Meine Länder

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Samstag, 18. März 2017

Bisschen früher

... als gedacht kam ich heute in mein 114. Land ...

Aber erstmal Spannungsbogen:

Wir kamen gestern einigermaßen pünktlich los und hatten einen ziemlich leeren Flieger, sodass sowohl meine Ma als auch ich uns jeweils in eine Dreierreihe legen und dort ein bisschen pennen konnten. Am Ende habe ich nur zwei Stunden (maximal) mit dem Kopf auf der harten Sitzlehne (trotz zweier Kopfkissen dazwischen) geschlafen, aber immerhin sind das zwei Stunden mehr als üblich.

Ethiopian Airlines hat leider keine deutschsprachigen Filme im Angebot, sodass ich von "Arrival" nur die Hälfte verstand (komischerweise verstehe ich englischsprachige Serien deutlich besser als englischsprachige Filme, das ist mir irgendwie unklar ...), aber wenigstens guckte ich nur einen Film auf dem Flug nach Addis.

In Addis angekommen, musste ich mich sehr zusammenreißen, nicht in die bestialisch stinkende Flughafentoilette zu ... mich zu übergeben, und das lag nicht an übermäßigem Konsum alholischer Getränke, sondern wirklich an dem üblen Geruch. Wir setzten uns - morgens um halb sieben - in die Bar, gerieten mit drei anderen Deutschen an den Tisch, der eine (auf dem Weg nach Mombasa) bestellte ein Bier (morgens um halb sieben), meine Mutter war vernünftiger ...

Wir waren als Erste mit dem Boarden dran, verabschiedeten uns also von den anderen und begaben uns zum Gate. Liebe Äthiopier, ihr habt an diesem bekloppten Terminal 2 in Addis Abeba genau drei Sicherheitskontrollen - da muss es doch möglich sein, an jeder Sicherheitskontrolle einen Mann und - zum Henker - eine Frau zur Nachkontrolle zu positionieren, falls es bei jemandem piept.

Die Titanhüfte meiner Mutter (oder sonstwas an ihr) piepte, und weil sie an unserer Sicherheitskontrolle halt meine Frau hatten, wurde meine Mutter wieder weggeschickt und musste in die andere Sicherheitskontrolle. Das Schuheausziehen kann man ja den Amis nachmachen, wenn man unbedingt will (auch wenn's beknackt ist), aber sowas ist einfach nur, Entschuldigung, komplett bescheuert.

Als es ans Boarden in Addis Abeba für unseren Flug nach Accra in Ghana ging, hatte ich mich schon wieder ein bisschen beruhigt. Die Ruhe wurde durch - abermals - sehr viel Platz in den hinteren Sitzreihen belohnt, sodass meine Mutter und ich jedenfalls in Business-Class-Besetzung (A und C mit freiem Platz B) sitzen konnten.

Diesmal wurde es eine lustige Komödie ("Spy") während des Fluges, aber das Spannendste an diesem ganzen Tag kam jetzt erst ...

In Accra wurden wir vom Bus zur Anreise bugsiert, mussten durch die Ebola-Kontrolle (haha) und unsere Impfpässe vorzeigen und wollten dann hoch in den Transitbereich, weil wir ja noch die Bordkarten für den verbleibenden Emirates-Flug von Accra nach Abidjan holen mussten - die konnte man uns beim Check-in in Frankfurt noch nicht ausstellen.

Die Rechnung hatten wir allerdings ohne das außerordentlich kompetente Bodenpersonal in Accra gemacht. Die sagten uns nämlich, wir müssten unser Gepäck holen und in Accra wieder einchecken, weil Emirates beim Check-in die Leute persönlich sehen wollte.

Erstens, liebe Leute, war das nicht Inhalt unserer Vertragsbeziehung zu dem Reiseveranstalter und insbesondere nicht zu den Fluggesellschaften, denn unsere Flüge wurden als eine Buchung verwaltet, und ja, unser Gepäck wurde - jedenfalls laut Angabe auf unserem Gepäckschein - bis nach Abidjan durchgecheckt. Das sah die außerordentlich kompetente (ich weiß, ich wiederhole mich und hätte mich gerade ironischerweise bei "kompetent" fast vertippt ...) allerdings nicht ein. Das zweite, deutlich größere Problem war, dass wir für Ghana ein Visum bräuchten, und zwar auch für den Transit.

