Meine Länder

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Länder in orange sind in vorläufiger Planung für die nächsten zwölf Monate.

Freitag, 29. Juni 2018

Nicht so gut

... ging es mir heute, aber ich weiß nicht, ob das die Nachwirkungen vom Deutschland-Spiel sind, ob ich mir etwas eingefangen habe oder ob das Bier gestern Abend in der eigentlich sehr netten Kneipe schlecht, weil unsachgemäß gelagert war (nein, es lag nicht daran, dass ich zuviel getrunken hätte, das kann ich ausnahmsweise ausschließen).

Nun denn, ich aß also gestern nochmal das Filet Mignon in der Bar Duck und ließ mich dann zum Flughafen fahren. Ich war viel zu früh dran, checkte aber halt schon ein und ging durch die Sicherheitskontrolle. Mit unterwegs auf dem Weg nach Moskau waren viele Deutsche, und die meisten von ihnen starrten mit leeren Gesichtern ins Leere ...

Der Flug war problemlos, nur konnte ich am Flughafen Wnukowo nicht wie gewohnt mein Uber mit Preis-Voranzeige buchen. Später fand ich heraus, wieso das so ist - ich war mitten in die Rush Hour geraten. Für eine Strecke, für die ich auf dem Hinweg vielleicht eine knappe Stunde gebraucht hätten, brauchten wir jetzt fast zwei, und auch das nur, weil der Fahrer fuhr wie ein Henker - nun gut, ich habe es überlebt.

Das Zimmer hier ist wieder nicht so der Burner, obwohl ich 65 Euro die Nacht bezahle, aber es ist halt WM und in Russland herrscht Steinzeit-Kapitalismus. Meint man manchmal ...

Ich wollte mit der Metro eine Station zu einem Pub fahren, stand aber - es war 20.45 Uhr oder so - vor verschlossener Tür beim "Metro"-Eingang. Es stellte sich heraus, dass die Linie 13 zwar ins Metro-System mehr oder weniger eingebettet ist, aber nur im "Touristenmodus" fährt, alle halbe Stunde bis 20 Uhr. Mist ...

Ich ging zurück zum Hotel und wollte mich zu dem Pub fahren lassen, als ich an einem Hauseingang vorbeilief, an dem etwas von "Bier Pub" in der zweiten Etage stand. Ich ging nun durch den normalen Treppenaufgang hoch, gefühlt in eine Wohnung rein, und da war eine kleine Bar, komplett mit Fußball und Tischen und Theke aufgebaut.

Ich bestellte ein Bierchen und kam mit den Inhabern ins Gespräch, die zumindest zum Teil ein bisschen Englisch sprachen. Kaum hatte ich mein erstes Bier aus, brachten sie mir eine Flasche Wodka in einer Geschenkverpackung und meinten, ich sollte in Deutschland Werbung machen, dass die Europäer vor den Russen keine Angst haben müssten.

Das Bier dort war lecker, aber wenn ich mir so nachträglich überlege, wie die das aus dem Fass in eine braune Flasche und dann in mein Glas ... So ganz koscher war das alles nicht, und ich versprach zwar, ich käme morgen zum Spiel wieder, aber möglicherweise ändere ich meine Pläne dann doch.

Heute Morgen stand ich erst um 11.30 Uhr oder so auf, ging duschen und brach mit sehr flauem Gefühl im Magen in die Stadt auf. Ich kaufte mir in dem 24-Stunden-Laden nebenan (in dem ich mich gestern Abend noch mit Brot und Wurst versorgt hatte, weil ich in der Bar nichts essen wollte ...) Cola, Fanta und Wasser, trank Cola und Fanta in stereo zur Erzeugung einer Spezi und machte mich dann wieder auf zur Monorail-Bahn, die mich gestern abgewiesen hatte.

Ich hatte von dem Ankunftstag hier noch eine Fahrt offen, aber die gilt nur fünf Tage, und deswegen war die gestern abgelaufen - naja, da habe ich 80 Cent in den Sand gesetzt, das überlebe ich.

Mit Hilfe von Google und zwei durchaus hilfsbereiten Metro-Angestellten erwarb ich mir eine Drei-Tages-Karte und fuhr also mit der Monorail-Bahn bis zur richtigen Metro und dann weiter in die Innenstadt.

Ich kam an der Präsidialverwaltung raus, guckte kurz ins Kaufhaus GUM rein (sehr teure Läden, sehr warm) und lief dann am Roten Platz und der Basilius-Kathedrale vorbei in Richtung Moskwa. Ein Sightseeing-Bus fuhr vorbei, nahm im zweiten Anlauf auch meine Kreditkarte und so machte ich eineinhalb Runden in dem Gefährt. Wir fuhren mehrfach am Kreml vorbei (tolle Ausblicke!), an der alten KGB-Zentrale Lubjanka und an einigen anderen historischen Gebäude.

Ich stieg an der Erlöserkathedrale aus, guckte mir die kurz von außen an, ebenso verfuhr ich mit dem Puschkin-Museum und ging dann in die anscheinend beliebte Fußgängerzone Arbat. Dort ging ich - ich hasse es, im Ausland zu einer US-Kette zu gehen, aber heute war es mir recht, weil ich da nicht mit ungewohnten Gewürzen rechnen musste - zu KFC, aß einen Burger und trank viel Cola und machte mich dann in Ruhe zurück zur U-Bahn.

Ich erwischte nach dreimal Umsteigen die letzte Monorail-Bahn, kaufte noch einen Ananas-Mango-Saft zum Trinken und bin nun im Zimmer.

Heute war ein langsamer Tag, das war aber auch mal nötig und hat mir gut getan. Ich hoffe, ich bin morgen wieder fit, dann gucke ich mir den Kreml mal von innen an und sehe dann mal, wo ich am Abend Fußball gucke ...

Fotos aus Kasan:

Wolga

Kasaner Kreml

Kasaner Kremlmauer

Suyumbike-Turm

Kul-Sherif-Moschee

Eingangsturm

In der Kasaner Metro

Gewitterregen erzeugt Schwimmbad

Toller Blick aufs und vom Fan-Fest

Das waren wir noch guter Dinge I

Das waren wir noch guter Dinge I

Da nicht mehr, aber der Blick auf Kasan ist trotzdem schön

Über dieses Gleis musste ich täglich gehen

Donnerstag, 28. Juni 2018

N'Abend allerseits

Bericht vom 27. Juni

Heribert Faßbender hätte heute seine wahre Freude gehabt, denn es gab ein Fußballspiel - und während ich diese Zeilen schreibe, weiß ich noch nicht, wie es ausgeht, denn es ist der Morgen des 27. Juni und ich sitze in meiner Hütte und habe gerade geduscht. Zwischen halb neun und halb elf ist wieder eine Lücke im Zugfahrplan, und da ich den Zug um halb neun nur mit Mühe gekriegt hätte, habe ich mich dafür entschieden, in Ruhe zu duschen und schon einmal in ebendieser Ruhe diese Zeilen vorzuschreiben.

Gestern Abend musste alles ein bisschen schnell gehen, weil mein Akku nur noch 7% hatte, nachdem ich bei der Eingangskontrolle beim Fan-Fest zum Nachweis, dass da kein Sprengstoff drin ist, den Rechner anschalten musste und danach vergaß, ihn wieder auszuschalten ... Meine Syrerin (ich nenne ihren Namen nicht, weil ich vergessen habe zu fragen, ob es okay ist, ihn hier im Blog zu nennen) und ich unterhielten uns danach kurz, ob wir uns jetzt deswegen sicherer fühlen oder nicht - irgendwie überzeugt mich diese ganze Untersucherei nicht so richtig, vor allem, wenn sie so übertrieben wird wie dort (mit Sprengstoffhund am Kinderwagen!). Wir kamen wieder auf eines meiner Ceterum-censeo-Themen zu sprechen, bei denen ich nie weiß, ob ich der Trottel bin oder alle anderen, nämlich diese Eingangskontrollen am Flughafen, die ich, wenn ich Böses wollte, dankbar annehmen würde, weil mir viele mögliche Opfer so komprimiert auf dem Silbertablett dargeboten werden. Nun gut, sei's drum ...

Der Tag gestern war ganz großartig. Ich muss ja gestehen, ich wusste nicht, was auf mich zukommt, weil ich den Mann meiner Syrerin ja gar nicht kannte und ich sie irgendwann auch mal mit Kopftuch gesehen hatte auf einem Foto, was so gar nicht zu ihr passte und was sie damals, 2009 in Damaskus, für sich auch kategorisch ausgeschlossen hatte. Das mit dem Kopftuch scheint ein einmaliger "Ausrutscher" gewesen zu sein, denn sie kam in Polohemd und Jeans auf mich zu, während ihr Mann den Kinderwagen (nein, nicht so einen zum Liegen, sondern zum Sitzen für die Kleine - heißt das jetzt "Trolley", ach, keine Ahnung ...) vor sich herschob - alles wie damals sozusagen, jedenfalls hinsichtlich ihres Kleidungsstils. Entsprechend umarmten wir uns auch sofort, und ich begrüßte die kleine Tochter, die am Anfang noch ein bisschen scheu war (später wurde das besser) ...

Einem Eis von KFC folgte der Spaziergang durch die Fußgängerzone, als es auf einmal bestialisch anfing zu gewittern und entsprechend auch zu regnen. Wir waren gerade dabei, bei McDonald's - oder vielmehr МакДоналдс - vorbei zu gehen und stellten uns also dort unter. Die Fußgängerzone wurde zum Schwimmbad, und als die Kleine vom Donner direkt über uns Angst bekam, gingen wir zu McDonald's rein. Ich trank eine Cola (ich hatte gestern Vormittag viiiiiiel zu wenig getrunken), und wir gingen weiter, als der Regen aufhörte - bis auf den Wasserstrom die Hauptstraße runter konnte man nicht unterscheiden, ob es kurz geregnet oder so dermaßen gewittert hatte - die Kanalisation hier kann was.

Wir suchten in der Fußgängerzone namens Bauman-Straße eine tatarische Gaststätte, und die beiden überließen unfreundlicherweise mir die Entscheidung, wo wir hingehen sollten. Das erste Lokal, so eine richtige Kantine, war mir zu ungemütlich, was für die beiden auch okay war, aber die dritte Gaststätte hatte ein Kinderspielzimmer und ein richtig gemütliches, bauernzimmerartiges Speisesälchen - hier gefiel es uns auf Anhieb.

Eine Bedienung sprach auch Englisch und konnte uns die Speisen erläutern, auch wenn die Karte auf Englisch war, aber meine Syrerin war ein bisschen anspruchsvoll in ihren Nachfragen. Ich wollte freundlich sein und fragte nach, ob es okay ist, wenn ich ein Bierchen trinke (ich wusste wirklich nicht, wie sie zu Alkohol steht, und gerade in einer jedenfalls formal muslimischen Stadt wie Kasan kann man sich ja auch ein bisschen anpassen, selbst wenn hier wahrscheinlich nur ein Bruchteil der Bevölkerung ernsthaft muslimisch ist), was damit beantwortet wurde, dass ihr Mann auch ein Bier bestellte (welches sie dann zur Hälfte austrank, sehr sympathisch ...).

