Meine Länder

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Freitag, 12. Juni 2020

"Wenn dää uff'd Schnurri fligt"

"..., stoht'e nimmi vo allei uff." Der ältere Herr, der mir beim Aufstieg aufs Herzogenhorn entgegenkam, echauffierte sich richtig über diesen Mountain-Biker, der kurz vorher mit Karacho an ihm vorbeigejagt war. Das war nicht etwa, weil der ihn fast über den Haufen gefahren hätte, sondern der Herr machte sich einfach Sorgen um den Typen (und die Mitmenschen), weil der nicht mehr gut hätte bremsen können, wenn plötzlich ein Hindernis (und Kinder waren heute genug unterwegs) vor ihm gestanden hätte (ich hatte ihn rufen hören und dem Herrn dann ein freundliches "schneller, höher, weiter" mit Fingerzeig auf den noch in Sichtweise befindlichen Mountain-Biker entgegnet). Achso, für alle Fälle die Übersetzung: "Wenn der auf die Schnauze fliegt, steht er nicht mehr von allein auf."

Meine Mutter hatte aus den Untiefen ihrer Vorräte eine Kniestütze hervorgezaubert und präsentierte mir diese gestern Abend, auf dass ich sie auf meine Wanderung heute anziehen möge. Das Ding half wirklich sehr gut, mein Knieschmerzen sind im Moment praktisch weg, obwohl es dann heute doch 18 Kilometer wurden, und das, obwohl ich meine Routenführung im allerletzten Moment radikal änderte.

Eigentlich wollte ich heute mein Knie schonen und den letzten Abschnitt an der Steina entlanglaufen, von Obermettingen runter nach Detzeln und Tiengen. Wenn mich der Hafer gestochen hätte, wäre ich noch weiter zur Mündung der Wutach in den Rhein gelaufen. Meine Ma und ich waren schon unterwegs in Richtung Obermettingen, als ich mich - am Sonnenbuckel, also soooo weit waren wir noch nicht - aufgrund des unfassbar guten Wetters heute dafür entschied, den Aufstieg auf das Herzogenhorn zu wagen.

Also bog ich am Sonnenbuckel anstatt nach rechts in Richtung Wellendingen nach links in Richtung Schluchsee ab, und eine Dreiviertelstunde später (naja, okay, eine Stunde später, denn in Bärental war dermaßen Rückstau, dass wir über Altglashütten und Falkau auf die B 317 fuhren) hielt ich vor einem abgesperrten Parkplatz an, weil meine Mutter nur auf den Fahrersitz umstieg. Diesmal kam kein hilfreicher Mann vorbei und erläuterte uns, dass wir da nicht parken könnten, meine Mutter machte trotzdem, dass sie wegkam ...

Ich lief - wieder wurde es verflixt schnell steil - in Richtung Grafenmatt hoch, blieb aber öfter stehen, um mich zu erholen und auch um den Blick auf Feldberg und Seebuck zu genießen. Den Weg hoch gibt es diverse Hütten (so etwa die Lörracher oder Emmendinger Hütte), aber für ein Bierchen - das schon zu diesem Zeitpunkt wohlverdient gewesen wäre - war es einfach noch zu früh.

Ich ließ den Gipfel der Grafenmatt (der immerhin auch schon auf 1377 m liegt) rechts liegen und wanderte wieder ein bisschen den Weg hinunter, bis ich zur Gaststätte und dem Leistungszentrum Herzogenhorn kam (hier trainieren wohl vor allem die Langläufer ...). Joa, und dann steht da plötzlich das Herzogenhorn vor einem, man schluckt, überlegt sich, ob man da wirklich hoch will, entscheidet sich dafür und weicht dann mit Karacho abfahrenden Mountain-Bikern aus (nein, in Wirklichkeit habe ich bisher noch kaum einen andere gefährdenden Mountain-Biker gesehen, da gibt es ein ziemlich gutes Miteinander zwischen den Zweibeinigen und den Zweirädrigen ...).

Erst geht es am Wald entlang (ein kleines Mädchen grüßte ganz besonders freundlich alle, die ihr entgegenkamen, und auch mich, als ich sie und ihre Mutter überholte), bevor ein scharfes Linkskurve kommt. Die übersieht man aber fast, nicht, weil sie nicht gut beschildert wäre, sondern weil da an guten Tagen (und heute war ein guter Tag!) ein fastastisches Alpenpanorama zu sehen ist. Ich hätte das Herzogenhorn so oder so bestiegen, aber jetzt musste ich da hoch und mir das angucken ...

Die letzten 40, 50 Höhenmeter waren mühsam, zumal da auf dem Anstieg und auch auf dem Gipfelplateau ziemlich die Hölle los war (ein Wanderer, der offenbar häufiger aufs Herzogenhorn steigt, meinte, dass er noch nie so viele Leute da oben gesehen hätte), aber dann hatte ich es geschafft, machte ein furchtbares Selfie (heute war ein bisschen arg viel Sonnencreme auf meinem Gesicht gelandet ...) und klopfte an das (außergewöhnlich hohe) Gipfelkreuz auf 1415,6 m Höhe.

