... bin ich gestern Abend, und zwar in Mannheim - oh Mann, wenn einer eine Reise tut ...
Ich hatte dieses Wochenende eigentlich vor, die zweite Etappe zum Brocken zu laufen, also von Sarstedt nach Hildesheim, aber die Wettervorhersage für Hannover lautete "Regen, gefolgt von Regen, anschließend Regen". Ich war gestern früh wach, also entschied ich mich, die schon seit einiger Zeit überlegte Tour nach Oberstdorf und ins Kleinwalsertal zu machen. (Unterwegs überlegte ich noch kurz, ob ich doch nach Dresden fahre, aber da dort eine Demo besonders intelligenter Corona-Wissenschaftler stattfand, war es eine gute Idee, das bleiben zu lassen.)
Ich fuhr zum Hauptbahnhof und stieg in den ICE nach München Hbf ein, denn dort würde ich umsteigen müssen - bis Nürnberg ging alles glatt, es regnete auch nicht so viel unterwegs, doch in Nürnberg wurde den nach München Reisenden empfohlen, in einen anderen ICE umzusteigen (meiner sollte noch in Ingolstadt halten), denn unterwegs wäre irgendeine komische Umleitung, die zu massiver Verspätung führen würde ...
Nun denn, ich stieg in Nürnberg um und verpasste so natürlich schon mal meine Option, entweder mit dem Eurocity-Express zu fahren oder aber die vierte U-Bahn Deutschlands (und letzte, die mir mit der Bahncard noch fehlte ...) in München abzufahren (die anderen sind Hamburg, Berlin und Nürnberg).
In München hatte ich einige Minuten Zeit zum Umsteigen in den Regionalexpress nach Oberstdorf. Die DB Regio Bayern macht das ein bisschen kompliziert, denn der Zug bestand aus drei Wagenteilen, von denen einer nur bis Kempten fuhr, einer nach Lindau und eben einer nach Oberstdorf - davon ließ sich zumindest ein älterer Herr verwirren, aber der ganze Wagen erläuterte ihm, wo er hinmüsse, das passte dann hoffentlich.
Unterwegs rechnete ich mir aus, dass ich genau neun Minuten in Österreich hätte, denn ich würde um 16.13 Uhr an der Walserschanz, der ersten Haltestelle in Österreich, ankommen, und der letzte Rückbus, mit dem ich noch pünktlich nach Hause käme, würde schon um 16.22 Uhr fahren ... Na super, 19 Stunden unterwegs für neun Minuten in Österreich, aber ich habe schon Verrückteres gemacht ...
Ganz egal, denn der Blick auf die Alpen aus dem Zug war die Reise schon wert gewesen - das Wetter war bewölkt mit einigen blauen Flecken am Himmel, das geht noch schöner, aber auch so war das echt schon sehr, sehr schön anzusehen!
Gegen halb vier kam ich in Oberstdorf an, der Bus fuhr um Punkt 16 Uhr, sodass ich noch ein Wasser kaufte und die Berge um den Ort herum bewunderte, das ist schon beeindruckend dort.
Der Busfahrer, von einem Fahrgast als "Frankie Boy" angesprochen (man kennt sich dort), wusste mit meiner Bahncard 100 nur insofern etwas anzufangen, dass er mir den 25%-Rabatt gab, obwohl zumindest einige Strecken in dem Verkehrsverbund auch umsonst zu fahren sind mit der Bahncard. (Erste Klammer: Die Strecke zwischen der letzten deutschen Haltestelle und der Walserschanz ist nicht mehr komplett in Deutschland, auch wenn die Haltestelle Walserschanz nur wenige Meter hinter der Grenze liegt, für die hätte ich laut Wortlaut der Tarifbedingungen in jedem Fall zahlen müssen, aber sei's drum, für 2,65 Euro kam ich nach Österreich ...) (Zweite Klammer: Auch der Schaffner in der Regionalbahn wollte, als ich die BC100 vorzeigte, noch einen "Fahrausweis" sehen - mein unverständlich-panisches Gesicht deutete er richtig, nochmal genauer zu gucken, bat um Entschuldigung und meinte, "diese Nummer" - gemeint war die 100 - "sehen wir nicht so oft hier" ...)
Es ging steil den Berg hoch, mit atemberaubenden Blicken auf die Berge, die Oberstdorf umgeben, und an der Walserschanz stieg ich als einzige Persönlichkeit des heutigen Tages aus ... Selten freute ich mich soooo sehr, in Österreich zu sein.