Das Bier war eigentlich gut, aber warm, sodass ich mich schnell überzeugen ließ, nach dem Essen - es gab Fleischspieß und Salat für die beiden und eine Suppe und danach Pferdefleisch, sehr lecker, für mich - weiterzuziehen. Wir liefen vorbei am Kreml und um die - naja - Lagune der Wolga in der Stadt herum und gingen zum Fan-Fest.

Der Ausblick beim Fan-Fest ist fantastisch - direkt neben der Großleinwand hat man einen tollen Blick auf den beleuchteten Kreml und den Rest von Kasan sowie auf diese Wolga-Lagune -, die Stimmung war gut, auch wenn es nicht voll war (kaum Schlangen bei Essen und Trinken, das haben sie völlig ausreichend dimensioniert, jedenfalls für einen Abend wie gestern), nur dass Argentinien noch das 2:1 macht, hätte nicht sein müssen. (Nach dem Spiel heute Abend gucke ich dort die Spiele der Gruppe E.)

Danach bestellte ich mir mein Uber, der Fahrer war alles andere als gesprächig und reagierte nicht mal auf mein "Hello", aber mir war's wurscht, denn er fuhr mich kompetent in meine Unterkunft, und das ist es, was zählt.

Der heutige Blogeintrag wird ein Fallbeispiel nichtlinearer Erzählung, denn vor dem Treffen mit den Syrern war ich noch auf Erkundungstour im Kasaner Kreml, weil ich noch eine Stunde oder so Zeit hatte, bevor ich mich mit den beiden treffen wollte.

Als ich also dann mit dem Zug in Kasan ankam, ging ich nicht rechts herum in Richtung Treffpunkt, sondern links herum in Richtung Kreml. Von Ferne sieht das Teil, speziell die Kul-Sherif-Moschee und die Kremlmauer, schon sehr beeindruckend aus - und wenn man erstmal den Eingang gefunden hat, wird es noch besser ... Ich kam am Sujumbike-Turm vorbei, von dem sich eine von Iwan, dem Schrecklichen auserkorene Prinzenwitwe gestürzt haben soll, um nicht mit ihm verheiratet zu werden und ging in die Kul-Sherif-Moschee rein. Von außen erinnert mich die sehr an das kleine Moscheele in Buchara mit ihren vier Minaretten und der türkischen Farbe, von innen ist sie sehr schön in Blautönen gehalten. Die Verteilung der Tücher zum Bedecken der Knie und Schultern am Eingang funktioniert problemlos, auch wenn es immer wieder lustig war, deutsche Männer mit Deutschland-Trikot und türkisem "Rock" zu sehen ...

Ich verließ den Kreml auf der anderen Seite, stieg herab und die U-Bahn und wollte mich dort häuslich einrichten, so schön kühl war es dort. Es half alles nichts, auch wenn ich ein paar Bahnen fahren ließ, irgendwann musste ich in eine einsteigen und eine Station später aussteigen. Die U-Bahn-Stationen hier sind übrigens sehr schön künstlerisch gestaltet (anders als in Minsk ...), sodass man die Stationen durchaus als eigenständige Attraktionen sehen kann ... Ich verlief mich ein wenig, kam dann aber am Treffpunkt an, und für den Rest siehe oben ...

Der restliche heutige Tag kommt jetzt (und wird morgen vielleicht wieder ergänzt, das muss jetzt halt so sein, weil ich in meinem Erholungsheim kein WLAN habe und abends dann, wenn ich in der Fanzone oder so WLAN habe, kaum mehr Akku übrig ist und ich vielleicht auch ein Bier intus habe - ab morgen wird der Erzählrhythmus wieder konventioneller und fotohaltiger ...):

Hinter mir liefen ein paar andere Insassen meines Erholungsheims zum Bahnhof, denn auch sie wollten zum Spiel. Der Zug kam sehr pünktlich, die Fahrt kostete wieder 22 Rubel und ich wurde am Bahnhof nicht wie einige Russen von der Polizei zur Identitätskontrolle herausgezogen - mein Deutschland-Trikot war wohl Identifizierung genug, obwohl das keineswegs nur von Deutschen getragen wurde: Die Anzahl von Chinesen, Amerikanern und Russen im Deutschland-Trikot wurde heute wahrscheinlich in Tausendern bemessen - unfassbar (um so mehr tut es mir für diese Leute leid, die die deutsche Mannschaft für ihr früher einmal begeisterndes Spiel unterstützten wollten und so enttäuscht wurden ...).

Ich wollte in der Fußgängerzone zu Mittag essen, in der ersten Kneipe kam die Karte schnell, aber die Bedienungen ignorierten mich und die Empfangsdamen und An-den-Tisch-Geleiterinnen waren sich zu fein dafür, eine Bestellung entgegenzunehmen. Diese WM-Spieltage kommen ja auch ganz plötzlich, da muss man für die Überforderung des Personals schon Verständnis haben - nicht! Ich stand auf und ging (und war dabei nicht der Erste) ...

In der zweiten Kneipe wartete ich auch sehr lange, bis die Chefin herauskam, meinen bitterbösen Blick sah und schnellstens die Karte brachte. Da hatte sie nochmal Glück gehabt - und ich auch ... (Die Chefin zog sich dann relativ schnell ihre High Heels aus und fing an mitzuarbeiten - so sollte es sein, kluge Dame ...) Das Essen (eine typisch tatarische Hühnchen-Ei-Suppe und ein Pferdesteak, das ein bisschen zu durch war, aber sei's drum) war sehr lecker - und das Krombacher, das sie als einziges Fassbier hatten, ging auch (zwischendurch wurden noch mehrere Fässer nachgeliefert ...)

Auf die Rechnung wartete ich wieder ewig, dann ging's zum Kreml und im Shuttlebus in Richtung Stadion. Der Bus war wieder einmal eine mobile Sauna, die zudem von einem Fahranfänger gefahren wurde, dass da keiner durch den Bus gestürzt ist, grenzt an ein Wunder ... Am Ende der Fahrt stand ein Fußmarsch zum Stadion. Die Einlasskontrollen waren vernünftig und die Leute freundlich, so ist das völlig in Ordnung.  Joa, und nach einer zweiten Einlasskontrolle war ich dann in der Kazan Arena und hatte noch etwa 70 Minuten bis zum Anpfiff - kein Stress also ...

Die Stimmung war sehr gut, auch wenn die Leute gut verteilt waren, um mich herum saß ein sehr begeisterter Südkorea-Fan, und die deutsche Hymne sang ich als Einziger im Umkreis mit ... Vielleicht sang ich aber auch so schief, dass sich kein anderer traute, sich auch als Deutscher zu erkennen zu geben ... Die Russen waren mehrheitlich für Südkorea, aber es gab eben auch ziemlich viele, die mit Deutschland hielten. Am lautesten wurde es, als die Menge "Rossija"-Rufe anstimmte - die Russen waren in der Mehrheit im Stadion, ganz offensichtlich ...

Über das Spiel breiten wir am besten den Mantel des Schweigens, ja, ist besser so. Nur das: Es ist einfach traurig, dass eine so talentierte Mannschaft auf diese Weise ausscheidet. Klar wollen die nach einer anstrengenden Saison schnell in den Urlaub, aber eine Weltmeisterschaft ist auch nur alle vier Jahre ... "N'Abend allerseits" passt, denn so behäbig wie Faßbenders Kommentare war die Spielweise der Mannschaft, und ich hoffe, dass ich den guten Heribert mit diesem Vergleich nicht zu sehr beleidige.

Ich wollte danach zum Fan-Fest, aber nach dem Vier-Kilometer-Marsch sprang in der Sicherheitskontrolle mein Rechner, den ich die ganze Zeit mitgeschleppt hatte, damit ich jetzt auf dem Fan-Fest in Ruhe den Blog schreiben kann, nicht an. Weil die Vollidioten (Entschuldigung) in der Sicherheitskontrolle dort aber strenger kontrollieren als am Stadion oder sonstwo in diesem Land und wahrscheinlich meinten, dass da Sprengstoff drin ist, hätte ich das Gerät in der Gepäckaufbewahrung abgeben sollen. Ich stieß sämtliche deutschsprachigen Verwünschungen aus, die ich kannte (in der Hoffnung, dass sie mich nicht verstehen), kaufte mir was zu trinken für die Nacht und marschierte zur U-Bahn. Auch dort legte ich mein Gepäck in das Röntgengerät, ging durch die Schleuse, piepte, aber es war mir egal, ich stampfte da so wie eine wildgewordene Ein-Mann-Horde durch den Sicherheitsbereich, dass sich kein Russe traute, mich aufzuhalten ...

Ich fuhr zwei Stationen ins Stadtzentrum und landete wieder in der "Bar Duck" ... Die Bedienung von vorgestern erkannte mich, organisierte mir gleich einen Stuhl an der Theke (ich war ja jetzt inzwischen fast Stammkunde ...), und ich konnte das Spiel Brasilien-Serbien gucken. Ich bestellte ein Filet Mignon, und auch wenn es hinsichtlich Größe und Fleischtextur nicht ganz an die Germania oder ans Sherry heranreichte, war das Preis-Leistungs-Verhältnis ganz hervorragend, denn das 200-Gramm-Steak kostete (zugegebenermaßen war die Beilage mit zwei Champignonvierteln und einer - allerdings ganz überragenden - grünen Knoblauchsauce nicht so riesig) gerade einmal acht Euro oder so ... (Wie ich das jetzt so, am Morgen des 28. Juni, so schreibe, läuft mir das Wasser schon wieder dermaßen im Mund zusammen, dass ich mir überlege, ob ich da gleich zu Mittag esse.)

Nach dem Genuss (?) von drei Bieren (und keinem Wodka, es hat sich einfach nicht ergeben, obwohl ich genug über das Spiel nachgrübelte ...) ließ ich mir wieder ein Uber kommen und fuhr das letzte Mal in meine Unterkunft.

Achja, um das Ganze völlig nichtlinear abzuschließen: Meine Syrerin fragte mich gestern unterwegs, ob es ein Land gäbe, in das ich so richtig gerne und (relativ) häufig fahren würde. Ich schickte vorweg, dass ihr meine Antwort nicht gefallen werde, denn sie lautete "Israel". Sie murmelte was von "I would use a different name" ("Ich würde einen anderen Namen verwenden."), aber dann wechselten wir das Thema ...

