Heiß und schön ist es hier in Erbil, ansonsten ist alles gut.
Drei Sachen habe ich noch vergessen: Unser Bus gestern in Frankfurt fuhr uns erstmal eine Viertelstunde rüber zur Baustelle des neuen Terminals, weil dort - an der Einsteigeposition G3, also am späteren Gate G3 - unser Flieger stand. Wenn man mir Gutes tun will, kann man also sagen, dass ich schon 2017 erstmals vom Terminal 3 geflogen bin (und nicht erst 2023, wenn der Dreier offiziell aufmacht) ...
Und in der Lounge in Istanbul wurde eifrig Essen und Trinken konsumiert, da hat man vom Ramadan schonmal gar nichts gespürt (allerdings müssen selbst Muslime, wenn sie auf Reisen nicht, nicht fasten, wenn ich das richtig verstanden habe, sodass das erstmal gar nichts aussagt, wenn sie auf dem Flughafen dann etwas essen oder trinken).
Und die Wikipedia ist in der Türkei immer noch nicht erreichbar. Wenn der türkische Präsident wirklich der Meinung ist, dass es sinnvoll für sein Land ist, dass er die bedeutendste Enzyklopädie unserer Zeit sperren lässt, dann ... naja, viel Erfolg werde ich ihm nicht wünschen.
Das Boarding für den Flug nach Ankara/Erbil war ein wenig chaotisch, aber am Ende waren wohl alle an Bord, und wir konnten recht pünktlich starten. Wir waren viel zu früh in Ankara, tankten dort noch auf (die Flugbegleiterinnen bestanden auch darauf, dass man den Gurt öffnet, was viele Fluggäste nicht verstanden haben und ein paar schon mit leicht aggressivem Blick zeigten, dass sie doch den Gurt geschlossen haben, bis sie dann nach der vierten Erklärung akustisch - aber nicht intellektuell - verstanden hatten, dass sie den Gurt öffnen sollen, um im Zweifel bei Ausbrechen eines Feuers schnell[er] den Flieger verlassen zu können ...) und kamen ungefähr pünktlich weg.
Der Flug nach Erbil war kürzer als veranschlagt, die Einreise ging superfix (ich war unsicher, ob ich mir noch einen Visumstempel holen musste oder gleich zur Einreisekontrolle gehen konnte, Letzteres war der Fall) in dem hochmodernen Flughafen, das Gepäck dauerte ein wenig, aber kam dann. Der Zoll wollte, dass ich mein Handgepäck durch das Röntgengerät schicke und mein richtiges Gepäck nicht (ich vermute, die scannen schon vor der Gepäckausgabe das Aufgabegepäck, aber das Handgepäck können sie ja nicht - unbemerkt - überprüfen).
Am Ausgang wartete schon mein Fahrer mit einem Schild, auf dem mein Name stand, im zweiten Versuch konnte ich Geld abheben (ich fürchte, es war viel zu viel ...), und auf ging es durch das nächtliche Erbil.
Wer jetzt meint, dass während der zwanzigminütigen Fahrt zwei Attentäter auf das Auto schießen und ein dritter sich neben uns in die Luft sprengen wollte, ist völlig schief gewickelt - Erbil ist eine moderne Großstadt, vom Straßenbild her so eine Mischung aus arabischen und türkischen Einflüssen, ja, es ist ein bisschen mehr Polizei und Security auf den Straßen als in Deutschland, aber auch bei weitem nicht so viel, wie ich vermutet hätte. Alles völlig entspannt. (Und in London gab es in den letzten Wochen mehr Anschläge als in Erbil, also Ball flachhalten ... Selbstbeschwörung Ende ...)
Wir kamen am Hotel an, der Check-in ging sehr schnell, ich wechselte noch einen Schein in ein bisschen Kleingeld für Trinkgeld, aber mein Fahrer war schon weg und der Hotelpage verweigerte die Annahme, nachdem er mich auf mein Zimmer begleitet hatte - okay, dann halt nicht ...
Ich kam also in mein riesiges Domizil (Drei-Bett-Zimmer zur Alleinbenutzung) mit schönem Bad (einschließlich abnehmbarem Duschkopf!) und lag so gegen 3 Uhr im Bett, nachdem ich meiner Mutter gemeldet hatte, dass ich sämtlichen Attentätern entwischt und gut im Hotel angekommen war.