Es wurde Bodenpersonal von Ethiopian Airlines angerufen und die machten (jetzt aber nicht mehr ironisch) das Beste aus der verfahrenen Situation. Die Dame sagte mir, es reiche, wenn nur ich mit ihr rausgehe, das Gepäck hole und dann mit dem Pass meiner Mutter (und meinem eigenen) zum Emirates-Check-in gehen und unser Gepäck einchecke (soviel zu dem "Emirates will die Leute persönlich beim Check-in sehen" der ersten - jetzt wieder ironisch - hochkompetenten Sicherheitsfachtante ... Argh!).

Das Problem mit dem fehlenden Transitvisum sollte dadurch gelöst werden, dass ich 50 Dollar in meinen Pass lege und sie mit den Grenzern spricht. Das wäre ja einfach gewesen, wenn natürlich auch offensichtlich Korruption, wenn ich denn 50 Dollar in bar gehabt hätte. Jetzt hatte ich nur ein paar Zwanzig-Euro-Scheine dabei ... Ich ließ es also erstmal darauf ankommen, legte 40 Euro in meinen Pass und gab ihn meiner (jetzt wieder unironisch) sehr handlungsstarken Ethiopian-Airlines-Tante (wer mit der Ironie nicht mehr hinterherkommt: Flughafen-Bodenpersonal doof, Fluggesellschaft-Bodenpersonal gut) ...

Die sprach mit dem Grenzer, füllte meinen Einreisezettel aus, der Grenzer brachte den Zettel und meinen Pass einer zweiten Grenzerin, und der erste Grenzer wollte, weil er das alles für mich erledigte ("I sort it out for you"), noch fünf Euro extra haben. Joa, die hätte er sogar gekriegt, wenn ich denn fünf Euro in Scheinen gehabt hätte, hatte ich aber nicht (siehe oben). Während ich also jetzt vier Euro in Münzen (einschließlich zweier Fünfzig-Cent-Münzen) herauskramte, mischte sich ein dritter Grenzer ein (weil mein erster keine Münzen haben wollte) und fragte, ob ich das Geld nicht haben will. Doppel-Argh - wollt ihr mich denn alle verarschen?

44 Euro war ich jetzt also für einen Stempel im Pass los, ohne dass dieser Pass jemals ein ghanaisches Transitvisum gesehen hätte, aber immerhin noch ein paar Dollar weniger als die ursprünglich genannten 50 Dollar. Derweil harrte meine Mutter im Transitbereich der Dinge, die da kommen sollten ...

Die Damen (inzwischen waren es zwei von Ethiopian geworden) begleiteten mich zum Gepäckband - und unser Gepäck kam ... natürlich nicht! Ein weiterer Ethiopian-Airlines-Mitarbeiter wurde hinzugezogen, und finalmente wurde eruiert, dass unser Gepäck - oh Wunder der Technik - doch durchgecheckt würde ... Ich hatte jetzt die Wahl zwischen Wutausbruch und Glückseligkeit - wieso Glückseligkeit, um Gottes Willen?

Nun, durch diese Bestechungsaktion oder - nennen wir es besser so - unorthodoxe Beschaffung eines Transitvisums hatte ich jetzt einen tollen ghanaischen Stempel im Pass, der mich zu einem 48-stündigen Transit in diesem wunderbaren Land (ob das jetzt ironisch gemeint ist oder nicht, überlasse ich dem geneigten Leser) berechtigte ... Damit war ich "ordnungsgemäß" (höhö) eingereist und dementsprechend wird Ghana jetzt nicht als mein Land Nr. 113+1, sondern als vollwertiges Land Nr. 114 gezählt - dafür haben sich die 44 Euro fast gelohnt, denn so billig komme ich nicht mehr nach Ghana ...

