17. Juni: Hasta la victoria siempre
Das Abendessen gestern Abend fand ich eigentlich ganz lecker, der Kellner war sehr lieb und sprach sogar ziemlich gut Deutsch, aber als ich dann im Zimmer war (meine Vermieterin hatte mich noch ermahnt, dass "esta casa no permite amigas ni amigos", dieses Haus also das Mitbringen von Freundinnen oder Freunden nicht gestatte, da läuft am Vatertag hier in der Altstadt wohl manchmal etwas aus dem Ruder ...), lag mir die Ropa Vieja (das Rindergeschnetzelte) sehr (aber nicht lange ...) im Magen, wobei ich eher glaube, dass das Problem die vielen Zwiebeln waren. Der Schwertfisch, den ich als Vorspeise hatte, war jedenfalls fantastisch gewesen. Ich überlege mir noch, ob ich da heute oder morgen Abend nochmal hingehe, denn grundsätzlich hat es mir da gut gefallen.
Jetzt sitze ich auf meinem Bett, es ist halb neun, um neun Uhr gibt es Frühstück, ich muss (will) noch duschen, und dann gucken wir mal, wohin es mich heute verschlägt.
Bevor ich über die Ereignisse des heutigen Tages berichte, muss ich erst noch ein ein bisschen Statistik anführen, ein bisschen Langeweile muss der geneigte Leser dieses Blogs ja durchaus ertragen: Kuba ist das zwölfte besuchte von 23 nordamerikanischen Ländern, die ich zähle, sodass ich nun die Mehrheit der Staaten in Afrika (29 von 56), Asien (sogar drei Viertel, 34+1 von 44), Europa (54 von 55), Nordamerika und Südamerika (zwei Drittel, 8 von 12) besucht habe. Einzig Antarktika (0 von 1) und Ozeanien (1 von 16) habe ich noch nicht so ausgiebig bereist. Das ergibt dann tatsächlich (für einen gelernten Mathematiker überraschend) 138 von 207 - auf Anhieb!
Andersherum gesprochen, die Kontinente mit den meisten unbesuchten Ländern sind Afrika (27), Ozeanien (15), Nordamerika (11), Asien (10, einschließlich Saudi-Arabien), Südamerika (4), Antarktika (1) und Europa (1, nämlich Südossetien), das sind dann 69 Länder, und es erklärt sich, wieso jeder, der meine Karte sieht, auf Afrika verweist und sagt: "Da fehlt aber noch eine ganze Menge!" Jaha!
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So, nach diesem kurzen Ausflug in die Statistik sitze ich nun - schon seit dem frühen Abend - in meiner Bude, ich habe heute wieder mehr entdeckt von Havanna, aber irgendwie genieße ich es auch, dass ich nach ein paar Bierchen schon früh ins (kühle) Zimmer kann und mich in die kubanische Geschichte einlesen kann, nachdem ich mir am Parque Cervantes an meinem Stammstandpunkt ein paar Wikipedia-Artikel zu Fidel, Che, Camilo (nur ein "l"), der kubanischen Revolution und dem bösen, bösen Helms-Burton Act heruntergeladen habe.
Das Frühstück war sehr lecker, es gab Ananas, Banane und Mango (besonders die Mango war himmlisch), dazu erklärte mir meine Chefin, Isabel, im Schnelldurchlauf einiges über Havanna und empfahl mir unter anderem ein Esslokal. Gegen 10 Uhr verließ ich - frisch eingeschmiert, das sollte heute nötig sein - meine casa particular. Ich lief entlang der Hafeneinfahrt in Richtung der Plaza Vieja (Alter Platz), und dieser Platz ist nicht nur alt, sondern auch sehr schön - etwa drei Viertel der umgebenden Gebäude sind schon saniert, das ist richtig schick dort. Ich lief weiter in Richtung Süden, weil ich zum Fährterminal wollte, und nachdem ich um ein Armeegebäude herumgelaufen war, landete ich dort.
Die Fährfahrt soll "complementario", kostenlos, sein, aber das hindert den Kapitän nicht daran, die Fahrgäste vor der Fahrt abzukassieren. Das wäre alles kein Problem gewesen, wenn ich denn Moneda Nacional, CUP, also das Geld gehabt hätte, das die Kubaner verwenden. Ich weiß nicht genau, was die Überfahrt kostet, aber mehr als 1 CUP wird es kaum sein (wenn eine Busfahrt 0,40 CUP kostet), und 1 CUP sind etwa 4 US-Cents. Es lag also nicht daran, dass ich kein Geld hatte, sondern daran, dass ich solches Geld nicht hatte, dass ich Reißaus nahm und die Schiffslände wieder verließ, ohne mit der Fähre gefahren zu sein. (Nochmal zur Erinnerung: Touristen müssen meistens mit CUC bezahlen, und ein CUC sind 24 CUPs, aber an die kommt man als Tourist nicht ganz so einfach ran ...)
Ich lief nun einmal quer durch Habana Vieja in Richtung des Capitolio, des im Umbau befindlichen Sitzes des kubanischen "Parlaments". Als ich da rauskam, hatte ich den Blick auf das Gebäude, das unweigerlich an das US-Kapitol in Washington erinnert, und auf den Prado, auf dem allerlei alte Ami-Schlitten herumfuhren. Vor allem hatte ich jetzt aber Durst, und ich lief einigermaßen ziellos in der Gegend herum auf der Suche nach einer Kneipe, die jetzt, um 11 Uhr schon geöffnet hätte. Ich lief und lief, vorbei am Floridita, wo einst Hemingway seine Daiquirís schlürfte (der Reiseführer sagt, die seien heutzutage eher bescheiden), lief wieder am Parque Central vorbei und an der Kneipe, die mir meine Vermieterin empfohlen hatte, und am Ende landete ich an einem Straßeneckkiosk, an dem Kubaner essen und trinken, an dem deutlich sichtbar auch stand: "1 CUC = 24 MN" Hier konnte ich also auch mit meinen Touristen-CUCs bezahlen.
Ich genehmigte mir eine große Flasche kubanischer Cola für 50 CUPs, also gut 2 CUCs, bekam 20 CUPs Wechselgeld (die hüte ich jetzt wie einen Schatz ...) und machte beim Genuss der Cola erstmal wieder unsittliche Geräusche. Ein (schlanker) Kubaner kam vorbei und machte mir deutlich, dass ich - er zeigte auf meinen Waschbärbauch - nicht so viel Cola trinken solle, aber - amigo - ich war kurz vor dem Verdursten, da kam mir der Typ gerade recht ...