Ich war gerade einschlafbereit, als der Muezzin auf der gegenüberliegenden Straßenseite anfing mit seinem Gebetsruf, aber irgendwann gab er auch Ruhe und ich konnte einigermaßen schlafen.
Um 8 Uhr röhrte mein Wecker, denn ich wollte frühstücken. Ich fuhr hoch in den siebten Stock, war ob des Frühstücksbüffets ebenso begeistert wie ob des Blicks auf die Zitadelle und setzte mich hin. Die eine Werbung kam mir so bekannt vor, und als ich später wieder auf dem Zimmer war, merkte ich, dass auch mein Zimmer Ausblick auf die Zitadelle hat - sehr schön ...
Ich verließ gegen 10 Uhr das Hotel, kaufte im Kiosk nebenan zwei Flaschen Wasser (die ich dann - es ist Ramadan - hinter meiner Rechnertasche versteckt jeweils schlürfte; in der Innenstadt sind um die nicht geringe Anzahl von Läden, die Essen und Trinken anbieten, Tücher gespannt, sodass man sich ein bisschen anstrengen muss, um reinzugucken und essende bzw. trinkende Menschen zu sehen - sehr schön, so müssen die fastenden Muslime nicht zwingend mitansehen, wie andere eine Mahlzeit zu sich nehmen, und die anderen können ungestört ihren Flüssigkeitsbedarf aufholen, sehr vernünftig beiderseits ...) und, um den Satz nach der langen Klammer zu beenden, ging in Richtung Zitadelle.
Soweit es Zebrastreifen und Fußgängerampeln gibt, werden diese ignoriert, aber die Autos ignorieren die Fußgänger nicht, sodass ich unbeschadet mehrere Straßen überqueren konnte. Es ist heiß hier, weit jenseits der 30 Grad, aber es ist eine trockene Hitze, sodass man zwar schwitzt wie ein Walross, aber das alles doch ganz gut zu ertragen ist (wenn man genug trinkt, womit wir wieder beim Ramadan wären).
An der Auffahrt zur Zitadelle sitzt ein Wachposten, der mich mit einem Kopfnicken passieren ließ und ich kraxelte dort hoch. Ich betrat über das Nordtor die - weitgehend verlassene - Zitadelle und ging an einigen geöffneten und nicht geöffneten Museen etc. vorbei. Die Zitadelle wird angeblich seit mehr als 6.000 Jahren ununterbrochen bewohnt, aber seit einigen Jahren restauriert, was dazu führt, dass eben (außer einer Familie, die Serie muss ja ungebrochen bleiben) da aktuell keiner wohnt, aber man trotzdem hochkann. In der Mitte der Zitadelle steht ein Fahnenmast mit einer überdimensionalen kurdischen Flagge, und gelegentlich grüßt dich ein Wildfremder - sehr freundlich, die Leute hier, wahrscheinlich auch, weil man kaum Touristen sieht.
Ich verließ die Zitadelle über das Südtor und hatten - wieder einmal - einen wunderbaren urbanen Platz vor mir, mit Springbrunnen und Bänken und am anderen Ende einem schönen Glockturm. Doch, Erbil ist ein richtig schönes Plätzchen (wenn es nicht ganz so heiß wäre, wäre das noch schöner, aber wenn man halt im Juni hier ankommt, ist man wahrscheinlich auch ein bisschen selbst schuld ...).
Der Quayseri-Markt unmittelbar am Fuße der Zitadelle erinnert in seiner Innenarchitektur an den Großen Basar in Istanbul und in der Verwinkeltheit an die Basare in Teheran - sowas auch, die Türkei und Iran grenzen an Kurdistan an, da ist es ja völlig überraschend, dass solche Parallelen existieren ... In diesem Markt gibt es von Goldschmuck über Handwerksarbeiten bis hin zu Schneidern und Schustern und Eisverkäufern so ziemlich alles, was das Herz begehrt - und kein Mensch spricht dich an, das ist sehr, sehr angenehm ...
Ich saß nun auf diesem Platz auf der Bank, genoss den Blick auf die Zitadelle, trank gelegentlich einen Schluck und machte mich dann auf zum Minarett-Park ein paar Blocks weiter. Der Park ist heute oder, wahrscheinlich, um die Mittagszeit in diesem Monat Ramadan leer und zugesperrt, aber ich kam an zwei hübschen anderen Minaretten vorbei. Es fiel mir auf, dass ich die Zitadelle schon wieder halb umrundet hatte und ging einfach weiter, bis ich zu meinem Hotel käme ...
