Meine Länder

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Länder in dunkelgrün wurden bereits besucht,
Länder in hellgrün sind fest geplant,
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Sonntag, 12. August 2018

Ein schöner Tag

... war das heute, ich habe viel gesehen und trotzdem am Ende noch gute Entspannung gehabt, so soll es sein ...

Ich war einigermaßen frühzeitig wach und verließ dementsprechend "schon" gegen zehn Uhr mein Domizil. Erstes Ziel der Reise war das "Haus des Terrors", die ehemalige Adresse der Geheimdienste unter den faschistischen Pfeilkreuzlern (1944/45) und den Kommunisten (1945-1956). Ich ging, nach Entrichtung des Eintrittsgeldes, aber ohne Kauf eines Audioguides, erstmal in den Keller und guckte mir die Ausstellung dort an. Es scheint, als ob die Kuratoren einige der dortigen Zeller im (jedenfalls mehr oder weniger) Originalzustand gelassen haben, und es ist immer wieder gruselig, was Menschen anderen Menschen antun können: Homo homini lupus, hat da mal ein schlauer Brite gesagt, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.

Der Rest der Ausstellung leidet für Ausländer ein wenig darunter, dass vieles nur auf Ungarisch angeschrieben ist - ich finde es - ehrlich gesagt - ziemlich doof, wenn man eine Ausstellung nur mit dem Kauf eines Audioguides überhaupt richtig erfassen kann, dann sollen sie lieber den Eintrittspreis erhöhen und den Audioguide kostenfrei mitgeben. Nichtsdestotrotz fand ich den einen Raum beeindruckend, in dem sie - unter den Klängen von Metal-Musik - die Propaganda der Stalinisten und der Nazis im wahrsten Sinne des Wortes gegenüberstellen: Da sind jeweils vier Bildschirme angebracht, und auf beiden wird jeweils ein Aufmarsch, der jeweilige Anführer (Hitler/Stalin) und noch zwei weitere - ähnliche - Situationen gezeigt. Wer hier nicht auf die Idee kommt, dass die Kuratoren den Nazismus und den Stalinismus gleichsetzen wollten, der ist - meines Erachtens - schiefgewickelt, aber sei's drum ...

Das Museum ist auch ein bissel eng, und da kommt es nicht wirklich gut, wenn alle paar Meter irgendwelche Leute im Weg herumstehen - das kann ich überhaupt nicht leiden, das mochte ich schon nicht, wenn die Raucher aus der Uni heraustraten und - maximal einen halben bis ganzen Meter nach Erreichen der Frischluft - mitten im Weg stehen blieben. Auch die Leute, die am Ende einer Rolltreppe dann einfach stehen bleiben, möchte ich gerne mal - weil mir nichts anderes übrig bleibt, wenn von hinten gedrängelt wird - einfach mal ins Kreuz schubsen (müssen), dann merken sie vielleicht, was für einen Mist sie da machen ... Das wollte ich immer schonmal gesagt haben, jetzt war es heute dann mal soweit.

Alles in allem: Ja, ein sicherlich wichtiges Museum, aber das ganze Konzept ist nicht so richtig ganz megatoll gelungen, kann man reingehen, aber wer halbwegs mit offenen Augen durch die Gegend gelaufen ist in seinem Leben, hat durch die Ausstellung natürlich ungarnspezifische einige Fakten gelernt, aber dass der Nationalsozialismus und der Kommunismus nicht von Menschenfreunden propagiert wurde, das wusste ich schon vorher ...

Als zweites Ziel meines heutigen Ausfluges hatte ich die Große Synagoge ins Auge gefasst. Also fuhr ich - erstmals seit einigen Wochen - wieder mit der Metrolinie 1 bis zum Deák Ferenc tér und stieg dort in die 2 um, um noch die eine Station nach Astoria mitzunehmen. (Achso: Es gibt relativ häufig Fahrkartenkontrollen in der U-Bahn. Da stehen dann gelangweilte Leute in weißen Hemden an den Eingängen herum, und man muss schon wissen, dass das Fahrkartenkontrolleure sind, um ihnen die Fahrkarten hinzuhalten. Mir ist es am Anfang ein paarmal passiert, dass ich an denen vorbeigelatscht bin, halb, weil ich sie nicht als Kontrolleure erkannte, halb, weil ich es nur so kenne, dass die zumindest irgendwie verbal zu erkennen geben, dass die gerne die Fahrscheine sehen wollen. - da ist dann übrigens auch nichts passiert ... Inzwischen weiß ich, dass die - sehr höflichen - Ungarn den Kontrolleuren einfach so die Fahrscheine hinhalten, inzwischen mache ich das auch, es tut ja nicht weh, aber irgendwie komisch fühlt sich das immer noch an ...)