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Bericht vom 28. Juni (Teil 1)

Heute Morgen schlief ich aus, hatte irgendwie ein Käterchen, was aber nicht am Alkohol lag, sondern an dem albtraumhaften Abend, der leider kein Albtraum war, und packte meine sieben Sachen ... Ich checkte bei einem älteren Herrn aus, der pflichtschuldig untersuchte, ob ich etwas von dem Geschirr kaputtgemacht hätte (nein!), und lief dann, den Koffer neben mir herziehend, wieder die 800 Meter zum Bahnhof, weil ich mir kein Uber bestellen konnte, da die Buchung des Internet-Pakets zwar geklappt hatte, aber kein Internet da war ... Da kriegt O2 noch eine kurze E-Mail, dass sie mir sicher gerne die zweimal 1,99 Euro zurückerstatten. Naja ...

Ich überquerte letztmals auf dieser Reise unter Gefährdung meines Lebens (nein, keine Sorge, die Strecke ist so kerzengerade und da fahren keine Hochgeschwindigkeitszüge, da sieht man einen Zug von weiter Ferne ...) das eine Gleis und wartete auf den Zug, der wieder pünktlich kam. Die Zugfahrt war natürlich kein Problem, und ich bin - wie eben angekündigt - wieder in der Bar Duck gelandet; die kommt, glaube ich, auf meine Empfehlungsliste ...

Jetzt geht gerade auch endlich das Internet, sodass ich Masochist nicht nur das Deutschland-Spiel von gestern gucken muss, was sie zur Strafe nochmal zeigen ...

Fotos wollen immer noch nicht - die Lawine kommt bald ...

Dienstag, 26. Juni 2018

Ein verlorener Tag

... schien es zu werden - ich kam nicht so richtig aus dem Bett, dann war die Spülung an der Toilette defekt, was ich dem Vater (oder wer auch immer das war) der gestrigen Deutsch-Studentin mit Google auf Russisch zu verklickern vermochte. Der Vater kam, kam wieder mit richtigem Werkzeug, bastelte an meiner Spülung herum und - siehe da - danach funktionierte sie. Super! Während er herumhantierte, ging ich die paar Schritt hinunter zur Wolga, wurde dort von einem freundlichen Hund, der gestern schon durch die Anlage spaziert war, begrüßt und schaute also auf den längsten Fluss Europas. Man glaubt es kaum, zumal es ein Ausläufer war, der da so träge an mir vorbeifloss, aber obwohl der Untergrund sehr sandig war und auf der Wasseroberfläche nur ein paar Pollen lagen, verkniff ich es mir, ins Wasser zu waten ... Ein Steg oder so wäre mir lieber gewesen, aber man kann nicht alles haben.

Irgendwann wollte ich dann doch in die Stadt, denn um 16 Uhr war ich mit meiner Syrerin verabredet, und außerdem hatte ich Durst, weil ich Illigenzbestie gestern Abend nichts mehr zu trinken geholt hatte, also machte ich mich auf zu meinem Vorortbahnhöfle. Ich hatte den letzten Morgenzug um zwanzig Minuten verpasst, und der nächste ging erst zwei Stunden später. Mist ...

Nach einer halben Stunde Wartezeit entschied ich mich, in den sauren Apfel zu beißen und das Online-Paket (6 MB für 1,99 Euro, Wucherpreise von O2) zu kaufen, damit ich mir ein Uber buchen konnte. Ich kam online, bekam etliche WhatsApps, die ich gerade nicht gebrauchten konnte, und war gerade dabei, mir mein Uber zu bestätigen, als die 6 Megabyte schon wieder aufgebraucht waren - Pustekuchen ... Ich buchte nochmal, jetzt ging das Internet nicht, und also wartete ich dann doch auf den Bus, der um 13.15 Uhr fahren sollte - willkommen in Russland (ja, ich weiß, ich hätte mir in den letzten Tagen auch eine russische SIM-Karte besorgen können, aber bisher ging das alles ja ganz gut, wer kann denn ahnen, dass die Züge hier so unregelmäßig fahren? Wie, Fahrplan abfotografieren? Man kann doch nicht ernsthaft erwarten, dass ich auf Anhieb auf so kluge Ideen komme!)

Nun saß ich da also zwei Stunden am Bahnsteig herum, stieg unterwegs fast mal in einen Zug ein, obwohl auf dem nicht "Kasan" stand, fragte dann, ob das der richtige sei, mir wurde gesagt - wenn ich das richtig verstand -, dass der nicht nach Kasan fährt, also sprang ich wieder raus und war eine Minute fast sicher, dass der über den Nordbahnhof von Kasan gefahren wäre, argh ... Zwischendurch fuhren ständig Güterzüge an mir vorbei (und machten ein bisschen Wind, seeeeehr angenehm), joa, das war heute mal wieder ein Beobachtungstag, wie das Leben (und heute halt mal das Eisenbahnleben) in einem fremden Land so spielt ...

Ich erkundete noch eine Stunde den Kasaner Kreml, besichtigte die Moschee von innen, die einen (auch so ausgeschilderten) "Balkon für Touristen" hat - sehr beeindruckend ... Danach fuhr ich mit der U-Bahn eine Station, aber erst, nachdem ich ein paar U-Bahnen hatte fahren lassen: Da unten war es einfach viel zu schön kühl ...

Um 16 Uhr wollte ich mich mit meiner Syrerin treffen, und ich war unsicher, ob ich sie erkennen würde - die Sorge war unberechtigt: Ich sah sie, sie sah mich und wir erkannte uns auf Anhieb. Ihr Mann ist ein wenig zurückhaltender, aber spricht auch ein bisschen Englisch, und ihre kleine Tochter ist zuckersüß, zumal sie nach einiger Zeit dann auch Zutrauen zu mir fand ...

Wir aßen tatarisch zu Abend (ich lecker Pferdebraten ...) und tranken ein Bierchen, ehe wir am Kreml vorbei zum Fan-Fest liefen. Vom Fan-Fest hat man einen tollen Ausblick auf den Kreml und die Wolga, und die Stimmung ist auch nicht schlecht.

Wir haben uns beide so sehr gefreut, uns mal wieder zu sehen, das war ein fantastischer Abend, auch wenn und gerade weil er schwer in Worte zu fassen ist, zumal wir uns schnell wieder so vertraut (und noch vertrauter) waren wie in Syrien und in den Jahren danach, als wir mal probiert hatten, dass sie nach Deutschland kommen kann, was damals nicht geklappt hatte.

Die drei sind jetzt mit dem Bus gefahren, ich schaue noch das Argentinien-Spiel zu Ende und fahre dann wieder heim - morgen ist der große Tag ... Aber auch heute war keineswegs ein verlorener Tag, im Gegenteil!

Nachschlag zu gestern: Ich saß da also in der Kneipe und hatte mir dreierlei Wurst bestellt, als die Bedienung mir eröffnete, dass der Tisch ab 21 Uhr, also ab Anpfiff des Spiels, besetzt sei ... Argh. Kurz vor Anpfiff und nachdem ich lecker Fleisch gegessen hatte, setzte ich mich dann an die Bar. Zunächst schauten wir Iran-Portugal, ab der zweiten Halbzeit dann Marokko-Spanien, und ich kam mit dem Russen neben mir ins Gespräch, der ziemlich gut Englisch sprach. Er wünschte sich eher Portugal als Achtelfinalgegener, und das sah ja bis in die Nachspielzeit ganz gut aus ... Nach dem Spiel war er traurig und ging relativ schnell ab, das wäre jetzt hier der Erste gewesen, mit dem ich mir hätte vorstellen können, einen Wodka zu trinken ... Naja, wird schon noch werden.

Als mein Russe rauchen war, kam einer der geschätzt hundert Millionen Kolumbianer in Kasan an die Theke und bestellte ein Bier, sodass ich - für mich am überraschendsten - kohärent eine spanischsprachige Frage komponierte und sie ihm schließlich stellte: wieso zum Henker (das sagte ich nicht!) denn so viele Kolumbianer hier sind? Ein Blick auf den Spielplan hätte als Antwort genügt, denn Kolumbien hatte vorgestern hier gespielt und die Kolumbianer nutzten also noch den Tag hier, um sich von ihrem Spiel zu erholen ...

Zunächst ging es dann wieder Uber, und diesmal fuhr eine Frau. In Anbetracht der Tatsache, dass Kasan gerade für Frauen nachts nicht die allersicherste Gegend sein soll, fand ich das ziemlich beeindruckend, dass sie sich da abends in Gewühl stürzt. Heimgekommen bin ich natürlich unbeschadet ...

Fotos später, ich muss gerade schnell schreiben, weil der Akku gleich alle ist ...

Montag, 25. Juni 2018

Schnarchend

... saß ich in der Kneipe gestern Nachmittag hoffentlich nicht, aber viel gefehlt hat nicht - ich war hundekaputt ... obwohl, ne, so kaputt ist kein Hund. Solche Nachtflüge mit anschließendem Durchmachen sind in meinem Alter einfach nichts mehr ...

Ich aß jedenfalls ein sehr leckeres Schweinesteak, trank zwei Bier und Cola und Fanta und brach dann nach dem ersten Spiel (England-Panama) auf. Den Zustand meiner Übermüdung kann man damit erkennen, dass ich mit den sehr sympathischen Panameños fast mitgeflennt hätte, als die ihr erstes WM-Tor geschossen haben.

Ich fuhr also eine Station U-Bahn, kaufte mir noch Zahnpasta und Wasser (Zahnpasta hatte ich schon in Israel vergessen, aber diesmal kann mir halt keiner aushelfen ...) und ging dann in die Bude. Ich wollte eigentlich nur das zweite Spiel gucken und dabei einschlafen, aber irgendso ein Depp (ich war's sicher nicht, sicher, ganz sicher ...) hatte den Fernseher verstellt, sodass der "Login" und "Parol" (Passwort) haben wollte. Die Vermieterin und ihr Sohn hantierten zwei Stunden an dem Gerät herum, ohne Erfolg, und während sie daran herumhantierten, musste ich drüben im anderen Zimmer fernsehen (ich wollte sie nicht aus meinem Zimmer werfen ...).

Nach Abpfiff des zweiten Spiels waren sie klammheimlich verschwunden und ich konnte endlich ins Bett - zehn Stunden später wachte ich heute Morgen auf ...

Ich machte einen ganz gemütlichen Morgen, verabschiedete mich, bestellte mir mein Uber und war zwei Minuten später auf dem Weg zum Flughafen ... Wir fuhren fast eine Stunde, ich zahlte umgerechnet knapp zehn Euro - so kann man auch mal Taxi fahren ...

Joa, der Check-in war erträglich schnell, ich suchte meine Lounge auf, aß Plov und viele leckere Teilchen und trank Cola und Wasser, ehe ich mich zum Gate begab. Der Flieger war voll, etliche Deutsche, einige Koreaner und gefühlt mehr Amis als alles andere. Auch der Typ mit "Germany"-Hemd neben mir sprach kein Deutsch, sondern Englisch. Der Flug war schnell vorbei, es gab sogar leckere Plätzchen mit Nutella-Füllung.

