Meine Länder

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Sonntag, 23. Dezember 2018

Wenigstens kreativ

... war der Dieb gewesen, der - vermeintlich betrunken - in Nicaragua in Uli hereingefallen war und ihr dabei die Brille und das halbe Brillenetui geklaut hatte. Der Drecksack heute in der S-Bahn wandte dagegen rohe Gewalt an, um meiner Mutter die Kette vom Hals zu reißen und dann gerade noch so aus dem Waggon zu hüpfen, ehe der Zug weiterfuhr ...

Meiner Mutter ging und geht es - bis aus den aus meiner Sicht nachvollziehbaren Schock - gut.

Nun wäre es unfair, wegen eines Räubers ganz Tunesien zu verurteilen (das wäre ja so, als ob man wegen ein paar Bekloppten in Chemnitz ganz Deutschland für rassistisch halten würde), aber natürlich wird - das muss man leider so sagen - diese Gewalttat für mich in Zukunft im Zusammenhang mit diesem Land stehen, und das ist sehr schade, gerade weil den allermeisten Tunesiern im Zug die Situation (natürlich) sichtlich peinlich war und die allermeisten Tunesier, denen wir begegnen, so freundlich oder unfreundlich, aber jedenfalls strafrechtlich unauffällig sind wie die allermeisten Deutschen (naja, ehrlich gesagt sind die Tunesier meist freundlicher als die Deutschen ...).

(Zur Polizei sind wir nicht gegangen - was bringt das schon außer ein paar Stunden Zeitaufwand für nichts und wieder nichts ...?)

Wir sind aber fest entschlossen, uns die Tage hier nicht durch dieses sehr unschöne Erlebnis versauen zu lassen - es war ein anstrengender Tag heute, aber - wieder einmal - ein sehr interessanter.

Das Frühstück war für arabische Verhältnisse französischen Einschlages relativ üppig (das heißt natürlich nicht viel ...), ich aß lecker Merguez und andere scharfe Sachen, dazu ein hartgekochtes Ei und danach noch sicherlich schweinfreie Wurst, dazu wurde ein lecker Pfefferminztee verzehrt.

Danach liefen wir ein paar Schritte zum Place de Barcelone und wollten von dort mit der Metro zum Bahnhof Tunis Marine fahren. Ich erstand uns die Fahrkarten für pro Person zwanzig Cent oder so. Wir warteten gerade, als uns ein älterer Tunesier auf Englisch ansprach und dann, als er merkte, dass wir Deutsche sind, in sehr gutem Deutsch weiter machte.

Na prima, jetzt hatten wir den an der Backe ... Er muss mit uns nach Tunis Marine und erläuterte uns dort - ungefragt, und natürlich hätten wir das selbst hingekriegt -, wie wir eine Fahrkarte erstehen müssen. Danach hielt er den Zug für uns an, obwohl ich den Zug eigentlich gerne (mit dem Herrn drin) wegfahren lassen wollte ...

Nun denn, wir standen die ganze Zeit und erzählten, das war jetzt nicht schlecht, aber als wir in Sidi Bou Saïd ankamen (er hatte uns empfohlen, erst dorthin zu fahren und uns erst dann Karthago anzugucken ...), schüttelten wir ihn ab, ehe er noch ein Trinkgeld für seine (unerbetenen) Dienste haben wollte.

Mancher wird jetzt sagen: "Boah, ist der unhöflich." Aber erstens mag ich es nicht, wenn Leute mich anquatschen und dann nicht mehr von meiner Seite weichen, und zweitens hatte der Reiseführer vor dieser Masche gewarnt. Mag sein, dass ich da ab und zu überempfindlich bin, aber ich habe halt nunmal auch den sportlichen Ehrgeiz, mir die Reisen selbständig zu erarbeiten, und dann kann ich so jemanden nicht gebrauchen ...

Der Spaziergang durch dieses kleine, ganz in blau-weiß (meine Mutter war natürlich völlig begeistert) gehaltene Städtchen war sehr schön, aber auch nach zwanzig Minuten schon wieder beendet. Ich war heute wieder ein bisschen größenwahnsinnig und entschied, dass wir nach Karthago laufen.

Unterwegs kamen wir noch an einen schönen Häuschen vorbei, an den Ruinen der Basilika Saint-Cyprien (mit tollem Ausblick aufs Meer), am Präsidentenpalast, ehe wir nach einem, naja, dreiviertelstündigen Marsch, an der ersten Sehenswürdigkeit anlandeten.

Für zehn Sehenswürdigkeiten muss man zehn Dinar Eintritt zahlen, das sind 3 Euro, und so nahmen wir Nummer 1 - die römischen Villen - mit. Es gibt tolle Blicke aufs Mittelmeer, tolle Mosaike, teilweise geschützt in einer Art Höhle, teilweise noch an Ort und Stelle im Boden, es gibt ein hübsches Theaterchen und auch den Blick auf eine neuzeitliche Moschee ... Doch, die 30 Cent für diese Sehenswürdigkeit haben sich definitiv gelohnt.

Der Taxifahrer, der uns vorher (ungebeten) versprochen hatte, dass er auf uns warten würde, war (zum Glück) nicht da, als wir rauskamen, also liefen wir ein paar Meter zum Römischen Theater. Nun, das war zwar auch schön, aber dadurch, dass es für heutigen Aufführungen genutzt wird, eben nicht mehr so richtig antik, sodass wir uns da mehr ausruhten als die Architektur zu bewundern.