"Aber Moment mal, Österreich ist doch Risikogebiet, und die Einreise ist eindeutig touristisch, darf der das ohne anschließende Quarantäne überhaupt?" Die Antwort ist: Ja, das darf der, denn das Kleinwalsertal ist - als sogenannte funktionale Exklave Österreich, also ein Gebiet, das zwar mit Österreich verbunden ist, aber verkehrstechnisch nur über Deutschland zu erreichen ist - von dem Risikogebiet Österreich ausgenommen. Und andersherum gelten die österreichischen Einreise- und Quarantänebedingungen fürs Kleinwalsertal eben auch nicht. Nichts zu sehen hier, bitte weitergehen ...
Weitergegangen, naja, ne, eher zurückgegangen bin ich dann aber - ich entschied mich, den Bus sausen zu lassen und die knapp sechs Kilometer nach Oberstdorf zurückzuwandern. Ich sollte den Zug um 17.40 Uhr erwischen, um noch nach Hannover zu kommen; wenn ich den nicht erwischt hätte, wäre ich zumindest noch nach Erzingen (Baden) gekommen, um dort von meiner Mutter abgeholt zu werden ...
Die kaum anstrengende Wanderung (an der Grenzsteine sind keine Grenzsteine, nur zwei Plaketten und ein orangener Punkt ...) führte zunächst an der Straße entlang (der Wanderweg war noch verschneit, und ich hatte ganz falsche Schuhe dafür an ...), danach über einen gut ausgebauten Wanderweg über Feld und durch Wald. Ein bisschen Schnee lag dort auch noch, und einmal hätte es mich fast gelegt, aber das konnte ich abfangen - ich genoss die Blicke auf die Berge, lief ein Stück durch Oberstdorf hindurch und kam so vorfristig am Bahnhof an, dass ich noch ein Fleischkäsebrötchen kaufen - und verspeisen! - konnte, ehe der 17.40-Uhr-Zug losfuhr.
Ich hatte Umstiege in Kempten, Ulm, Mannheim und Köln avisiert, und gerade der in Kempten war arg knapp. Da kam es mir gar nicht recht, dass wir erst jeden Zug, der uns entgegenkam, vorbeiließen, denn plötzlich waren aus den vier Minuten Umsteigezeit dann minus zwei Minuten geworden ...
In Kempten standen noch zwei junge Frauen an der Zugtür in den Startlöchern und gemeinsam rannten wir - das war alles nicht nötig, denn der Zug wartete - selbstverständlich! - auf uns. (Ein bisschen stolz bin, dass ich mit den beiden Damen mithalten konnte, auch wenn die - im Gegensatz zu mir - bestimmt nicht voll durchzogen ...)
Die Verbindung Kempten-Ulm war problemlos, vor allem, weil der ICE, an den ich Anschluss haben sollte, auch spät dran war. Ich kaufte mir noch etwas zu trinken und stieg dann in den Zug ein. Blöd war jetzt, dass wir so spät dran waren, dass der Anschluss in Mannheim gefährdet war, um noch den ICE nach Köln und von dort den ICE nach Hannover zu erwischen.
Es kam, wie es kommen musste: Der ICE in Mannheim wartete nicht, sodass ich bestenfalls noch den Bummel-IC erwischt hätte, mit dem ich - zweimal Umsteigen unterwegs wäre dazugekommen - um 7.19 Uhr in Hannover gewesen wäre ...
Ich war schon leicht übermüdet, also entwickelte ich die fixe Idee, mit dem letzten ICE nach Köln zu fahren, dort eineinhalb Stunden Wartezeit auf der Domplatte zu überwinden, in den Bummel-IC einzusteigen, aber mit dem bis Hamburg weiterzufahren, dort in die Regionalbahn nach Sylt zu steigen, um 11.04 Uhr dort anzukommen, ein Fischbrötchen zu essen, und dann zurückzufahren nach Hannover, wo ich am Abend angekommen wäre - alles ohne Schlaf natürlich ...
Meine Kontaktlinsen hätten das nur unter schärfstem Protest mitgemacht, also kaufte ich kurz vor knapp in einer Drogerie im Mannheimer Bahnhof noch Kontaktlinsenflüssigkeit und -behälter und ging nach draußen vor den Bahnhof, um die Wartezeit zu überbrücken ...
