Meine Länder

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Sonntag, 29. Juli 2018

Sternenhimmel

..., Sternenhimmel, oho! Hubert Kah hieß wohl der Interpret Anfang der 1980er-Jahre, wie eine kurze Google-Suche ergab, aber der Name war mir bis vor ein paar Sekunden völlig unbekannt, das Lied hingegen nicht, denn es war Bestandteil des Medleys, das ich heute im Király-Bad vor mich hinsummte - heute war mit dabei "Enjoy the Silence" von Depeche Mode (statt "Sound of Silence" von Disturbed, das war gestern), die deutsche und die russische Nationalhymne sowie die Star-Wars-Melodie (nicht der Darth-Vader-Marsch, sondern die der Jedi ...!) ...

Wie kam ich jetzt darauf, ach so, ja, "Sternenhimmel". Wenn man da in dieses wunderschöne, schon von den Osmanen erbaute (und das sieht man!), ein bisschen heruntergekommene, man kann ruhig auch sagen, ein kleines bisschen (ein kleines bisschen!) versiffte Király-Bad kommt, ins große Becken mit 36 Grad steigt und den Kopf nach oben reckt (oder sich aber langlegt und nach oben guckt), sieht man dort 56 (selbstgezählt) mit Glas abgedeckte Öffnungen, durch die das Tageslicht auf das Becken fällt, sodass die Lampen, die es auch gibt, nur das Licht ein bisschen verstärken.

Das erweckt zusammen mit der etwas sakralen Dunkelheit, die über diesem Gebäude liegt, den Eindruck eines Sternenhimmels - sehr, sehr schön ...

Fangen wir aber den Tag erstmal dort an, wo jeder linear erzählende Schreiberling anfangen sollte - am Anfang (Habe ich jetzt genug Variationen von "Anfang" und "anfangen" in einem Satz untergebracht? Ja? Dann lasst uns anfangen ...).

Ich kam relativ früh relativ gut aus dem Bett, zumal ich mich ja nun gestern auch nicht abgeschossen hatte, und erinnerte mich, nachdem ich geduscht hatte, an den Sonntagsbrunch, der gestern am Restaurant des Hotels Gellért (in dem auch das Gellért-Bad ist) beworben worden war. Es war so gegen 10.45 Uhr, als ich fertig war, sodass ich mich gemütlich aus dem Haus begab, heute mal anstatt nach rechts zum Béke ter nach links zur Reitter Ferenc utca lief und dort in die Linie 30 einstieg. Ich fuhr zwar zunächst am Heldenplatz vorbei (also die normale Strecke der 105), dann aber gerade aus in eine Region der ungarischen Hauptstadt, in der ich noch gar nie gewesen war. Dort musste ich auch umsteigen, und zwar in die Buslinie 7, die am Keleti-Bahnhof und am Hotel Astoria vorbeifuhr (hier war ich schon gewesen) und danach über die Elisabethbrücke und vorbei am Rudas-Bad zum Szent Gellért tér, zum St.-Gellért-Platz, fuhr.

Dort stieg ich aus, denn am St.-Gellért-Platz liegt, völlig überraschend, das Hotel Gellért. Ich war ein bisschen früh dran, beobachtete einen alten Mann mit Krückstock (der war mir gestern, glaube ich, schon im Gellértbad begegnet), wie er bei Rot über die Ampel schlich (tsts ...), und ging dann ins Hotel hinein, um mir den Weg zum Restaurant beschreiben zu lassen.

Das Hotel Gellért ist schon schick, wenn auch ein bisschen plüschig geraten (als das noch modern war), aber das Restaurant war geschmackvoll und nicht zu plüschig. Ich bekam noch einen Platz und deckte mich erstmal mit lecker Vorspeisen ein, mit Garnelen und tollem Schweinebraten, mit Lachsschaum und Mozzarella, ehe ich mich - nachdem ich Champagner, Bier und Wasser geordnet hatte (das ist in dem Sonntagsbrunch alles dabei) - der Hauptspeise widmete. Es gab fantastische Kalbshaxe (wenn ich das "veal leg" richtig interpretiere), tolles Rindfleisch in einer sehr leckeren Soße und Huhn auf Kiewer Art, was ich nur für sehr, sehr schmackhaft erklären kann. Kurz gesagt, für Budapester Verhältnisse sind 24 Euro für so einen Brunch sicher nicht ganz billig, aber dafür, dass da alle Getränke mit drin sind (nur das zweite Bier hätte kalt sein sollen, das ist das Einzige, aber auch wirklich das Einzige, was ich heute am Gellért auszusetzen hatte, denn auch der Service stimmte) und auch die Nachspeisen unglaublich gut waren, warne ich das Gellért schon mal vor, dass sie mir für mindestens einen der nächsten Sonntage mal einen Platz freihalten sollen ...

