Man nehme eine vor lauter Hektik vergessene (und sowieso falsch ausgefüllte) Gepäckermittlungserklärung, eine falsch befüllte und schließlich falsche Gepäckermittlungsangabe in der Ethiopian-Airlines-App, fehlende Kofferschlüssel und noch einen im Ramadan vor lauter Flüssigkeitsmangel sekundenschlafenden Taxifahrer - das sind die Zutaten für den heutigen Tag. Am Ende aber, denn Spannungsbogen will ich keinen erzeugen, ist alles klar, wie Mickey, unser Hauswirtschafter und mein heutiger Guide/Dolmetscher, auf Deutsch sagen kann (übrigens ist der Typ Gold wert, weil mein Französisch halt doch nicht sooo der Burner ist), am Ende ist alles gut, auch wenn ich heute - wiederum dank der Hektik heute Morgen hatte ich mich noch nicht eingeschmiert, weil wir vermeintlich nur kurz zum Flughafen fahren würden - gut Farbe gekriegt habe ...
Irgendwie hatten wir uns mit Mickey komplett missverstanden, denn wir saßen um 19 Uhr bereit zum Frühstück Abendessen (leidend), um 19.30 Uhr war nichts da, um 20 Uhr nicht, und um 20.30 Uhr waren wir fast schon auf dem Weg ins Bett, als eine Gestalt mit Stirnlampe sich auf unsere Unterkunft zubewegte.
Auch bezüglich des Gerichts hatten wir uns vertan, denn es gab keinen crayfish, was ich als Krebs identifiziert hatte, sondern Languste. Die war zwar schon ein bisschen lauwarm geworden, aber dazu gab es unfassbare Mengen an Salat, Reis und Gemüse und noch Nachtisch hinterher. Klar haben wir europäische Preise bezahlt (obwohl, ne, eigentlich nicht, in Deutschland wären wir gerade für die Portion nicht so gut davongekommen), aber das war auch wirklich lecker ...
Gegessen haben wir übrigens im Kerzenschein, weil quasi pünktlich um 20 Uhr der Strom ausgefallen war; der kam auch die Nacht über nicht wieder, sodass wir nicht nur in den Flugklamotten schliefen, sondern auch noch schwitzten wie die Biber. Achso, und im Ramadan wird natürlich nach Sonnenuntergang einfach sozialisiert, sodass wir - die Akustik ist wirklich unglaublich gut hier in unserer Bucht - jedes Telefonat mitbekommen haben und also auch deswegen nicht gut einschlafen konnten.
Irgendwann scheine ich dann aber doch eingeschlafen zu sein, denn plötzlich war es taghell und meine Mutter war weg. Naja, weg war sie natürlich nicht, sondern sie saß schon draußen im Schatten. Kurzzeitig war der Strom da und damit auch das Internet, sodass ich guckte, ob ich was zu meinen Koffern finden konnte. Das konnte ich tatsächlich, denn ich bekam die Mitteilung in der App, dass die Koffer (oder jedenfalls einer, das Internet war schnell wieder weg) über einen Frachtflug auf die Komoren kämen bzw. bereits "arrived in airport", also "am Flughafen angekommen" seien.
Aus Freude entschied mich, in meiner Unterhose schwimmen zu gehen, denn ich wollte mich endlich ein bisschen frisch fühlen. Also stiefelte ich in Unterhemd, Unterhose, Socken und meinen normalen Schuhen (alles andere war ja im Koffer) da hinten zu dem grünen Boot und entdeckte dahinter einen kleinen Stein-Sand-Strand ...
Dort warf ich mich in die keineswegs kalten Fluten, schwamm aber hinter den Felsen, der die Sonne verdeckte. Von dort hörte ich meine Mutter mit Mickey sprechen, und sein "Halleluja" hörte ich sehr deutlich. Nach dem Schwimmen duschte ich kurz (und wusch dabei meine Unterhose mit ...) und setzte mich dann in Hemd und Unterhose an den Frühstückstisch - denn Mickey hatte in meiner Abwesenheit das Frühstück, bestehend aus Papayas und Bananen, dazu Omelette und Pfannkuchen, serviert, und sehr leckeren Ingwertee gab es zu trinken dazu.
Nur hatten Mickey und wir uns wieder missverstanden, denn plötzlich stand das Taxi unten. Jetzt war ich nicht hundertprozentig sicher, dass das Gepäck schon da war (ich hatte den Frachtflug nicht gefunden auf meinen einschlägigen Seiten, bevor das Internet wieder weg war), aber sei's drum, wir fuhren erstmal los.