Schlussendlich ging ich dann zur Haltestelle des Hop-on-hop-off-Busses (auch das hat hier in Kuba schon Einzug gehalten), nachdem ich mich beim ersten Mal von einem Schlepper hatte weglocken lassen. Ich zahlte 10 CUCs, wartete zwanzig Minuten, dass das Ding losfuhr, und war dann zufrieden, denn es ging - mit überdachtem Doppelstöcker - in Richtung des Malecón, also der Seepromenade. Mir wehte es die Kappe vom Kopf, aber zum Glück blieb sie im Bus, sodass ich wohlbehütet die US-Botschaft begutachten konnte, die da ein wenig einsam in der Gegend herumsteht. Es ging durch relativ wohlhabend aussehende Gebiete zur Plaza de la revolución, auf der nicht nur ein Riesenturm steht (und ansonsten Betonwüste), sondern die auch das Innenministerium beheimatet, und an diesem Innenministerium ist eine Wandskulptur mit Che Guevara und dem unvermeidlichen "Hasta la victoria siempre". Nun denn, dann siegt mal schön ...
Ich stieg nicht aus, sondern fuhr weiter bis zum San-Cristobal-Friedhof, dort zahlte ich 5 CUCs Eintritt (ich hatte versucht, mich durchzuschummeln, aber ich gehe einfach nicht als Kubaner durch, vielmehr wurde ich wieder für einen Russen gehalten - so rot ist meine Rübe doch gar nicht!) und ging - wieder ein wenig planlos - über diesen riesigen, schönen und architektonisch durchaus hübschen Friedhof. Die Kapelle in der Mitte des vierspurigen (!) Kreisverkehrs - im Friedhof - war leer (und es lief relativ laut Popmusik), ich ging an einem Denkmal für einen dominikanisch-kubanischen Helden vorbei, sah ein - im Umbau befindliches - Art-déco-Mausoleum und ein Denkmal für im Dienst gestorbene Feuerwehrleute mit teilweise herzzerreißenden Botschaften der Familie ...
Nach einer knappen Stunde oder so verließ ich den - sehr empfehlenswerten - Friedhof, wartete kurz auf den Bus und stieg in diesen ein. Es ging nun in Richtung Miramar, eines Vorortes am Meer, an dem viele Touristenhotels liegen, wobei ich nicht so richtig verstehe, weshalb man dort absteigt: Man ist weit vom Schuss entfernt, aber der Strand - naja, eher das Meeresufer, Strand gibt es nicht so richtig - sieht nicht wirklich einladend aus, da bin ich ganz froh, dass ich mich in der Altstadt einquartiert habe, auch wenn mir der Familienanschluss, den ich hier habe, normalerweise nicht so gefällt, aber meine Vermieter sind zurückhaltend, das macht es deutlich leichter für mich (dafür helfe ich dann pro forma auch beim Abräumen des Frühstückstisches ...).
Nachdem wir am - nicht so wirklich einladend aussehenden - Nationalaquarium drehten, fuhren wir wieder zurück in die Altstadt und am Parque Central stieg ich aus.
Nun suchte ich die Lokalität auf, die mir meine Chefin empfohlen hatte, und auch wenn ich eine Treppe hoch und dann durch ein anderes Lokal hindurchmusste, fand ich das Astuarianito. Joa, die Ober sprechen fast nur Spanisch, und meine Avocado kam nicht - wie bestellt - mit Garnelen, sondern mit Thunfisch, aber dafür war sowohl der Brotkorb als auch die Vorspeise wie ebenso das Hauptgericht (ein Monster von einem Thunfischsteak, das zwar nicht überall ganz durch war, aber dort, wo es durch war, sehr, sehr gut war) hochgradig lecker, auch das - endlich einmal wirklich - eiskalte Getränkebouquet (Wasser, Fanta und Bier) war sehr wohltuend, sodass ich nach dem Genuss eines Espresso (jaja, es reißt ein, ich weiß), eines Schokoladenkuchens und des teuersten Rums des Hauses mein Tagwerk vollendet hatte, am Parque Cervantes wie eingangs erwähnt noch das Internet unsicher machte und dann noch im Hellen in mein Zimmer ging.
Es ist jetzt - nach Duschen und Lesen und Blogschreiben - doch schon 19.20 Uhr, aber im Urlaub muss man ja nicht bis in die Puppen draußen sein, sondern darf sich auch mal ausruhen, und das mache ich hier. Der Ventilator läuft, die Klimaanlage ebenso, so soll es sein, und morgen ist mein vorerst letzter Tag in Havanna, da werde ich schon noch etwas finden, was man sich angucken kann, da bin ich sicher: Zum Beispiel könnte ich mal versuchen, in die Kathedrale reinzukommen, die sieht von außen hübsch aus, die könnten von innen auch ganz ansehnlich sein.
Das war es erst einmal für den 17. Juni, Fotos kommen mal in Ruhe.
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18. Juni: Buick, 1955, dunkelrot
Auch heute fuhr ich einmal im Kreis, aber nicht mehr im Doppeldecker-Bus, sondern - stilecht für Havanna - in einem Buick, der es 1955, also noch deutlich vor der Revolution, nach Kuba geschafft hatte ...
Heute ging mein Wecker runter, ich war wohl, obwohl ich zu meiner üblichen Zeit kurz nach 4 Uhr wachgewesen war, wieder eingeschlafen, und ich hatte mein Frühstück für 8.30 Uhr bestellt. Das schaffte ich gerade so, es gab wieder leckere Früchte (Mango war wieder dabei, toll!), Tee und Rührei, und kurz vor 9.30 Uhr verließ ich das Haus, weil um 9.30 Uhr der von meiner Chefin empfohlene geführte Altstadtrundgang anfing. Nun war ich die letzten Tage so oft in der Altstadt herumgelatscht, dass ich den Altstandrundgang heute Morgen ausfallen ließ. Dafür lief ich zum Parque Central, und da kam mir dieser schöne dunkelrote wagen (dessen Marke ich zu dem Zeitpunkt noch nicht identifizieren konnte) in die Quere. Die anderen alten Ami-Schlitten sind meist in so einem Rosa-Ton gehalten, und rot gefällt mir besser als rosa, also lief ich dem hinterher und fragte den Fahrer, ob er mich durch Havanna kutschiert. Wir einigten uns auf den wohl üblichen Preis´von 25 CUCs, also 25 Dollar, und auf ging es durch Chinatown und Vedado. Am Revolutionsplatz wollte ich nicht anhalten, ich finde die Plaza de la revolución ehrlich gesagt ziemlich nichtssagend, weil das eine einzige Betonfläche ist - interessant sind die beiden Wandskulpturen von Che Guevera und Camilo Cienfuegos an den beiden Ministerien, das gefühlt 538. Martí-Denkmal in Havanna (Martí war der Vater der kubanischen Unabhängigkeit, wenn ich das richtig verstanden habe) und halt der Riesenturm da ...
