Meine Länder

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Länder in hellgrün sind fest geplant,
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Montag, 21. August 2017

Von der Figur her könnte ich Emir sein

... dachte ich mir jedenfalls, als ich die Festkleider der Emire von Buchara hier auf der Festung, der Ark, sah. Jedenfalls hatten die alle auch keinen Body Mass Index von unter 20 ...

Meine Ma ratzte die ganze Nacht durch, jedenfalls ab 22 Uhr, denn so lange musste sie warten, bis ich Blog geschrieben und (fast) alle Fotos hochgeladen hatte - die Internetverbindung hier im Hotel ist zwar vorhanden, aber sehr langsam, da springen die Bytes einzeln in die Leitung und machen "hui" ...

Nun denn, heute Morgen klingelte der Wecker um 7 Uhr, um 7.45 Uhr schmiss meine Frau Mama mich aus dem Bett, denn Frühstück gab es nur bis 9 Uhr. Das Frühstücksbuffet hier ist in Ordnung, vor allem hochgradig in Ordnung ist aber der Frühstückstücks, ein alter Esssaal aus dem 19. Jahrhundert - diese Örtlichkeit war für unser Morgenmahl absolut angemessen, sollte öfter so sein ...

Wir fragten unseren Hotelchef, ob er uns Geld wechsle, er bot den gleichen Kurs an wie unser Taxifahrer in Taschkent (ich will gar nicht wissen, wieviel Provision die da abziehen, aber uns spart es Zeit und vor allem eventuelle Scherereien mit der Miliz; am Ende ist es eine Win-Win-Situation für beide, weil wir weit besser als mit offiziellem Kurs wechseln, und wenn sie dafür ein bisschen was verdienen, ist uns das recht ...). Wir wollten 100 US-Dollar wechseln und bekamen dafür 700.000 Som, aber weil er kein so'n dickes Geldbündel vorrätig hatte, gab er uns erstmal nur 100.000 Som, den Rest würde er uns bei Rückkehr besorgt haben - der Typ ist in unseren Augen so vertrauenswürdig, dass wir uns auf diesen Handel einließen, und tatsächlich (Spannungsbogen ist heute nicht nötig) bekamen wir ein paar Stunden später bei unserer Heimkehr unsere Kohle: Das ist ein drei Zentimeter dickes Bündel an 5.000-Som-Scheinen, die meinen armen Geldbeutel total ausbeulen ...

Auf dem (kurzen) Weg auf die, sagen wir, Hauptstraße der Altstadt überholte uns ein Schweizer Pärchen, bei dem sie kasachische Wurzeln hatte und entsprechend besser Deutsch spricht als ihr Freund (höhö, naja, nicht so ganz "höhö", denn der Freund kommt aus dem französischsprachigen Genf, und daher ist der Superwitz am Ende gar nicht so superwitzig - "war doof, merkste selbst, ne?" - okay, keine Schweizer-Deutsch-Witze mehr, versprochen ...).

Ab jetzt wird's besser: Wir liefen erstmal über die Hauptstraße, dann an der Feuerwache (und einigen Brotbäckern) vorbei in ein Einheimischenviertel hinein, in dem wir keineswegs misstrauisch, gelegentlich freundlich beäugt wurden (die Kinder rufen einem manchem "Helobai" hinter her, das soll "Hello" und "Bye", also "Hallo" und "Tschüss", heißen). Wir wollten geradeaus laufen, als uns ein älterer Herr grinsend ansprach, nach links zeigte und "Chor Minor" ausrief. Der wusste, wie der Hase läuft bzw. der Tourist hinwill. Ich dankte ebenfalls grinsend (auf Russisch), wir gingen nach links, dann ein Stückchen nach rechts und standen vor einem der Wahrzeichen Bucharas.

Auf den vier wunderbaren blauen Türmchen nisteten noch vor einigen Jahren Störche, aber die beiden Vordertürme sind wohl vor nicht allzulanger Zeit mal zusammengestürzt und wieder aufgebaut worden, da nistet heute jedenfalls keiner. Dieser Bau ist schonmal so richtig, richtig toll anzugucken - schon da waren wir der Ansicht, dass sich Buchara lohnt ...

