Meine Länder

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Samstag, 22. Februar 2020

"A Mor-NAY, please!" "Ah, a MOR-nay, no problem ..."

So etwa lief die Bestellung heute in meinem Mittagessenlokal ab, wobei die Großbuchstaben die Betonung darstellen sollen. Während ich bei meinem Seafood Mornay Letzteres auf der zweiten Silbe betonte, wird das hier in Irland anscheinend auf der ersten betont ... Verwirrung allenthalben, zumal der Namensgeber der Sauce Mornay, Wikipedia sei Dank wissen wir das, wohl Franzose war, sodass Mor-NAY eigentlich richtig wäre, aber wer will schon streiten? (Ruhe dahinten!)

So, jetzt wissen wir, dass Monsieur Mornay Namensgeber der Mornay-Soße ist, aber was hat das jetzt mit Seafood, also Fisch und Meeresfrüchten, zu tun? Nun, das klang lecker und also bestellte ich das, in der Erwartung, dass ich eine Art Fischteller bekomme. Pustekuchen! Das Ganze war eine Art Fischeintopf, aber in einer Béchamelsauce, auf die - kein Scherz, die Wikipedia sagt das so - Butter "aufmontiert" und die mit Parmesan oder Emmentaler vermengt wird ... Dieses Konglomerat aus Béchamel, Butter und Käse heißt dann Sauce Mornay, und in Kombination mit Fisch schmeckt das total lecker ...

Wer jetzt gähnt und das alles schon wusste, dem gratuliere ich zu seiner Weisheit, ich hatte bisher keine Ahnung ...

Fangen wir aber mal am Ende an, nämlich am Ende des gestrigen Tages ...

Ohje, ohje.

Ich stiefelte also in dieses Pub, und es war gähnend leer. Na, Prost Mahlzeit. Ich setzte mich auf einen Hochstuhl am Tresen, man sah mich, ich bestellte ein Guinness und spielte auf meinem Handy rum ... Es dauerte ein paar Minuten, bis ein zweiter, älterer Mann (da war ein Komma!) das Pub betrat und sich - in meinem Rücken - auf eine Bank setzte.

Ein zweites Guinness wurde bestellt, und so langsam tröpfelte ein älteres Paar nach dem anderen, der eine oder andere Solo-Mann und mancher Musiker in das Pub hinein, und eine Stunde, nachdem ich gemeint hatte, es sei leer, war voll. Allerdings senkte ich allein den Altersdurchschnitt um gefühlt ein Jahrzehnt, weil da keiner unter 50 war - doch, eine Familie mit halbwüchsigem Sohn kam herein.

Ich bin mir relativ sicher, dass ich auf jemandes Stammstuhl saß, aber die Leute waren freundlich, ich bestellte ein weiteres Guinness, da fingen die auf einmal an, die Instrumente mit "Amazing Grace" zu stimmen ...

Ich merkte, dass ich mich schon längst als Ausländer geoutet hatte, denn ich hatte - anders als alle anderen - nicht sofort meine Getränke bezahlt, sondern anschreiben lassen. Da ich nicht wusste, was ein Guinness kostet, die anscheinend nur Bargeld nahmen und ich nur noch 35 Euro im Sack hatte, machte ich - nachdem ich das bemerkt hatte - mal Zwischenrechnung, kam - bescheiden - mit einer Dame neben mir ins Gespräch und hörte zu, wie die Iren den Abend verbrachten. Da wurde musiziert, da wurden Witze erzählt (der Typ sprach sogar an sich verstehbares Englisch, nur sprach der so schnell, dass ich am Ende doch nix mehr verstand), man freute sich, dass man zusammen lachen konnte - so stelle ich mir ein irisches Pub vor, auch wenn es ein paar mehr junge Menschen hätten sein können. Ja, vielleicht sind die Jungen so wie jungen Menschen in Deutschland nicht mehr so sehr an den Sachen interessiert, die ihre Eltern und Großeltern hier so abends machen. Wer will es ihnen verdenken? (Der Junge, der mit seiner Familie reingekommen war, spielte zwischendrin auch ein Akkordeon-Solo, was mit viel Beifall bedacht wurde ...)

Als mir das Geld ausging, war es höchste Zeit zum Aufbruch, ich hatte jetzt doch wieder ein Hüngerchen, ging gegenüber noch zum Chinese Takeaway (was der in so einem Kaff wie Tagoat zu suchen hat und vor allem überlebt, ist mir ein Rätsel ...) und verspeiste das Hühnchen dann auf meinem Zimmer. (Damit verstieß ich gegen die Hausregeln, aber das hatte ich wirklich und ernsthaft übersehen. Wahrscheinlich wollen die nicht, dass die Zimmer mit Essen vollstinken, was ich irgendwo nachvollziehen kann. Aus schlechtem Gewissen ließ ich heute das Fenster gekippt ...)