Nach zwei Stunden leckerem Essen und Trinken verließ ich das Gellért, fuhr mit der Straßenbahn in die Nähe des Király-Bades und versuchte dort nach dem Reinfall am Mittwoch mein Glück.

Ich musste erst ein bisschen warten, weil die Kassiererin eine Restaurantbestellung entgegennahm, bezahlte dann - das Király ist relativ günstig, es kostet 2.500 Forint mit Schließfach, also etwa 7,50 Euro - und ging die Treppe hoch zu den Umkleiden. Auch im Király gibt es dieses sehr praktische System wie in allen Budapester Bädern, in denen ich bisher war, nämlich ein Armband, mit dem durch die Eintrittsschleuse geht, aber auch die Kabine bzw. das Schließfach auf bzw. zu macht. Nur bei den Restaurants bezahlen kann man mit den Dingern nicht, das wäre noch eine weitere Evolutionsstufe ...

Nachdem ich Badebekleidung angelegt hatte, ging ich runter, duschte und betrat dann den Thermalbereich. Ich stieg zunächst in das große 36-Grad-Becken, blieb dort ein bisschen, ging ins - ziemlich kleine - 40-Grad-Becken und danach zum Abkühlen ins 28-Grad-Becken. Von dem 28-Grad-Becken hat man einen wunderbaren Blick auf das große Becken und die Kuppel, und wenn im richtigen Moment die Tür des angrenzenden Dampfbades aufgeht und also ein wenig Dampf entweicht, wird das alles noch in ein weicheres Licht gehüllt - das ist einer meiner zwei Lieblingsplätze in den Budapester Bädern, glaube ich.

Den ersten Gang ins Dampfbad (das im Vergleich zum Rest des Bades hochmodern wirkt) brach ich ab, weil ich - Held - wieder einmal zu wenig getrunken hatte, stellte mich dann unter die kalte Dusche, ließ mir Wasser in den Mund laufen, bis ich genug hatte, und machte dann wieder meine gemütlichen Runden vom 36-Grad- ins 40-Grad- ins 28-Grad-Becken - so schön! (Wenn mir vor fünf Wochen jemand gesagt hätte, dass ich Stunden um Stunden damit verbringen würde, von einem Thermalbecken ins nächste umzuziehen, ich hätte ihn für verrückt erklärt ... Ja, Bruderherz, ich spreche von dir ...)

Der zweite Gang ins Dampfbad war besser, und ich mache mir den Spaß, nach dem Dampfbad duschen zu gehen, ehe ich ins Tauchbecken gehe. Ich bin nicht der Einzige, aber viele machen das auch nicht ... (Das führt dann dazu, dass einige Google-Bewertungen des Király-Bades nicht so gut ausfallen, weil die Leute das Bad dafür verantwortlich machen, dass andere Besucher "unhygienisch" ungeduscht ins Tauchbecken gehen. Joa, angenehm anzusehen ist es nicht, aber das ist eine Frage des Auges, denn ob da jetzt ein paar Milliliter Schweiß im Becken sind, merkt man selbst in den kleineren Becken nun wirklich nicht ... Und das Bad kann für die Besucher ja eher wenig, zumal das in den anderen Bädern auch passiert.)

Schon wieder waren drei Stunden rum und eigentlich war ich schon auf dem Weg zur richtigen Dusche, als ich mich entschied, nochmal ins - außerhalb der Kuppel gelegene - 32-Grad-Becken zu gehen. Das war auch sehr angenehm, und fast wäre ich im Becken vor Wohlfühlen eingepennt ...

Doch, auch das Király-Bad gefällt mir, es ist nicht so touristisch (jedenfalls war der Anteil von Touristen nicht gaaaaanz so hoch wie in den anderen Bädern), es ist alt, was mir hier sehr gut gefällt, es hat aber alles, was man so haben will (also ein paar Becken, ein Dampfbad und eine Sauna, auch wenn ich die Sauna heute gar nicht benutzt habe), auch wenn es nicht so groß wie das Gellért- oder gar das Széchenyi-Bad. Aber klein ist hier wirklich mal fein ...