Ich machte es wie alle anderen (die keine Bank erwischt hatten) und setzte mich ins Gras, holte mein Getränk und mein Vesper aus dem Rucksack, mampfte und genoss diesen wunderschönen Ausblick auf die Alpenkette (die Fotos geben das leider nicht so ganz toll wieder ...).

Nach einigen Minuten (ich hatte noch ein Brötchen übrig, das ich dann im Hiker's High völlig vergaß ...) brach auf in Richtung Bernau und lief einen steilen, aber breiten Weg runter, bis ich zum Herzogenhornweg kam. Diesen verließ ich, um - über teils breite Wanderwege, teils steile Pfade - auf den Krunkelbachweg zu kommen, der wenig überraschend zur Krunkelbachhütte führt ... Da hätte ich mir jetzt ein Bier genehmigen dürfen, aber ich hatte mich jetzt entschieden, in Richtung St. Blasien (und nicht in Richtung Todtmoos/Ibach) zu wandern, sodass ich heute nur eine neue Gemeinde (Bernau, die 18. Gemeinde des Landkreises Waldshut) besuchte, dafür aber die Möglichkeit hatte, über eine lange Wanderung den Ringschluss in St. Blasien zu erreichen. Nach Bläsi waren es aber noch deutlich mehr als zehn Kilometer, und deswegen gönnte ich mir kein Bier - ich hatte die "Tränke" in St. Blasien vor Augen (diese Augen sind ein bisschen feucht ob der vielen Schulzeit-Abende da drin, an die ich mich allenfalls so semi erinnern kann ...), und da wollte ich mir ein Bierchen gönnen.

Von der Krunkelbachhütte ging es hoch zum Kleinen Spießhorn, und auf dem Weg kam ich an einem Paragliding-Startplatz vorbei. So aus der Nähe hatte ich dieses Spektakel auch noch nicht betrachtet, aber ich bekam (und bekomme jetzt, wo ich das schreibe) feuchte Hände, wenn ich mir vorstelle, dass ich ein paar hundert Meter über dem Boden nur an einem Paraglider hänge ... (Nicht, dass ich mir das nicht mal vorstellen könnte, aber dann brauche ich schwitzfeste Handschuhe ...)

Vom Kleinen Spießhorn ging es in einen Genießerpfad, also bekam ich Angst ... Dieser Pfad war jetzt aber wirklich für (nicht-masochistische) Genießer, auch wenn es teilweise ganz schön übel steil abwärts ging (mein Knie hielt glücklicherweise). Auf dem steilsten Stück kam uns eine Familie entgegen, die nicht ganz unglücklich schien, als ich ihr sagte, dass sie es bald geschafft haben.

Unterwegs ging es ein paarmal über Mutterkuhweiden (allerdings hatten die Mutterkühe heute Urlaub), aber dass man da keinen Hund von der Leine lassen oder dem Kälbchen nachstellen sollte, bedarf wohl doch eines größeren Hinweises am Eingang zu Weide, denn von diesen Hinweistafeln gab es mehrere ...

Kurz vor dem letzten Steilstück in Richtung St. Blasien war ich unschlüssig, welcher Weg der richtige ist, als vier Mountain-Biker kamen, die in die gleiche Richtung wie ich wollten. Die beiden Damen waren ein wenig unsicher, ob sie den (steilen) Weg herunterfahren können, und ich bin nicht sicher, ob mein "Viel Erfolg!" so ankam, wie es ankommen sollte, nämlich ehrlich ... Nun denn, die beiden schoben - vernünftigerweise, wie ich finde, wenn man nicht sicher ist, ob man das Fahrrad beherrschen kann; ich würde also immer schieben ... - ihre eBikes den Berg hinunter und am Ende des Steilpfades trennten sich unsere Wege, denn ich bog nach rechts ab in Richtung Landesstraße.

Nachdem ich einen Langholztransport, der gerade abgeladen wurde, möglichst weiträumig umgangen hatte, querte ich die Landesstraße, nur um nach wenigen Metern im Wald auf eine Umleitung geschickt zu werden, weil das Holz dort gerade besprenkelt wurde ...

Es ging also noch ein bisschen den Berg hoch, und auf dieser Strecke erreichte ich Tageskilometer 12,15. Der regelmäßige Leser wird sich denken können, dass da was im Busch ist, denn dieser Kilometerstand bedeutete, dass ich seit dem 5. April 500 Kilometer gewandert war ... Ich schaute mich um, ob mich jemand sieht, wartete den Fahrradfahrer ab, und als der um die nächste Kurve gefahren war, jubelte ich ein bisschen ...

