei Bier berechneten, auch noch das zweite, ehe sie anfangen müssen zu
rechnen …).
Jetzt war ich – nicht wegen des
Bieres, sondern wegen der 14 km, die ich heute gelaufen war und von denen ein
gut Teil anstrengenderweise durch Sand verlief – fertig, ich ging noch die
letzten 500 m zum Hotel, holte Schlüssel und Pass an der Rezeption, schmunzelte
über das verwackelte, unterbelichtete Bild von meiner Wenigkeit, das sie
gestern Abend fürs Visum aufgenommen und auf selbiges gedruckt hatten, ging
duschen und war schon sehr, sehr früh bettfertig …
Ein schöner, interessanter,
spannender Tag war das heute – doch, hat Spaß gemacht.
Morgen geht es um 18.10 Uhr schon
wieder zurück nach Gran Canaria, wo ich nach einer guter Stunde Flug um 20.20
Uhr Ortszeit (eine Stunde Zeitverschiebung) ankomme und dann hoffentlich noch
irgendeinen der Busse nach Las Palmas erwische.
Zwei habe ich noch:
Das marokkanische Konsulat, das
hier um die Ecke eines Hotels liegt, ist ja nur 1,5 km Luftlinie von der Grenze
zur Westsahara (bzw., nach marokkanischer Lesart, zu Marokkos südlichster
Provinz) entfernt – es dürfte nicht viele Konsulate geben, die geografisch so
nah an der „Heimat“ liegen.
Und die Mauretanier tragen nicht
diesen klassischen arabischen Kaftan, den ich zum Beispiel von den Golfstaaten
kenne, der einfach ein langes Hemd ist, sondern die tragen ein normales,
westliches Hemd und darüber ein weißes Gewand, das Ähnlichkeit hat mit Kleidern
mit langen (und breiten) Trägern, die westliche Frauen manchmal tragen. Sieht
erst ein bisschen komisch aus, ist aber halt so …
Moschee in Nouadhibou |
Schon ein Weilchen her, dass der Knoblauch verfahren hat |
Sagt ein Esel zum anderen Langohr - downtown Nouadhibou |
Schiffsfriedhof I |
Schiffsfriedhof II |
Schiffsfriedhof III |
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