Es ging also ohne langen Stopp weiter, wieder vorbei am San-Cristóbal-Friedhof, aber danach rechts ab über eine andere Strecke durch Vedado als gestern. Wir machten einen kurzen Stopp am Parque Lennon und der dortigen John-Lennon-Statue (die Brille ist derzeit abhandengekommen ...), fuhren auf meinen Wunsch an der deutschen Botschaft vorbei und danach über den Malecón wieder zum Parque Central. Schön war's in diesem alten Ding (mit Handyhalterung und relativ modernem Radio, ein H-Kennzeichen hätte das Ding also in Deutschland nicht bekommen ...), und als die Seitenstraße zur deutschen Botschaft seeeeehr uneben war, tat es mir um das 64 Jahre alte Gefährt (!) fast ein bisschen leid.
Den Rest des Tages genoss ich in vollen Zügen, spazierte nochmal durch die Altstadt, guckte kurz in die Kathedrale rein, aß in einer kleinen Kneipe gutes, aber teures Mittagessen mit einem Bananen-Daiquirí, und mit dem Cocktail um 11.30 Uhr war der Grundstein gelegt für den sehr gammeligen Rest des Tages. Ich saß im Parque Cervantes, nutzte meine Stunde Internet zu Ende (die hat jetzt doch ganz gut gehalten), lief ans Meer, trank dort ein Bierchen und landete am Ende wieder am Parque Central. Es war so, als ob ein Gewitter käme, und also suchte ich noch einmal das (wirklich eiskalt heruntergekühlte) Astuarianito auf, saß zweieinhalb Stunden fast nur unter Kubanern und aß wieder viel zu viel (die Hauptspeisen dort sind so dermaßen üppig und zudem spottbillig, dass ich jedes Mal vergesse, wie groß die Mahlzeiten sind, und da ich diesen Brotkorb nehmen muss - mit zwei Knoblauchsoßen und Butter und frischgebackenem Brot -, bin ich dann meist schon nach der Avocado-Vorspeise satt ...). Als ich das Restaurant verließ, nieselte es immer noch, ich brauchte keine Karte mehr, um heimzufinden, und bin jetzt schon wieder um kurz vor sieben bettfertig. Es ist furchtbar mit mir, aber andererseits schlafen, essen und trinken, das ist ja auch Urlaub ...
Morgen geht es um 10 Uhr mit dem Bus nach Varadero, planmäßige Ankunft ist um 13.05 Uhr, da sollte ich dann hoffentlich gegen 14, 15 Uhr in meinem Hotel sein, das wird schon gutgehen, hoffe ich.
Havanna, ja, das ist eine (Alt-)Stadt der massiven Widersprüche: Da gibt es wunderschön renovierte Häuser, in denen meist dann Kneipen oder Unterkünfte sind, und direkt daneben ist eine völlig unsanierte Bruchbude, wo man unwillkürlich reinguckt (oft sind die Türen offen) und sich fragt, ob da wirklich Leute wohnen. Da gibt es das Mädchen, das mitten auf den Bürgersteig pinkelt, und viele Straßenhunde, aber andererseits eben auch unwahrscheinlich viele Kunstgalerien und Street Art, dass einem das Auge übergeht. Da fahren abgerissene Fahrradrikschas und alte Sowjetautos durch die Gegend, und daneben sind diese wunderschönen alten, gut in Schuss gehaltenen Ami-Schlitten, aber eben auch sehr moderne Stadtbusse unterwegs. Es gibt teure Touristenlokale mit durchaus gutem Essen, aber eben auch westlichen Preisen, und daneben Stände für die Einheimischen, wo man für ein paar Cent ein Stück Pizza bekommt (dafür aber mit moneda nacional zahlen sollte). Das muss man sich einfach mal selbst angucken, und besser früher als später, denn dieser Mix aus Alt und Neu ist so spannend und verändert sich so stark, dass Stadt und Land in ein paar Jahren womöglich kaum mehr wiederzuerkennen sind. Der (mehr als) gelegentlich morbide Charme der Altstadt wird langfristig vielleicht vergehen, aber ich hoffe, dass die Freundlichkeit der normalen Menschen - nicht unbedingt der Schlepper, sondern der normalen Leute, die hier ihrer Arbeit nachgehen - erhalten bleibt. Im Reiseführer stand etwas von nur semi-motivierten Kellnerinnen und Kellnern - das kann ich so nicht bestätigen: Die jungen Leute wollen, das ist keine Frage, und ich bin zuversichtlich, dass Kuba in den nächsten Jahrzehnten seinen Weg gehen wird, seinen eigenen, ja, vielleicht auch nicht immer den ganz direkten, aber das ist so spannend hier in Havanna, dass da immer mehr Ausländer kommen werden und sich die Stadt weiter verändern wird.
Das war es jetzt erstmal für Havanna, morgen kommt der Kulturschock mit All-inclusive-Hotel und fast nur noch Ausländern am Strand, aber das ist auch okay, dann es ist schon anstrengend, hier mit langen Hosen in der Gegend herumzulaufen und zu schwitzen, da freue ich mich jetzt auf ein bisschen Strand und Badehose und Schwimmen. (Und ehrlich gesagt tue ich mich auch schwer, hier einfach ein Wasser zu kaufen, denn Supermärkte gibt es jedenfalls in der Altstadt nicht so richtig - ja, es gibt Tiendas, also kleine Läden, aber irgendwie traue ich dann den Kühlketten nicht so ganz - das macht bei Wasser nichts aus, schon klar, aber ich möchte gerne das Wasser anfassen, bevor ich es kaufe, um zu fühlen, ob es wirklich kalt ist, und das kriege ich hier nicht so richtig gebacken ...)
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19. Juni: Alptraum-Rezeption am Traumstrand
Wie üblich war ich früh wach und schon im Bad, als mein Wecker runterging. "Bäh, Wecker im Urlaub", wird mancher sagen, aber andererseits ist der, gerade wenn man um 20 Uhr schon ins Bett geht, mehr Versicherung als alles andere. Und wenigstens muss ich nicht mitten in der Nacht aufstehen. Ich duschte, packte und fragte dann meine Chefin, ob es hier in der Nähe einen cajero automático, einen Geldautomaten, gebe. Sie erläuterte was von izquierda und dann derecha, also erst links und dann rechts, und ich stiefelte in Richtung Revolutionsmuseum. Ich hielt Ausschau, fand erst nix und war schon fast auf dem (längeren) Weg zum Parque Central, als mir direkt auf der Ecke, an der ich aus "meiner" Straße gekommen war, ein Schild sah, auf dem man - mit viel Liebe - cajero automático erkennen konnte.
