... ist es, was die Istanbuler mit dem öffentlichen Nahverkehr in Corona-Zeiten betreiben, dass es wirklich fast zum Heulen ist. Ach, zum Heulen war der ganze Tag gestern, denn irgendwie ging so ziemlich alles schief, was schiefgehen konnte.
Fangen wir mit dem Positiven an: Die Fahrt zum Flughafen klappte, der Fahrer sammelte unser heutiges Geburtstagskind ein, kam mit ihr im Auto an den vereinbarten Treffpunkt gefahren, missverstand mich dann zwar, als wir noch Mitreisende Nr. 5 bei ihr zu Hause einsammeln wollten und fuhr einfach weiter, aber nach einmaligem Drehen war auch das behoben. Es regnete in Bonndorf, und diese Wettermetaphorik passte ...
Wir kamen überpünktlich in Zürich an, konnten auch ziemlich bald einchecken, mit dem Umlaut im Vornamen meiner Mutter kam die - sehr freundliche, aber auch etwas überforderte - Check-in-Dame so überhaupt nicht klar, und dann schickte sie uns auch noch in den falschen Abflugbereich ...
Sie sagte mir, wir flögen ab E ab, sodass ich die Mannschaft durch den - unglaublich leeren Flughafen - trommelte, wir fuhren ins Untergeschoss, reisten aus, fuhren mit der Alpenbahn unter dem Rollfeld durch, doch als wir endlich in E ankamen, stand dort "D Gates" ...
Ich rief, als dann das Gate D41 angegeben wurde, extra nochmal bei den Abfertigungsfritzen an und wollte wissen, ob wir jetzt wirklich zu D wackeln können, da meinte die Tante zu allem Überfluss, mich belehren zu müssen, dass ich als Passagier die Pflicht habe, selbst auf die Gate-Anzeige zu gucken. Das, junge Frau, hatte ich doch die ganze Zeit getan, aber gerade deswegen soll die Check-in-Person einen doch dann nicht zum falschen Gate-Bereich schicken, wenn der Gate-Bereich noch gar nicht feststeht ...
Argh. Also fuhren wir wieder zurück mit der Alpenbahn, mussten noch mal durch die Sicherheitskontrolle (die Sicherheitskontrolleure in Zürich waren gestern allesamt sehr freundlich aufgelegt und scherzten mit uns, wo wir denn jetzt herkämen - ja, "ussem Schwarzwald" - "Wieso kämmet ihr denn dann hier durch?" Ich verkniff mir den Verweis auf die Check-in-Tante, denn wir waren endlich an unserem Gate ...
Das Boarding ging ein wenig verspätet los, aber am Ende landeten wir nach einem kurzweiligen Flug in Istanbul. Die Einreise hatte ich natürlich generalstabsmäßig vorbereitet, jede Dame erhielt ihren HES-Code (den man für die Einreise hier benötigt) und ihren Impfnachweis, den ich schon vor Tagen für den Check-in eingesammelt hatte, entsprechend ging das auch schnell ...
Ich hatte gestern noch ein Taxi gebucht, doch der Fahrer stand da, wo die ganzen anderen Leute mit Namensschildern standen, natürlich nicht ... Wir telefonierten hin und her (für teuer Geld), an den Istanbuler Flughäfen ist das öffentliche WLAN entweder nicht-existent oder richtig besch...eiden, nach einer Dreiviertelstunde stellte sich heraus, dass der Fahrer am anderen Simit Sarayi gewartet hatte ... Leute, ihr kennt den Flughafen besser, wählt doch dann ein eindeutiges Ziel ...
Der Fahrer fuhr, wie ein Istanbuler Taxifahrer halt fährt, auf dem Seitenstreifen und wild überholend, und wir kamen kaum voran (auch wenn er manchmal auf der Nebenstraße unterwegs war), bis er schließlich auf dem Seitenstreifen anhielt, seinen (englischsprechenden) Chef anrief und der mir verklickerte, dass wir gegen Aufpreis auch durch den Avrasya Tüneli, also den Tunnel unter dem Bosporus, fahren könnten, weil die gebuchte Brückenüberquerung staubedingt viel mehr Zeit beanspruche ...
Uns war jetzt alles egal, und es ist schon schick, da unter der Meerenge durchzufahren (die S-Bahn, mit der ich das schon gemacht hatte, war langweilig, aber im Straßentunnel sieht man so richtig, wie man zunächst runter und dann wieder hochfährt, das war interessant ...).
Natürlich standen wir in Europa dann auch schnell im Stau, doch der Fahrer fuhr - navi-gestützt - durch irgendwelche Seitengässchen, es stellten sich selbst mir manchmal die Haare zu Berge, so knapp war es da ab und an, aber am Ende kamen wir gut an unserem Hotel an.
