... wäre wahrscheinlich ein ziemlicher Alptraum gewesen, vor allem für meine Ma, aber auch mir hätte es wohl nicht so ganz große Freude gemacht, die Serpentinen auf Schweizer Seite mehr oder weniger blindlings herunterzufahren. Zum Glück aber verzog sich der Nebel rechtzeitig!
Es war wohl vorgestern, als ich auf die Schnapsidee XL kam, dass meine Mutter und ich - wenn wir schon das Auto anspannen - auch nach Italien durchstarten könnten und dort Mitternacht abwarten, sodass ich am Ende des Tages sogar neun statt nur acht Länder besucht gehabt hätte. Meine Ma erklärte sich ohne große Überredung meinerseits bereit, mich zu begleiten, und so ging es gestern Abend nach Feierabend schnurstracks in Richtung Schweiz.
Erst einmal stand ich aber in Stühlingen am Stoppschild gefühlt fünf Minuten, weil von links und rechts alles, was zwei oder mehr Räder hatte, angerauscht kam, bis ich endlich eine Lücke fand. Der Schweizer Zoll wollte nichts von uns, sodass es ohne Unterbrechung nach Schaffhausen und dort auf die Autobahn ging. Das Navi wollte mich in Richtung St. Gallen lotsen, aber da das der Rückweg sein würde, wollte ich die andere Strecke über das Ostufer des Zürichsees und Glarus fahren.
Das Navi zickte ein bisschen, aber nach einem Neustart führte es uns brav auf unsere Route, die - wie die meisten Routen in der Schweiz - landschaftlich unglaublich schön waren. Wie üblich ging es am Walensee vorbei (diesmal ohne Halt an der dazugehörigen Raststätte) - ab Sargans ging es aber in Richtung Süden, in Richtung Chur und über Chur hinaus das Rheintal hoch. Der wildromantische und hier keineswegs übermäßig breite Rhein begleitete uns - ab Tamins in Gestalt des Hinterrheins - bis nach Splügen, doch in Splügen fuhr aus der ganzen Kolonne nur ein einzelnes Auto in Richtung Splügenpass: Das waren wir.
Unterwegs hatte es einmal kurz (und heftig) geregnet, aber die Rampe hoch zum Splügenpass fuhren wir bei bestem Wetter. Die Serpentinen waren gewohnt fahrspaßbereitend, aber die (sehr hoch angebrachten und vor allem hölzernen) "Leitplanken" (soweit es solche überhaupt gab und es nicht völlig ungeschützt hinter der Kurve bergab ging) waren, öhm, gewöhnungsbedürftig. Meine Ma bremste und hielt sich fest, was das Zeug hielt (als Beifahrerin!), und dank ihrer Mithilfe bewältigten wir den Aufstieg ohne Probleme.
Die Ausblicke - jetzt bei blauem Himmel - auf die Alpen waren - natürlich - fantastisch, aber wir waren jetzt viiiiel zu früh auf der Passhöhe (hier lag noch ordentlich Schnee an der Seite, aber die Straße war geräumt, sodass wir selbst mit Sommerreifen da keine Sorgen hatten). Fast vier Stunden waren es noch bis Mitternacht, also fuhren wir einige wenige der 52 (!) Serpentinen auf italienischer Seite herunter, bis wir in einem verschlafenen Nest namens Montespluga ein kleines Hotel mit Bar fanden.
Dort kehrten wir ein, ich entlarvte mich sogleich als Ausländer, denn ich bestellte um 20.30 Uhr einen Cappuccino, meine Ma war geschickter und bestellte einen Espresso, und danach folgte ein Aperol Spritz für die Beifahrerin und eine Cola für den Fahrer.
Wir waren jetzt an der Bar die einzigen Gäste (im Restaurant war aber noch Hochbetrieb, was wir aber erst nach Verlassen des Hotels sahen), sodass wir gegen 21 Uhr bezahlten und uns verabschiedeten.