Mein Gepäck kam schnell, mein zweiter Versuch, während dieser Reise bei Uber zu buchen, schien wegen der abbrechenden Internetverbindung schiefgegangen zu sein, sodass ich zum nochmaligen Buchen ins Terminal zurückging (wieder durch diese beknackte Eingangskontrolle). Dort konnte ich dann ins Internet und stellte fest, dass mein Fahrer doch schon auf mich wartete. Also schnell wieder raus, Auto gefunden und auf ging's durch Kasan.

Wir fuhren diesmal wirklich eine Stunde, am Kasaner Kreml und an der Wolga vorbei und kamen unterwegs auch an einer von außen fantastisch anzusehenden Kirche vorbei, irgendwo in einem Vorort ... Irgendwo in einem Vorort liegt auch mein - Google übersetzte das in meines Fahrers ungläubiger Nachfrage so - "Erholungsheim". Die Rezeptionistin sprach ein Gemisch aus Englisch und Deutsch, sodass wir uns sehr gut verständigen konnten. Leider hatte ich zu spät daran gedacht, dass ich hier bar bezahlen muss, sodass ich zu wenig Bargeld dabei hatte - nun, ich wollte heute Abend sowieso noch nach Kasan, da fahre ich jetzt halt gleich in die Stadt (mit dem Zug, weil ich mangels Internet kein Uber buchen kann - der Knaller kommt gleich noch ...), hole Geld, schaue Spanien und Portugal, esse irgendwo in der Stadt und fahre dann mit Uber wieder zurück (in den Kneipen in der Stadt gibt es bestimmt Internet) ...

Also, Internet gibt es hier in meinem Zimmer nicht, dafür aber eine ... Sauna! Ich habe eine eigene Sauna in meinem Zimmer, in die gefühlt acht Mann reinpassen, daneben ist die Dusche und die Toilette, und einen Kühlschrank habe ich auch. Passt also alles, außer dem fehlenden Internet, aber vielleicht mache ich morgen oder so einen Erholungstag hier, denn es gibt hier einen Zugang zur Wolga. Emol luege, wie man in Norddeutschland sagt ...

Die Kommunikation klappt aber auch dann ganz gut hier, wenn man nicht zufällig an eine Deutsch-Studentin gerät, denn Google Translate ist hier weit verbreitet - der Russe spricht in sein Handy, und das Handy spricht Deutsch mit mir. Theoretisch wusste ich ja, dass das geht, aber praktisch habe ich es jetzt hier zum ersten Mal gesehen, und ich hatte nicht den Eindruck, dass meine Vermieterin gestern und mein Fahrer hier in Kasan heute das zum ersten Mal gemacht haben ...

Insgesamt kann man sich in Russland durchaus wohl fühlen, Essen und Trinken ist kein Problem, die Russen lächeln immer noch nicht viel mehr als man das den Sowjets nachgesagt hat, aber wenigstens bedankt sich der Sicherheitsmensch, wenn er deine Tasche in der U-Bahn mit dem Pieper abtasten darf, und das Metrofahren in Moskau ist völlig problemlos, auch wenn die Ziel-Stationen nur in der Bahn und nicht in der Station selbst fläckendeckend in lateinischen Buchstaben angeschrieben sind. Aber erfahrungsgemäß kommt man doch meistens dort an, wo man hinwill, und im Zweifel fährt man noch eine Extrarunde ...

Ich schreibe das hier jetzt in meiner Unterkunft vor, während Russland 0:2 gegen Uruguay hinten liegt und hoffe, dass ich das gleich irgendwo in der Stadt hochladen kann. Wird schon werden. (Wird jetzt, sitze in einer schönen Kneipe, nachdem ich einen Rundgang durch die Fußgängerzone gemacht habe: Hier ist die Hölle los, Kolumbien muss leer sein, die sind alle in Kasan, aber ein paar Deutsche habe ich auch gesehen ... Die Zugfahrt hierher in die Stadt war lächerlich günstig: 22 Rubel oder umgerechnet ca. 30 Cent. Trotzdem fahre ich nachher wieder mit Uber zurück, kostet auch nur fünf Euro oder so ...)

Die nächsten Tage also vielleicht ein bisschen weniger intensive Blogeinträge, aber spätestens am Donnerstag, wenn ich zurück nach Moskau fliege, wird das wieder besser werden ...


Moskau: Abendrot von meinem Balkon aus

Schnappschuss aus dem Auto: Kasaner Kreml (wird noch erkundet)

Fußball-Fans vor historischen Gebäuden

Sonntag, 24. Juni 2018

Roter Platz zu, Hotel weg

So lassen sich die ersten Stunden in Moskau beschreiben, aber keine Sorge, der Rote Platz wurde um halb neun entsperrt, und das Ho(s)tel habe ich dank der Hilfe der Rezeptionistin eines anderen Hotels (!) auch gefunden ... Alles ein bisschen kompliziert hier in Russland, aber eigentlich auch wieder nicht.

Wir waren tatsächlich ein bisschen verspätet weggekommen, sodass ich das 1:0 der Schweden noch gesehen habe, ehe ich das Boarding wirklich nicht mehr herauszögern konnte und den Flieger besteigen muss. Wir rollten ewig zur Startbahn West, sodass ich, öhm, von irgendsoeinem Volltrottel, der das Handy aus dem Flugmodus wieder in den Empfangsmodus gestellt hat, während wir rollten, wusste (höhö), dass die Deutschen ausgeglichen hatten.

Ich hatte ja eigentlich vor, das Flugzeug-WLAN zu nutzen, und meine Jenaer Damen angestiftet, mir einen Liveticker über WhatsApp zu schreiben, aber das WLAN war aus irgendeinem Grund ausgefallen. Trotzdem oder gerade deswegen trank ich ein Siegbier und konnte kaum abwarten, dass ich mich in Belgrad ins WLAN einwählen konnte. Ich muss mich durch Dutzende WhatsApp-Nachrichten arbeiten, ehe ich das erfolgreiche Ende des gestrigen Abends bejubeln durfte - jetzt geht es in Kasan wenigstens noch um richtig was, das wird schööööhöööön ...

Beim Boarding musste ich noch zum Transferdesk, weil die meine Fan-ID überprüfen zu müssen glaubten, aber das ging auch einigermaßen fix, selbst als ich von Pontius zu Pilatus geschickt wurde ...

Im Flieger von Belgrad nach Moskau hatte ich zwei serbische Süffel neben mir, die ihre Flaschen Jack Daniels leermachten, bis sie von der Stewardess zusammengeschissen wurden ("it's strictly forbidden"). Danach pennten sie, und ich endlich auch, bis ich vom Aufschlag in Moskau-Scheremetjewo aufgeweckt wurde ...

Die Einreise ging - mit der Fan-ID - sehr fix, mein Gepäckstück war das erste, das rauskam, der Zoll war lieb, und dann stand ich in der Ankunftshalle. Ich holte mir Geld, aber es war gerade 5 Uhr, was sollte ich tun - mein Hostel würde mir was erzählen, wenn ich da um 6 Uhr aufschlüge, also entschied ich mich gegen Uber um diese Zeit. Schließlich fuhr ich dann doch mit dem Schnellzug in die Stadt, weil am Endbahnhof des Aeroexpress, am weißrussischen Bahnhof, eine Gepäckaufbewahrung war. Zwischendurch wurde ich unsicher, ob ich überhaupt für die Fahrt hätte zahlen müssen, weil da viele Hinweise auf "free ride" mit der Fan-ID waren, aber das gilt nur am Spieltag, wenn man eine Karte für ebendieses Spiel in Moskau hat. Also hatte ich alles richtig gemacht.

Das WLAN im Flughafen war ebenso tadellos wie das WLAN im Schnellzug (und das WLAN in der Metro und in der Innenstadt), und am weißrussischen Bahnhof gab ich - nach ein bisschen Suchen - mein Gepäck in die Aufbewahrung. Erst wollte der Schlingel mir zwei Gepäckstücke abrechnen, ich sagte ihm aber, ich will nur eines haben, also ging er von 500 auf 300 Rubel runter. Auf den Schildern stand aber 250 Rubel und nach einigem Hin und Her gab er mir auch die letzten 50 Rubel zurück. Ich bin zwar Ausländer, aber nicht komplett bescheuert, Jüngelchen!

Deutlich erleichtert (naja, jedenfalls um das Gepäck) fuhr ich zur Station Tetralnaja und entstieg der Metro. Der erste Blick war schon hübsch, mit einem Kirchlein, aber ich ging um den Bau herum und erhaschte die ersten Blicke auf den Roten Platz und den Kreml. Da standen aber überall Absperrgitter davor und grimmig dreinschauende Menschen dahinter, sodass ich erstmal um den Kreml herumlatschte, vorbei am Kriegsdenkmal, vorbei an den Soldaten, die gerade - unter Abspielen der Hymne - die russische Flagge aufzogen, setzte mich in einem kleinen Park mal kurz hin, stolperte weiter, ging an der Moskwa entlang und ging dann über die Straße hin zur Basilius-Kathedrale.

Es sind immer diese Momente der Übermüdung, wenn alles von einem abfällt und man einfach nur glücklich ist, die sehr schön sind, und einen solchen Moment hatte ich heute, als ich da vor der Kathedrale - das ist so ein ikonisches Bild von Moskau, und jetzt war ich da ... sehr, sehr cool.

Ich kam immer noch nicht über den Roten Platz, ging also durch den Block, den das Kaufhaus Gum einnimmt (das Gum war noch zu, es war kurz vor neun Uhr, es öffnet um zehn Uhr) und suchte mir dann - mein Handy-Akku gab so langsam den Geist auf - meine Frühstückskneipe.

Halleluja, das "Dr. Schiwago" ist sehr ..., ähm, interessant: Es macht einen sehr gehobenen Eindruck, aber manche Stuhlpolster sind knallrot, die Bedienungen tragen so gräuliche Dienstmädchenuniformen, aber lecker war's und meine Cola und meinen russischen Gummibärensaft bekam ich auch ... Das Essen bestand aus drei mit Fleisch gefüllten Pfannkuchen, und das mit Blick auf den Kreml, das kostet halt ein bisschen Geld, aber es war durchaus bezahlbar ...

Mein Handy hatte endgültig den Geist aufgegeben, als ich das "Dr. Schiwago" verließ und jetzt erstmals den Roten Platz betreten konnte. Ich stand vor dem Lenin-Mausoleum, fand die Schlange erst beim Abgang (die war mir zu lang) und staunte ansonsten über dieses fantastische (und durchaus ein bisschen zusammengewürfelte) Ensemble rund um diesen wunderbaren Platz herum.

Ich fuhr wieder mit der Metro zum weißrussischen Bahnhof, löste mein Gepäck aus, versuchte, mit dem Rechner mein Handy zu landen (schlug fehl ...) und guckte dann, dass ich noch eine Station mit der U-Bahn fuhr und mein Hotel fand.