So, nun habe ich die fünf wichtigsten Thermalbäder in Budapest alle mal besucht (es gibt noch ein paar andere, aber das sind eher Schwimmbäder, die auch noch ein Thermalbad haben, während die, in denen ich jetzt war, eher Thermalbäder waren, die eventuell noch ein Schwimmbad hatten), da wird es mal Zeit, diesem Blog hier einen Mehrwert zu geben und die Bäder nach meinen subjektiven Eindrücken zusammenzufassen. Die Reihenfolge entspricht meinen Besuchen.

Rudas, Buda, direkt südlich der Elisabethbrücke: Der alte türkische Teil mit der Kuppel und den fünf Thermalbädern ist fantastisch, das 42-Grad-Becken ist wegen des Gefühls des sofortigen Verbrühens der Hammer, für den autistisch angehauchten Mathematiker ist die Anordnung mit dem großen Becken und den vier kleinen in den Ecken des großen Raumes toll, die Saunen und Dampfbäder sind direkt daneben und mit jeweils verschiedenen Kammern, großartig. Das Schwimmbad hat Volksbad-Charakter, auch großartig, der Wellness-Bereich ist sehr modern, mit Blick auf die Donau und verschieden warmen Becken einschließlich eines weiteren 42-Grad-Beckens. Joa, und dann noch das kleine, warme Becken auf der Dachterrasse mit einem hübschen Blick auf die Elisabethbrücke und die Donau, das Rudas kann was - zumal es das einzige Bad ist, an dem man in der Nacht von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag nachtbaden kann (es ist aber auch das einzige, das unter der Woche geschlechtergetrennt ist).

Széchenyi, Pest, im Városliget-Park: riesig, einfach riesig, zehn Thermalbecken unterschiedlicher Größe und Temperatur, das Ganze in einem palastartigen Gebäude mit einem großen Innenhof, in dem nochmal drei Schwimmbäder sind (ein tatsächliches "Schwimmbad" mit Badekappenpflicht, ein "Erlebnisbad" mit Strömungskanal und Whirlpool, ein Pool mit ziemlich warmem Wasser), im Inneren noch mit mehreren Saunen und Dampfbädern, wer hier nicht sein Plätzchen findet, der ist komisch. Das größte Bad Europas ist dementsprechend auch ziemlich touristisch und voll, das muss man halt abwägen - schön ist es, mein Lieblingsbad ist es nicht, weil es mir ein bisschen zu steril ist. Und ein bisschen zu voll.

Lukács, Buda, direkt nördlich der Margaretenbrücke: in einem großen Gebäude in einem schönen Park gelegen, drei Thermalbecken, die mir ein wenig beengt vorkamen, allerdings mit einem schönen Dampfbad im Thermalbereich, die Außenbecken sind echte Schwimmbäder, der Sauna-Bereich mit vier Saunen ist auch ganz okay (vor allem nicht so voll - wobei ich, ohne es genau zu wissen, nicht glaube, dass die "Landschaft" mit den Sauna-Landschaften von neueren Bädern in Deutschland mithalten kann), die zwei Euro Aufpreis sind völlig okay, nur ist das alles mit dem Tuch um die Hüften ein kleines bisschen umständlich, gerade, wenn man dann doch ins Tauchbecken will ...  Alles in allem ist das Lukács nicht so richtig meins, auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich alle sehenswerten Orte auch wirklich entdeckt habe ...

Gellért, Buda, gegenüber der Freiheitsbrücke: 2008 im originalen Jugendstil renoviert, ganz großartig, vor allem die Thermalabteilung - sehr verspielt, viele Skulpturen, sehr schön, recht bunt, große Becken, zwei Dampfbäder, das Gellért ist sehr verwinkelt, da muss man wissen, wo man hinwill, der Außenbereich mit dem Wellenbad (in dem ich noch keine Wellen gesehen habe), dem vollen Außen-Thermalpool, der Außen-Sauna sowie der großen Sonnenterrasse ist nicht so meins gewesen, aber das schöne Wetter hat wenigstens dafür gesorgt, dass es drinnen in den Thermalbädern trotz der Schönheit und der Bekanntheit des Gellért-Bades ziemlich leer war. Hier ist auch einer meiner Lieblingsplätze, im blauen Badesaal, kühleres Becken (nur 36 Grad), gibt es in der Mitte eine Rundbank, über der aus drei Abläufen sehr heißes Wasser ins Becken plätschert - da sitzen, das Wasser in den Nacken laufen lassen, ein einziger Traum ...