Nach einem totenähnlichen Schlaf wachte ich heute morgen auf, duschte nochmal (ich hatte in der Nacht mich noch vom Sand auf meinem Kopf und in meinen Ohren und, wo sonst noch an meinem Körper Sand war, reingewaschen) und ging dann zum Frühstück. Ein leckeres Full Irish Breakfast wurde verzehrt, und dann brach ich auf.

Ich verzichtete auf den Einkauf eines Adapters in Wexford (der Akku hält vielleicht sogar ...), fuhr aber trotzdem durch Wexford durch, dann über eine Brücke und noch ein paar Kilometer, bis ich am ziemlich leeren Strandparkplatz des Curracloe Beach ankam. Ich sah Dünen, aber kein Meer, also ließ ich das Auto stehen, ging den Strandweg und meine Augen sahen Schönes: einen wunderbaren, breiten Sandstrand ... Der Wind blies nicht gaaaanz so schlimm, und ich machte einen einstündigen Spaziergang auf dem angenehm harten Sand - so, so schön ...

Als ich zum Auto wollte, traute ich meinen Augen nicht, denn da ging ein Mann in Badehose in Richtung Wasser. Und tatsächlich, der Typ ging schwimmen! Nun mache ich ja viel Mist, aber bei - im Februar durchschnittlich - 8 oder 9 Grad Wassertemperatur würde ich nicht ins Wasser gehen, und vor allem nicht eine Viertelstunde darin herumplanschen ... Unfassbar!

Auf den Schock fuhr ich zurück durch Wexford und weiter nach Süden nach Kilmore Quay. Dort parkte ich auf dem kleinen, aber nicht vollen Strandparkplatz und lief hinunter zum Strand. Hier war der Sand deutlich weicher, der Wind deutlich stärker und die Hundedichte deutlich höher. Schön war's da auch, aber Curracloe ist schöner ...

Ich ging in einen Supermarkt, holte dort Wasser und Geld und setzte mich dann noch ein paar Minuten ins Auto. Neben mich kam ein Auto gefahren, mit einem älteren Herrn drin, und nach ein paar Minuten guckten er und sein (alter) Hund zusammen aufs Meer ... Wahrscheinlich kann mindestens einer von beiden nicht mehr die Treppenstufen an den Strand laufen, aber so kommen sie wenigstens zusammen noch ans Meer ... Seufz ...

Ich war unentschieden hinsichtlich meines Mittagesslokals, weil ich entweder in Kilmore Quay oder, ein paar Kilometer weiter, in Kilmore selbst zwei gut bewertete Kneipen gefunden hatte. Ich fuhr nach Kilmore und machte definitiv keinen Fehler ...

Mary Barry's Bar war voll, und anders als der Spanier, der kurz vor mir bezahlte, war ich hochzufrieden gewesen, denn dieses Seafood Mornay war mit Jakobsmuscheln, Lachs, Shrimps und allerlei anderem Fisch übervoll, und wenn ich am Anfang dachte, dass das aber ein Portiönchen ist, kämpfte ich am Ende darauf, dieses "Portiönchen" aufzuessen - sehr lecker, vielleicht esse ich da morgen Abend nochmal ...

Ich trank noch einen Espresso (das reißt langsam ein ...) und fuhr dann in Richtung des südlichsten Punktes des County Wexford, dem Hook-Leuchtturm.

Unterwegs hielt ich an der nicht hässlichen Tintern Abbey an, spazierte da ein kleines bisschen durch den - sehr romantischen - Wald, ging aber in die Abbey nicht rein (gegen den Rock of Cashel kommt so schnell nix an), sondern fuhr weiter an mein Ziel.

Ich wäre wohl auf den Leuchtturm hochgekommen, aber es zog schon unten so dermaßen, dass ich das nicht wirklich brauchte. Vielmehr genoss ich das Naturschauspiel, wie die Wellen mit einer solchen Kraft an Land schlugen und sich wieder zurückzogen, dass sie - gut hörbar - die großen Kieselsteine dabei in Bewegung setzten ... Auch sehr, sehr schön ...

Zielgenau zum Eintritt der Dunkelheit schaffte ich es wieder in mein Guesthouse, und gleich geht es nochmal ins Pub. Heute werden es hoffentlich weniger Guinness als gestern und - das ging gestern unterwegs verloren - wenigstens ein Whiskey werden, aber man weiß ja nie, was passiert, wenn einer unter die Räuber fällt ...

Mir geht es gut, mir ist definitiv nicht langweilig, und auch wenn es nicht die so ganz weltweit bekannten Attraktionen hier gibt: Schön ist es sehr ...

Curracloe Beach

Kilmore Quay Beach

Flüsschen im Wald unterhalb der ...

Tintern Abbey

Beim Hook-Leuchtturm

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