Die U-Bahn-Fahrt ging gut, ich fand auch den Ort, wo mein Hotel sein sollte, aber da war nichts zu sehen. Ich ging vor und zurück, wanderte durch Hinterhöfe (mit eigenem Spielplatz), aber wusste mir ob meines Misserfolgs bei der Suche nicht anders zu helfen, als in einem (anderen) Hotel zu fragen. Meine Buchungsbestätigung mit Telefonnummer war auf meinem Handy, selbiges war tot, sodass die arme Rezeptionistin selbständig die Telefonnummer heraussuchen musste und dann dort anrief. Sie war erfolgreich und sagte mir, dass ich abgeholt würde.

Freunde, wenn ihr ein Ho(s)tel aufmacht, dann hängt doch bitte wenigstens ein Schild dran, dass man eine Chance hat, euch zu finden. Unglaublich ...

Nun denn, mein Zimmer ist okay, es hat einen abenteuerlichen Balkon, aber dafür kein eigenes Bad (obwohl ich die Buchung meines Erachtens so interpretieren durfte), aber für eine Nacht überlebe ich das und nutzte auch gleich die Chance zu duschen, denn ich war in der Tat stinkend durch Moskau gewandert.

Danach war ich deutlich erfrischter und gehe jetzt - ich habe für heute genug Sightseeing betrieben und habe ja auch noch zwei volle Tage hier - in eine Kneipe zum Fußballgucken. Dazu fahre ich nochmal U-Bahn (das kostet jedes Mal so 80 Cent, ist also für die Ex-UdSSR nicht ganz billig, aber für Deutsche immer noch sehr günstig) und hoffe, dann einen Platz zu kriegen. Wird schon schiefgehen, zum Fan Fest fahre ich nur, wenn es unbedingt nötig ist ...

Morgen geht mein Flieger um 14.05 Uhr nach Kasan, da fahre ich um 10.30 Uhr oder so diesmal wirklich mit einem Uber-Taxi zum Flughafen Wnukowo.

Erste Bilder aus Moskau - der Rote Platz wird am Freitag oder so nochmal ausgiebig erkundet:

So'n Turm am Kreml

Kreml und Basilius-Kathedrale

Links und rechts: Kaufhaus Gum

Samstag, 23. Juni 2018

Abschied gefeiert

... habe ich vorgestern mit den Kollegen bei Tannenzäpfle und Knabberzeugs, gestern mit einigen Ex-Kolleginnen (und einem Kollegen) und heute Mittag mit Christina im Sherry, schön war's, aber irgendwie ist wegen der bevorstehenden Russland-WM-Reise der Aufenthalt in Budapest unmittelbar danach gefühlt noch so weit weg. Da wird die ganz große Aufregung wahrscheinlich kommen, wenn ich auf dem Heimweg aus Russland bin.

Nun, bei der Abschiedsrunde gestern im Büro wurde mir dann zwar bewusst, dass ich erst am 20. September wieder regulär in Wiesbaden im Büro bin, aber ich denke, dass ich vorher noch ein- oder zweimal bei den Kollegen vorbeischauen werde.

Jetzt sitze ich am Terminal 2 und gucke Fußball, werde dann - für meine Verhältnisse - kurz vor knapp (eineinhalb Stunden vor Abflug) einchecken und mich danach wieder auf die Rennstrecke nach Belgrad begeben, die ich in dieser Richtung und mit dieser Fluggesellschaft (Air Serbia) jetzt zum dritten Mal in weniger als vier Monaten fliege. Sehr clever angestellt habe ich mich mal wieder bei der Buchung, denn ich fliege ausgerechnet während des Deutschland-Spiels, aber ich habe mir schon einen WhatsApp-Liveticker mit zwei Studienkolleginnen organisiert, den ich über das Air-Serbia-WLAN dann hoffentlich empfangen kann ... (Und ich hatte mich schon gefragt, wieso dieser Flug so relativ günstig ist ...)

Um 4.35 Uhr morgen komme ich dann - wahrscheinlich wieder halbtot, stinkend und meine Kinderbrille auf der Nase tragend - in Moskau an und schaue dann, wie ich mich zu meinem Hotel durchschlage. Wird schon schiefgehen. Um 12 Uhr will ich auf dem Roten Platz stehen, ohne dass das eine besondere Bewandnis mit der Uhrzeit hätte.

Die Syrerin, die ich in Kasan treffen werde, hat mir eben noch eine ganz tolle App empfohlen, mit der ich in Russland keine Verhandlungen mit Taxifahrern führen muss: Als sie "Uber" schrieb, musste ich dann doch ein bisschen grinsen ...

Achja, und heute Morgen habe ich nach dem Besuch beim Friseur noch eine Verrücktheit gemacht (zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben, höhö): Ich habe mir ein Deutschland-Trikot gekauft, und weil ein bisschen Hoffnung für das Spiel heute Abend und am Mittwoch nötig ist, wurde es das (grüne) Auswärtstrikot. Wird schon schiefgehen ...

Der nächste Blogeintrag dann aus Russland, das wird spannend ...

Mittwoch, 20. Juni 2018

Fotos aus Israel, Palästina und Serbien

Jaffa von Tel Aviv aus

Coole Konstruktion in Jaffa

Das Tote Meer
Begrüßung des Sabbat
  

In der Altstadt von Jerusalem

Bahái-Tempel in Haifa

Verkündungskirche, Nazareth

Verkündungskirche

See Genezareth



Von der Grabeskirche ...

... nochmal Grabeskirche in die ...

Geburtskirche in Bethlehem mit ...

... der Geburtsstätte Jesu

Downtown Jerusalem

Festung in Belgrad

Save und Donau

Festungsmauern
Die Fotos stehen hier mit freundlicher Genehmigung von Christian - die beiden haben mir ein sehr hübsches Fotobuch geschenkt (das machen die beiden bei ihren Reisen offenbar immer so), vielen Dank auch an dieser Stelle noch einmal!

Freitag, 15. Juni 2018

Ceterum censeo

Zarte 14 Lenze hatte ich auf dem Buckel (naja, versicherungsmathematisch waren es schon 15), als ich das letzte Mal in Tunesien war, damals auf der Insel Djerba. Die Autoausfahrt zur legendären Fata Morgana brach meine Mutter ab, weil meine beiden Neffen und ich uns nur hinten im Auto herumfläzten, während sie uns durch die Pampa fuhr - da hatte sie dann irgendwann keine Lust mehr drauf.

Nun saßen meine Mutter und ich gestern in einer der drei Lokalitäten, an denen ich normalerweise Reisen buchen (im Büro, höhö, in meiner Wohnung oder im Sherry & Port), tranken ein Bierchen und buchten unsere diesjährige Weihnachtsreise - es geht am 22. Dezember mit der Alitalia über Rom nach Tunis und am 26. Dezember zurück.

Wir hatten Tunis, Beirut, Tiflis, Tel Aviv und Kairo in der Verlosung, und weil Tunis neben Beirut die Stadt ist, in der ich noch nicht war, haben wir uns für Tunis entschieden. Der Barkeeper erklärte uns zum wiederholten Male für verrückt, aber ich freue mich sehr auf Karthago ("ceterum censeo Carthaginem esse delendam", sprach der Lateiner und meinte, dass Karthago zerstört werde müsse, was die Römer dann ziemlich gründlich taten ...), und in Tunis selbst wird man sich sicher auch das eine oder andere ansehen können.

Seit 2010 waren wir an Weihnachten nicht mehr daheim, und nach Vilnius, Zypern, Brüssel, St. Malo, Algier, Marseille, Belfast und Sarajevo wird nun eben zum zweiten Mal eine nordafrikanische Großstadt von uns zu Heilig Abend beglückt. Das wird schön ...

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Bilder aus Israel hängen noch ein bisschen, weil ich die 7 Gigabyte große gepackte Datei nicht aufkriege mit meinen bescheidenen technischen Mitteln. Christian wird mir in den nächsten Tagen wahrscheinlich einen USB-Stick mitbringen, da sollte sogar ich das hinbekommen ...

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In acht Tagen bin ich schon fast am Flughafen, denn am nächsten Samstag um 20.20 Uhr geht mein Flieger nach Belgrad, wo ich dann in meinen Flieger nach Moskau umsteigen werde. Das wird auch schön ...

Dienstag, 12. Juni 2018

Blitzeinschlag bei der Betankung

... wäre, glaube ich, kein guter Abschluss einer Urlaubsreise, und das sah offenbar auch Air Serbia so. Weil das für uns vorgesehene Flugzeug an seinem vorherigen Abflugsort angeblich wegen eines Gewitters nicht betankt werden konnte, hatten wir gut zwei Stunden Verspätung und kamen dementsprechend erst gut zwei Stunden später als geplant, gegen 21.30 Uhr, in Frankfurt an.

Die Gepäckausgabe dauerte ewig, aber dann kamen unsere Gepäckstücke ziemlich zügig, sodass ich - nach einer kurzen Verabschiedung - noch die S-Bahn nach Wiesbaden schaffte. Um 23 Uhr war ich zu Hause und einige Zeit danach im Bettchen.

Schön war's in Tel Aviv, am Toten Meer, in Jerusalem, in Haifa, in Nazareth, am See Genezareth, in Bethlehem und schließlich in Belgrad, interessant war es in Israel und Palästina und Serbien, lecker das Essen, gut (und zahlreich ...) die Biere ...

In elf Tagen geht es schon wieder weiter, der Juni hat es ein bisschen in sich, denn am 23. Juni fliege ich abends mal wieder nach Belgrad und vor dort weiter nach Moskau - ich bin schon wieder sehr gespannt.

Montag, 11. Juni 2018

Total aberwitzig

... war ich heute unterwegs, jedenfalls war die Einsteigetante am Flughafen in Tel Aviv dieser Ansicht.

Nach diesem Kaltstart fangen wir dort an, wo man eine schön linear strukturierte Erzählung anfangen sollte: nämlich in der Mitte. Wir sitzen gerade in Belgrad am Flughafen und warten auf das Boarding unseres Fluges nach Frankfurt.

Wir waren gestern doch einigermaßen zeitig im Bett, sodass ich doch zu vier oder fünf Stunden Schlaf kam. Der Wecker um 1.45 Uhr war trotzdem nicht das, was ich mir unter einem entspannten Morgen vorstelle. Sei's drum, wir waren um 2.30 Uhr fertig, setzten uns ins Auto und fuhren in Richtung Flughafen.

Die Fahrt war ereignislos, außer dass der ein oder andere Wagen mit Warnblinklicht auf den Strandstreifen zwischen Autobahn und Ausfahrt stand und keiner wusste, was der da will. Wir tankten noch (mit einigen Schwierigkeiten aufgrund der ausschließlich hebräischen Beschriftung) voll und gaben dann das Auto ab. Um 3.45 Uhr waren wir im Abflugbereich und damit ein bisschen früh dran - sorry ...