Ich lief am Parlament vorbei (das ist jetzt sehr massiv geschützt), und wenige Minuten später (nach einem kurzen Abstecher in den Kiosk, denn ich war ziemlich dehydriert - das ganze Wasser, das ich getrunken hatte, befand sich nun auf dem Rücken in meinem Hemd ...) ging in mein Hotelzimmer und verbrachte dort den Mittag mit einer kleinen Siesta.
Gegen 16 Uhr ging ich raus und steuerte - zu Fuß ging ich etwa eine halbe Stunde - eine Lokalität an, die aber, nachdem ich mich über diverse Kreisverkehre ohne Fußgängerwege dorthin gekämpft hatte, ziemlich zu aussah. Ich fragte einen der Angestellten, der dort Tische abwischte oder so, wann sie öffneten, und er meinte, um 19 Uhr ...
Nun denn, ich ging dann noch eine Viertelstunde weiter in Richtung des "Deutschen Hofes", der im christlichen Viertel Ankawa mitten in einer Wohngegend liegt. Keiner spricht Deutsch, aber das (deutsche) Schwarzbier schmeckte lecker, auch wenn es sehr teuer war ... Während des zweiten Biers bekam ich ein Hüngerchen und aß - ja, genau - Sülze mit Bratkartoffeln. Selbstverachtung macht sich gerade in mir breit, aber lecker war's ...
Nach dem Essen kämpfte ich mich zurück zu der anvisierten Kneipe, und ich fand noch einen Tisch im Garten, der nicht besetzt war - es war 19.20 Uhr oder so, die Sonne war gerade (im astronomischen Sinne) untergegangen.
Irgendwie wartete ich auf ein Signal, dass alle gleichzeitig anfangen zu essen, vielleicht ein Ton aus der Moschee oder so, aber Pustekuchen. Die fingen alle an zu essen, sobald das Essen (ein festes Menü bestehend aus einer Kartoffelsuppe oder so, zwei Kebab-Stücken, Fladenbrot, Wasser und eisgekühltem Fruchtsaft, einem Salat und Hummus und zum Nachtisch diese unfassbar süßen Zuckerbällchen bestand) vor ihnen stand. Um die Zeit hätte selbst ein Blinder mit Krückstock noch einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden können (was nach meiner Kenntnis dazu führt, dass das Fasten noch nicht gebrochen werden darf), aber so genau schienen es die Erbiler um mich herum nicht zu nehmen ...
Der Kebab böckelte ein bisschen (ja, Christina freut sich ...), aber sonst war das alles ganz lecker - und für 10 Euro kannst du am Ende nix sagen. Jetzt habe ich also mal mit Muslimen Fastenbrechen gefeiert (wobei von "Feiern" in unserem Sinn kaum die Rede sein kann, da herrschte vielmehr gefräßige Stille ...). Cool ...
Den Heimweg nahm ich im Taxi auf mich, nachdem ich dem Taxifahrer verklickert hatte, wo ich ungefähr hinwollte und ihn dann mit meinem Handy führte - 2,50 € für fünf Minuten Fahrt passt schon irgendwie.
Jetzt bin ich müde, kaputt, völlig überfressen und freue mich auf mein Bettchen. Es ist hier kurz nach neun, sicher werde ich heute Nacht ein, zwei Mal den Muezzin nebenan zum Teufel jagen wollen, aber so ist das halt in einer muslimischen Großstadt. Aber eine Fanta aus der Minibar trinke ich jetzt noch, ich brauche noch was Süßes zu trinken.
Eine Kollegin fragte mich vor meiner Abreise, was denn mit meiner Länderliste passiere, wenn die Kurden sich in ihrem für den 25. September geplanten Referendum für ihre Unabhängigkeit aussprächen und Kurdistan dann tatsächlich unabhängig würde. Nun, Irakisch-Kurdistan ist im Sinne meiner Regeln eindeutig identifizierbar (unter anderem wegen der eigenständigen Visumpolitik - ich bräuchte im Rest-Irak ein Visum, aber hier nicht ...), daher wäre ich nach einer Abspaltung dieses Gebietes in Kurdistan gewesen und nicht mehr im Irak (denn dass ich morgen in den Teil des Iraks reise, der beim Irak verbleiben würde, bezweifle ich jetzt mal ganz stark, das ist mir zu gefährlich ...). Kurdistan wäre also mein 119. Land und der (Rest-)Irak stünde weiter auf meiner Liste der noch zu besuchenden Staaten auf meinem Weg zu (dann) 208 Ländern ... Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
"Zu gefährlich" - wer auf die Karte schaut, sieht, dass Mosul (wo gerade der IS gegen die irakische Armee und die kurdischen Peschmerga kämpft) und Erbil, je nach Maßstab der Karte, höhö, nicht so weit auseinanderliegen, es sind ca. 80 km, das ist so weit wie von Bonndorf im Schwarzwald nach Colmar im Elsass, wie von Wiesbaden nach Heidelberg oder wie von Jena nach Suhl, aber jeweils mit einer scharf kontrollierten Grenze dazwischen, denn die Kurden kontrollieren (anscheinend) sehr intensiv, damit hier in ihrem Kurdistan möglichst nichts passiert.