Anders als im Reiseführer behauptet worden war (mal wieder), klappte das wieder auf Anhieb mit dem Geldabheben, sodass meine Bargeldreserven, die gestern Abend dann auf 8 CUCs gefallen waren, wieder aufgefüllt werden konnten. Ich frühstückte, der Sohn des Hauses wollte mir ein Taxi für 15 CUC andrehen, was ich ablehnte, sodas sich dann kurz nach acht Uhr das Haus verließ. Ich lief in Richtung Uferpromenade, gabelte mir einen alten Ami-Schlitten auf und ließ mich für 10 CUCs (immer noch zu viel, aber sei's drum, dafür war ich wieder in so einem alten Teil - diesmal mit geschlossenem Dach - unterwegs ... Schee!) zum Terminal fahren.
Der Taxifahrer lobte mich für mein Spanisch, was eine dreiste Lüge war, aber wenigstens kriege ich es hin, dass man mich einigermaßen versteht - nicht verstanden habe ich den Witz meines Unterkunftschefs, der meinte, ich könnte umsonst in Havanna wohnen bleiben, während sie für mich nach Varadero fahren. Sorry, aber sowas verstehe ich doch am frühen Morgen nicht, zumal der Typ, der mich an den Vater eines alten Schulkameraden erinnert, seinen Humor immer von ganz weit unten herholt, wenn kein Mensch damit rechnet ...
Wir fuhren über den Malecón und vorbei an der Universität, bogen eine Straße vor der Plaza de la revolución links ab und landeten schließlich am Terminal, in dem ich - nach ein bisschen Suche - meine Busgesellschaft fand.
Hier fing das Chaos an: Erst wurde ich an dem einen Stand weggeschickt, ich solle um 9 Uhr wiederkommen. Dann kam ich um 9 Uhr wieder, nachdem ich an der Information gefragt hatte, auf einmal Aufruhr, mutmaßlich, weil ich über das Internet gebucht hatte. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass sie den Bus überbucht hatten, aber irgendwann - recht spät - bekam ich meine handschriftlich ausgefüllte Bordkarte. Jetzt hieß es erstmal, den Ausgang suchen, weil das natürlich nirgends beschildert ist - sonst könnte der Ausländer ja, wenn der Krieg ausbricht, wissen, von wo aus welcher Bus abfährt (das kann ja keiner wollen). Als ich endlich meinen Bus gefunden hatte (ich ging durch das "Gate" einfach durch), sprach der Busfahrer noch auf mich ein, mutmaßlich, weil ich mein Gepäck hätte abgeben sollen. Der konnte mich jetzt aber mal gern haben, ich stieg ein und bis Varadero nicht mehr aus dem Bus aus.
Die dreistündige Fahrt war schön: Vorbei am Meer (ich saß natürlich auf der meerabgewandten Seite, hatte aber dafür umso schönere Ausblicke aufs Landesinnere!), an grünen Wäldern, über Flüsse mit Bötchen hinweg ging es über Matanzas und den Flughafen von Varadero schließlich auf die Halbinsel, auf der Varadero liegt. Ich stieg aus dem Bus aus, lief an allen Gepäckausgabestellen vorbei und lachte mir einen Taxifahrer an, der mich das Stückchen zu meinem Hotel fuhr.
Ich kam gegen 13.30 Uhr an, mir wurde eröffnet, dass ich erst um 16 Uhr einchecken könne. So weit, so schlecht. Wenigstens bekam ich gleich das All-inclusive-Armband und sollte essen gehen, was ich tat. Das Essen ist schön angerichtet und schmeckt, die Fruchtabteilung ist klein, aber fein, Bier und Cola gab es auch, und - man höre und staune - ich hatte eine nette Bedienung. Danach ging es aber rapide bergab ...
Ich süffelte mich durch die Stunden, trank da ein Bierchen und hier eins, ging an den Strand (traumhaft, wirklich richtig, richtig schön!) und wollte dann um 16 Uhr, nachdem ich intensiv im Internet gesurft hatte, einchecken. Mein Zimmer sei "in ten minutes", in zehn Minuten, fertig, man gebe mir aber schon die Schlüsselkarte. Nun denn, meine Dame und Herren, es war nicht 16.10 Uhr, als mein Zimmer fertig war, sondern 16.52 Uhr - das war richtig, richtig Mist. Dass man erst so spät einchecken kann, ist schon nicht so schön, aber dass man dann nicht aufs zimmer kann und auch noch belogen wird, das ist ... naja, da käme jetzt ein Kraftausdruck, aber da ich doch noch nicht so viel Bier getrunken habe, lasse ich den jetzt mal so stehen.
Das Zimmer ist völlig okay, hat den versprochenen Meerblick, ist relativ groß, aber ein kleines bisschen in die Tage gekommen, insgesamt meckere ich über das Zimmer nicht.
Ich packte meinen Wäschesack und ging an die Rezeption mit der Bitte, mir den Inhalt zu waschen. Ich käme zu spät, wurde mir eröffnet. Erstens wäre ich vielleicht pünktlich gewesen, wenn ich pünktlich hätte einchecken können, aber zweitens und vor allem, dann nehmt's halt meinen Wäschesack und wascht den erst morgen, zum Henker, das kann doch nicht so schwer sein! Nein, ich musste ihn wieder mit hoch aufs Zimmer nehmen, dort ablegen und soll morgen früh wieder zur Rezeption dackeln. Das ist halt dann leider doch sozialistisches Serviceverständnis, das kann ich nicht anders sagen.
Nachdem ich mich nun ausreichend geärgert hatte, ging ich an den Strand und war ein kleines bisschen besänftigt. Da ist zwar eine Menge los, aber der Strand von Varadero gehört sicherlich zu den schönsten Stränden, die ich in meinem Leben so gesehen habe: weißer Sand, ruhiges, wohltemperiertes Meer, flach abfallend - sehr, sehr schön. Und ich habe mir trotz ausgiebigen Bades keinen Sonnenbrand geholt, soweit ich das bis jetzt abschätzen kann.
Es wäre also zu viel gesagt, wenn ich behauptete, das Donnergrollen hätte den heutigen Tag vollumfänglich beschrieben, aber als der Donner und die schwarzen Wolken und die Regenwand näher kamen, verließ ich dann doch das Meer, trank an der Poolbar noch ein - wirklich klitzekleines - Bierchen und bin jetzt eben aus der Dusche gestiegen. Jetzt geht es zum Abendessen und dann irgendwann auch ins Bett, und morgen wird sich erholt, komme, was da wolle ...