Danach wollten wir uns eine Moschee angucken, aber die lag hinter einer vielbefahrenen Straße und war jetzt von außen auch nicht so bombastisch toll, also machten wir kehrt und liefen, vorbei an Friseuren und Minimärkten, unter Begutachtung eines "Hausmuseums" (der alte Herr lockte uns an die Tür seines Hofes und zeigte uns sein sehr schönes, aber auch verfallendes Haus, verdiente aber nix an uns) in Richtung Altstadtkern. Von Ferne sahen wir bereits das Kalon-Minarett, wurden von einem etwas hartnäckigen Teehausbesitzer angesprochen und standen dann einigermaßen unvermittelt zwischen der Ulugbek- und der Abdulaziz-Khan-II.-Medresse. Das, meine Damen und Herren, ist - auch wenn ich das Wort oft verwende, vielleicht zu oft - atemberaubend. Diese riesigen Portale der alten Koranschulen, reich mit Mosaiken verziert, bunt oder jedenfalls in blau-weiß  (meine Mutter rastet gar nicht so arg aus wie erwartet, das muss der Overkill sein ...), das ist fantastisch.

Weniger fantastisch ist die Baustelle nebenan, aber da wird aus gutem Grund eifrig gebaut, nämlich damit die Touristen in ein paar Jahren noch mehr begeistert sind - es ist der Wahnsinn. Wir kämpften uns zwischen den Bauarbeiten durch (nix da mit "Betreten verboten - Eltern haften für ihre Kinder") und waren in einem der Kuppelbasare, also einem Basar mit Kuppel drüber (welche Überraschung ...), in dem viele Händler ihre Souvenirs feilboten. "Scusa" und "grazie" folgten, weil wir in eine Gruppe Italiener geraten waren und uns durch diese durcharbeiteten.

Schließlich standen wir auf der Rückseite der Mir-Arab-Medresse und wussten nicht so recht, wo der Eingang ist. Einige Taxis standen auf der Straße geradeaus, also gingen wir geradeaus. Nach 150 m und einigen Porzellanverkäufern (von denen einige "für die Touristen" auch ganz gut Deutsch gelernt hatten) fiel uns die Kinnlade runter und wir kriegten sie so schnell nicht mehr hoch.

Da steht das Portal der Kalon-Moschee, das Kalon-Minarett und das Portal der Mir-Arab-Medresse auf diesem Platz, der wolkenlose blaue Himmel strahlte mit uns um die Wette. Das ist sooooooo fantastisch, so unglaublich schön, das haut einen von den Socken - ich hoffe, ich habe das mit den Fotos ein bisschen eingefangen (und ich hoffe, ich kriege die Fotos hochgeladen).

Wir liefen in die Kalon-Moschee rein (die wird zwar angeblich noch freitags genutzt, aber die Schuhe kann man anlassen), ließen uns teure Postkarten andrehen, mussten dann noch Eintritt und Kameragebühr zahlen (hust), aber das hielt sich alles im Rahmen, der Idiotensteuersatz ist hier nicht ganz so hoch wie in anderen Teilen der Welt. Die Moschee besteht aus dem Portal, dahinter einem Platz mit Säulengang drumherum, am Ende des Platzes steht erst der Vorbeterpavillon und dann wieder ein Portal mit einer Kuppel dahinter. In der Mitte steht dekorativ ein hübscher Baum herum, und von jedem Ort auf diesem Platz hat man eine neue fantastische Aussicht. Besonders vom hinteren Portal sieht man, wenn man sich umdreht, das Minarett sowie das Portal und die blauen Kuppeln der Medresse gegenüber - das ist der absolute Wahnsinn.

Wir saßen da auf einem hübschen Bänkchen, genossen den Blick und machten uns dann auf, um noch vor der stärksten Mittagshitze zum Ark, der Festung, zu kommen. Auf dem Weg haben die Usbeken einige Gebäude plattgemacht und planen (hoffentlich) gerade den Neuaufbau, aber die Festung ist absolut geeignet, um in der nächsten Episode von "Game of Thrones" eine Rolle zu spielen. Die riesigen, dicken Mauern sorgen für den durchaus stabilen Eindruck, den dieses Fort macht. Der kleine Sandsturm, der uns zwischendurch "erfreute", tat sein Übriges, dass wir schnell zum Eingang liefen.

