Meine Länder

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Samstag, 11. Juni 2022

Ein mühsames Geschäft

... war es heute (und das ist dann aber auch der letzte Jammer-Eintrag), von Brüssel nach Hannover zu kommen, aber da ich diese Zeilen im Zug nach Hannover vorschreibe, hoffe ich, dass da nicht mehr zu viel schiefgehen wird.

Erst einmal muss ich ein großes Lob loswerden, an die Freunde von TUIfly Belgium. Wie sich sowohl die Bodencrew in Montego Bay als auch die Flugbesatzung um mich gekümmert haben, mit Rollstuhl, mit Schmerztabletten, das war super. Ich spiele gern Ekel Alfred, wenn mir was nicht passt, aber dann muss ich auch mal loben, wenn Leute die berühmt-berüchtigte "Extrameile" gehen. Dass nicht alles hundertprozentig geklappt hat, dass sie mich dann beim Boarding kurzzeitig vergessen haben (aber dann kamen schnellstens gleich zwei Rollstühle angefahren ...) und dass, wenn ich keinen Assistenzdienst in Brüssel bestelle, natürlich auch keiner da ist, alles geschenkt, bei dieser Kurzfristigkeit, mit der wir alle operieren mussten. Mir kommt es hier auf das Erkennen der Notlage an, und das fing bei der jungen Bodenpersonaltante in Montego Bay an und hörte gar nicht mehr auf. Jetzt hätte ich fast ganz dick aufgetragen und was vom "Glauben an die Menschheit" erzählt, so viel Tränendrüse muss nun auch wieder nicht sein, aber so in die Richtung ging es dann schon, auch wegen des glatzköpfigen, tätowierten Belgiers, der mir bei der Gepäckausgabe mit dem Koffer helfen wollte, und der jungen Russin, die mir den Koffer in den Zug wuchtete. Herzlichen Dank!

Beim nochmaligen Lesen des gestrigen Blogeintrags ist mir aufgefallen, dass man den möglicherweise so missverstehen könnte, dass ich Rollstuhlfahrer insgesamt für lächerlich hielte - keineswegs war das meine Absicht! Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, wie hilflos ich mich fühlte, weil ich keinen einzigen Schritt schmerzfrei gehen konnte, und das alles wegen so eines blöden geschwollenen Knöchels.

Nachdem ich mich also beim Boarding in die Reihe gestellt hatte und mit meinem Humpeln und meinem leidenden Gesichtsausdruck (ja, jetzt zelebriere ich das auch ein bisschen, bin ja schließlich ein Mann!) die Check-in-Tante zur Frage, ob ich der "wheelchair passenger", also der Rollstuhl-Passagier, sei, veranlasst hatte, nachdem dann blitzschnell aus allen (naja, aus zwei Richtungen) Rollstühle angefahren kann, nachdem ich beim Boarding gesagt bekam, ich müsse nicht in meine hinterletzte Reihe, sondern könne mir - der Flieger sei leer, das sah beim Auswählen der Sitzplätze gar nicht so aus - eine Reihe aussuchen, kam ich dann in einer schönen Dreierreihe am Flügel zum Sitzen. Hier konnte ich mich ausbreiten, hier lag ich mal in die eine Richtung (Beine angewinkelt), mal in die andere Richtung (auch hier Beine angewinkelt), mal saß ich gegen die Wand des Flugzeuges gelehnt (aber leider auch gegen die nicht hochklappbare Außenrückenlehne), es war die zweite schlechte Nacht in Folge, aber am Ende schlief ich - die Augen auf meine eigene Rückenlehne gerichtet - sogar ein oder zwei Stunden. Glaube ich. Und werde mich morgen auch deswegen kaum bewegen können. Glaube ich.

Ich bekam dank der freundlichen Flugbegleiterin zwei Paracetamol-Tabletten verpasst, mit denen es ein bisschen besser wurde, aber 2 x 500 mg Paracetamol im Abstand von sieben Stunden hauen bei mir Ochsen halt auch nicht so richtig rein.