Gute Nacht!
Drei Sachen habe ich noch vergessen: Unser Bus gestern in Frankfurt fuhr uns erstmal eine Viertelstunde rüber zur Baustelle des neuen Terminals, weil dort - an der Einsteigeposition G3, also am späteren Gate G3 - unser Flieger stand. Wenn man mir Gutes tun will, kann man also sagen, dass ich schon 2017 erstmals vom Terminal 3 geflogen bin (und nicht erst 2023, wenn der Dreier offiziell aufmacht) ...
Und in der Lounge in Istanbul wurde eifrig Essen und Trinken konsumiert, da hat man vom Ramadan schonmal gar nichts gespürt (allerdings müssen selbst Muslime, wenn sie auf Reisen nicht, nicht fasten, wenn ich das richtig verstanden habe, sodass das erstmal gar nichts aussagt, wenn sie auf dem Flughafen dann etwas essen oder trinken).
Und die Wikipedia ist in der Türkei immer noch nicht erreichbar. Wenn der türkische Präsident wirklich der Meinung ist, dass es sinnvoll für sein Land ist, dass er die bedeutendste Enzyklopädie unserer Zeit sperren lässt, dann ... naja, viel Erfolg werde ich ihm nicht wünschen.
Das Boarding für den Flug nach Ankara/Erbil war ein wenig chaotisch, aber am Ende waren wohl alle an Bord, und wir konnten recht pünktlich starten. Wir waren viel zu früh in Ankara, tankten dort noch auf (die Flugbegleiterinnen bestanden auch darauf, dass man den Gurt öffnet, was viele Fluggäste nicht verstanden haben und ein paar schon mit leicht aggressivem Blick zeigten, dass sie doch den Gurt geschlossen haben, bis sie dann nach der vierten Erklärung akustisch - aber nicht intellektuell - verstanden hatten, dass sie den Gurt öffnen sollen, um im Zweifel bei Ausbrechen eines Feuers schnell[er] den Flieger verlassen zu können ...) und kamen ungefähr pünktlich weg.
Der Flug nach Erbil war kürzer als veranschlagt, die Einreise ging superfix (ich war unsicher, ob ich mir noch einen Visumstempel holen musste oder gleich zur Einreisekontrolle gehen konnte, Letzteres war der Fall) in dem hochmodernen Flughafen, das Gepäck dauerte ein wenig, aber kam dann. Der Zoll wollte, dass ich mein Handgepäck durch das Röntgengerät schicke und mein richtiges Gepäck nicht (ich vermute, die scannen schon vor der Gepäckausgabe das Aufgabegepäck, aber das Handgepäck können sie ja nicht - unbemerkt - überprüfen).
Am Ausgang wartete schon mein Fahrer mit einem Schild, auf dem mein Name stand, im zweiten Versuch konnte ich Geld abheben (ich fürchte, es war viel zu viel ...), und auf ging es durch das nächtliche Erbil.
Wer jetzt meint, dass während der zwanzigminütigen Fahrt zwei Attentäter auf das Auto schießen und ein dritter sich neben uns in die Luft sprengen wollte, ist völlig schief gewickelt - Erbil ist eine moderne Großstadt, vom Straßenbild her so eine Mischung aus arabischen und türkischen Einflüssen, ja, es ist ein bisschen mehr Polizei und Security auf den Straßen als in Deutschland, aber auch bei weitem nicht so viel, wie ich vermutet hätte. Alles völlig entspannt. (Und in London gab es in den letzten Wochen mehr Anschläge als in Erbil, also Ball flachhalten ... Selbstbeschwörung Ende ...)