Nach dem letzten Raucherausflug stellten wir uns in die Schlange zur Sicherheitsbefragung. Die Sicherheitsfachtante dort gehört gefeuert, denn sie schätzte ausgerechnet Christian, der eine Stunde später einem armen, unschuldigen Mann, der ihm den Stuhl ins Kreuz gerammt hatte, aber ganz ordentlich die Meinung geigte, die harmlose Sicherheitskontrolle, während Jessi darunter leiden musste, dass die Dame sie offenbar für meine Freundin hielt und sie daher meine Sonderbehandlung auch mitbekam.

Am Ende war das Schlimmste an der Sonderbehandlung, die heute auf Sprengstoffe ausgerichtet war (nicht mal dort musste man übrigens Schuhe ausziehen), dass Christian uns danach den ganzen Tag lang mit der Erwähnung seiner vermeintlichen Harmlosigkeit beglückte. Dass er aufgrund seines fast biblischen Alters einfach nicht mehr in die Terroristenzielgruppe fiel, mochte er doch nicht so recht glauben ...

Am Gate ging alles nicht ganz so megazügig, aber da stand eine Maschine rum, mit der man an manchen Flughäfen (wenn sie nicht gesperrt ist), selbst die Bordkarte auf den Kartenleser legt und dann durchgeht. Das machte ich also dort, was für die israelische Check-in-Tante wohl der absurdeste Gedanke war, den man auf diesem Planeten haben kann: Da könne ja jeder kommen und sich selbst boarden - ja, junge Dame, genau für so etwas steht so ein Gerät doch da ...

(Und wenn sie es aus Sicherheitsgründen, etwa weil sie Namen auf dem Reisepass mit dem Namen auf der Bordkarte abgleichen will - was sie aber nicht tat! -, möchte, dass man bei ihr boardet, dann muss sie das Gerät halt ausschalten, denn so war das ""Missverständnis" ihr Fehler und nicht meiner ...)

Der Flug war dann ziemlich ereignislos (soweit ich davon etwas mitbekam, denn ich hatte gefühlt zwei Drittel der Zeit die Augen zu), und quasi pünktlich kamen wir auch noch an. Die Einreise ging sehr schnell, aber den Bus in die Stadt hatten wir trotzdem verpasst, sodass wir in Ruhe mit Getränkekaufen und Rauchen und Erzählen die Zeit verbummelten, bis der Bus kam.

Wir fuhren mit dem Bummelbus also durch die Vororte von Belgrad und stiegen kurz hinter der Brücke über die Save aus. Ein kurzer Fußmarsch vorbei an der österreichischen Botschaft folgte, und dann betraten wir den Kalegmedan-Park. Wir umrundeten die Festung, machten Fotos vom Zusammenfluss von Save und Donau, schauten uns ein paar Festungstore an und kamen dann in der Manufaktura zum Sitzen.

Das Essen war sehr lecker und - gerade nach den israelischen Preisen - sehr, sehr bezahlbar: Es wurde ein Mixed Grill für zwei Personen und ein Karadjordje-Steak (eine Art Cordon Bleu) verdrückt, dazu wurde Bier konsumiert. Den Abschluss des Mittagessens bildete ein Eis, gefolgt von einem Spaziergang zur Bushaltestelle.

Bus 72 kam pünktlich, und wir waren viel zu früh wieder am Flughafen. Ob wir jetzt drinnen oder draußen saßen, war uns egal, also reisten wir aus (bekamen diesmal - anders als im März - einen Ausreisestempel) und setzten uns in den Wartebereich.

Gleich geht es zum Boarding und danach fliegen wir - wenig überrachend - heim. Restlicher Bericht dann wahrscheinlich morgen oder so.

Sonntag, 10. Juni 2018

Pech mit dem Tempelberg

... habe ich irgendwie - 2015 war Freitag, da war der Tempelberg zu, weil ich doof war und übersehen hatte, dass das Freitagsgebet am Freitag stattfindet, diesmal war der Tempelberg zu, weil Ramadan ist und meine Informationen, dass während des Ramadans zumindest morgens offen sei, veraltet waren. Da sprechen die Israelis und die Tempelbergverwalter sich doch ab, dass die immer den Tempelberg zumachen, wenn ich im Anmarsch bin! Saftladen, alle miteinander ... Aber okay, ich werde irgendwann (bald?!) noch einmal wiederkommen, und wenn die Muslime dann spontan einen hohen Feiertag erfinden namens

عطلة مؤلف المدونة 

(das heißt laut Google Maps: Feiertag des Autors des Blogs), dann werde ich sauer ...

Nun, ich hatte heute Morgen noch einmal den Plan umgeworfen: Eigentlich wollten wir mit dem Bus vom Hotel in die Altstadt fahren, aber weil das umständlich war, bat ich doch darum, mit dem Auto in das Parkhaus zu fahren, in das wir am Freitag schon erfolglos wollten.

Die Ampeln waren auch heute rot, aber der Einlasswächter ließ uns trotzdem ein, und nun standen wir da im Parkhaus, marschierten die Treppen hoch (Aufzug kaputt) und waren wenige Meter vom Ziontor in die Altstadt entfernt.


Wir gingen zunächst zur Post und bezahlten den Strafzettel, ehe wir erfolglos um Einlass am Tempelberg ersuchten. Zum Trost gingen wir nochmal zur Westmauer, guckten uns die heute aus der Nähe an und gingen dann in Richtung des muslimischen und des christlichen Viertels. Unterwegs machte Christian ein Foto mit Jessi und zwei Soldaten (er wurde - für mich leicht überraschend - nicht sofort erschossen ... Er hatte vorher gefragt, keine Sorge ...), und dann ging es die Via Dolorosa hoch zur Grabeskirche.

Wir umrundeten die Grabeskirche einmal unfreiwillig, kamen dann aber an einen Eingang und hatten Glück, dass wir für den Zutritt zum "Grab Jesu" nicht so ewig lange anstehen mussten (halbe Stunde, maximal, würde ich sagen). Kurz vor uns war ein Gottesdienst gegenüber zu Ende, und der Pope kam aus seiner Kapelle stolziert; daher wurde das Grab kurzzeitig geschlossen, gerade als wir dran waren. Aber nach wenigen Minuten wurde die Grabkammer wieder geöffnet, wir konnten für einige Sekunden rein, ehe der Aufseher an den Ausgang klatschte als Zeichen, dass wir wieder rauskommen sollten, und schon waren wir draußen.

Wir guckten uns eine orthodoxe und eine armenische Kapelle an und verließen dann die Grabeskirche in Richtung Damaskus-Tor. Wir bahnten uns den Weg durch die (großteils muslimischen) Menschenmassen, auch wenn ab und zu ein orthodoxer Jude durchs Bild huschte (was ich trotz der momentan einigermaßen entspannten Gefühlslage nicht unbedingt so erwartet hätte ...).

Am Damaskustor liegt der "arabische Busbahnhof", und dort fanden wir mit ein bisschen Herumfragen (Christian erwies sich da heute als außerordentlich hilfreich, weil der einfach die Leut anquatscht und notfalls am Bus klopft, selbst wenn der schon halb unterwegs ist ...) den Bus nach Bethlehem.

Der Bus fuhr am Checkpoint vorbei nach Beit Jala und ließ uns am unteren Ende des Hügels zur Geburtskirche heraus. Wir wehrten diverse Taxifahrer ab, die uns Touren verkaufen wollten, und erklommen den Hügel. Das Gewirr aus Menschen, Taxis und sonstigen Gefährten war deutlich größer als in Jerusalem, sodass wir drei durchaus den Unterschied zwischen dem israelischen Jerusalem und dem palästinensischen Bethlehem fühlten, spürten und sahen ...

Wir versuchten, unsere Trinkpause zwischendurch möglichst so zu gestalten, dass nur wenige Muslime uns sahen wegen des Ramadans, und erreichten schließlich die Geburtskirche. Die Schlange zur Geburtsgrotte war bewältigbar, aber hochgradig chaotisch, doch wir wussten uns durchzusetzen (Christian: "Jessi, du blockierst jetzt die hinter dir, damit wir da reinkommen.").

Joa, da unten ist halt die Stelle der Geburt Jesu mit einem Stern markiert (das ist die griechisch-orthodoxe "Kirche", und schräg gegenüber ist der Ort der Krippe Jesu (das ist die katholische Kirche), und das alles auf einem Raum, der kleiner ist als meine Toilette in meiner durchaus kleinen Wohnung. Irgendein TÜV-Prüfer dürfte das nicht auf Paniksicherheit überprüfen, die Geburtskirche würde umgehend geschlossen und für immer versiegelt. (Ganz besonders, wenn hinter einem auf einmal zig Menschen anfangen, auf Kommando das Vaterunser oder das Glaubensbekenntnis oder was auch immer zu murmeln, und immer lauter werden, je näher man der Grotte kommt - das fand ich richtig beängstigend ...)

Wir guckten uns noch den Kreuzgang des Franziskaner-Klosters an, brachten die Zählung der Schäfchen des Reiseleiters durcheinander, weil wir mitten in seine Reisegruppe hineinplatzten, und gingen dann die Straße hinunter in Richtung Bushaltestelle.

Unterwegs aßen Jessi und ich noch ein Schawarma und tranken Wasser bzw. Cola und hatten am Fuße des Hügels Glück, dass Christian gerade noch - an der schon geschlossenen Tür klopfend - den Bus für uns aufhielt.

Es ging wieder durch Beit Jala, und dann fuhren wir durch den Checkpoint. Der Bus hielt an, einige stiegen aus (das waren die Palästinenser), die Drittausländer (einschließlich uns) wussten nicht, was zu tun war, und blieben sitzen, während sich die Palästinenser am Bus in Reih und Glied aufstellten. Drei israelische Soldaten kamen rein, beglotzten unsere Pässe, alles gut, danach wurden die Palästinenser einzeln kontrolliert und durften erst nach einem herrischen Winken der einen Soldatin wieder einsteigen ...

Liebe Israelis, diese Aussonderung ist unnötig, ganz ehrlich ...

Spannend waren bei der Einfahrt nach Bethlehem die roten Schilder, dass man nun in ein "A"-Gebiet, also ein Gebiet unter palästinensischer Sicherheits- und Zivilkontrolle, einfährt - die Fahrt in ein solches Gebiet ist für Israelis, so steht es auf den Schildern, gefährlich und daher verboten. Drittausländer und palästinensische Einwohner Ost-Jerusalems dürfen aber völlig ungehindert dort reinfahren und - wenn sie denn ihren Pass vorzeigen - auch wieder zurück fahren ... Nun denn ...

Nach der Ankunft in Jerusalem liefen wir - nachdem wir einen Autounfall beobachtet hatten - an den Straßenbahnschienen entlang in die sehr schöne neue Innenstadt, tranken in Mike's Place (die haben auch ein Lokal in Tel Aviv, in dem ich mit Christina 2016 übel versackt war) Bier und Jessi einen Kaffee (den zu bestellen war eine mittlere Expedition ins Unbekannte, unglaublich ...). Das Essen dort sagte uns nicht zu, sodass wir in eine koschere Gaststätte mit angeschlossenem Buchladen einfielen.