Király, Buda, direkt südlich der Margaretenbrücke: sichtbar altes, türkisches Bad, vergleichsweise klein mit "nur" drei Becken unter der phänomenalen Kuppel, eher lokale Besucherschaft, daher auch nicht sooo touristisch und nicht so voll, alles sehr gemütlich, relativ moderne Sauna und Dampfbad, toller Blick aus dem Tauchbecken auf das große Becken und die Kuppel, mein zweiter Lieblingsplatz

Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich hier mal einen mittelprächtigen Bäderführer für Budapest schreibe, aber wie das so manchmal ist, wenn es einen erstmal packt (und ich bin ja begeisterungsfähig), dann ist es mit den Bädern wie mit dem Schnorcheln - dann wird das durchzogen, aber voll ...

Und wenn ich schonmal dabei bin, gebe ich noch kurz meine Beobachtungen zu den Wassertemperaturen zum Besten.

Normalerweise finde ich 24 Grad ja schon ganz okay für so ein beheiztes Schwimmbad - hier finde ich 24 Grad ziemlich frisch. Das mag daran liegen, dass ich da meist aus einem Becken komme, dessen Grad-Zahl mit einer 3 anfängt, und da macht es dann - interessanterweise - kaum etwas aus, ob das jetzt 24 oder 18 Grad sind - das ist dann einfach kühl (16 Grad merkt man immer deutlich, im Rudas gibt es ein 16-Grad-Becken, brrr ...). Es gibt aber ein total geheimes Geheimrezept in den Becken mit den extremen Temperaturen: möglichst wenig bewegen. Egal, ob du im 18-Grad-Becken im Gellért sitzt oder im 42-Grad-Becken im Rudas, wenn man sich nicht bewegt, kommt einem das alles nicht so extrem vor, aber wehe, du streckst die Beine aus oder machst Schwimmbewegungen, dann bibbert (oder schwitzt) der ganze Körper ...

28 Grad sind dann so ein Mittelding, das ist noch nicht so richtig warm (das zweitkühlste im türkischen Teil im Rudas hat 28 Grad), aber es ist schon okay und kein totales Abkühlbecken nach dem Dampfbad oder der Sauna mehr, 32 Grad ist dann schön, da könnte man Stunden verbringen, das ist gemütlich. So richtig merkt man die Unterschiede zwischen 32, 35, 36 und vielleicht 38 Grad nicht, außer man kommt von dem einen ins andere Becken, dann merkt man das natürlich meistens schon, aber die meisten Becken haben eine Temperatur zwischen 32 und 38 Grad, entsprechend sind es die größeren Becken, und da kann man das eh nicht sooo genau steuern, da ist es dann gleich wurscht ... Es macht aber einen Unterschied, ob du aus dem 40- oder 42-Grad-Becken ins 36-Grad-Becken kommst, da ist Letzteres dann - für manche Menschen kaum glaublich - eine willkommene Abkühlung.

Immer wieder spannend finde ich, dass diese zwei oder vier Grad zwischen 36/38 Grad und 40 Grad so deutlich spürbar sind, und noch deutlicher ist es bei 40 zu 42 Grad. 36 Grad sind noch wunderbar auszuhalten, das ist schön warm, aber da verzieht keiner das Gesicht, dass es zu heiß wäre. Bei 40 Grad ist das deutlich anders, da sieht man bei vielen die Überraschung und bei etlichen schon am Gesicht, dass das heiß und ihnen vielleicht zu heiß ist. Allerdings zieht noch kaum jemand panisch den Fuß zurück, und wenn man erstmal drin ist, ist es ganz akzeptabel auszuhalten - bei 42 Grad (das gibt's nur im Rudas, soweit ich mich erinnere) ist das deutlich anders. Bei 42 Grad denken viele, sie verbrühen sich und trauen sich gar nicht rein, und auch wenn man reingeht, ist es kein Becken, in dem man gemütlich herumlungert, sondern eines, bei dem der ganze Körper einem relativ schnell ziemlich deutlich signalisiert, dass er da eigentlich gern wieder raus will - und zwar möglichst dalli ...

Ich habe so 32 bis 36 Grad am liebsten, da kann man sich schön drin liegen, sich - wenn man nicht allein unterwegs ist - unterhalten, ansonsten über Gott und die Welt nachdenken und schön der Haut dabei zugucken, wie sie schrumpelig wird ... Die Bäder gefallen mir.

Ein Bild gibt es heute, und zwar vom Hotel Gellért. Gute Nacht!


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