Das Hotel ist - wie immer - völlig in Ordnung, wir hielten uns nicht lange auf, denn ich wollte die Mannschaft zum Hamsi bugsieren.
Die Damen streikten fast schon in Europa, weil wir natürlich nach Kadiköy wollten, und die Fährstelle ist die letzte vom Sirkeci-Bahnhof aus gesehen vor der Brücke übers Goldene Horn. Wir liefen also und liefen, ich lud schon einmal die Istanbulcard auf, doch als wir durchgehen wollten, zeigte das Ding rot an. Was ist das denn jetzt wieder für ein Mist? Natürlich sprach da kein Mensch Englisch, aber irgendwann erbarmte sich der Aufseher und meinte, wir bräuchten den HES-Code. Ich packte den aus, doch der Security-Mensch wollte nur meine Istanbulcard haben und tippte auf seinem Handy herum, um die freizuschalten. Kein HES-Code, kein nichts ...
Nach ein paar Minuten - wir hatten natürlich die Fähre verpasst - klappte alles und wir fünf konnten mit dieser einen Karte boarden, so weit, so normal, so nachverfolgungstechnischer Alptraum, aber Hauptsache Bürokratie und Verspäung produziert, ganz großes Kino!
Wie immer entschleunigte und entspannte ich binnen Sekunden, als die Fähre - zwanzig Minuten später - endlich abgefahren war und ich oben an Deck den Blick auf das jetzt schon hell erleuchtete Istanbul genoss. Die Fährfahrt war nach zwanzig Minuten vorüber, und ich scheuchte das Rudel hoch zum Hamsi.
Es kam, wie es kommen musste, und wie die Damen schon zuvor orakelt hatten: Der Hamsi war zu. Wollt ihr mich denn alle veräppeln?! In dem Fall verstand ich es sogar, denn die Straße vor dem Hamsi wird saniert, sodass man da nicht draußen sitzen kann, und deswegen scheint er halt (hoffentlich vorübergehend!) zugemacht zu haben ...
Wir fielen in die danebengelegene Kneipe ein, fragten, ob sie offenes Bier hätten, das wurde eifrig bejaht, wir setzten uns, bestellten Bier, sie brachten Flaschen. Leute!? Wir standen auf, waren drauf und dran, wieder nach Europa zu fahren, als wir an einer Kneipe vorbeiliefen, in der einer ein offenes Bier vor sich stehen hatte.
Wir fielen dort ein, saßen im Zwischengeschoss mit Blick auf die Straße (sehr schön ...), bekamen offenes Bier und verschluckten uns angesichts der (niedrigen!) Essenspreise fast. Trotz dieser Preise war das Essen (es wurden Hähnchenspieße und Sardinen und und am Schluss noch Hackfleischbällchen verdrückt) und auch das Trinken (ein paar Bier und eine Flasche Raki wechselten den Besitzer) sehr lecker, und wir waren wirklich zufrieden.
Wir liefen zurück zur Fähre, ich ging durch, dann sprang das Ding wieder auf rot. Ein sehr freundlicher Deutsch sprechender junger Mann erklärte uns nach Rücksprache mit dem Aufseher, dass ab 22 Uhr (!?!?!?!?!?!?!!!???!elf!) wieder die alten Regeln gelten würden und daher pro Karte nur eine Person durchgehen könne. Klar, ab 22 Uhr ist das Coronavirus ja auch viel gefährlicher, sodass man da dann besser nachverfolgen können muss.
Man verstehe mich nicht falsch: Wenn die Regel grundsätzlich wäre, pro Person eine Karte, dann würde ich das in Coronazeiten ja wirklich verstehen, aber so, dass man diesen HES-Code eigentlich gar nicht braucht und am Ende uhrzeitabhängig irgendwelche bescheuerten Regeln macht, ergibt das alles überhaupt keinen Sinn. Schade, dass die Istanbuler Verkehrsbetriebe da so einen Mist machen und den Touristen offensichtlich nicht haben wollen.
Ich hatte mich so auf Istanbul gefreut, aber im Moment muss ich einfach vom Besuch hier abraten, und das tut mir fast körperlich weh.
Die Damen fuhren dann mit dem Taxi heim (der Fahrer wollte für die Fahrt von Asien nach Europa nur 10 Euro haben, meine Mutter unterstellte ihm, dass er sich verrechnet habe, und gab ihm üppigstes Trinkgeld), ich fuhr mit Fähre und Straßenbahn - stinksauer und traurig zugleich - nach Hause und hatte - das will was heißen - kaum einen Blick für das nächtliche Istanbul ...
Jetzt gucken wir, dass wir die nächsten Tage das Beste aus der ganzen Situation machen - wird schon werden ...
Fotos jetzt nicht, weil ich gleich zum Frühstück muss ... Ohje, bin schon zu spät dran ...
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