Meine Mutter, die ich derweil anrief, redete auf mich ein, dass ich doch besser in den Schwarzwald kommen sollte, und tatsächlich gab es noch einen ICE in Richtung Freiburg und eine S-Bahn hoch nach Rötenbach, und auch die anderen Freunde, mit denen ich schrieb, befürworteten diese Lösung, sodass ich mit dem ICE nach Freiburg fuhr (die Schaffnerin bemerkte, dass meine vorläufige Bahncard schon am 25. März ausläuft; sie meinte, ich solle mal bei denen anrufen - aber heute war die richtige Bahncard 100 dann endlich im Briefkasten, juchhe!), dort erstmal (absichtlich, denn es war um halb eins gar nicht so warm in Freiburg) in die S1 in Richtung Breisach fuhr, nach ein paar Stationen ausstieg und dann - in die richtige Richtung - in die S1 noch in Richtung Löffingen fuhr.
War es in Oberstdorf mit Schneeresten getan gewesen, kam ich in Rötenbach um 1.53 Uhr in richtiges Schneegestöber, und als ich ausstieg, war meine Mutter nicht da ... Sie kam aber ziemlich genau eine Minute später angezuckelt, ich fuhr zurück, aber selten mit mehr als 40, 50 km/h, und den Berg kurz vor Göschweiler hoch fuhr ich im zweiten Gang Vollgas, weil wir sonst da nicht mehr hochgekommen wären bei schneebedeckter Fahrbahn ...
Um halb drei waren wir daheim (vor dem "Kranz" hätte ich mich in meinen Schühchen fast noch unfreiwillig in den Spagat begeben - nicht lachen da hinten!), um kurz nach drei war ich im Bett, nachdem ich noch geduscht hatte ... Schee ...
Heute Morgen stand ich dann - recht freiwillig - gegen 9 Uhr auf, es gab ein leckeres Frühstück bei Mama, und weil wir nicht nochmal durch die Wutachschlucht wollten und meine Mutter zudem mal das Kreisimpfzentrum in Tiengen sehen wollte, wo sie Ende März ihren Impftermin hat, entschieden wir uns, dass ich ab Tiengen fahre.
Am Rhein entlang ging es zum Badischen Bahnhof in Basel, dort hatte ich eine Stunde zum Umsteigen. "Ha, auch wenn der Badische Bahnhof zollrechtlich deutsch ist, staatsrechtlich ist er schweizerisch, bäm, Quarantäne!" Öhm, nö: Erstens kann man streiten, ob ein Umsteigen überhaupt einen Aufenthalt darstellt, zweitens war ich deutlich unter 24 Stunden in der Schweiz, und drittens war dieser Aufenthalt - anders als es ein paar Wanderungen waren, an denen ich nur einen Schwächeanfall vom Grenzübertritt entfernt war - nicht vorwiegend aus touristischen Gründen (oder zum Einkaufen) erfolgt, sodass ich auch nach diesem Kurzaufenthalt in der Schweiz nicht in Quarantäne muss ... (Und auch die Schweizer ließen mich rein - keine Einreiseanmeldung, weil ich im Regionalzug und sowieso in der Durchreise war; keine Quarantäne, weil die Quarantäneanordnung der Schweizer für Thüringen erst ab dem 23. März gilt.)
Die ICE-Fahrt (durchgehend von Basel nach Hannover) war harmlos (für mich), nicht jedoch für eine Mitreisende, die von zwei Zöllnerinnen richtiggehend gefilzt wurde, während ich komplett ignoriert wurde. Ich schaute Serien und guckte öfter aus dem Fenster, und um kurz nach 19 Uhr trudelte ich schließlich in meiner Wohnung ein - gut 16 Stunden Verspätung, okay, aber wenigstens war ich zwischendurch bei Muttern ...
Das war eine Tour, sag ich dem geneigten Leser, aber die Schnapsidee Oberstdorf-Westerland setze ich irgendwann nochmal um, denn das ist die Verbindung zwischen dem südlichsten und dem nördlichsten Bahnhof Deutschlands.
Unterwegs in Richtung Oberstdorf |
Die Breitach |
Im gelobten Land |
Staatsgrenze und Plakette (kurz vor dem Verkehrsschild, an der Mauer) |
Das wäre Ihr Wanderweg gewesen |
Das ist Ihr Wanderweg |
Blick auf Oberstdorf und Berge |
Blick auf die Berge |
Schnee im März soll's in Bonndorf geben |
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