Ich war immer noch (oder vielmehr schon wieder) auf Bernauer Gebiet, doch als ich den Glashof erreicht hatte, war ich endgültig auf der Gemarkung des heutigen Zieles (St. Blasien) und an meinem zweiten möglichen Notausstiegspunkt angekommen, doch jetzt war alles egal, sodass ich meine Mutter anrief und ihr mitteilte, dass sie mich erst um 17 Uhr in St. Blasien abholen braucht (bis dahin war spätestens 15.45 Uhr angepeilt, an einem dann zu bestimmenden Punkt).

Ich lief an der Alb entlang über einen kleinen Pfad, kam auf einen größeren Pfad, wurde dort von einer jungen Frau brutal überholt (die wanderte so dermaßen schnell an mir vorbei, dass es - fast - "wusch" machte, aber ich armes Würstchen hatte ja schon 15 Kilometern in die Beinen, die war bestimmt am Glashof losgelaufen, so muss es sein ...), und landete schließlich am Tennisplatz in St. Blasien.

Ich treffe mich heute Abend vielleicht mit einem alten Schulfreund, und wir beide nahmen anno, vielleicht, 1997, an den Schulmeisterschaften im Tennis teil. Nach einem Match sollte mein Vater uns abholen, aber wir hatten uns irgendwie über den Abholungsort missverstanden. Jedenfalls kam mein Vater nicht zu Tennisplatz, sodass wir zurück in die Schule liefen (wir waren vom Spiel fix und fertig), nur um in der Schule vom Pförtner gesagt zu bekommen, dass mein - fuchsteufelswilder - Vater uns suche ... Irgendwann trudelte mein Vater, fuchtsteufelswild, ich erwähnte es, ein und bugsierte und nach Hause - und zu allem Überfluss waren wir uns wirklich keiner Schuld bewusst ...

Diesen Weg vom St. Blasier Tennisplatz zurück ging ich nun also erstmals seit mehr als zwanzig Jahren wieder, auch wenn so langsam alles außer meinem Knie wehtat (bzw. das tat auch weh, aber nur, weil die Bandage nach fünf Stunden jetzt ziemlich einschnitt ...). Ich ging noch einen kleinen Umweg durch den Kurpark, um an der Altbaupforte des Kollegs den Ring zu meinen früheren Wanderungen zu schließen und marschierte dann schnurstracks in Richtung Tränke.

Meine Mutter wollte mich um 17 Uhr abholen, und die Tränke öffnete um ... 17 Uhr ... Och menno. Sehr ärgerlich, aber es half alles nichts, ich setzte mich um die Ecke auf eine Bank, nur um von dort gleich wieder verjagt zu werden ("frisch gestrichen", der Typ wollte gerade die Bank absperren, als ich mich hingesetzt hatte, aber Farbe an der Hose habe ich trotzdem irgendwie nicht ...), also setzte ich mich auf ein Mäuerchen, der Typ mit der Bank bat noch mehrfach um Entschuldigung, während er die Absperrung setzte, aber mir war jetzt alles egal, weil ich mich so auf mein Bierchen gefreut hatte ... (Ich höre dahinten zwar das mitleidige "oooooooh", aber es ist noch zu leise - bisschen lauter, bitte!)

Glücklicherweise war meine Mutter überpünktlich und schon um 16.45 Uhr da, sodass ich mir dann um 17.15 Uhr zu Hause eine Spezi an den Hals setzen konnte (Bier kommt später).

Das hat heute mal wieder richtig, richtig Spaß gemacht, am Schluss waren es 17,79 km in mehr als viereinhalb Stunden (die zeitlich längste Wanderung), die insgesamt 10.000 Höhenmeter habe ich auch geschafft (mit Vorsicht zu genießen, wie mehrfach erwähnt), und ich habe jetzt die drei höchsten Berge (ohne die beiden Nebengipfel am Feldberg; Schartenhöhe, wer es nicht mehr weiß) des Schwarzwaldes bestiegen. Juchhe!

Wenn die Sünden des heutigen Tages nicht alle morgen bestraft werden (etwa mit schlechtem Wetter oder mit bestialischem Muskelkater oder allgemeiner Müdigkeit nach dem Treffen mit dem Schulfreund heute Abend), könnte es wieder auf Tour gehen, vielleicht dann wirklich ins Steinatal, aber das entscheide ich morgen spontan.

Fotos lohnen sich heute - hoffe ich - wirklich:

Blick auf den Seebuck

Blick auf Seebuck und Feldberg

Blick aufs Herzogenhorn

Gipfelkreuz auf dem Herzogenhorn

Alpenblick

Blick in Richtung Nordwesten (glaube ich)

Könnte das Spießhorn sein

Blick auf Bernau

Die Alb, schon auf St. Blasier Gemarkung

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