Meine Länder

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Dienstag, 16. Juni 2020

In der Teufelsküche, dann in der Schweiz

... bin ich heute gewesen, und, liebe Besserwisser, ich weiß natürlich, dass die Redewendung "in Teufels Küche" lautet, aber der Waldweg, den ich heute zwischen Stühlingen und Eberfingen hochgestiegen bin, heißt nun einmal "Teufelsküche", und das Wegsymbol ist ein kleines rotes Teufelchen ...

Nachdem ich den ersten Arbeitstag nach drei Wochen Urlaub beendet hatte und meine Mutter aushäusig war, musste ich mir einen Rundweg zusammenbasteln, und ich entschied mich, an den Wanderparkplatz zwischen Stühlingen und Eberfingen zu fahren, an dem meine Mutter mich neulich mal abgeholt hatte.

Von dort lief ich erstmal am Waldrand entlang in Richtung Eggingen, hatte dann aber die Auswahl, ob ich den längeren Weg außenherum (über eine Kreisstraße) laufe oder mich auf den Pfad durch die Teufelsküche wage. Ursprünglich hatte ich geplant, den längeren Weg zu nehmen, aber da wäre ich an kaum mehr Grenzsteinen vorbeigekommen, und "Teufelsküche" klang interessant - die wollte ich erkunden.

Nun, in der Teufelsküche kam ich fast in Teufels Küche, denn das ist ein enger, rutschiger Pfad mit teilweise heftigen Steigungen, ab und zu liegt der Weg im Bachbett, und zu allem Überfluss fing es ein bisschen an zu regnen, als ich - bei blauem Himmel! - den Weg hochkraxelte, sodass die ohnehin rutschigen Pfade noch rutschiger wurden.

Jemand hat da auch so etwas wie eine Treppe reingebaut, aber die Treppenstufen müsste man mal erneuern, denn die sind so schief und quer (und natürlich rutschig), dass der Baumstamm, an dem man sich abstützen kann (und sollte!) schon ganz abgegriffen ist. Wenn man am oberen Ende dieser Treppe ankommt, geht es erstmal - nicht ausrutschen! - an einem vier, fünf Meter hohen Abhang vorbei, das war die erste Wanderung, bei der ich erstens feststellte, dass man manchmal Trittsicherheit braucht, und bei der ich zweitens die Hände zu Hilfe nahm, um mich am Fels festzuhalten, auf dass ich nicht abrutsche und ins Bachbett kippe ...

Das ist - damit ich nicht falsch verstanden werden - ein wunderbarer Pfad, und es macht großen Spaß, den hochzulaufen, aber hinterher war ich völlig verschwitzt, und ein bisschen Angstschweiß wird - neben dem Anstrengungsschweiß - auch dabeigewesen sein ...

Irgendwo auf diesem Pfad - so genau konnte ich es nicht eruieren, weil ich keinen Grenzstein sah - überquerte ich nicht nur die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz, sondern auch - wenige Meter weiter - ein paar Mal die Grenze zwischen den Schaffhauser Gemeinden Oberhallau und Hallau.

Als ich aus der Teufelsküche herauskam, begrüßte mich die Schweiz mit einem wunderbaren Blick auf Feld und Wald und Wolken und Hügel, und ich freute mich - ja, mal wieder, ich weiß - ein Loch in den Bauch, dass ich jetzt endlich auf einer Wanderung (und legal) Schweizer Boden betreten durfte.

Die Suche nach dem Grenzstein 410 erwies sich als ein bisschen schwierig, weil der hinter den Büschen versteckt war, aber schließlich fand ich ihn und latschte danach den gesamten Grenzweg (der ist hier fast durchgängig begehbar, und auf die Ausnahme komme ich noch zu sprechen) bis zum Grenzstein 440 hindurch, also mehr als 30 Grenzsteine waren heute die Ausbeute, das ist sehr ordentlich ...

Ich wechselte so oft das Land, dass ich mit dem Zählen gar nicht erst anfing, zumal der Grenzweg - so wie es sein soll, finde ich - tatsächlich so angelegt ist, dass er mal zum einen, mal zum anderen Land gehört - einmal ist der Grenzstein links des Weges (ich also in dem Fall in der Schweiz), dann wieder rechts des Weges (ich also in Deutschland), und auf dem Weg überquert man irgendwo über mehrere Wegmeter verteilt die Grenze ... Es ist soooooooo herrlich.