Als wir dann gelandet waren, war eben die nicht bestellte Assistenz auch nicht da, die Damen boten mir an, eine zu bestellen, aber das könne dauern, und am Ende - sportlicher Ehrgeiz und so, ich Vollidiot - entschied ich mich, es einfach zu probieren.

Ich hätte es sein lassen sollen, denn als ich an der Passkontrolle ankam, schwitzte ich wie ein - welches Tier hatte ich heute noch nicht? - Kamel, dass ich mich wunderte, nicht wegen Corona-Verdachts rausgezogen zu werden. Die elektronische Einreise der Belgier und ich werden keine Freunde mehr, denn wieder musste der Grenzer mich manuell freigeben, aber das ging wenigstens schneller als bei der Ausreise, dann humpelte ich weiter zur Gepäckausgabe.

Eine sehr freundliche Frau sprach mich an und bot mir an, noch etwas zu trinken zu holen für mich, aber ich lehnte dankend ab, lief zur Gepäckausgabe, als mein Koffer auch schon in Sicht kam. Ich fluchte und humpelte zum Gepäckband, der tätowierte Glatzkopf fragte mehrfach auf Flämisch, ob ich Hilfe bräuchte, aber am Heben liegt das Problem ja an sich nicht, wie ich feststellte.

Der Zoll wollte nix von mir (dann wäre ich, glaube ich, auch vollends zusammengebrochen), und nach zwei weiteren Erholungspausen kam ich am Ticketautomaten an.

Aus unerfindlichen Gründen war es günstiger, die Fahrt Flughafen - Brüssel-Nord und Brüssel-Nord - Aachen (ab Aachen fuhr ich wieder mit der Bahncard 100) getrennt zu buchen, so sparte ich am Ende mindestens fünf Euro, auch wenn ich für die kurze Strecke immer noch genug bezahlte.

Ich verließ mich auf die Gleisanzeige der (deutschen) Bahn-App und war verlassen, aber da war ich vielleicht auch ein bisschen selbst schuld, denn dass die fremde Gleisanzeigen aktualisieren, kann man vielleicht nicht erwarten. Also musste ich wieder mit dem Fahrstuhl von Gleis 3 hoch, zum Gleis 1 fahren und dann mit dem Fahrstuhl runter. Aua.

Das Einsteigen in den Zug klappte mit Hilfe der (vielsprachigen) Russin gut, aber als ich dann in Brüssel-Nord ausstieg, streikte alles. Der rechte Fuß - geschwollen, aua; der linke Oberschenkel - überbeansprucht, aua. Ich stand da, kam nicht vor und nicht zurück und überlegte, mich einfach auf den Boden zu legen und zu warten, was passiert. (Jetzt kann ich darüber lachen, aber in dem Moment war mir definitiv nicht nach Lachen.)

Ich humpelte also zum Aufzug, lief in der Unterführung zum anderen Aufzug und fuhr hoch. Da war zum Glück eine Bank in erreichbarer Entfernung, und auf die setzte ich mich für die folgende Stunde. Ich sah den ICE, mit dem ich fahren wollte, auf dem Hinweg nach Brüssel-Süd und erkannte, dass meine Position strategisch günstig am Ende des Zuges sein würde.

Der Zug kam pünktlich, ich erwischte auch den Einstieg ganz gut, das passte alles, und ich fand auch einen Platz. Bei Überschreiten der deutschen Grenze zog ich mir auch die Maske an, und bis Köln ging alles glimpflich.

In Köln kamen wir auch nahe bei den Aufzügen zum Stehen (da hatte ich bisher einigermaßen Glück gehabt), und ich wollte noch in die Apotheke am Kölner Hauptbahnhof. Nur, die fand ich nicht auf Anhieb. Der Humpelotto humpelte aber weiter, und siehe da: "Apotheke"!