Wir fuhren wieder die Serpentinen hoch (es wurde jetzt dunkel) und stellten uns, auf italienischer Seite, aber nur wenige Meter von der Grenze entfernt, an den Straßenrand. Mutter und Sohn unterhielten sich, guckten Serien, waren überrascht ob der vergleichsweise hohen Zahl an Autos, die - verrückt wie wir - nachts über diesen Alpenpass fuhren, beobachteten die zwei Autos, die hier oben anhielten (Pinkeln, Räuber oder Geschnacksel?), bekamen ob das aufziehenden Nebels ein bisschen Sorge, waren froh, als sich der Nebel verzog und verpassten dann fast Mitternacht.
Um 23.58 Uhr marschierte ich die paar Meter zur Grenze, legte mein Handy mit genauer Uhr auf den Grenzstein und begann den 14. Mai 2022 in zwei Ländern, nämlich Italien und der Schweiz. Jubilierend stiefelte ich zurück zum Auto, stellte das Navi ein, wir fuhren los und überquerten um 0.03 Uhr endgültig die italienisch-schweizerische Grenze.
Im Dunkeln ist die Serpentinenstrecke immer noch schön, aber es sieht schon ziemlich gefährlich aus, sodass selbst ich ziemlich langsam da runter rollte, meist im zweiten Gang, und bereitwillig stehenbleibend, wenn jemand entgegenkam (Deutsche über Deutsche unterwegs ...). Meine Ma und ich waren beide nicht unglücklich, als wir unten in Splügen ankamen, und wir waren beide noch glücklicher, als wir auf der Autobahn ankamen, denn auch wenn die Schweizer definitiv Straßen bauen können, sind die Sträßchen und Tunnelchen da oben im Hinterrheintal schon ein bissel eng, da ist es deutlich bequemer, auf der Autobahn mit 120 Sachen dahinzurollen ...
Wir fuhren bis zur Ausfahrt nach Ruggell, verließen die Autobahn, fuhren auf die Grenzbrücke und waren um 1.24 Uhr in Liechtenstein (Land Nr. 3 heute) eingereist. Die Umleitung über Dorfsträßchen in Ruggell überstanden wir, parkten hinter der verwaisten Grenzübergangsstelle, aber trotzdem noch in Liechtenstein, ich stieg aus, stiefelte zum Grenzbrückchen und machte um 1.33 Uhr ein Foto auf der liechtensteinisch-österreichischen Grenze. Österreich, Land Nr. 4, check ...
Auf dem schnellsten Weg - nämlich durch ein Wohngebiet - ging es zurück in Richtung Rhein und Schweiz, eine Streife der österreichischen Polizei begegnete uns auf dem engen Sträßchen, ließ uns aber in Ruhe, und schon um 1.42 Uhr waren wir wieder über den Rhein gefahren und also in der Schweiz angekommen.
Nun ging es auf dem schnellsten Weg nach Schaffhausen, und um 3.16 Uhr in Stühlingen über die Grenze nach Deutschland, Land Nr. 5 heute. Ziemlich genau um 3.30 Uhr waren wir in Bonndorf. Ich sah, dass um 4.52 Uhr ein Zug ab Neustadt fahren würde, wir entschieden uns kurzentschlossen, dass ich den nehme (so kurzentschlossen, dass ich beide Kopfhörer, die ich besitze, vergaß), ich duschte noch kurz, und dann ging es schon gegen viertel nach vier weiter.
Ich war zehn Minuten zu früh, aber der Zug stand schon da, sodass ich meine Ma entließ und mich schon in den Zug setzte. Wir kamen in Freiburg pünktlich an, aber ich war völlig überrascht, wieviele Menschen um kurz vor sechs Uhr schon auf den ICE wollten (okay, einige Freiburg-Fans wollen nach Leverkusen).
Der ICE kam, fuhr aber auf das Gleis 3 anstatt das Gleis 1, dann kam eine Durchsage diesbezüglich, sodass eine Völkerrennwanderung einsetzte, um von Gleis 1 zu Gleis 3 zu gelangen. Kinners, ich hab doch in Mannheim nur fünf Minuten Zeit zum Umsteigen!
