Meine Länder

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Sonntag, 25. Oktober 2020

Als Geisterwanderer im goldenen Oktober

 ... fühlte ich mich heute, denn in der Ravennaschlucht kamen mir bestimmt hundert Menschen entgegen, während in meine Richtug kaum jemand lief (ja, klar, die Entgegenkommenden sehe ich alle, während ich die in die gleiche Richtung Gehenden nur dann sehe, wenn sie schneller oder langsamer sind als ich, aber trotzdem fühlte ich mich ein bisschen falsch ...). Auch wenn auf dem Weg zur Ravennaschlucht schon ein bisschen Badenindian Summer ("Baden" und "Indian", verstehste, super, gell?) herrscht, wird das auf dem Jakobsweg oberhalb des Höllentals erst so richtig schön - das ist wirklich toll gewesen heute, zumal das Wetter fantastisch war ...

Das Aufstehen heute Morgen war entspannt, gerade weil ich ja eine Stunde durch die Zeitumstellung gewonnen hatte (wobei der Sonne natürlich die Zeitumstellung herzlich egal war und sie fast eine ganze Stunde früher aufging als gestern ...) - aber der Hochschwarzwald zeigte sich neblig. Ich zog mich an und verließ das Haus, denn ich wollte mein Auto in Titisee abstellen. In Verhandlungen mit meiner Mutter erklärte ich mich bereit, bis Himmelreich zu laufen und mit dem Zug zurückzufahren, dann aber wollte ich am Bahnhof in Titisee stehen und nicht an dem Wanderparkplatz am See, den ich eigentlich anvisiert hatte.

Gesagt, getan, ich fuhr über Lenzkirch und Saig, doch als ich auf die B500 einbog, war der Titisee unter einer Nebelschicht verschwunden ... Ich stellte das Auto ab (6 Euro Tagesgebühr, das ist ja mehr als in der Schweiz!) und lief - im kühlen Nebel - los. Kurz vor dem Kurhaus stellte ich Verbindung zu meinen bisherigen Wanderungen her und bog kurz danach rechts in ein Wohngebiet ab.

Ein paar Menschen mit Hunden begegneten mir, doch als ich zum Eisweiher kam, hatte ich Ruhe vor Menschen ...

Kurz hinter der Gemeindegrenze Titisee-Neustadt/Hinterzarten musste ich eine Umleitung gehen, weil da eine Baustelle war, und ich entschied mich, auf der Gemeindestraße zu bleiben und nicht den steilen Aufstieg auf den Jakobsweg zu nehmen, den ich laut Umleitung hätte nehmen sollen (außerdem hätte ich da ein Stückchen vom Ziel weglaufen müssen, das wollte ich nicht).

Als es weniger steil und in die richtige Richtung den Berg hochging, nahm ich den Weg, und das war sehr richtig, denn so kam ich am Schanzenkomplex des Skistadions in Hinterzarten vorbei. Auch im Sommer sehen die Dinger sehr imposant aus, selbst wenn überhaupt nichts los war ...

Es folgte ein Spaziergängle durch Hinterzarten (ich glaube, so richtig war ich hier noch nie gewesen ...), ehe ich über verschlungene Pfade hinter einem Vater mit seinen zwei Kindern abbog und in Richtung Rotbach ging. Die drei bogen vor der Bahnunterführung ab (und gingen über den Löffentalweg an den unteren Eingang der Ravennaschlucht, denn in dieser begegneten sie mir ein, eineinhalb Stunden später wieder ...), während ich unter den Bahngleisen hindurch lief und dann abbog, in Richtung Birklehof.

Als ich das Schulgelände des Birklehofs betrat, hatte ich gerade die Grenze zwischen Hinterzarten und Breitnau überquert, sodass Breitnau meine erste (von drei) neuen Gemeinden heute wurde. Ich begegnete einer einsamen Schülerin, ehe ich die B 31 unterquerte und nach wenigen Metern auf die Straße namens "Ravennaschlucht" abbog ...

Es folgten einige hundert Meter auf dieser Straße, ehe es kurz vor der Ravennasäge rechts hoch in den Wald ging (einige andere Wanderer gingen den oberen Weg in Richtung Kaiserwacht entlang). Da wurde es dann ziemlich schnell dunkel, der Ravennabach floss anfangs links von mir, bald, nach der ersten Brücke, rechts von mir.

Die Ravennaschlucht gefiel mir richtig gut, auch wenn man über die feuchten Holzbrücken und gelegentlich engen (und immer steilen!) Treppenstufen wirklich aufpassen muss. Sowohl der kleine als auch der große Ravennawasserfall sind durchaus beeindruckend, auch wenn man nicht immer einen richtig tollen Blick hat - vor allem, wenn so ein Trottel (ich!) beim großen Ravennawasserfall Fotos macht und den Leuten, die da auch an den Aussichtspunkt wollen, mit großer Geste anzeigt, sie können gerne die Treppe hochgehen ... (Sorry, da hatte ich wirklich einen Gehirnhänger ...)

Richtig beeindruckend ist dann allerdings auch unten die Brücke der Höllentalbahn mit ihren hohen Bögen, das ist Ingenieurskunst aus dem frühen 20. Jahrhundert!

Ich lief auf das Goethehaus zu, bog zum Alten Zollhaus ab, schoss auf einen alten Grenzstein zu und übersah dabei, dass mein Weg nicht geradeaus, sondern rechts einen steilen Anstieg hochging. Nach 100, 150 Metern bemerkte ich mein Malheur (diesmal kann ich es nicht auf die Beschilderung schieben ...), lief wieder zurück und dann den steilen Berg hoch ...