Am Flughafen war tote Hose, von einem Frachtflug wusste niemand etwas, das Gepäck käme (doch) erst mit dem Passagierflug. Hmpf, es war jetzt 10 Uhr, die Fahrt hierher hatte vielleicht eine Dreiviertelstunde gedauert, zurückfahren wollten wir nicht, also sprachen Mickey und ich uns ab, dass wir nach Moroni in die Hauptstadt fahren und dort "Zeit totschlagen", wie er vorschlug.
Das machten wir, ich hatte nur am Flughafen bei der ganzen erfolglosen Lauferei zwischen den verschiedenen Stellen gemerkt, dass es mir auf die Rübe brannten, also beantragte ich den zügigen Kauf eines Hutes. Wir liefen erst ein wenig durch die verwinkelten Gassen der Altstadt (die nicht mit Stone Town auf Sansibar oder so zu vergleichen ist), schön im Schatten, dann kurz zum Hafen mit der (von außen) sehr ansehnlichen Moschee und dann über einen kleinen Markt.
Die Händler lachten belustigt, weil sie für meine (offenbar) Riesenrübe nicht die passende Größe hatten, wir liefen weiter, fanden schließlich einen Verkäufer mit größeren Hüten, aber selbst da passte nichts. Sachma, so'n Dickschädel bin ich doch gar nicht! (Nicht lachen dahinten!) Sei's drum, ich entschied mich, Fan der Golden State Warriors zu sein und bedeckte zumindest meinen Schädel, besser als nichts ...
Weiter ging es durch Moroni, ich hatte jetzt ein bisschen Durst, und die beiden brachten mich in ein Hotelrestaurant, in dem ich trotz Ramadan etwas zu trinken bekam. Zwei Cola und eine halbe (große) Flasche Wasser wurden abgezogen, da war es auch schön kühl, und WLAN gab es auch.
Ich sah, dass der Frachtflieger in genau dem Moment, in dem ich den Flug fand, gelandet war und meinte, dass wir jetzt aufbrechen könnten. Kurz vorher fiel mir aber eine Bierwerbung in dem Restaurant auf, sodass ich Mickey, der kurz hereingekommen war (ich drückte meine Hochachtung für die Muslime aus, dass sie bei dieser Hitze tagsüber nicht trinken; er sagte etwas davon, dass sich das Fasten für ihn leicht und gesund (!) anfühle - meine Niere sendete mir andere Signale ...), vorsichtig fragte, ob es hier Bier gebe. Die Antwort war ja, also kaufte ich vier Bier aus dem dunklen Kühlschrank; die Kartenzahlung klappte nicht, mein soeben abgehobenes Bargeld war durch den Kauf der Mütze schon empfindlich dezimiert (ich wollte nur für Kleinigkeiten Geld haben), also fragte ich, ob ich mit Euros bezahlen könnte - das ging natürlich, und somit hatte ich insgesamt 30 Euro bezahlt (wobei die vier Bier mit 24 Euro zu Buche schlugen).
Danach gingen wir kurz zum Markt Volo Volo, der war vergleichsweise appetitlich, Gemüse hätte ich hier auch gekauft (wobei der Gemüsemarkt ja meist kein Problem ist, und einen Fleischmarkt haben wir nicht besucht), ich bekam sogar zwei Souvenirs, Mickey, der behauptet hatte, schon seit Jahren nicht mehr in der Hauptstadt gewesen zu sein, wurde von gleich zwei Bekannten angesprochen, dann ging es - über die Straße (ich denke, Mickey hat gemerkt, dass das nicht mein erstes Rodeo beim Straßenüberqueren in Afrika war) - zurück zum Auto.
Nun fuhren wir zum Flughafen, die Fahrt war ganz ereignislos, bis der Fahrer plötzlich ins Gebüsch driftete: Mein lautes "uiuiuiuiuiui" führte zu seiner (und Mickeys!) Wiedererweckung, er steuerte schnell gegen, und wir hatten Glück, dass an dieser Stelle das Gebüsch ebenerdig neben der Straße stand und da kein Abgrund war, denn mit der halben Seite des Autos waren wir schon in der Botanik unterwegs, bis der Fahrer gegensteuerte. Vielleicht ist das mit dem Nichtstrinken im Ramadan doch keine so gesunde Idee ...