Das Abendessen gestern Abend fand ich eigentlich ganz lecker, der Kellner war sehr lieb und sprach sogar ziemlich gut Deutsch, aber als ich dann im Zimmer war (meine Vermieterin hatte mich noch ermahnt, dass "esta casa no permite amigas ni amigos", dieses Haus also das Mitbringen von Freundinnen oder Freunden nicht gestatte, da läuft am Vatertag hier in der Altstadt wohl manchmal etwas aus dem Ruder ...), lag mir die Ropa Vieja (das Rindergeschnetzelte) sehr (aber nicht lange ...) im Magen, wobei ich eher glaube, dass das Problem die vielen Zwiebeln waren. Der Schwertfisch, den ich als Vorspeise hatte, war jedenfalls fantastisch gewesen. Ich überlege mir noch, ob ich da heute oder morgen Abend nochmal hingehe, denn grundsätzlich hat es mir da gut gefallen.
Jetzt sitze ich auf meinem Bett, es ist halb neun, um neun Uhr gibt es Frühstück, ich muss (will) noch duschen, und dann gucken wir mal, wohin es mich heute verschlägt.
Bevor ich über die Ereignisse des heutigen Tages berichte, muss ich erst noch ein ein bisschen Statistik anführen, ein bisschen Langeweile muss der geneigte Leser dieses Blogs ja durchaus ertragen: Kuba ist das zwölfte besuchte von 23 nordamerikanischen Ländern, die ich zähle, sodass ich nun die Mehrheit der Staaten in Afrika (29 von 56), Asien (sogar drei Viertel, 34+1 von 44), Europa (54 von 55), Nordamerika und Südamerika (zwei Drittel, 8 von 12) besucht habe. Einzig Antarktika (0 von 1) und Ozeanien (1 von 16) habe ich noch nicht so ausgiebig bereist. Das ergibt dann tatsächlich (für einen gelernten Mathematiker überraschend) 138 von 207 - auf Anhieb!
Andersherum gesprochen, die Kontinente mit den meisten unbesuchten Ländern sind Afrika (27), Ozeanien (15), Nordamerika (11), Asien (10, einschließlich Saudi-Arabien), Südamerika (4), Antarktika (1) und Europa (1, nämlich Südossetien), das sind dann 69 Länder, und es erklärt sich, wieso jeder, der meine Karte sieht, auf Afrika verweist und sagt: "Da fehlt aber noch eine ganze Menge!" Jaha!
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So, nach diesem kurzen Ausflug in die Statistik sitze ich nun - schon seit dem frühen Abend - in meiner Bude, ich habe heute wieder mehr entdeckt von Havanna, aber irgendwie genieße ich es auch, dass ich nach ein paar Bierchen schon früh ins (kühle) Zimmer kann und mich in die kubanische Geschichte einlesen kann, nachdem ich mir am Parque Cervantes an meinem Stammstandpunkt ein paar Wikipedia-Artikel zu Fidel, Che, Camilo (nur ein "l"), der kubanischen Revolution und dem bösen, bösen Helms-Burton Act heruntergeladen habe.
Das Frühstück war sehr lecker, es gab Ananas, Banane und Mango (besonders die Mango war himmlisch), dazu erklärte mir meine Chefin, Isabel, im Schnelldurchlauf einiges über Havanna und empfahl mir unter anderem ein Esslokal. Gegen 10 Uhr verließ ich - frisch eingeschmiert, das sollte heute nötig sein - meine casa particular. Ich lief entlang der Hafeneinfahrt in Richtung der Plaza Vieja (Alter Platz), und dieser Platz ist nicht nur alt, sondern auch sehr schön - etwa drei Viertel der umgebenden Gebäude sind schon saniert, das ist richtig schick dort. Ich lief weiter in Richtung Süden, weil ich zum Fährterminal wollte, und nachdem ich um ein Armeegebäude herumgelaufen war, landete ich dort.
Die Fährfahrt soll "complementario", kostenlos, sein, aber das hindert den Kapitän nicht daran, die Fahrgäste vor der Fahrt abzukassieren. Das wäre alles kein Problem gewesen, wenn ich denn Moneda Nacional, CUP, also das Geld gehabt hätte, das die Kubaner verwenden. Ich weiß nicht genau, was die Überfahrt kostet, aber mehr als 1 CUP wird es kaum sein (wenn eine Busfahrt 0,40 CUP kostet), und 1 CUP sind etwa 4 US-Cents. Es lag also nicht daran, dass ich kein Geld hatte, sondern daran, dass ich solches Geld nicht hatte, dass ich Reißaus nahm und die Schiffslände wieder verließ, ohne mit der Fähre gefahren zu sein. (Nochmal zur Erinnerung: Touristen müssen meistens mit CUC bezahlen, und ein CUC sind 24 CUPs, aber an die kommt man als Tourist nicht ganz so einfach ran ...)
Ich lief nun einmal quer durch Habana Vieja in Richtung des Capitolio, des im Umbau befindlichen Sitzes des kubanischen "Parlaments". Als ich da rauskam, hatte ich den Blick auf das Gebäude, das unweigerlich an das US-Kapitol in Washington erinnert, und auf den Prado, auf dem allerlei alte Ami-Schlitten herumfuhren. Vor allem hatte ich jetzt aber Durst, und ich lief einigermaßen ziellos in der Gegend herum auf der Suche nach einer Kneipe, die jetzt, um 11 Uhr schon geöffnet hätte. Ich lief und lief, vorbei am Floridita, wo einst Hemingway seine Daiquirís schlürfte (der Reiseführer sagt, die seien heutzutage eher bescheiden), lief wieder am Parque Central vorbei und an der Kneipe, die mir meine Vermieterin empfohlen hatte, und am Ende landete ich an einem Straßeneckkiosk, an dem Kubaner essen und trinken, an dem deutlich sichtbar auch stand: "1 CUC = 24 MN" Hier konnte ich also auch mit meinen Touristen-CUCs bezahlen.
Ich genehmigte mir eine große Flasche kubanischer Cola für 50 CUPs, also gut 2 CUCs, bekam 20 CUPs Wechselgeld (die hüte ich jetzt wie einen Schatz ...) und machte beim Genuss der Cola erstmal wieder unsittliche Geräusche. Ein (schlanker) Kubaner kam vorbei und machte mir deutlich, dass ich - er zeigte auf meinen Waschbärbauch - nicht so viel Cola trinken solle, aber - amigo - ich war kurz vor dem Verdursten, da kam mir der Typ gerade recht ...