"Koschere" Restaurants müssen streng zwischen fleischigen und milchigen Speisen trennen, und dieses Lokal hatte es so gelöst, dass man nur milchige Speisen - und natürlich religiös neutrale wie Fisch oder Quinoa - zu essen bekam. Diese Gerichte allerdings waren sehr, sehr lecker, und ich hätte nicht unbedingt erwartet, von Quinoa-Patties satt zu werden - ich war satt.

Wir gingen frohen Schrittes zurück zum Parkhaus, fuhren ins Hotel und gehen jetzt ins Bett, denn morgen geht es zu nachtschlafener Zeit raus - um 2.30 Uhr fahren wir, sind dann um 3.30 Uhr am Flughafen, um 4 Uhr am Check-in (wir werden Gepäck aufgeben) und fliegen um 7 Uhr ab - mal sehen, wie sehr die Israelis mich mit meinen bahrainischen und katarischen und türkischen und indonesischen Stempeln triezen ...

In Belgrad haben wir dann ein bisschen Zeit, die wir zur Fahrt in die Stadt mit dem Besuch der Festung und einem Mittagessen verbringen wollen, das wird auch noch einmal schön ...

Und jetzt ist dieser Israel-Urlaub praktisch auch schon wieder rum ... Vielleicht nicht "nächstes Jahr in Jerusalem", aber spätestens übernächstes - auf alle Fälle auf Wiedersehen!

Drei Länder

... haben wir gestern besucht. Naja, jedenfalls wenn man einer bestimmten Interpretation internationalen Rechts anhängt, nämlich der, dass das Westjordanland zum Staat Palästina gehört und dass der Golan von Israel nur besetzt ist und immer noch zu Syrien gehört, denn dann waren wir gestern in Israel, in Palästina und in Syrien ... Gemerkt hat man keinen einzigen "Grenzübertritt", außer durch den Willkommensgruß in der israelischen Region Golan und durch den Checkpoint bei Jerusalem gestern Abend auf dem Heimweg.

Aber langsam: Wir trafen uns um 9 Uhr und fuhren - ohne Frühstück - in Richtung Tel Aviv und weiter nach Haifa. Ich hatte den Weg nach Haifa ein bisschen unterschätzt, denn wir brauchten gut zwei Stunden, ehe wir in Haifa ankamen. Wenigstens fanden wir in der Nähe der angestrebten Gaststätte einen Platz (wir hätten noch näher einige Plätze näher was gefunden, aber ich wollte nichts riskieren, Mist war's ...). Nach einem kleinen Spaziergang fanden wir die Gaststätte, die nur mit hebräischen Buchstaben gekennzeichnet war, aber die Bedienungen sprachen alle ganz gut Englisch.

Wir aßen wieder ein israelisches Frühstück mit Ei und Hummus und Tomatentatar und Guacamole und, und, und - und waren mal wieder sehr zufrieden. Es folgte eine kurze Fahrt zum unteren Ende der Bahá'i Gardens, in den man auch hineindurfte und einige schöne Fotos machen konnte (Christian macht hier die Fotos, die kommen dann alle gesammelt in den nächsten Tagen hier in den Blog, sobald er sie von seiner Kamera überspielt hat ...).

Es war heiß, und wir entschieden uns, nach Nazareth aufzubrechen. Unterwegs kämpften wir mit der Tanksäule, weil das Display auch nur auf Hebräisch war (hier ist vieles auf Englisch, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass zunehmend Dinge ausschließlich auf Hebräisch beschriftet werden), aber nach energischen Verhandlungen von Christian mit dem Tankstellenwart schaltete dieser die Tanksäule frei, sodass wir tanken und dann - bar, Kreditkarte ging auch nicht (an einer Tankstelle!!) - zahlen konnten.

Ich übernahm das Steuer und verfuhr mich erstmal, aber nach einem Wendemanöver fuhren wir durch die Karmel Tunnels und dann weiter in Richtung Nazareth. Hatte man am Morgen in Jerusalem aufgrund des sehr geringen Verkehrs gemerkt, dass Sabbat ist, so merkte man in Nazareth, dass denen der Sabbat sehr schnuppe war - der Stadtverkehr war üppig und gewohnt-arabisch chaotisch, aber wir fuhren durch die Gegend und fanden wenige hundert Meter von der Verkündungsbasilika entfernt einen Parkplatz.

Ich unterschätzte die Schnauze des Autos und rammte fast einen Poller (das war wohl eine Frage von Millimetern ...), wir zahlten Parkgebühren und gingen dann zur Verkündungskirche.

Kurze Hosen sind bei Männern und kurze Röcke bei Frauen wohlkein Problem, aber die kurze Hose von Jessi führte zur Leihe von Tüchern zum Bedecken der Knie und der Schultern - sei's drum ...

Die Verkündungsbasilika ist ein relativ neues Bauwerk (die obere Etage stammt aus dem 1960er-Jahren), aber die Gesamtkomposition ist nicht so modern-modern, sondern recht hübsch. So alles in allem muss man diese Basilika aber nicht ganz unbedingt erkunden, wenn man nicht ohnehin zufällig ein Auto dabei hat.

Wir fuhren - durch Stau - in Richtung des Sees Genezareth, wollten dort in eine Strandbar, die uns um 17.30 Uhr (!) schon nicht mehr einließ (die hätten das Geschäft ihres Lebens gemacht!) und wir umrundeten den See auf der Suche nach einer Kneipe.

Nachdem wir ein Stück annektiertes Syrien durchquert hatten, fielen wir in einem Kibbutz ein und tranken in der dortigen Fischgaststätte mit Blick auf den See ein Bierchen (oder zwei oder so ...).

Wieder hatte ich den Heimweg unterschätzt, den nun Jessi auf sich nehmen musste, aber drei Stunden im Dunkeln durch das Westjordanland hören sich (auf der Nationalstraße 90, wohlgemerkt!) viel gefährlicher an als sie sind.

Wir suchten uns in Jerusalem noch eine koschere Gaststätte, um etwas zu essen und den Abschluss des Sabbat zu begießen, was erfolgreich war. Weniger erfolgreich war unser Einparkversuch gewesen, denn wir hatten einen (saftigen) Strafzettel, als wir zurück ans Auto kamen. Naja, Israel ist halt teuer, ich wiederhole mich ...

Heute geht es nach Bethlehem und in die Altstadt von Jerusalem, ich muss noch Zähne putzen und mich einschmieren, daher mache ich jetzt Schluss.

Schönen Tag, vielleicht bis heute Abend.

Freitag, 8. Juni 2018

"Der Raketenbeschuss hält sich auch in Grenzen."

Christians Feststellung kann unwidersprochen bleiben, denn auch nach unserem Schwimm im Mittelmeer heute Morgen blieb es beim Grand Total von 0 auf uns abgeschossenen Raketen. Keine Ahnung, was die Leute, denen man vom bevorstehenden Israel-Urlaub erzählt, immer denken - ja, es gab und gibt Zeiten, in denen Raketen auf Israel abgeschossen wurden und werden, aber auf Tel Aviv oder die Ziele, an die wir auf dieser Tour wollen, gibt es das selten und dann auch noch unplatziert ...

Der Arbeitstag gestern war ein bisschen stressig, weil ich pünktlich um 17 Uhr wegwollte, aber am Ende konnte ich alles erledigen, was ich noch erledigen musste. Wir trafen uns sehr pünktlich am Terminal 2 des Flughafens, auch wenn ich Christian fast übersah. Anstatt 20.20 Uhr war jetzt eine verspätete Abflugszeit von 21.15 Uhr angegeben, was aber auch noch kein Problem war. So hatten wir mehr Zeit für meine berüchtigten Skyline-Ausflüge: Auf ging es durch die Passkontrolle und einmal zum Terminal 1Z und wieder zurück, ehe ich Jessi und Christian am 1C das Feldlager zeigen wollte, das der Frankfurter Flughafen da für die Non-Schengen-Flugverpasser vorhält. Gruselig, immer wieder ...

Wir gingen schon durch die Sicherheitskontrolle zum Gate E2, auch wenn das Gate offiziell noch nicht feststand, und lagen damit richtig, sodass wir ziemlich früh dann auch in den Abflugbereich gehen konnten. 21.15 Uhr kam und ging, das Boarding verzögerte sich, sodass es so langsam ein wenig enger werden würde. (Nicht so katastrophal wie bei den Kollegen, die am Gate nebenan gestern Morgen um halb sechs nach Warna fliegen wollten und dann kurz vor uns gegen 22 Uhr abflogen ...)

Schließlich kamen wir um 22.40 Uhr deutscher Zeit weg, würden um 0.15 Uhr ankommen und hätten dann fünf Minuten bis zum Closing des Gates für den Tel-Aviv-Flug gehabt. Wir kamen wenigstens in Belgrad an einem Fingergate an, liefen dann in Richtung Gate C6, hatten dort die (oberflächliche) Sicherheitskontrolle (und das für einen Flug nach Israel!) für uns, boardeten, gingen an Bord, wuchteten unser Gepäck kreuz und quer durch den ganzen Flieger in noch freie Gepäckfächer und setzten uns dann auf unsere zugewiesenen Plätze in der zweiten Reihe. Wir hatten kein Gepäck aufgegeben, sodass der Load Controller eigentlich nichts mit unserem Gepäck zu schaffen hatte, und nach ein paar Minuten - es war keiner mehr nach uns gekommen - ging die Tür zu und wir flogen (trotzdem!) noch pünktlich ab.

Liebe Freunde von Air Serbia, verwechselt bitte das Flugzeug nicht mit einer Sauna! Die Klimaanlage in Frankfurt wurde erst kurz vor dem Start angeschaltet (ich tropfte wie eine Duftkerze in der Hölle ...) und in der zweiten Reihe auf dem Tel-Aviv-Flug staute sich die Wärme auch. Christian entdeckte beim Gang auf die Toilette aber, dass der Flieger ziemlich leer war, sodass wir beide uns nach weit hinten setzten. So konnten sowohl Jessi als auch wir beide ein bisschen schlafen oder dösen, ehe wir um halb fünf ziemlich pünktlich in Tel Aviv ankamen.

Die Einreise ging ziemlich schnell, auch wenn der Grenzer mich wieder löcherte, das Mietauto bekamen wir auch (einen Honda mit Automatik), und auf ging die wilde Fahrt nach Tel Aviv.