Ich unterquerte noch einmal die Bahngleise und quälte mich (eine größere Gruppe ließ mich vorbei, sodass ich mich ein bisschen getrieben fühlte) den Berg hinauf. Entschädigung dafür war, dass der Wald wunderbar braun-rot-ockerfarben war, das war richtig schön (und wurde noch besser!) ...

Diese gut 60 Höhenmeter hatte ich geschafft, da ging es schon wieder bergab hinunter zur Posthalde ... Da kam ich nach einem guten Kilometer Weg an, nur um - dummerweise wusste ich das schon vorher - auf einen zweieinhalb Kilometer langen Anstieg zu kommen.

Ja, die Bäume sahen toll aus, ab und zu hatte man auch einen schönen Ausblick auf das Höllental, aber gerade der erste Kilometer des Anstiegs war richtig brutal (im Durchschnitt 16% Steigung!) - ich habe laut Wanderapp heute insgesamt über 3.000 kcal verbrannt!

Als ich den brutalen Kilometer überstanden hatte, ging es immer noch bergauf, aber es war erträglich - und noch besser wurde es, als ich den heutigen Höhepunkt in einer unscheinbaren Kehre erreicht hatte. Wobei, wirklich besser wurde es nicht, denn da war ich schon knapp 14 Kilometern unterwegs und meine Füße buhten und riefen "Aufhören!".

Ich sah - mitten auf dem Waldweg - einen mit Camouflagenetzen verhängten Stuhl, auf den setzte ich mich, aß meine Bananen, trank eine (kleine) Flasche Wasser leer, und diese kleine Pause hatte gutgetan, auch wenn meine Füße immer noch nicht willig waren ...

Die letzten fünf Kilometer im Wald zogen sich, ab und zu machte ich ein Foto vom Wald, eines vom (schönen) Blick auf Falkensteig, mir begegneten nur ein paar Fahrradfahrer und ganz zum Schluss zwei Wanderer ..

Irgendwo im Wald (kurz vor dem höchsten Punkt des Tages) hatte ich die Gemeinde Buchenbach erreicht, jetzt kam ich an die Bahngleise an der B 31 und musste diese überqueren, um in die Gemeinde Kirchzarten zu kommen. Die Schranke war gerade unten, sodass ich ein bisschen warten musste, um dann die letzten Meter zum Bahnhof Himmelreich zu marschieren.

Ich muss irgendwo abgekürzt haben, denn obwohl die Wanderapp bei der Planung deutlich über 20 Kilometern angezeigt hatte, zeichnete es sich ab, dass ich bei knapp unter 20 Kilometern am Bahnhof ankommen würde. Schräg ...

Praktischerweise sah ich auf meinem Gleis keinen Fahrkartenautomaten, sodass ich - es war eine Qual - über den Bahnübergang laufen musste, zum Fahrkartenautomaten, und mir eine Fahrkarte zog. Unterwegs sprach mich ein älterer Herr an, von wo der Zug nach Titisee führe? Ich hatte auf Gleis 1 gerade einen Zug nach Freiburg gesehen, sodass ich davon ausging, dass der ab Gleis 2 führe. Ein Blick auf das Handy (und den Fahrplan) ergab aber, dass der Zug nach Titisee auch von Gleis 1 abging.

Der Herr wollte mir nicht glauben, erzählte mir was von wegen "Zug fällt aus", sprach aber ständig von einer falschen Abfahrtszeit (und der falschen Linie und, um das Desaster komplett zu machen, auch von der falschen Richtung) ... Seine Frau war deutlich zugänglicher, aber erst als unser Zug auf Gleis 1 einfuhr, grummelte er sich (bestenfalls) einen Dank in den Bart (seine Frau zeigte "Daumen hoch" ...) und unsere Wege trennten sich im Zug ...

Nach zwanzig Minuten Zugfahrt, in denen mir fast die Augen zufielen, kamen wir in Titisee an - ich musste noch einige hundert Meter laufen - wieder richtige Quälerei durch jetzt dann doch Menschenmassen -, um zu meinem Auto zu kommen, aber dann konnte ich nach Hause fahren, unter die warme Dusche und dann Essen fassen ... Jetzt gucke ich Football und lecke meine Wunden ...

Das war nicht nur die erste 20-Kilometer-Wanderung, sondern auch die mit den laut Handy meisten Höhenmetern (749). Die Höhenmeterangabe ist traditionell unzuverlässig, aber anstrengend war's heute definitiv ... Und, durch den Ausflug auf das andere Gleis in Himmelreich wurde ein Punkt dort am Bahnhof ganz knapp der nördlichste Punkt meiner Wanderungen (bisher war das an der Donauquelle in Donaueschingen gewesen). Alles richtig gemacht also ...

Meine Mutter meinte, dass das heute vielleicht der Abschluss für das Jahr sei, das hoffe und glaube ich noch nicht, denn es wird ja hoffentlich noch das eine oder andere schöne Wochenende kommen, und da ich jetzt bei 861,12 Kilometern (davon 851,42 Kilometer im Schwarzwald) bin, sind die 1.000 Kilometer nicht mehr sooooo weit ... Mal sehen.

Fotos:

Eisweiher bei Titisee-Neustadt

Bisschen neblig heute Morgen

Schanzenviertel in Hinterzarten

Ravennabach

Über Stock und Stein

Großer Wasserfall

Da fällt er weiter, der Ravennabach

Unter dem Viadukt

Grenzstein am Alten Zollhaus (Gefahr des Wegirrtums!)

Badenindian Summer I

Badenindian Summer II

Badenindian Summer III

Auf diesen Stuhl von Metall will ich mich setzen ...

Blick auf Falkensteig

Schlussspurt

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