Schlussendlich ging ich dann zur Haltestelle des Hop-on-hop-off-Busses (auch das hat hier in Kuba schon Einzug gehalten), nachdem ich mich beim ersten Mal von einem Schlepper hatte weglocken lassen. Ich zahlte 10 CUCs, wartete zwanzig Minuten, dass das Ding losfuhr, und war dann zufrieden, denn es ging - mit überdachtem Doppelstöcker - in Richtung des Malecón, also der Seepromenade. Mir wehte es die Kappe vom Kopf, aber zum Glück blieb sie im Bus, sodass ich wohlbehütet die US-Botschaft begutachten konnte, die da ein wenig einsam in der Gegend herumsteht. Es ging durch relativ wohlhabend aussehende Gebiete zur Plaza de la revolución, auf der nicht nur ein Riesenturm steht (und ansonsten Betonwüste), sondern die auch das Innenministerium beheimatet, und an diesem Innenministerium ist eine Wandskulptur mit Che Guevara und dem unvermeidlichen "Hasta la victoria siempre". Nun denn, dann siegt mal schön ...
Ich stieg nicht aus, sondern fuhr weiter bis zum San-Cristobal-Friedhof, dort zahlte ich 5 CUCs Eintritt (ich hatte versucht, mich durchzuschummeln, aber ich gehe einfach nicht als Kubaner durch, vielmehr wurde ich wieder für einen Russen gehalten - so rot ist meine Rübe doch gar nicht!) und ging - wieder ein wenig planlos - über diesen riesigen, schönen und architektonisch durchaus hübschen Friedhof. Die Kapelle in der Mitte des vierspurigen (!) Kreisverkehrs - im Friedhof - war leer (und es lief relativ laut Popmusik), ich ging an einem Denkmal für einen dominikanisch-kubanischen Helden vorbei, sah ein - im Umbau befindliches - Art-déco-Mausoleum und ein Denkmal für im Dienst gestorbene Feuerwehrleute mit teilweise herzzerreißenden Botschaften der Familie ...
Nach einer knappen Stunde oder so verließ ich den - sehr empfehlenswerten - Friedhof, wartete kurz auf den Bus und stieg in diesen ein. Es ging nun in Richtung Miramar, eines Vorortes am Meer, an dem viele Touristenhotels liegen, wobei ich nicht so richtig verstehe, weshalb man dort absteigt: Man ist weit vom Schuss entfernt, aber der Strand - naja, eher das Meeresufer, Strand gibt es nicht so richtig - sieht nicht wirklich einladend aus, da bin ich ganz froh, dass ich mich in der Altstadt einquartiert habe, auch wenn mir der Familienanschluss, den ich hier habe, normalerweise nicht so gefällt, aber meine Vermieter sind zurückhaltend, das macht es deutlich leichter für mich (dafür helfe ich dann pro forma auch beim Abräumen des Frühstückstisches ...).
Nachdem wir am - nicht so wirklich einladend aussehenden - Nationalaquarium drehten, fuhren wir wieder zurück in die Altstadt und am Parque Central stieg ich aus.
Nun suchte ich die Lokalität auf, die mir meine Chefin empfohlen hatte, und auch wenn ich eine Treppe hoch und dann durch ein anderes Lokal hindurchmusste, fand ich das Astuarianito. Joa, die Ober sprechen fast nur Spanisch, und meine Avocado kam nicht - wie bestellt - mit Garnelen, sondern mit Thunfisch, aber dafür war sowohl der Brotkorb als auch die Vorspeise wie ebenso das Hauptgericht (ein Monster von einem Thunfischsteak, das zwar nicht überall ganz durch war, aber dort, wo es durch war, sehr, sehr gut war) hochgradig lecker, auch das - endlich einmal wirklich - eiskalte Getränkebouquet (Wasser, Fanta und Bier) war sehr wohltuend, sodass ich nach dem Genuss eines Espresso (jaja, es reißt ein, ich weiß), eines Schokoladenkuchens und des teuersten Rums des Hauses mein Tagwerk vollendet hatte, am Parque Cervantes wie eingangs erwähnt noch das Internet unsicher machte und dann noch im Hellen in mein Zimmer ging.
Es ist jetzt - nach Duschen und Lesen und Blogschreiben - doch schon 19.20 Uhr, aber im Urlaub muss man ja nicht bis in die Puppen draußen sein, sondern darf sich auch mal ausruhen, und das mache ich hier. Der Ventilator läuft, die Klimaanlage ebenso, so soll es sein, und morgen ist mein vorerst letzter Tag in Havanna, da werde ich schon noch etwas finden, was man sich angucken kann, da bin ich sicher: Zum Beispiel könnte ich mal versuchen, in die Kathedrale reinzukommen, die sieht von außen hübsch aus, die könnten von innen auch ganz ansehnlich sein.
Das war es erst einmal für den 17. Juni, Fotos kommen mal in Ruhe.
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18. Juni: Buick, 1955, dunkelrot
Auch heute fuhr ich einmal im Kreis, aber nicht mehr im Doppeldecker-Bus, sondern - stilecht für Havanna - in einem Buick, der es 1955, also noch deutlich vor der Revolution, nach Kuba geschafft hatte ...
Heute ging mein Wecker runter, ich war wohl, obwohl ich zu meiner üblichen Zeit kurz nach 4 Uhr wachgewesen war, wieder eingeschlafen, und ich hatte mein Frühstück für 8.30 Uhr bestellt. Das schaffte ich gerade so, es gab wieder leckere Früchte (Mango war wieder dabei, toll!), Tee und Rührei, und kurz vor 9.30 Uhr verließ ich das Haus, weil um 9.30 Uhr der von meiner Chefin empfohlene geführte Altstadtrundgang anfing. Nun war ich die letzten Tage so oft in der Altstadt herumgelatscht, dass ich den Altstandrundgang heute Morgen ausfallen ließ. Dafür lief ich zum Parque Central, und da kam mir dieser schöne dunkelrote wagen (dessen Marke ich zu dem Zeitpunkt noch nicht identifizieren konnte) in die Quere. Die anderen alten Ami-Schlitten sind meist in so einem Rosa-Ton gehalten, und rot gefällt mir besser als rosa, also lief ich dem hinterher und fragte den Fahrer, ob er mich durch Havanna kutschiert. Wir einigten uns auf den wohl üblichen Preis´von 25 CUCs, also 25 Dollar, und auf ging es durch Chinatown und Vedado. Am Revolutionsplatz wollte ich nicht anhalten, ich finde die Plaza de la revolución ehrlich gesagt ziemlich nichtssagend, weil das eine einzige Betonfläche ist - interessant sind die beiden Wandskulpturen von Che Guevera und Camilo Cienfuegos an den beiden Ministerien, das gefühlt 538. Martí-Denkmal in Havanna (Martí war der Vater der kubanischen Unabhängigkeit, wenn ich das richtig verstanden habe) und halt der Riesenturm da ...