Vom Grenzstein 410 bis zum Grenzstein 414 geht man einen gut ausgebauten Wanderweg (Feld links Deutschland, Weg rechts Schweiz), danach geht es auf einen kleinen Pfad mitten durch den Wald, aber da man immer den Grenzsteinen nachhechtet, findet man den Pfad auch alle Fälle. Ab Grenzstein 419 geht es sodann an deutschen Wäldern und Schweizer Feldern vorbei, bis man zum Grenzstein 433 kommt.

Da verlässt der Weg die Grenze, wird komplett deutsch und kommt wieder am Grenzstein 437 an die Grenze (der eine Grenzstein dazwischen steht - kaum erreichbar - zwischen einer Grasfläche und einem Feld). Die Tatsache, dass es zwischen 433 und 437 nur einen Grenzstein gibt, sollte jeden Leser stutzig machen, und auch die Tatsache, dass der Weg, der bisher so getreulich der Grenze gefolgt war, da auf einmal auf deutsches Gebiet abbiegt, erscheint erstmal überraschend (wer gähnt da hinten?!).

Ein erster Hinweis (keine Sorge, ich mache es nicht zuuuu spannend) ist, dass die Grenzsteine da alle von 1966 sind - und tatsächlich wurde in den 1960er-Jahren der Grenzverlauf dort durch einen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft verändert.

Ab dem Grenzstein 427 bis zum Grenzstein 440 wurde die Grenze - mit Ausnahme dieses einen Stückchens (und weil da die Grenze begradigt wurde, fielen zwei Grenzsteine ersatzlos weg) - direkt an den Waldweg herangesetzt, sodass der Wald nun komplett deutsch wurde; diese ganze Aktion erfolgte im Rahmen eines Gebietsaustausches, der auch die Verlegung der Grenze in die Mitte der Wutach vorsah (bis dahin querte die Grenze relativ wild die Wutach).

So, das war's jetzt mit dem historischen Abriss, wer will, kann sich die Drucksache V/1031 des Deutschen Bundestages anschauen, da wird dieser Gebietsaustausch mit Karten und allem sehr schön dargelegt.

Jedenfalls kam ich, nach sehr glücklicher Begutachtung und fotografischer Dokumentation aller erreichbaren Grenzsteine, am Grenzstein 440 an, von dem aus die Grenze über den steilen Abhang in Richtung Wutach verläuft. Wenige Meter weiter sollte es einen (Schweizer) Fußweg geben, der an den deutschen Weg anschließen sollte. So behauptete es jedenfalls die offizielle Schweizer Karte, während mein Routenplaner da eher skeptisch schien.

Es mag ja sein, dass das Schweizer Militär mit den Dienstmacheten ihrer Soldaten da eine Schneise schlagen kann, aber ich hatte meine Wandermachete heute vergessen und musste, nachdem ich mehrere Wege nicht fand, ein ganzes Stück zurücklaufen, bis ich - über einen vom Unimog errichteten Pfad - auf einen einigermaßen vernünftigen Wanderweg (jetzt schon wieder in Deutschland) kam.

Ich wollte abkürzen, kam in eine Sackgasse und entschied mich dann gegen einen erneuten Aufstieg, sondern lief eine Trasse herunter, die irgendwann mal - vielleicht zur ursprünglichen Grenzvermessung 1839 ... - ein Weg gewesen war. Ich hielt mich ein oder zweimal an einem Grashalm fest, kam ab und zu ins Rutschen, fiel aber nie hin, auch nicht, als ich drei Bäume überkletterte, und war heilfroh, wirklich heilfroh, als ich auf einem in meiner App eingezeichneten Weg ankam.

Der Rest des Weges war dann unspektakulär, aber ich war froh und glücklich, als ich im Auto saß.

Es war sooooo schön, heute endlich mal so richtig durch die Schweiz wandern zu dürfen (auch wenn ich nur ganz am Anfang der heutigen Schweiztour mehr als 30, 40 Meter von der Grenze entfernt war), es war sooooo schön, ein paar Grenzsteine zu sehen, und vor allem war es schön, die Auswirkungen dieses Grenzvertrages mal in der Realität anzuglotzen. Ja, ich weiß, versteht keiner, aber mir gefällt es halt, und mich macht das glücklich ...

Fotos (ja, ein paar Grenzsteine sind dabei, aber nicht nur):

Ohne Worte

Bei so Wetter regnet es in der Teufelsküche

In Teufels Küche

Über diese Treppe musst du gehen

Willkommen in der Schweiz

Erster Grenzstein des Tages (Nr. 410)

Links: Feld, Deutschland, rechts: Weg, Schweiz

Illegale Schrottablagerung in gleich zwei Staaten - muss man erstmal schaffen ...

Neuer Grenzstein Nr. 433 von 1966

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