Wir gingen die Rampe hoch, zahlten einen Euro Eintritt und hatten dann - zusammen mit einer Gruppe von Spaniern - den Ark vor uns. Der Thronsaal ist sicherlich hübsch, auch die Moschee und der Ausblick auf die Stadt an manchen Stellen (leider gibt es keinen Ausblick auf das Kalon-Ensemble), aber es hat seinen Grund, wieso der Reiseführer den Besuch des Ark vor dem Kalon-Ensemble empfiehlt, er ist halt nicht soooo toll.

Nun war es 12 Uhr, wir hatten Durst und ein wenig Hüngerchen und hatten schon auf dem Weg zum Ark eine kleine Kneipe eindeckt, in die wir nun einfielen. Es gab keine Karte (angeblich, in Wirklichkeit wollten sie mir nur nicht die russische in die Hand drücken, obwohl ich da zumindest das eine oder andere entziffern konnte), sodass wir erst ein wenig unsicher waren, ob wir a) denen trauen und b) genug Geld dabei haben (unsere usbekischen Barreserven waren jetzt doch auf umgerechnet 11,50 Dollar gefallen). Wir bestellen eine 1,5-l-Flasche Cola und Brot, und der Kellner (der eine, der Englisch sprach) fragte, ob wir was Richtiges essen wollten. Naja, jetzt war eh alles wurscht, also nahmen wir Palov (leckeren gekochten Möhrenreiseintopf mit ein bisschen Fleisch drüber) und zwei Schaschlik-Spieße (einen mit gebratenen Rindfleischstücken, einen mit Hackfleisch, beides gut).

Satt und gestärkt fühlten wir uns bereit, in die Verhandlung zu starten, mit welchem Geld wir das alles zahlen, als uns die Rechnung präsentiert wurde: Wir sollten - man halte sich fest - umgerechnet 5,50 Dollar bezahlen - nicht pro Person, sondern zusammen! Dafür langte selbst unser usbekisches Geld, Trinkgeld gab's obendruff, und wir liefen - an dem hübschen Bolo-Hovuz-Moscheechen vorbei - in Richtung Basar.

Als wir da waren, war meine Mutter ob des Gedränges nicht so ganz begeistert, sodass wir nach einem kurzen Rundgang durch den Kleiderbasar an der Straße entlang in Richtung Stadtmauer gingen. Zwischendrin sahen wir aber den Obstbasar und entschieden uns, doch nochmal reinzugehen. Wir sahen viel Knoblauch, sehr viele Trauben, riesige (wirklich riesige!) Melonen und - man höre und staune - sogar Gemüsearten, die selbst meine Mutter nicht kannte. Auch in den Käsebasar und den Süßigkeiten-Gewürz-Basar trauten wir uns auf einmal rein, ließen uns Lorbeerblätter geben und konnten gar nicht schnell genug gucken, als der Verkäufer uns ein Fleischgewürz zusammenstellte, das aus grob geschätzt zwölf verschiedenen Gewürzen bestand und aus noch mehr hätte bestehen könnten, wenn wir dem Mischen und Mörsern nicht Einhalt geboten und mal nach dem Preis gefragt hätten. Am Ende zahlten wir für alles zusammen einen Dollar (in Worten: einen) und waren glücklich.

Das alte Stadttor war jetzt nicht so richtig imposant, aber nach dessen Begutachtung hatte ich für heute, um 13.30 Uhr Ortszeit oder so, Feierabend angeordnet. Wir bestiegen ein Taxi, das uns - ebenfalls für einen Dollar - zum Hotel fahren sollte, das Hotel aber nicht fand, und ehe wir nochmal um die halbe Altstadt fuhren, ließ ich den Taxifahrer am falschen Ort anhalten (nämlich am Lab-i Hauz, wo wir gestern Abend die ersten Begeisterungsseufzer ausgestoßen hatten) und wir liefen den Rest des Weges zu Fuß.