Es ging also ohne langen Stopp weiter, wieder vorbei am San-Cristóbal-Friedhof, aber danach rechts ab über eine andere Strecke durch Vedado als gestern. Wir machten einen kurzen Stopp am Parque Lennon und der dortigen John-Lennon-Statue (die Brille ist derzeit abhandengekommen ...), fuhren auf meinen Wunsch an der deutschen Botschaft vorbei und danach über den Malecón wieder zum Parque Central. Schön war's in diesem alten Ding (mit Handyhalterung und relativ modernem Radio, ein H-Kennzeichen hätte das Ding also in Deutschland nicht bekommen ...), und als die Seitenstraße zur deutschen Botschaft seeeeehr uneben war, tat es mir um das 64 Jahre alte Gefährt (!) fast ein bisschen leid.
Den Rest des Tages genoss ich in vollen Zügen, spazierte nochmal durch die Altstadt, guckte kurz in die Kathedrale rein, aß in einer kleinen Kneipe gutes, aber teures Mittagessen mit einem Bananen-Daiquirí, und mit dem Cocktail um 11.30 Uhr war der Grundstein gelegt für den sehr gammeligen Rest des Tages. Ich saß im Parque Cervantes, nutzte meine Stunde Internet zu Ende (die hat jetzt doch ganz gut gehalten), lief ans Meer, trank dort ein Bierchen und landete am Ende wieder am Parque Central. Es war so, als ob ein Gewitter käme, und also suchte ich noch einmal das (wirklich eiskalt heruntergekühlte) Astuarianito auf, saß zweieinhalb Stunden fast nur unter Kubanern und aß wieder viel zu viel (die Hauptspeisen dort sind so dermaßen üppig und zudem spottbillig, dass ich jedes Mal vergesse, wie groß die Mahlzeiten sind, und da ich diesen Brotkorb nehmen muss - mit zwei Knoblauchsoßen und Butter und frischgebackenem Brot -, bin ich dann meist schon nach der Avocado-Vorspeise satt ...). Als ich das Restaurant verließ, nieselte es immer noch, ich brauchte keine Karte mehr, um heimzufinden, und bin jetzt schon wieder um kurz vor sieben bettfertig. Es ist furchtbar mit mir, aber andererseits schlafen, essen und trinken, das ist ja auch Urlaub ...
Morgen geht es um 10 Uhr mit dem Bus nach Varadero, planmäßige Ankunft ist um 13.05 Uhr, da sollte ich dann hoffentlich gegen 14, 15 Uhr in meinem Hotel sein, das wird schon gutgehen, hoffe ich.
Havanna, ja, das ist eine (Alt-)Stadt der massiven Widersprüche: Da gibt es wunderschön renovierte Häuser, in denen meist dann Kneipen oder Unterkünfte sind, und direkt daneben ist eine völlig unsanierte Bruchbude, wo man unwillkürlich reinguckt (oft sind die Türen offen) und sich fragt, ob da wirklich Leute wohnen. Da gibt es das Mädchen, das mitten auf den Bürgersteig pinkelt, und viele Straßenhunde, aber andererseits eben auch unwahrscheinlich viele Kunstgalerien und Street Art, dass einem das Auge übergeht. Da fahren abgerissene Fahrradrikschas und alte Sowjetautos durch die Gegend, und daneben sind diese wunderschönen alten, gut in Schuss gehaltenen Ami-Schlitten, aber eben auch sehr moderne Stadtbusse unterwegs. Es gibt teure Touristenlokale mit durchaus gutem Essen, aber eben auch westlichen Preisen, und daneben Stände für die Einheimischen, wo man für ein paar Cent ein Stück Pizza bekommt (dafür aber mit moneda nacional zahlen sollte). Das muss man sich einfach mal selbst angucken, und besser früher als später, denn dieser Mix aus Alt und Neu ist so spannend und verändert sich so stark, dass Stadt und Land in ein paar Jahren womöglich kaum mehr wiederzuerkennen sind. Der (mehr als) gelegentlich morbide Charme der Altstadt wird langfristig vielleicht vergehen, aber ich hoffe, dass die Freundlichkeit der normalen Menschen - nicht unbedingt der Schlepper, sondern der normalen Leute, die hier ihrer Arbeit nachgehen - erhalten bleibt. Im Reiseführer stand etwas von nur semi-motivierten Kellnerinnen und Kellnern - das kann ich so nicht bestätigen: Die jungen Leute wollen, das ist keine Frage, und ich bin zuversichtlich, dass Kuba in den nächsten Jahrzehnten seinen Weg gehen wird, seinen eigenen, ja, vielleicht auch nicht immer den ganz direkten, aber das ist so spannend hier in Havanna, dass da immer mehr Ausländer kommen werden und sich die Stadt weiter verändern wird.
Das war es jetzt erstmal für Havanna, morgen kommt der Kulturschock mit All-inclusive-Hotel und fast nur noch Ausländern am Strand, aber das ist auch okay, dann es ist schon anstrengend, hier mit langen Hosen in der Gegend herumzulaufen und zu schwitzen, da freue ich mich jetzt auf ein bisschen Strand und Badehose und Schwimmen. (Und ehrlich gesagt tue ich mich auch schwer, hier einfach ein Wasser zu kaufen, denn Supermärkte gibt es jedenfalls in der Altstadt nicht so richtig - ja, es gibt Tiendas, also kleine Läden, aber irgendwie traue ich dann den Kühlketten nicht so ganz - das macht bei Wasser nichts aus, schon klar, aber ich möchte gerne das Wasser anfassen, bevor ich es kaufe, um zu fühlen, ob es wirklich kalt ist, und das kriege ich hier nicht so richtig gebacken ...)
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19. Juni: Alptraum-Rezeption am Traumstrand
Wie üblich war ich früh wach und schon im Bad, als mein Wecker runterging. "Bäh, Wecker im Urlaub", wird mancher sagen, aber andererseits ist der, gerade wenn man um 20 Uhr schon ins Bett geht, mehr Versicherung als alles andere. Und wenigstens muss ich nicht mitten in der Nacht aufstehen. Ich duschte, packte und fragte dann meine Chefin, ob es hier in der Nähe einen cajero automático, einen Geldautomaten, gebe. Sie erläuterte was von izquierda und dann derecha, also erst links und dann rechts, und ich stiefelte in Richtung Revolutionsmuseum. Ich hielt Ausschau, fand erst nix und war schon fast auf dem (längeren) Weg zum Parque Central, als mir direkt auf der Ecke, an der ich aus "meiner" Straße gekommen war, ein Schild sah, auf dem man - mit viel Liebe - cajero automático erkennen konnte.
Anders als im Reiseführer behauptet worden war (mal wieder), klappte das wieder auf Anhieb mit dem Geldabheben, sodass meine Bargeldreserven, die gestern Abend dann auf 8 CUCs gefallen waren, wieder aufgefüllt werden konnten. Ich frühstückte, der Sohn des Hauses wollte mir ein Taxi für 15 CUC andrehen, was ich ablehnte, sodas sich dann kurz nach acht Uhr das Haus verließ. Ich lief in Richtung Uferpromenade, gabelte mir einen alten Ami-Schlitten auf und ließ mich für 10 CUCs (immer noch zu viel, aber sei's drum, dafür war ich wieder in so einem alten Teil - diesmal mit geschlossenem Dach - unterwegs ... Schee!) zum Terminal fahren.