Die Apothekerin fragte - anders als die Stewardess im Flieger - nicht nach Allergien und Alkoholkonsum in den letzten Stunden, sondern drückte mir einfach Ibuprofen in die Hand und ließ mich in Ruhe (danke!). Ich lief - im Kölner Bahnhof ist ein kleiner Anstieg, den man als normaler Fußgänger gar nicht wahrnimmt, aber für mich war das heute fast der Mount Everest - zu meinem Gleis, das gerammelt voll war, weil gerade eine Regionalbahn angekommen war.

Ich fand dann aber auch einen Sitzplatz am Gleis und später in der Bahn auch, nur war der "ggf. freigeben" und natürlich kam da einer, der kurzfristig reserviert hatte. Ich hatte meinen Koffer schon ins Gepäckfach über den Sitzen gewuchtet (das Heben war ja nicht das Problem, an den Armen habe ich ja nix), da blieb er auch, denn ich verzog mich ins nahegelegene Bordbistro und blieb hier praktisch bis Hannover. Ich trank hier erstmal Wasser, Cola und Apfelschorle im Akkord und bestellte am Schluss noch eine Currywurst, die keine Offenbarung war, aber auch nicht furchtbar.

Inzwischen schlugen die beiden Ibuprofens auch ganz gut an, sodass ich mich langsam, auch noch humpelnd, aber nicht mehr mit diesen Monsterschmerzen zur Stadtbahn begab und mich dann von der Haltestelle auch noch in die Wohnung bugsierte. Einmal musste ich aufpassen, dass ich nicht rücklings von der Treppe purzle - das hätte gerade noch gefehlt -, aber auch diese Situation überstand ich (nach heute fühle ich mich fast unbesiegbar, höhö).

Zwischenzeitlich hat jetzt auch der Familienrat getagt und mir eine formelle Rüge ausgestellt, aber das war mir grad egal, denn ich ging erstmal duschen, schockfrostete den Fuß und jetzt sitze ich hier im Wohnzimmer, Fuß hoch, mal sehen, wann aus dem Elefantenfuß wieder ein menschlicher wird.

Oh Mann, das war heute wieder eine wirkliche Achdorf-Aktion, der Schnitzer-Wirt sagt: "Der fliegt nie wieder." Aber damit liegt der Schnitzer-Wirt ziemlich sicher falsch, denn schon in fünf Wochen geht es nach England zur Frauen-EM (wenn mir nicht das prognostizierte Sommerchaos an den Flughäfen in die Quere kommt).

Es war aber, wenn vom etwas unschönen Heimflug absieht, eine wunderbare Reise - ich habe viel von Jamaika gesehen, nicht nur die Strände, sondern auch die unglaublich grünen Landschaften in der Inselmitte und das moderne Kingston, ich habe - sehr bewusst - viel jamaikanisches Essen zu mir genommen und es nie bereut, ich habe viel jamaikanische Musik erlebt und über sie erfahren (auch auf dem Rückflug hatte ich die meiste Zeit Bob Marley im Ohr).

Das war richtig, richtig schön - und es gibt ja noch so viel zu sehen: Schnorcheln war ich nicht einmal, in den Blue Mountains war ich nicht, in Kingston auch nicht in den alten Stadtbezirken, Ocho Rios und viele andere, für ihre schönen Strände bekannten Ortschaften müsste ich mir nochmal angucken. Das Fortkommen mit Knutsford war wunderbar, die Busse fahren pünktlich, man kommt - außer bei dem Unwetter auf dem Weg nach Negril - pünktlich an, das WLAN funktioniert meist, Stecker gibt es meist ebenso im Bus, das ist richtig gut, mit denen zu reisen (auch wenn ich mir durchaus zutrauen würde, in Jamaika auch selbst zu fahren, sooo schlecht sind die Straßen nicht).

Ich werde nach dieser Erfahrung zukünftig mehr darauf achten, Schmerztabletten in den Kulturbeutel zu packen (ist auch eine Auflage des Familienrates), dann klappt das auch mit den Heimflügen ... (Und ich bin richtig froh, morgen noch einen freien Tag zu haben, weil ich jetzt zwei Nächte nicht wirklich gut gepennt habe.)

Over and out für Jamaika, war wirklich sehr schön. 

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