Wir kamen am Hotel an, der Check-in ging sehr schnell, ich wechselte noch einen Schein in ein bisschen Kleingeld für Trinkgeld, aber mein Fahrer war schon weg und der Hotelpage verweigerte die Annahme, nachdem er mich auf mein Zimmer begleitet hatte - okay, dann halt nicht ...
Ich kam also in mein riesiges Domizil (Drei-Bett-Zimmer zur Alleinbenutzung) mit schönem Bad (einschließlich abnehmbarem Duschkopf!) und lag so gegen 3 Uhr im Bett, nachdem ich meiner Mutter gemeldet hatte, dass ich sämtlichen Attentätern entwischt und gut im Hotel angekommen war.
Ich war gerade einschlafbereit, als der Muezzin auf der gegenüberliegenden Straßenseite anfing mit seinem Gebetsruf, aber irgendwann gab er auch Ruhe und ich konnte einigermaßen schlafen.
Um 8 Uhr röhrte mein Wecker, denn ich wollte frühstücken. Ich fuhr hoch in den siebten Stock, war ob des Frühstücksbüffets ebenso begeistert wie ob des Blicks auf die Zitadelle und setzte mich hin. Die eine Werbung kam mir so bekannt vor, und als ich später wieder auf dem Zimmer war, merkte ich, dass auch mein Zimmer Ausblick auf die Zitadelle hat - sehr schön ...
Ich verließ gegen 10 Uhr das Hotel, kaufte im Kiosk nebenan zwei Flaschen Wasser (die ich dann - es ist Ramadan - hinter meiner Rechnertasche versteckt jeweils schlürfte; in der Innenstadt sind um die nicht geringe Anzahl von Läden, die Essen und Trinken anbieten, Tücher gespannt, sodass man sich ein bisschen anstrengen muss, um reinzugucken und essende bzw. trinkende Menschen zu sehen - sehr schön, so müssen die fastenden Muslime nicht zwingend mitansehen, wie andere eine Mahlzeit zu sich nehmen, und die anderen können ungestört ihren Flüssigkeitsbedarf aufholen, sehr vernünftig beiderseits ...) und, um den Satz nach der langen Klammer zu beenden, ging in Richtung Zitadelle.
Soweit es Zebrastreifen und Fußgängerampeln gibt, werden diese ignoriert, aber die Autos ignorieren die Fußgänger nicht, sodass ich unbeschadet mehrere Straßen überqueren konnte. Es ist heiß hier, weit jenseits der 30 Grad, aber es ist eine trockene Hitze, sodass man zwar schwitzt wie ein Walross, aber das alles doch ganz gut zu ertragen ist (wenn man genug trinkt, womit wir wieder beim Ramadan wären).
An der Auffahrt zur Zitadelle sitzt ein Wachposten, der mich mit einem Kopfnicken passieren ließ und ich kraxelte dort hoch. Ich betrat über das Nordtor die - weitgehend verlassene - Zitadelle und ging an einigen geöffneten und nicht geöffneten Museen etc. vorbei. Die Zitadelle wird angeblich seit mehr als 6.000 Jahren ununterbrochen bewohnt, aber seit einigen Jahren restauriert, was dazu führt, dass eben (außer einer Familie, die Serie muss ja ungebrochen bleiben) da aktuell keiner wohnt, aber man trotzdem hochkann. In der Mitte der Zitadelle steht ein Fahnenmast mit einer überdimensionalen kurdischen Flagge, und gelegentlich grüßt dich ein Wildfremder - sehr freundlich, die Leute hier, wahrscheinlich auch, weil man kaum Touristen sieht.
Ich verließ die Zitadelle über das Südtor und hatten - wieder einmal - einen wunderbaren urbanen Platz vor mir, mit Springbrunnen und Bänken und am anderen Ende einem schönen Glockturm. Doch, Erbil ist ein richtig schönes Plätzchen (wenn es nicht ganz so heiß wäre, wäre das noch schöner, aber wenn man halt im Juni hier ankommt, ist man wahrscheinlich auch ein bisschen selbst schuld ...).
Der Quayseri-Markt unmittelbar am Fuße der Zitadelle erinnert in seiner Innenarchitektur an den Großen Basar in Istanbul und in der Verwinkeltheit an die Basare in Teheran - sowas auch, die Türkei und Iran grenzen an Kurdistan an, da ist es ja völlig überraschend, dass solche Parallelen existieren ... In diesem Markt gibt es von Goldschmuck über Handwerksarbeiten bis hin zu Schneidern und Schustern und Eisverkäufern so ziemlich alles, was das Herz begehrt - und kein Mensch spricht dich an, das ist sehr, sehr angenehm ...