An der U-Bahn-Station Astoria stieg ich dann aus, ging die paar Schritte zur Großen Synagoge und sah nicht nur eine große Schlange, sondern auch, dass ich die deutschsprachige Führung knapp verpasst hatte. Ich hatte noch nichts gegessen heute, sodass Letzteres nicht so schlimm war, dann konnte ich vorher zu Mittag essen. Vor dem Mittagessen allerdings wollte ich mir noch eine Kippa kaufen - in der Großen Synagoge bekommt man zwar so Papierkippot, aber die finde ich immer sehr lästig, vor allem, weil die alle Naselang vom Kopf runter und durch die Gegend wirbeln. Meine Prager Kippa liegt aber gut im Schwarzwald in der Schublade und also wollte ich mir hier eine Zweitkippa, meine dann Budapester Kippa, zulegen (achso, eine Kippa ist die Kopfbedeckung, die die männlichen Juden jedenfalls in der Synagoge tragen, die Ultraorthodoxen auch außerhalb, wenn sie nicht ihre hohen Hüte tragen).

Ich hatte unterwegs über Google Maps einen Judaika-Laden erspäht, und den suchte ich auf. Doch, das ganze Lädelchen ist wirklich sehr hübsch, und ich fand nicht nur eine Kippa (bei der der Verkäufer spontan den Preis herabsetzte - vielleicht wusste er den angeschriebenen Preis auch nicht wirklich, ich äußerte mich dazu nicht ...), sondern auch so viele andere schicke Sächelchen, dass ich hier wahrscheinlich auch noch mal mit meiner Ma auftauchen werde.

Achso, apropos Ma, diese Kippa wird meine Mutter - anders als die Prager Kippa, die eher schlicht aus gehäkelter Wolle oder so ist - nicht mit einem Platzdeckchen verwechseln, denn meine Budapester Kippa ist aus schwarzem Samt mit einem Davidsstern drauf. Da stellt man sicher keine Tasse Tee oder sowas druff ...

Auf dem Weg zu dem Geschäft war ich an einer Synagoge vorbeigestolpert, und die wollte ich jetzt mal - mit meiner neu erworbenen Kopfbedeckung - reingehen. Die Leute dort verlangen 1.000 Forint (3 Euro) Eintritt, und auch wenn ich bei Gotteshäusern, die Eintritt verlangen, ziemlich skeptisch bin: Diese drei Euro lohnen sich - absolut! Diese Synagoge ist eines der farbenfrohsten und architektonisch fröhlichsten Gotteshäuser, das ich je betreten habe - die Grundfarbe ist hellblau, und auch die Muster sind sehr schön. Doch, dieses von außen gar nicht so gut als Synagoge erkennbare Gebäude in der Kazinczy-Straße ist ein kleiner Geheimtipp, den ich hier teilen will. Natürlich habe ich hier auch ein paar Fotos gemacht ... (Interessant fand ich, dass es hier keine Sicherheitskontrolle am Einlass gab - sehr schön!)

Ich stelle gerade fest, dass ich sooo viele Synagogen noch gar nicht betreten habe: Ich war mit der Schule in Freiburg und Zürich, danach in Prag in einer nicht mehr in Gebrauch befindlichen und in Amsterdam - war das heute wirklich erst meine vierte bzw. fünfte Synagoge? Krass. (Naja, wenn man die Westmauer in Jerusalem mitzählt, die faktisch auch als Synagoge genutzt wird, dann nicht, aber ansonsten war ich auch in Israel in keiner - überdachten - Synagoge).

Mit der Eintrittskarte hatte ich 10% Rabatt in dem koscheren Restaurant in dem orthodoxen Viertel erworben, und da ich ja ohnehin Hunger hatte, ging ich um die Synagoge herum in den Innenhof dieses Viertels, eine kleine Treppe hoch und setzte mich dann auf einen Tisch. Ich bestellte - neben einem Bier - als Vorspeise Gefilte Fisch und danach koscheres Rinderpörkölt.