Nach der Entgegennahme der restlichen 600.000 Som von unserem Rezeptionisten gingen wir ins (klimatisierte) Zimmer und warden für drei Stunden nicht mehr gesehen.
Nach der Siesta zog uns der Kalon-Komplex noch einmal magisch an. Hier wird überall gebaut, deswegen mussten wir - wie viele andere Touristen - mitten durch die Baustelle watscheln, die Arbeiter ließen sich von uns nicht stören und wir uns nicht von ihnen. Wir rekapulierten einen Stück des Weges von den sich gegenüberstehenden Medressen (Koranschulen) über den einen Kuppelbasar bis hin zu Kalon-Minarett und -Moschee. Bei der jetzt veränderten Sonneneinstrahlung waren die Ansichten noch einmal ganz anders - kurzum, das heute war ein fantastischer Tag. Wir saßen da auf dem Bänkchen, philosophierten ein wenig herum, verscheuchten Kinder, die uns Postkarten verkaufen wollten, beobachteten eine ziellose über den Platz vagabundierende Mülltüte, guckten immer mal, ob da oben die Terrasse wohl heute Abend aufmacht oder nicht (wir entschieden uns dann, dass sie es nicht tat, überhaupt ist hier gerade eher Nebensaison, obwohl die Sommerhitze keineswegs so unerträglich ist wie vorher ausgemalt).

Wir gingen nochmal am Minarett vorbei eine Treppe hoch, von dort oben machte ich erneut Fotos aus anderem Winkel, es ging wieder über die Baustelle (diesmal aus einer anderen Richtung), und am Ende landeten wir in dem Lokal, das direkt an unserem Heimweg liegt und von ich dachte, dass es recht teuer sei. Wir guckten uns die Speisekarte an, befanden die Preis für akzeptabel und setzten uns oben auf die Terrasse mit einem schönen Blick über Buchara (leider nicht über den Kalon-Komplex - naja, außer dem Minarett, das siehst du von fast überall ...).

Wir hatten gerade das erste Bier vor uns stehen, als uns eröffnet wurde, dass es kein Gas gibt (später stellte sich heraus, dass in ganz Buchara das Gas ausgefallen war, einschließlich unseres Hotels) und daher das Essensangebot eingeschränkt sei. Die vorhandene Essensauswahl ließ uns rätseln, wieso den für dieses Gericht Gas gebraucht würde und für jenes nicht, am Ende landeten zwei Samsas (Samoses, also Blätterteigtaschen mit Fleischfüllung) und fünf Mantis (runde Maultaschen mit Fleischfüllung) auf unserem Tisch, und wir waren am Ende wieder satt und zufrieden. Insgesamt zahlten wir heute Abend einschließlich üppigem Trinkgeld 11,50 Dollar (umgerechnet nach inoffiziellen Wechselkursen) und wussten jetzt definitiv, dass die Preise in unserem Lokal von gestern Abend überhöht waren (für Usbekistan und auch wenn das Essen sehr, sehr lecker war).

Im Dunkeln gingen wir unsere 300 Meter durch die spärlich beleuchtete Gasse zu unserem Hotel, ich habe gerade nochmal kurz geduscht, gleich geht es ins Bett.

Morgen geht es nach Samarkand, wir sind sehr gespannt, aber auch ein wenig traurig, dass wir Buchara, das uns gestern Abend und heute sehr ans Herz gewachsen ist, verlassen werden. Liebe Usbeken, wenn ihr so weitermacht wie bisher, werdet ihr auf meiner Liste der lohnenswertesten (und schönsten) Reiseziele auftauchen.

Wir haben eben mal kurz gesponnen, ob wir Donnerstag Abend oder Freitag Morgen mal eben nach Urgench fliegen, uns Xiva (Chiva) angucken und am Freitag Abend zurückfliegen, aber der ganze Spaß würde 168 € pro Person kosten und - entscheidender - einigermaßen Stress verursachen. Wir überlegen schon jetzt, wann wir wieder nach Usbekistan fliegen, und dann wird Xiva definitiv mitgenommen - es gibt ja hier in der Ecke noch zwei, drei unbesuchte Länderchen (Turkmenistan, Tadschikistan und Afghanistan), und vielleicht lässt sich das Neue mit dem tollen Usbekistan kombinieren. We will see, sagt der Franzose.

Frühstücksraum in unserem Hotel

Chor Minor

Medresse (Koranschule)

Zwei Koranschulen gegenüber

Kalon-Minarett

Kalon-Moschee

Im Inneren der Kalon-Moschee
Mir-Arab-Medresse

Der Ark (die Festung)
Zugang zum Ark

Stadttor

Hier ist man schnell Millionär ...

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