Ich entschied mich also für grenzdebiles Grinsen, als ich hinter der Ethiopian-Tante vom Gepäckband zum Zoll (der ließ mich in Ruhe), aus dem Flughafengebäude (Ankunft) heraus, die Rampe hoch, ins Flughafengebäude (Abflug) hinein, dort durch die erste Sicherheitskontrolle und durch die Dokumentenkontrolle (ich hatte natürlich beide Pässe, beide Impfpässe und beide Visa für die Elfenbeinküste dabei) zum Check-in watschelte.

Die Emirates-Check-in-Dame begrüßte mich mit "Wie geht's?", was ich grinsend mit "gut" beantwortete ... Während mir die Bordkarten für meine Mutter und mich ausgestellt wurden ("Report for boarding now"), diskutierten da hinten nochmal geschätzt fünf Leute, ob unser Gepäck jetzt durchgecheckt würde oder nicht. Mir wurde versichert, dass das Gepäck wirklich durchgecheckt würde, was natürlich gut war - andererseits hatte die Bodenpersonal-Fachtante (also die ironisch kompetente ...) in dem ganzen Chaos unsere Gepäck-Tags an sich genommen und wahrscheinlich inzwischen längst entsorgt ... Argh.

Die eine der beiden Ethiopian-Damen ging nun mit dem Pass und der Bordkarte meiner Mutter, aber nicht mit ihrem Visum (dazu später mehr ...) zurück in den Transitbereich zu meiner Mutter, während ich der anderen Ethiopian-Dame in den Abflugbereich folgte. Natürlich musste eine Ausreisekarte ausgefüllt werden, halleluja.

Ich war davon ausgegangen, dass die mich nach dieser Aktion, die man mit sehr viel gutem Willen als "Graubereich" auslegen könnte, wieder an den gleichen Grenzern vorbei in den Transitbereich schleusen würde - "don't assume anything" (nimm nichts an), hat mich mein erster Chef gelehrt.

Nö, ich ging durch die ganz normale Ausreisekontrolle, der Grenzer fragte auch "Wie geht's", suchte das Transitvisum, fand keines und fragte dann, wann ich eingereist sei ("an hour ago", vor einer Stunde) und ob ich "nur den Stempel als Transitvisum" hätte, was ich bejahte. Das war in Ordnung (!!!) und ich wurde - selbstverständlich mit biometrischem Foto mit Carl-Zeiss-Kamera - ordnungsgemäß wieder aus Ghana ausgestempelt. Die Sicherheitskontrolle bestand aus nicht funktionierenden Röntgengeräten und nicht funktionierender Sicherheitsschleuse mit anschließender Leibes- und Gepäckvisitation (wie oft habe ich eigentlich schon "argh" geschrieben, heute?), sodass ich nach deren Überstehen nun endlich im Abflugbereich war.

Meanwhile in the transit area (unterdessen im Transitbereich): Die eine Ethiopian-Tante war zu meiner Mutter in den Transitbereich zurückgegangen und begleitete sie zur Transitsicherheitskontrolle, verabschiedete sich dann aber mit den Worten, dass ihr Sohn (also ich ...) schon oben am Gate auf sie warte. Meine Mutter überstand die Sicherheitskontrolle und wollte zum Gate, als sie von einem Emirates-Mitarbeiter auf ihr Visum angesprochen wurde, das die Ethiopian-Tante natürlich nicht mitgenommen hatte, als wir uns nach dem Check-in getrennt hatten. Da meine Mutter gesagt bekommen hatte, dass ich schon im Transitbereich wartete (in Wahrheit stand ich da gerade auch erst in der Sicherheitskontrolle), sagte sie das auch dem Mitarbeiter. Nun, er wollte - verständlicherweise (nicht ironisch!) - das Visum meiner Mutter sehen, nur war ich halt nicht aufzufinden, was für das Nervenkostüm meiner Mutter nicht unbedingt optimal war ... (Bild-Zeitung morgen: "Deutscher wegen besonders plumper Bestechung in Ghana verhaftet - Bild am Sonntag schämt sich")

Als ich dann grinsend - ob der durchaus bestehenden Hoffnung, dass jetzt alles gut wird - an die Gatekontrolle kam, sah ich meine Mutter dort sitzen, und als sie mich sah, konnte man die zentnerschwere Sorge von ihren Schultern herunterpurzeln hören!