Der Gefilte Fisch gilt ja als das jüdische Gericht schlechthin, so richtig meins ist diese Fischfarce in einem Scheibchen gelierten Fisch nicht. Ich habe es aufgegessen, schlecht war das bestimmt nicht, aber freiwillig werde ich das wahrscheinlich nicht mehr so schnell probieren. (Ich denke gerade an die Bat Mitzwa, so etwas wie die jüdische Konfirmation/Firmung - für Mädchen, für Jungs heißt das "Bar Mitzwa" -, in Zürich zurück, als wir mit der Klasse dort waren - die Familie hatte üppige Speisen auffahren lassen, und als noch viel übrig war, kam die Mutter auf uns Schüler zu und feuerte uns an, doch noch ein wenig zu essen - das ließen wir jungen Kerls uns nicht zweimal sagen ...) Das koschere Rinderpörkölt schmeckte jetzt nicht viel anders als unkoscheres Rinderpörkölt, also lecker, die Portion war sehr ordentlich - alles in allem war ich sehr zufrieden und schließe nicht aus, da nochmal essen zu gehen, denn auch der Gerbeaud-Kuchen zum Dessert war lecker ...

Nun war ich aber gesättigt und nicht mehr durstig, also konnte ich wieder zur Astoria-U-Bahn-Station gehen und von dort den Bus nehmen, denn ich wollte wieder einmal zum Rudas-Bad, um mir die Kuppel bei Tag anzusehen. Der Bus kam, ich stieg am Rudas-Bad aus, und es klingt wie ein Déjà-vu, wenn ich das erzähle: Es gab eine lange Schlange. Offenbar war so voll, dass sie erst Leute reinließen, wenn Badegäste das Bad verließen rausgingen, und das war mir dann so oder so zu voll.

Nun stand ich da an der Bäderlinie 19/41 auf Budaer Seite und wusste nicht, ob ich nach Süden zum Gellért-Bad oder nach Norden zum Király-Bad fahren sollte. Ich entschied mich, wie jeden der letzten beiden Sonntag fürs Király-Bad und bereute diese Entscheidung, wie sonst auch, nicht, auch wenn das Király heute durchaus auch nicht gerade leer war.

Um 15.15 Uhr war ich im Wasser, heute war ich öfter im Dampfbad und sonst meist im 36-Grad-Becken, wieder war es sehr schön, und auch heute war ich nicht zum letzten Mal im Király-Bad.

Als ich rauskam, hatte ich doch wieder Durst, lief an einer schönen söröző (gesprochen "schörösö"), einer Bierkneipe vorbei, lief erstmal doch weiter und stieg in die Straßenbahn 4-6 zum Oktogon ein. Wieder ging es über die Margaretenbrücke mit dem tollen Ausblick, ehe ich am Oktogon ausstieg und ein paar Meter zurücklief in ein Pub, denn ich hatte Appetit auf ein Guinness.

Nun, aus dem egy Guinness wurden, ähem, négy (das heißt "vier" oder so ...), dazu noch fünf Achtel einer Pizza (danach war ich pappsatt), danach wackelte ich zur 105 und fuhr heim.

Das war ein alles in allem rundherum gelungener Tag heute.

Die nächsten Tage werde ich wieder arbeiten, aber am Donnerstag verlasse ich gegen 12 Uhr das Büro, denn mein Flieger geht um 15.15 Uhr oder so, sodass ich am späten Nachmittag hoffentlich schon in Wiesbaden bin. Ich freue mich auf das Wochenende in Wiesbaden und im Schwarzwald und freue mich sehr, dass meine Ma dann eine Woche mit nach Budapest kommt - ich habe schon einen Bäder- und Restaurantplanentwurf gebastelt, das wird schön ...

Drei Fotos aus der Synagoge - die Uhr zeigt übrigens 13.15 Uhr (viertel nach eins, viertel zwei, je nachdem, woher man kommt in Deutschland, gell?). Im Hebräischen schreibt man ja von rechs nach links, also im Vergleich zum Deutschen "anders herum", und anscheinend macht das "anders herum" auch vor den Uhren nicht Halt.




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