Ich wollte in die Frühstückskneipe am Boulevard Rothschild, doch wir fanden keinen Parkplatz, also fuhren wir weiter über die Allenby zum Strand und dort dann zur anderen Frühstückskneipe dieser Kette, in der Christina und ich 2016 gefrühstückt hatten. Dort fuhren wir auch Kreise über Kreise (Jessi fuhr, weil ich im Flieger noch dem Bierkonsum gefrönt hatte), fanden aber ums Verrecken (sorry) keinen Parkplatz. Wir fuhren wieder zurück und suchten ein Parkhaus, fanden es nicht, aber dafür einen Parkplatz mit geöffneter Schranke und einem Mann, der fegte. Er meinte, es sei Sabbat (nein, es ist Freitag, aber er meinte wohl, dass Wochenende ist und man daher dort parken dürfe). Wir parkten also, gingen zum Benedict und hofften, dass das Auto nachher noch unversehrt sei. (Spannungsbogen nicht nötig: war es.)

Im Benedict sprach der Ober ein bisschen Deutsch, auch wenn man ihn wegen der lauten Musik, unter der wir saßen, kaum verstand, und es gab leckeres und dringend benötigtes Frühstück für allerdings gutes Geld - Israel ist wirklich nicht billiger geworden, seit ich zuletzt da war ... Denn auch wenn das Frühstück (Jessi hatte eine Schakschuka, angeblich ein israelisches Nationalgericht, aus pochierten Eiern, Tomaten, Chilischoten und Zwiebeln, sagt die Wikipedia, ich ein "klassiches israelisches Frühstück" mit Spiegelei, Thunfischcreme, Artischokencreme, Tomatentatar, Weichkäse, Oliven und Frischkäse) sehr, sehr lecker war, sind 50 Euro für drei Leute nicht wenig Geld für ein Frühstück ...

Wir entschieden uns, gleich ins Mittelmeer schwimmen zu gehen, fuhren also wieder die Allenby runter, suchten uns ein (sacketeures) Parkhaus und waren ein paar Minuten später umgezogen (Umkleidekabinen gibt es noch und wieder, auch wenn sie noch mehr der Strandkneipen umgebaut haben) und im Wasser. Beim Versuch, an Christian vorbei ins Meer zu stürmen, übersah ich eine Sandbank und mache ein Bauchlandung, die ich (und wahrscheinlich die Umstehenden ebenso) wahnsinnig amüsant fand, während Christian nicht so rechte wusste, woher das Walross kam, das da plötzlich ihm zu Füßen ins Wasser platschte ...

Herrlich, Freunde, herrlich - heute war ein bisschen Wellengang, es war traumhaft schön, im Mittelmeer zu baden. Da ich nicht eingeschmiert war (und nicht noch röter sein wollte als ich jetzt doch schon wieder bin ...), zog ich mich gleich nach dem Schwimm wieder an und war (leider) ein bisschen ungemütlich, weil ich angezogen am Strand stand (ich wollte mich nicht setzen auf Jessis und Christians Strandtuch setzen, auch wenn die beiden es mir oft anboten, weil ich einfach mal stehen wollte), während die beiden noch das Strandfeeling (vom Gefühl her ...) genossen.

Trotzdem fuhren wir bald darauf (es war inzwischen erst halb zehn oder so) wieder ein Stückchen nach Jaffa weiter, parkten erst irgendwo, wo ein Anwohner uns warnte, dass das Falschparken dort 1.000 Schekel (knapp 200 Euro) kosten würde, sodass wir uns wieder ein teures Parkhaus suchten und ein paar Schritte über den berühmten Flohmarkt von Jaffa machten. Obwohl es schon sehr, sehr heiß wurde, bestiegen wir den Altstadtberg, guckten uns um, liefen durch die Gassen runter zum Hafen und dann wieder zum Auto (wir wollten jetzt so langsam einfach ins Kühle und unsere Cola genießen, die wir beim Straßenhändler erstanden hatten).

Die Polizei sperrte so langsam alle Straßen (nicht unseretwgen, sondern weil heute die Gay-Pride-Parade durch Tel Aviv führte), sodass wir fast fluchtartig Tel Aviv-Jaffa verließen und in Richtung Jerusalem und Totes Meer fuhren.

Wieder fuhr Jessi und das war gut so: Ich bewunderte sie, wie fit sie noch Auto fahren konnte, denn mir fielen während der Fahrt mehrfach die Augen zu (Christian fiel wegen der schlechten Klimaanlagensteuerung des Beifahrers - meiner Wenigkeit - sogar kurzzeitig in Ohnmacht. Behauptet er ...). Folgerichtig konnte ich Jessi nicht richtig führen und wir machten eine kleine Stadtrundfahrt durch Vororte von Jerusalem.

Wir merkten kaum, als wir ins Westjordanland einfuhren, denn man konnte keinen Unterschied zu Israel feststellen, weil die von uns befahrenen Gebiete ohnehin unter israelischer Verwaltung stehen. Unser Ziel lautete Kalia Beach am nördlichen Anfang des Toten Meeres. Dort fuhren wir auf den Parkplatz, drückten unsere 15 Euro Eintritt pro Person ab und hatten dann Strandzugang zum Toten Meer und die Option, in der tiefsten Bar der Welt ein Bier (oder drei ...) zu trinken.

Der Weg von der Umkleidekabine zum Wasser war lang, weniger wegen der Streckendistanz, sondern wegen der Hitze des Sandes. Ich sprintete von Schattenplatz zu Schattenplatz, verbrannte mir meine Hinterpfoten trotzdem ordentlich und kam schließlich an einem Ensemble aus einem Sonnenschirm und drei Stühlen zum Stehen, die wir für uns okkupierten.

Es ist und bleibt ein Erlebnis, im Toten Meer zu ... Jetzt hätte ich fast "schwimmen" geschrieben. Nein, schwimmen kann man nicht, sondern nur auf dem Wasser liegen und sich die Sonne auf den Schädel brennen zu lassen. Obwohl, man kann sich mit Schlamm einreiben (was wir nicht taten, allenfalls unfreiwillig, weil ich - heute war Fall-entinstag bei mir - auf dem glitschigen Salzschlickboden die Balance verlor ...).

Christian ging kurz vor mir aus dem Wasser, wollte durch Rennen in den Schatten seine Fußsohlen schonen, stolperte aber und verletzte sich dabei - für Männerverhältnisse allerschwerstens - am großen Zeh. Glücklicherweise mussten wir nicht den sofortigen Abbruch der Reise beschließen .... Wird schon wieder!

Auf den Schreck tranken wir erstmal ein Bier (Jessi natürlich nicht, die musste ja fahren). Die Hitze war mörderisch, es waren 45,6 Grad Celsius (in der Sonne, denke ich, aber trotzdem), da standen zwei große Klimageräten an der Bar, die aber nur das Tote Meer und die Wüste kühlten, obwohl der Windzug ein wenig zur "Abkühlung" beitrug. Also folgten - zwecks weiterer Abkühlung - das zweite und dritte Bier (ehe wir verdursten!) und danach fuhren wir - ich nur mit Badehose und T-Shirt im Auto sitzend - nach Jerusalem zurück.

Den Checkpoint bei der Einfahrt nach Jerusalem überstanden wir, ohne auch nur angehalten zu werden. Ich führte Jessi sehr souverän mehrfach im Kreis durch Jerusalem (okay, manchmal war die Streckenführung und -beschilderung einfach verwirrend, aber trotzdem ...), aber überraschenderweise kamen wir irgendwann am Hotel an.

Der Check-in bei unserer Russisch sprechenden Empfangsdame dank ihrer Übersetzungs-App ganz gut, und wir trennten uns erstmal für eine Stunde, um in Ruhe duschen zu können.

Um 17.30 Uhr trafen wir uns frisch wiederhergestellt in der Lobby, denn es sollte an die Westmauer (Klagemauer) gehen, weil ich gehört hatte, dass das Willkommenheißen des Sabbats dort sehr schön sei. Vor die Westmauer hatte der liebe Gott aber erstmal die Parkplatzsuche gestellt, und als wir wegen vergeblicher Suche (alle Parkhäuser waren am Sabbatvorabend zu!) schon fast wieder auf dem Weg zum Unterkunft waren, sahen wir am Straßenrand ein paar freie Parkbuchten.

Wir hatten heute schon ein paar unschöne Erfahrungen mit vermeintlich freien Parkbuchten gemacht (Einfahrt, sonstwie verboten, doch belegt, Behindertenparkplatz etc.), sodass wir dem Braten nicht trauten, zumal wir am Freitag Nachmittag nichts mehr bezahlen zu müssen glaubten. Also ließen wir das Auto stehen (auch diesmal stand es noch hinterher da) und liefen an der Hauptstraße vorbei und dann einen Fußweg (in der Hitze!) hoch zum Ziontor, durch das wir die Altstadt betraten.

Wir liefen durch das jüdische Viertel (das ich bis dahin auch allenfalls nur ein bisschen kannte) und kamen nach dem Erkunden verschlungener Pfade an der Sicherheitskontrolle für die Westmauer raus. Kein Mensch wollte dort etwas von uns ...  Weil schon viele Gläubige an der Mauer standen, verzichteten wir heute darauf, uns auch ins Getümmel zu werfen und betrachteten die Feierlichkeiten von hinter dem Zaun.

Es ist ganz eigentümlich: Der (Männer-)Bereich fühlte sich an, als ob im linken Teil der ernsthaften, konservativen Orthodoxen ganz still und leise vor sich hinbeteten, während im rechten Teil ein paar größere Gruppen von jungen Männern sangen, tanzten, Sprechgesänge vollführten, Fußballlieder zum Besten gaben (wahrscheinlich mit religiösem Unterton ...). Ich verstand den Sinn hinter diesem sehr demonstrativen Sich-auf-den-Sabbat-Freuen nicht so ganz, aber wenn man jede Religion bis ins Detail verstehen könnte, wären auf einmal viele Geistliche arbeitslos - das kann ja keiner wollen!

Nachdem wir uns das Schauspiel eine knappe Stunde angeschaut hatten, verließen wir das Westmauer-Areal wieder und gingen durch das muslimische und das christliche Viertel in Richtung Jaffator. Dort in der Nähe ist das armenische Viertel mit der "Armenian Taverna", in die wir einfielen. Ich konnte mal wieder mein Schnorakalutjun zum Besten geben, ansonsten war das Essen recht lecker, wenn auch Touristenpreise aufgerufen wurden.

Nach ein paar Stunden in der Sonnenhitze fühlten sich die 24 Grad auf dem Heimweg wirklich angenehm kühl an, sodass wir den gleichen Heimweg wie auf dem Hinweg nahmen.

Nach endlicher Zeit kamen wir auch in unserem Homestay/Hotelele, wie auch immer, an und wackelten in unsere Zimmer.

Morgen geht es nach Haifa, dann sehen wir weiter.

Christian schießt eifrig Fotos, sodass ich erstmal auf meine verzichte. Vielleicht darf ich Christians Fotos ja in den nächsten Tagen irgendwann in den Blog einspielen, dann kann jeder nochmal bunt auf Blog nachvollziehen, wieviel schöner Israel noch einmal geworden ist.

So, jetzt geht's ins Bett. Gute Nacht!