Mit fünf Minuten Verspätung kamen wir in Freiburg los, holten die aber bis Mannheim wieder ein, sodass ich den geplanten Regionalexpress erwischte (hätte ich den verpasst, wäre es nicht schlimm gewesen, weil ich mich in den ICE nach Paris gesetzt hätte, in Saarbrücken ausgestiegen wäre und ebendiesen Regionalexpress dann eben ab Saarbrücken genutzt hätte).
Insgesamt drei Stunden saß ich in diesem Zug, der zusehends voller wurde, aber keiner wollte sich neben mich setzen, obwohl selbst Fahrräder den Gang blockierten - ich hatte meine Ruhe (und einen Tischgegenüber, der erst auf Aufforderung des - ziemlich aktiven - Schaffners seine Maske aufsetzte, Held!). Ich las, schrieb Blog (vor), konnte keine Musik hören, aber das war nicht soooo schlimm.
In Trier stand mein Zug nach Perl schon, und ich stellte fest, dass es sich um einen Regionalexpress handelte (nicht nur eine Regionalbahn) und dass dieser sogar früher als gedacht losfuhr, sodass ich auf einmal anstatt 35 Minuten in Perl fast eine Stunde hatte. Juchhe!
Ich stieg als einer von zwei Fahrgästen in Perl aus (der Zug fuhr weiter nach Metz) und latschte erst einmal auf dem Fahrradweg in Richtung Frankreich. Ich wurde nicht umgefahren (aber ich hätte auch nicht irgendwo anders laufen können) und kam schließlich wohlbehalten an der Stelle an, an der die Grenze sein musste. Und, siehe da: Es gab einen Grenzstein! Dieser von allen Seiten - also auch von der französischen - fotografiert, und nach zwei Minuten in Frankreich (11.31 Uhr bis 11.33 Uhr) kehrte ich aus meinem sechsten Land am heutigen Tag zurück nach Deutschland.
Ich lief einen Teil des Weges zurück, betrat dann aber die Moselbrücke nach Schengen und kam um 11.43 Uhr im Kondominium an, also im gemeinsamen Hoheitsgebiet Deutschlands und Luxemburgs, das durch das Gebiet der Grenzflüsse gebildet wird (somit ist die Moselbrücke oberhalb der Wasserfläche auch im Kondominium). Ich lief aber natürlich weiter (da sind allerlei inkonsistente Markierungen, etwa die EU-Schilder in der Mitte der Brücke, aber mich scherte das nicht, ich weiß ja, wie es richtig ist, höhö) und kam um 11.45 Uhr im (ausschließlich) luxemburgischen Hoheitsgebiet an. Land Nr. 7 heute, damit schon jetzt neuer Rekord - und das noch vor Mittag!
Ich blieb ein bisschen in Luxemburg, beguckte Schengen, kehrte um 11.54 Uhr ins Kondominium und um 12.01 Uhr auf (ausschließlich) deutsches Hoheitsgebiet zurück und nahm den Zug um 12.15 Uhr nach Trier.
Die Bahnstrecke entlang der Mosel zwischen Perl und Koblenz ist fantastisch schön, da sind mir hoffentlich ein paar Schnappschüsse gelungen.
In Trier wollte ich mir jetzt doch Kopfhörer kaufen, das gestaltete sich schwierig, weil der erste Typ mir einen teuren andrehen wollte, und als ich dann einen vernünftigen, aber günstigen Kopfhörer hatte, musste ich schon zum Zug und das Festmahl beim Bürgerkönig ausfallen lassen. Ich hatte aber noch eine eiserne Reserve in Form eines Wurstbrötchens dabei, und das wurde jetzt verspeist.
Die Fahrt nach Koblenz ging gut, doch der ICE nach Köln kam verspätet und blieb dann plötzlich ohne Angabe von Gründen stehen. Argh! Am Ende hatten wir 20 Minuten Verspätung aufgeladen, weil es wohl eine "Reparatur an der Strecke" gegeben hatte; das führte dazu, dass ich den Anschluss nach Aachen verpasste.