Unsere Parkkarte von heute Morgen galt offenbar noch immer, und wir parkten jetzt am Ankunftsbereich. Wir marschierten zu Ethiopian Airlines und drückten unser Begehr aus. Ja, ob die declaration obligatoire ginge gar nichts - nur hatte ich die ja im Rucksack und heute ausnahmsweise den Rucksack nicht dabei. Der Ethiopian-Typ, Mickey und ich diskutierten angeregt - und stellten fest, dass die Tante gestern die Nummer des Gepäckstücks falsch aufgeschrieben hatte - mit einer 1 anstatt einer 2 am Ende. Unabhängig davon sei das zweite Gepäckstück aber noch nicht gekommen, obwohl - ich hatte in dem Hotel in der Stadt WLAN gehabt - beide Gepäckstücken per Scan ins gleiche Flugzeug (in den Frachtflieger) verstaut worden sein sollten.
Am Ende war die fehlende obligatorische declaration (das war ohnehin nur der Durchschlag eines Zettels, den der Typ ohnehin hatte) dann kein Problem mehr, aber ein Problem war, dass Mickey und ich nicht - wie von dem Ethiopian-Typ angesagt - zur Gepäckausgabe vorgelassen wurde. Der eine Polizist ging noch einmal zu dem Ethiopian-Typ, dann sprach ich einen der Polizisten dort an, und irgendwann durfte ich dann doch durch. Verstand ich nicht, war aber so ...
Unser schwarzer Koffer ward wiedergesehen, ein Typ füllte noch einen Zettel aus, aber unterschreiben musste ich nix, dann kamen schon die ersten Fluggäste aus der Passagiermaschine, und praktisch gleichzeitig kam auch der zweite Koffer, der entweder in der Passagiermaschine ganz zuletzt eingeladen worden war oder aber in Wirklichkeit doch mit der Frachtmaschine gekommen und dann - womöglich wegen der falschen Nummer - übersehen worden war. Mir war's egal, ich brach vor Erleichterung fast zusammen, steuerte dann aber auf den Zoll zu, der - wie sollte es anders sein?! - eine Zollkontrolle durchführen wollte. Ich solle mir einen Koffer aussuchen, den ich vorzeige wollte, nur hatte ich das Problem, dass ich von keinem Koffer, auf die abzuschließen meine Mutter bestanden hatte (war das grammatikalisch korrekt?), die Schlüssel dabei hatte, weil die schön brav in Mutters Handtasche waren. Ich sah schon wieder die Fälle Felle davonschwimmen, erklärte das dem Zöllner aber, und dann durfte ich auch ohne Kontrolle durch. Verstehen muss man auch das nicht ...
Wir fuhren gemütlich - und jetzt immer mit Musik - zurück über die zunächst bis Mitsamiouli ziemlich gute Straße (nur gibt es da etliche solcher Huppel, die die Autos immer brutal ausbremsen), dort kauften wir noch kalte Getränke ein, und dann ging es zurück in den Bungalow ... Bei der Anfahrt verkündete Mickey dem ganzen Dorf, dass "alles klar" sein, meine Ma bekam es auch mit - und die war glücklich.
Ein Missgeschick von ihr darf ich aber noch erzählen, weil es die manchmal etwas behelfsweise anmutende Ausstattung hier im vom Ausblick her wirklich schönen Bungalow perfekt illustriert: Meine Mutter schüttete das Spülwasser aus der Wanne in die Spüle, ohne allerdings vorher zu überprüfen, ob da wirklich ein Rohr zur Entsorgung des Wassers war. Nun, da war kein Rohr, sodass das ganze Spülwasser postwendend auf der unteren Ebene des Spültisches landete und meine Mutter erstmal die Sauerei aufputzen musste ...
Jetzt sind die Koffer ausgepackt, gleich ist es 17 Uhr, kurz vor Sonnenuntergang gehen wir jetzt endlich schwimmen (ich wette, das nächste Mal steckt meine Ma einen Badeanzug ins Handgepäck ...) und dann gibt es wahrscheinlich Oktopus (jedenfalls werden wir "octopus" bestellen und mal gucken, was Mickey daraus macht).
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Die Objekte der Begierde |
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Gemüsemarkt |
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Moschee vor Hafen in Moroni |
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Altstadt von Moroni |
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Unterwegs von Mitsamiouli zum Flughafen I |
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Unterwegs von Mitsamiouli zum Flughafen II |
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Blick ein paar Meter rechts von unserer Bude |
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Frühstück mit Meerblick |
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Abendessen, überbelichtet durch Blitzlicht |
Korrekturen vom 18. März: Abends isst man Abendessen und kein Frühstück, und wenn da etwas wegschwimmt, sind das natürlich Felle und keine Fälle ... Das kommt davon, wenn man nicht nochmal gegenliest ...