Ich jagte meine Ma - gegen den (natürlich völlig uneigennützigen und nur um das Wohl meiner Mutter bedachten) Rat des Taxifahrers - weiter zum Amphitheater. Leider liefen wir einmal in die falsche Richtung um das Teil herum, an einem Friedhof vorbei, ehe wir den Eingang fanden. Joa, ganz hübsch, aber jetzt auch nicht sooooo faszinierend.

Zurück, marschmarsch, ging es in Richtung der Basilika und des Karthago-Museums. In der Basilika schien heute ein Konzert zu sein, der Andrang war groß, und das Karthago-Museum wird renoviert, sodass man nur Zugang zum Gelände, nicht aber zum Museum hat.

Auch auf dem Gelände sieht man eine Menge, nicht zuletzt hat man einen fantastischen Ausblick aufs Mittelmeer und die Landzunge, die sich auf der anderen Seite der Bucht von Tunis auftut.

Leider gab es auf der Seite in Richtung Zugstrecke keinen Ausgang, sodass wir wieder zurück und außenherum um die Basilika gehen mussten, dann bergrunter, durch zwei Gassen, wieder eine Treppe runter und, bums, am Bahnhof standen. Wir verpassten gerade den Zug um eine Minute und mussten warten.

Ein bekiffter/besoffener/sonstwie bekloppter Typ laberte uns die ganze Zeit auf Franco-Arabisch voll, und wir sind nicht ganz sicher, ob er nicht im Team mit dem Räuber arbeitete (denn nach dem Raub war der Typ auch plötzlich weg ...), aber als der Zug kam, stiegen wir frohgemut ein ...

Nun, nach dem, ich sage jetzt mal, "Ereignis" stiegen wir einigermaßen gefasst an der Endhaltestelle aus dem Zug aus, liefen ein paar Schritte an den wirklich schönen Strand in La Marsa, entschieden uns gegen alle der Mehr-oder-weniger-eher-weniger-Strandkneipen (in der Sonne war es heute sehr warm, ich habe einen leichten Sonnenbrand davongetragen, aber im Schatten war es - offenkundig - nicht mehr so warm, hier ist schließlich auch Winter ...) und wollten zurück in die Stadt.

Wieder verpassten wir den Zug knapp, ich holte mir als Entschädigung noch ein Schawarma (einen arabischen Döner ...), zu dem es ungefragt labrige Pommes dazugab - am Ende zahlte ich 1,50 Euro, passt völlig.

Der nächste Zug kam irgendwie doch ziemlich schnell, ich aß im Zug zu Ende, und am Ende der Fahrt von Endstation zu Endstation kamen wir wieder in Tunis Marine an.

Wir liefen über die Avenue Habib Bourguiba (das war der erste Präsident Tunesiens nach der Unabhängigkeit), an einem modernen Uhrturm vorbei und wurden von einem Ober eingefangen, dem wir gestern offenbar den Eindruck vermittelt hatten, dass wir nach einem kurzem Bummel bei ihm essen würden ...

Nun denn, das bestellte Bier war alkoholfrei, dafür ziemlich teuer, und dann wollte er uns noch abzocken, denn er wollte für das Bier, das mit drei Euro für den halben Liter für tunesische Verhältnisse schon sehr teuer ist, fast fünf Euro haben. Er zeigte sogar eine Karte vor, hatte sich dann "verrechnet" und bekam die sechs Euro sowie einen bitterbösen Blick als Trinkgeld.

Wir suchten noch eine Bierkneipe, die wir gestern entdeckt hatten, stellten dann fest, dass die genau neben der Bescheißerkneipe lag (der Typ hatte uns von weitem kommen sehen und schon gewinkt, sodass wir tunnelmäßig an der schönen Kneipe vorbeiliefen), ließen uns dort nieder und bezahlten pro 0,3-l-Bier hier 80 Cent ... Das wiederum lässt sich angehen.

Wir hatten ja nicht sooooo viel gegessen, also ließen wir es einigermaßen zeitig gut sein (meine Ma war natürlich die einzige Frau in der Kneipe, aber die Kneipe hat uns, glaube ich, nicht zum letzten Mal gesehen, auch wenn sie so verräuchert ist, dass sich jede Forelle dort wohlfühlen würde ...) und liefen dann entspannt zum Hotel zurück.

Es ist jetzt kurz vor halb neun, und wir sind schon bettfertig. Um 6.30 Uhr gibt es Frühstück, und ich ahne schon Schreckliches, wenn meine Ma so früh im Bett ist. Spätestens um 6 Uhr geht bestimmt das Gekruschtel los ...

So, ein sehr ereignisreicher Tag war das, trotz allem ein schöner, mal sehen, was wir morgen Abend zu berichten haben. Vielleicht fahren wir nochmal nach Karthago, weil wir zumindest eine wichtige Sehenswürdigkeit noch nicht gesehen haben, weil sie heute zu war, vielleicht gucken wir uns morgen die Medina an, vielleicht fahren wir aber auch mal mit dem Zug nach Sousse oder so. Ins Bardo-Museum gehen wir morgen nicht, denn das hat morgen zu, aber es gibt offenbar noch genug in Tunis und Umgebung zu sehen ...

Wer am Abend des 24. Dezember Besseres zu tun hat als meinen Blog zu lesen (tsts!), dem wünsche ich an dieser Stelle frohe Weihnachten, ich denke aber, dass ich morgen Abend wieder berichten werde ...

Fotos, wenn sie klappen:

Triumphbogen am Eingang zur Medina

Straßenbild in Tunis

Sidi Bou Saïd

Ruinen der Saint-Cyprien-Basilika und Blick aufs Mittelmeer

Römische Villen

Römisches Theater


Amphitheater

Basilika
Blick aufs Mittelmeer vom Museumsgelände aus

Blick aufs Meer in La Marsa

Uhrturm in Downtown Tunis

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