Meine Länder

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Samstag, 1. Juni 2019

Eine Gesichtscreme

... ist der Abschluss einer weiteren Expedition zur Beweisführung für meine Beklopptheit.

Mir war vorgestern Abend eingefallen, dass mir meine Sonnencreme ausgegangen war, also machte ich mich auf, um noch welche zu kaufen. Am Abend wollte ich sie dann ins Gepäck packen, als ich sah, dass ich Held im Erdbeerfeld eine 150-ml-Packung gekauft hatte. Na super! Denn da wir nur mit Handgepäck fliegen, sind 150 ml nach Adam Riese 50 ml zu viel. Argh. Gestern Abend in Bogotá schaute ich dann in einem Supermarkt, fand eine ausreichend kleine (50ml) Creme mit 50er-Sonnenschutzfaktor, nur um später im Hotel festzustellen, dass das eine Gesichtscreme ist. Nun denn, da schlage ich also zwei Fliegen mit einer Klappe - ich bin sonnengeschützt und pflege meine Gesichtshaut. Wird ja auch mal Zeit!

Gestern Abend ist uns allen das Herz in die Hose gerutscht: Wir waren auf den letzten Zügen unseres Spaziergangs hier in unserem Viertel, als ein Mann eine Frau im Rollstuhl so anschubste, dass diese ohne Begleitung über die Straße fuhr. Das Problem war, dass er das genau vor einem Taxi machte. Boah, Kinners, das könnt ihr nicht machen - da stand auf einmal die ganze (belebte) Straße still, weil alle vor sich sahen, dass die Frau gleich in hohem Bogen über die Straße geschleudert wird. Zum Glück konnte der Taxifahrer noch anhalten, aber dem Typen, der mich in Lebensgefahr bringt, dem hätte ich die Meinung gegeigt ...

Überhaupt ist diese Fußgängerzone Ausdruck prallen Lebens, da wird an jeder Ecke gekifft und andere (legale) Ware feilgeboten, Sänger stehen im Abstand von wenigen Metern und singen, was das Zeug hält, wir haben gestern die spanischsprachige Version vom "Griechischer Wein" gehört ... Der Transmilenio, das Bussystem fährt überall zwischendurch (auch - erlaubterweise - durch die Fußgängerzone), das müssen wir auch mal ausprobieren.

Jetzt aber (ich schreibe diese Zeile um 6 Uhr kolumbianischer Zeit vor) geht es erstmal zum Flughafen und dann nach Leticia an den Amazonas.

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Die Fahrt zum Flughafen war ereignislos, außer dass die Rezeption verwirrt war, weil wir zum Flughafen wollten, ohne ausgecheckt zu haben, aber das war ja zu klären. Wir hatten noch Zeit, nahmen ein Frühstück ein und gingen dann durch die angenehm leere Sicherheitskontrolle.

Unser Flieger war ein wenig verspätet, und als alle drin saßen, wurde so ein armer Wicht wegen einer "immigrationstechnischen Besonderheit" (oder so ähnlich) wieder aus dem Flieger geholt ... Nun denn, das waren wenigstens nicht wir.

Dadurch hatten wir aber halt fast genau eine Stunde Verspätung, die wir nicht mehr ganz einholten, auch weil wir - damit wir den peruanischen Luftraum meiden - eine kleine Ecke flogen, um auf kolumbianischem Gebiet zu bleiben.

In Leticia muss jeder Auswärtige (also anscheinend auch jeder nicht dort wohnhafte Kolumbianer) eine Tourismussteuer von knapp neun Euro zahlen - da fühlt man sich doch gleich total willkommen ... Eine der Kontrolleurinnen fragte uns ganz überrascht, ob wir kein Gepäck hätten - nein, haben wir nicht.

Dafür war ich zu dem Zeitpunkt schon fast patschnass, denn im Regenwald sind tropische Temperaturen und - noch wichtiger - tropische Luftfeuchtigkeit. Es war gar nicht soooo heiß, aber eben sehr schwül.

Wir machten einen weiteren Taxifahrer zum reichen Mann, weil wir ihn beauftragten, uns zum Malecón zu fahren, was ich den beiden zuvor als "Uferpromenade" verkauft hatte. Nun, ja, Ufer war's, aber so Promenade, oder jedenfalls Flaniermeile, war das ganz und gar nicht. Das hier war Südamerika, wie es eben auch ist, schwül-warm, wuselig, bisschen dreckig, aber natürlich gab es eine Bierkneipe, und in die fielen wir ein.

Da war ein Fluss und das andere Ufer bezeichnete ich als "Peru", was bedeutete hätte, dass das Flüsschen der Amazonas wäre. Nix war's, das war der Fluss Leticia (nach dem Örtchen), wie wir herausfanden, als wir unschlüssig in der Gegend herumstanden und uns einer ansprach, ob wir mit ihm eine Bootstour machen wollten. Wollten wir, und der Preis von 80.000 Pesos (22 Euro oder so) war wahrscheinlich viel zu hoch, aber uns trotzdem recht ...

Mit dem "wollten wir" waren wir uns nicht mehr so ganz sicher, als wir sein Bötchen sahen: ein langes Holzboot, wenigstens mit Überdachung, aber das Wasser stand auf der einen Seite ein paar Zentimeter im Boot, und das Gefährt wackelte bedenklich, als wir alle einstiegen. Nun denn, Indianer kennt kein Schmerz - wir saßen.

Ab ging die gemächliche Luzi den Leticiafluss hinunter, rauf auf den Amazonas, über die Flussgrenze in den brasilianischen Teil und nach ein bisschen Gucken vom Boot aus, einmal quer über den Amazonas in Richtung Peru. Ich hatte den amigo (so nannte er mich, also darf ich ihn hier auch so nennen) gefragt, ob das wirklich so sei, dass man keine Aus- und Einreisestempel bräuchte. "Tranquilo", "ruhig", meinte er, das sei alles kein Problem ...