Wir überstanden also die Visakontrolle und setzten uns ans Gate. Naja, der Bustransfer zum Flieger lief gut, Emirates hat schon ein cooles Entertainment-System, und nach einer kurzweiligen Dreiviertelstunde Flug landeten wir auch schon in Abidjan.

Wir durften in das E-Visa-Büro, wurden einigermaßen schnell abgefertigt (mit Fingerabdrücken und biometrischem Bild, was aufs Visum gedruckt wird, was nach, ähm, 16 Stunden oder so unterwegs schlimmer als jedes Verbrecherfoto (wie passend!) aussieht, äußere Klammer zu:), standen dann noch an der eigentlichen Einreise ein paar Minuten und kamen dann zum Gepäckband. Oh Wunder der modernen Welt, unser Gepäck war da. Es gab jetzt noch zwei Komplikationen: Die Ivorer prüfen, dass man nicht fremde Gepäckstücke mitnimmt, indem man das Gepäck-Tag vorzeigen muss - das hatte ja aber die ironisch kompetente Tante in Accra entsorgt, sodass wir die Kontrolleure mit Müh' und Not überzeugen konnten, den Gepäckanhänger mit den Namen in unseren Pässen zu vergleichen - wir durften passieren. Achso, und am Zoll muss man alles nochmal durchleuchten lassen, und als ich zum Ausgang wollte, haute ich mir mein Schienbein an dem Eisengestell an - aua, aber ich werde es überleben ...

Wir wurden vom Fahrer und dem (deutschen) Verwalter unseres Hotels abgeholt, fuhren eine halbe Stunde oder so aus Abidjan raus und kamen dann bei unserem Hotel an.

Meine Ma ist leider nicht so richtig begeistert, was ich verstehen kann, was ich auch vorher schon ahnte, aber irgendwie gibt es an der Elfenbeinküste kaum bezahlbare und gleichzeitig mit "gut" bewertete Hotels. Das Zimmer und die Anlage sind ziemlich einfach, aber der Strand ist - auf der Breite der Anlage - vom gröbsten Müll geräumt (der Müll liegt dann halt jenseits der fiktiven Grundstücksgrenze ...) und ansonsten ziemlich schick, nur der Atlantik ist halt ein bisschen wild hier. Aber ein bisschen planschen werden wir hoffentlich können die nächsten Tage.

Die Bewertungen haben auch insofern recht, dass man auf das Essen hier lange warten muss (ca. eine Stunde). Aber die Wartezeit überbrückten wir mit mehr oder weniger kalten Hopfenkaltschalen - und das Warten lohnte sich, denn das Kaninchen, die Tintenfische und auch das Allokó (in Ei gebratene und mit Chili bestreute Kochbananen) waren ganz hervorragend, und das zu einem bei der Aussicht und der Qualität ganz akzeptablen Preis.

Jetzt gehe ich noch gleich duschen und dann geht's ins wohlverdiente Bett (meine Mutter merkte gerade, dass das Moskitonetz nicht über das gesamte Bett geht, naja, sei's drum ...).

Zwei neue Länder an einem Tag, das habe ich schon lange nicht mehr geschafft, und wenn es so unerwartet ist wie heute, dann ist das noch schöner. Allerdings hätte ich gerade von Ghana nicht unbedingt erwartet, dass man so - naja - unorthodox an ein Visum kommt, aber sonst hätten wir halt ein echtes Problem gehabt. Ethiopian und Emirates kriegen noch einen Brief, dass sie uns die "Visumgebühr" bestimmt gerne ersetzen, wenn sie schon so einen Mist anbieten, ohne einen darauf hinzuweisen, aber am Ende kann ich die 44 Euro noch verkraften für ein zusätzliches neues Land.

So, die nächsten Tage werden Strand und Sonne und hoffentlich Schwimmen - das wird schon ...

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