Der Taxifahrer lobte mich für mein Spanisch, was eine dreiste Lüge war, aber wenigstens kriege ich es hin, dass man mich einigermaßen versteht - nicht verstanden habe ich den Witz meines Unterkunftschefs, der meinte, ich könnte umsonst in Havanna wohnen bleiben, während sie für mich nach Varadero fahren. Sorry, aber sowas verstehe ich doch am frühen Morgen nicht, zumal der Typ, der mich an den Vater eines alten Schulkameraden erinnert, seinen Humor immer von ganz weit unten herholt, wenn kein Mensch damit rechnet ...
Wir fuhren über den Malecón und vorbei an der Universität, bogen eine Straße vor der Plaza de la revolución links ab und landeten schließlich am Terminal, in dem ich - nach ein bisschen Suche - meine Busgesellschaft fand.
Hier fing das Chaos an: Erst wurde ich an dem einen Stand weggeschickt, ich solle um 9 Uhr wiederkommen. Dann kam ich um 9 Uhr wieder, nachdem ich an der Information gefragt hatte, auf einmal Aufruhr, mutmaßlich, weil ich über das Internet gebucht hatte. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass sie den Bus überbucht hatten, aber irgendwann - recht spät - bekam ich meine handschriftlich ausgefüllte Bordkarte. Jetzt hieß es erstmal, den Ausgang suchen, weil das natürlich nirgends beschildert ist - sonst könnte der Ausländer ja, wenn der Krieg ausbricht, wissen, von wo aus welcher Bus abfährt (das kann ja keiner wollen). Als ich endlich meinen Bus gefunden hatte (ich ging durch das "Gate" einfach durch), sprach der Busfahrer noch auf mich ein, mutmaßlich, weil ich mein Gepäck hätte abgeben sollen. Der konnte mich jetzt aber mal gern haben, ich stieg ein und bis Varadero nicht mehr aus dem Bus aus.
Die dreistündige Fahrt war schön: Vorbei am Meer (ich saß natürlich auf der meerabgewandten Seite, hatte aber dafür umso schönere Ausblicke aufs Landesinnere!), an grünen Wäldern, über Flüsse mit Bötchen hinweg ging es über Matanzas und den Flughafen von Varadero schließlich auf die Halbinsel, auf der Varadero liegt. Ich stieg aus dem Bus aus, lief an allen Gepäckausgabestellen vorbei und lachte mir einen Taxifahrer an, der mich das Stückchen zu meinem Hotel fuhr.
Ich kam gegen 13.30 Uhr an, mir wurde eröffnet, dass ich erst um 16 Uhr einchecken könne. So weit, so schlecht. Wenigstens bekam ich gleich das All-inclusive-Armband und sollte essen gehen, was ich tat. Das Essen ist schön angerichtet und schmeckt, die Fruchtabteilung ist klein, aber fein, Bier und Cola gab es auch, und - man höre und staune - ich hatte eine nette Bedienung. Danach ging es aber rapide bergab ...
Ich süffelte mich durch die Stunden, trank da ein Bierchen und hier eins, ging an den Strand (traumhaft, wirklich richtig, richtig schön!) und wollte dann um 16 Uhr, nachdem ich intensiv im Internet gesurft hatte, einchecken. Mein Zimmer sei "in ten minutes", in zehn Minuten, fertig, man gebe mir aber schon die Schlüsselkarte. Nun denn, meine Dame und Herren, es war nicht 16.10 Uhr, als mein Zimmer fertig war, sondern 16.52 Uhr - das war richtig, richtig Mist. Dass man erst so spät einchecken kann, ist schon nicht so schön, aber dass man dann nicht aufs zimmer kann und auch noch belogen wird, das ist ... naja, da käme jetzt ein Kraftausdruck, aber da ich doch noch nicht so viel Bier getrunken habe, lasse ich den jetzt mal so stehen.
Das Zimmer ist völlig okay, hat den versprochenen Meerblick, ist relativ groß, aber ein kleines bisschen in die Tage gekommen, insgesamt meckere ich über das Zimmer nicht.
Ich packte meinen Wäschesack und ging an die Rezeption mit der Bitte, mir den Inhalt zu waschen. Ich käme zu spät, wurde mir eröffnet. Erstens wäre ich vielleicht pünktlich gewesen, wenn ich pünktlich hätte einchecken können, aber zweitens und vor allem, dann nehmt's halt meinen Wäschesack und wascht den erst morgen, zum Henker, das kann doch nicht so schwer sein! Nein, ich musste ihn wieder mit hoch aufs Zimmer nehmen, dort ablegen und soll morgen früh wieder zur Rezeption dackeln. Das ist halt dann leider doch sozialistisches Serviceverständnis, das kann ich nicht anders sagen.
Nachdem ich mich nun ausreichend geärgert hatte, ging ich an den Strand und war ein kleines bisschen besänftigt. Da ist zwar eine Menge los, aber der Strand von Varadero gehört sicherlich zu den schönsten Stränden, die ich in meinem Leben so gesehen habe: weißer Sand, ruhiges, wohltemperiertes Meer, flach abfallend - sehr, sehr schön. Und ich habe mir trotz ausgiebigen Bades keinen Sonnenbrand geholt, soweit ich das bis jetzt abschätzen kann.
Es wäre also zu viel gesagt, wenn ich behauptete, das Donnergrollen hätte den heutigen Tag vollumfänglich beschrieben, aber als der Donner und die schwarzen Wolken und die Regenwand näher kamen, verließ ich dann doch das Meer, trank an der Poolbar noch ein - wirklich klitzekleines - Bierchen und bin jetzt eben aus der Dusche gestiegen. Jetzt geht es zum Abendessen und dann irgendwann auch ins Bett, und morgen wird sich erholt, komme, was da wolle ...
Kathedrale von Havanna |
Straßenszene mit altem Ami-Schlitten |
Kneipensträßchen |
"Skyline" von Centro Havana |
Skyline |
Máximo Gómez |
Revolutionsmuseum |
Im Revolutionsmuseum (alter Präsidentenpalast) |
Street Art |
Capitolio |
US-Botschaft |
Revolutionsplatz |
Kirche auf dem San-Cristóbal-Friedhof |
Art-Déco-Grab |
Hasta la victoria siempre |
Parque Lennon |
Mein Stadtrundfahrtskreuzer |
Parque Central |
Strand in Varadero |
Gewitter in Varadero |
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