Auf der peruanischen Seite fuhren wir durch, jetzt hätte ich fast, Auenland geschrieben, aber eigentlich ist das sogar richtig, denn das Gebiet, durch das wir fuhren, wir bei Hochwasser überschwemmt. Wir hatten Niedrigwasser (bajisimo, also Niedrigstwasser), und legten am peruanischen Ufer an.

Alex, unser Kapitän, führte uns ein bisschen durch das Städtchen Santa Rosa mit seinen 1.200 Einwohnern, von denen 500 Schüler, sind, erläuterte uns, dass die Häuser auf Stelzen gebaut seien, weil das Gebiet eben so hoch überschwemme, zeigte uns drei Leguane, ließ uns peruanisches Bier kaufen (das wir dann auf dem Boot tranken), führte uns natürlich auch an der Einwanderungsbehörde vorbei, aber meinte, dass das alles kein Problem sei, und nach einer Dreiviertelstunde oder so gingen wir - nachdem er ein bisschen Wasser aus dem Boot geschöpft hatte - wieder an Bord.

Wir hatten vereinbart, dass er uns in Tabatinga, also in Brasilien, rauslässt, und das tat er. Er bekam ein sehr ordentliches Trinkgeld oben drauf, meinte, wir sollten mit Gott gehen, und wir gingen getrennter Wege. Schön war's mit ihm ...

In Tabatinga liefen wir - durch kleine Sträßchen mit vielen Lädelchen - in Richtung meiner avisierten Kneipe. Als wir da ankamen, ergab es sich, dass sie keine Kreditkarte nehmen, also mussten wir tauschen gehen. Anstatt zu tauschen, ging ich Geld abheben, stellte fest, dass meine eine Karte mal wieder gesperrt worden ist (seufz), ging zu einer anderen Bank, hob dort mit einer anderen Karte im wunderbar eiskalt temperierten Bankvorraum Geld, und es ging zurück in das Três Fronteiras.

Jessi und ich probierten den Tambaqui, was sich als frittierter Fisch mit wenigen kleinen und ein paar großen Gräten entpuppte, gar nicht so schlecht, und dazu tranken wir Caipirinha bzw. Bier (damit wir auch in Brasilien ein Bier getrunken haben ...).

Mit viel zu viel brasilianischem Geld liefen wir in Richtung Grenze, überquerten diese ungehindert, sahen auf der rechten Straßenseite eine gelateria und gerieten an eine Verkäuferin, die in uns in ganz akzeptablem Englisch die verschiedenen Eissorten erläuterte: Nichts mit Schokolade und Vanille, da gab es so viele Eissorten aus Früchten, die ich noch gesehen und von denen ich noch nie gehört hatte, dass wir am Ende beide (Jessi und ich) einfach nach Auge auswählten - und es nicht bereuten. Das war richtig gut ...

Wir landeten wieder an unserer ersten Kneipe am Malecón, tranken Bier und Wasser, brachen dann auf, fanden ein Hotel mit Aussicht, auf das wir stiegen (nachdem wir an der Rezeption Getränke gekauft hatten), guckten dem Leben in dieser Seitenstraße zu, während die Sonne langsam unterging, zogen dann weiter ins Städtchen, weil wir noch ein Hüngerchen hatten (heute verwende ich viele -chens, sorry), kamen schlussendlich in einer Kneipe zum Sitzen, in der es mehr deutsche Biersorten gab als in den meisten deutschen Kneipen, aber natürlich tranken wir kolumbianische Getränke, und aßen dazu - wir hatten ja erst drei, vier Stunden vorher gegessen und es war heiß - eine Kleinigkeit ...

Der Ober verstand mich nicht, als ich nach einem aguardiente, einem Schnaps, fragte, sodass wir zahlten, aufbrachen und noch in eine Kneipe einfielen, in der der DJ gerade anfing, seinen Rechner einzurichten. Wir vernichteten kolumbianischen Anisschnaps und ich wagte mich an einen Rum heran, aber ich merkte, dass ich es jetzt mit dem Alkohol lassen sollte ...

Zurück zum Flughafen fuhren wir in einem Tuk-tuk ohne Licht, kamen lebend an, tranken dort noch etwas, mussten dann noch einen Stempel auf der Bordkarte holen, dass wir ordnungsgemäß in Kolumbien eingereist waren (waren wir doch, öhem, gestern), und konnten dann in die Sicherheitskontrolle gehen.

Das Röntgengerät war außer Betrieb, also wurden alle Taschen durchsucht, aber so richtig gründlich erschien uns das alles nicht. Sei es, wie es sei, wir waren froh, als wir boarden konnten, denn der Abflugbereich (mit genau einem Gate, natürlich) hatte den Charme einer alten Bahnhofshalle mit dem entsprechenen Lautstärkepegel.

Den Flug verschlief ich im Wesentlichen, und um kurz vor Mitternacht waren wir in Bogotá gelandet. Es regnete in Strömen, aber wir konnten durch den Finger ins Flughafengebäude, liefen ewig, standen ein bisschen am Taxistand an, bekamen dann ein Taxi, und das fuhr uns für unter zehn Euro zu unserem Hotel.

Jetzt ist es hier 2 Uhr, ich gehe ins Bett, heute wird ausgeschlafen.

Fotos vom Anfang der Tour heute, danach hat Christian so viele Fotos geschossen, dass ich es gelassen habe ...


Über den Wolken ...

Zwischen Wolken und Regenwald ...

Der Amazonas

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