Es hätte alles gut werden können, wenn die Busse pünktlich gefahren wären: Zunächst fuhr ich mit dem Bus in Richtung Bushof, dort stieg ich um in den Bus in Richtung Kelmis (Belgien). Mit einigen Minuten Verspätung kamen wir da an, ich stieg aus, suchte (und fand!) einen Grenzstein, und war von 18.26 Uhr bis 18.30 Uhr in Belgien, Land Nr. 8 am heutigen Tag!
Der Rückbus kam verspätet (es war der gleiche Fahrer wie auf dem Hinweg, der hatte einfach in Kelmis gedreht), dadurch wurde es mit dem Anschluss in die Niederlande sowieso knapp, dazu war die Beschilderung äußerst bescheiden, am Ende kam ich zwei Minuten vor planmäßiger Abfahrt an der Bushaltestelle an ... Nur, der Bus kam nicht! Ich vermute, der war ein, zwei Minuten vor meiner Ankunft (also drei, vier Minuten vor Plan) durchgerauscht, das machen die Aachener schwachsinnigerweise so - unfassbar!
Ich musste also auf den nächsten für mich nutzbaren Bus zwanzig Minuten später warten (den Bus mit der Nummer 350 durfte ich nicht benutzen, weil der dem niederländischen Tarif unterliegt, und die kennen die Bahncard 100 leider nicht), der kam, ich stieg an der Grenze aus, marschierte ein paar Schritte in die Niederlande (19.28 Uhr bis 19.30 Uhr, Land Nr. 9 heute, Rekord!!!) hinein, machte Fotos (fand aber keinen Grenzstein, leider ...) und schaute, dass ich wieder zurück in Richtung der Bahnhöfe komme. Allerdings war ich nun genau die zwanzig Minuten zu spät, die ich aufgrund des vorplanmäßigen Busses verloren hatte - sonst hätte ich den Anschluss in Köln an den schnellen ICE bekommen und wäre um 2 Uhr in Rötenbach gewesen.
Am Ende des Tages hatte ich jetzt aber doch Glück, denn ich kam in Köln planmäßig um 21.12 Uhr und um 21.13 Uhr fuhr planmäßig ein IC nach Hannover. Erstens kamen wir zwei Minuten vorzeitig an, und zweitens wartete der direkt am Gleis gegenüber, sodass ich - abgesehen vom erfolglosen Versuch, jemanden umzurennen - eine Chance hatte, den zu erwischen, und tatsächlich - es hat geklappt!
Jetzt bin ich, inschallah, um viertel vor eins in meiner Bude. Ende gut, alles gut - hoffentlich! (Und das Bier wird mir gleich von der Schaffnerin gebracht, herrlich! Ohja, es ist herrlich - selten habe ich ein Bier so genossen!) (Zweite Klammer: Und morgen fahre ich dann zurück in den Schwarzwald.)
Mesdames et Messieurs, es ist vollbracht: Ich habe an einem einzigen Kalendertag sage und schreibe neun - in Worten: neun - Länder besucht - Italien, die Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande ... Ich bin zwar im Vergleich zu den Norwegern, die 2014 in 24 Stunden 19 Länder besucht haben, ein blutiger Anfänger, aber zu meinem bisherigen Rekord (je sechs Länder, am 12. Juli 2020 und am 3. Juni 2021) ist das eine Steigerung um 50 Prozent ...
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Splügenpass - Schild und Grenzstein |
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Blick nach Italien |
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Grenzstein bei Nacht |
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... um Punkt 0 Uhr |
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Liechtensteinisch-österreichische Grenze |
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Da fließt die Saar in die Mosel |
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Schengen - ich bin heute komplett im Schengener Raum geblieben |
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Blick von der Moselbrücke auf die Autobahnbrücke und das Kondominium Mosel |
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Moselinsel: Ein kleiner Teil der Insel (im Vordergrund) gehört gleichzeitig zu Deutschland und Luxemburg, der größte Teil aber allein zu Frankreich |
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Schnappschuss aufs Moseltal I |
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Schnappschuss aufs Moseltal II |
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Nr. 8 |
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... mit Grenzstein im Gebüsch |
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Nr. 9 - ohne Grenzstein |
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Das Panoramabild aus den Alpen ... |
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... und der deutsch-französische Grenzstein wollten auch noch aufs Foto ... |