Ich saß nun auf diesem Platz auf der Bank, genoss den Blick auf die Zitadelle, trank gelegentlich einen Schluck und machte mich dann auf zum Minarett-Park ein paar Blocks weiter. Der Park ist heute oder, wahrscheinlich, um die Mittagszeit in diesem Monat Ramadan leer und zugesperrt, aber ich kam an zwei hübschen anderen Minaretten vorbei. Es fiel mir auf, dass ich die Zitadelle schon wieder halb umrundet hatte und ging einfach weiter, bis ich zu meinem Hotel käme ...
Ich lief am Parlament vorbei (das ist jetzt sehr massiv geschützt), und wenige Minuten später (nach einem kurzen Abstecher in den Kiosk, denn ich war ziemlich dehydriert - das ganze Wasser, das ich getrunken hatte, befand sich nun auf dem Rücken in meinem Hemd ...) ging in mein Hotelzimmer und verbrachte dort den Mittag mit einer kleinen Siesta.
Gegen 16 Uhr ging ich raus und steuerte - zu Fuß ging ich etwa eine halbe Stunde - eine Lokalität an, die aber, nachdem ich mich über diverse Kreisverkehre ohne Fußgängerwege dorthin gekämpft hatte, ziemlich zu aussah. Ich fragte einen der Angestellten, der dort Tische abwischte oder so, wann sie öffneten, und er meinte, um 19 Uhr ...
Nun denn, ich ging dann noch eine Viertelstunde weiter in Richtung des "Deutschen Hofes", der im christlichen Viertel Ankawa mitten in einer Wohngegend liegt. Keiner spricht Deutsch, aber das (deutsche) Schwarzbier schmeckte lecker, auch wenn es sehr teuer war ... Während des zweiten Biers bekam ich ein Hüngerchen und aß - ja, genau - Sülze mit Bratkartoffeln. Selbstverachtung macht sich gerade in mir breit, aber lecker war's ...
Nach dem Essen kämpfte ich mich zurück zu der anvisierten Kneipe, und ich fand noch einen Tisch im Garten, der nicht besetzt war - es war 19.20 Uhr oder so, die Sonne war gerade (im astronomischen Sinne) untergegangen.
Irgendwie wartete ich auf ein Signal, dass alle gleichzeitig anfangen zu essen, vielleicht ein Ton aus der Moschee oder so, aber Pustekuchen. Die fingen alle an zu essen, sobald das Essen (ein festes Menü bestehend aus einer Kartoffelsuppe oder so, zwei Kebab-Stücken, Fladenbrot, Wasser und eisgekühltem Fruchtsaft, einem Salat und Hummus und zum Nachtisch diese unfassbar süßen Zuckerbällchen bestand) vor ihnen stand. Um die Zeit hätte selbst ein Blinder mit Krückstock noch einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden können (was nach meiner Kenntnis dazu führt, dass das Fasten noch nicht gebrochen werden darf), aber so genau schienen es die Erbiler um mich herum nicht zu nehmen ...
Der Kebab böckelte ein bisschen (ja, Christina freut sich ...), aber sonst war das alles ganz lecker - und für 10 Euro kannst du am Ende nix sagen. Jetzt habe ich also mal mit Muslimen Fastenbrechen gefeiert (wobei von "Feiern" in unserem Sinn kaum die Rede sein kann, da herrschte vielmehr gefräßige Stille ...). Cool ...
Den Heimweg nahm ich im Taxi auf mich, nachdem ich dem Taxifahrer verklickert hatte, wo ich ungefähr hinwollte und ihn dann mit meinem Handy führte - 2,50 € für fünf Minuten Fahrt passt schon irgendwie.
Jetzt bin ich müde, kaputt, völlig überfressen und freue mich auf mein Bettchen. Es ist hier kurz nach neun, sicher werde ich heute Nacht ein, zwei Mal den Muezzin nebenan zum Teufel jagen wollen, aber so ist das halt in einer muslimischen Großstadt. Aber eine Fanta aus der Minibar trinke ich jetzt noch, ich brauche noch was Süßes zu trinken.
Eine Kollegin fragte mich vor meiner Abreise, was denn mit meiner Länderliste passiere, wenn die Kurden sich in ihrem für den 25. September geplanten Referendum für ihre Unabhängigkeit aussprächen und Kurdistan dann tatsächlich unabhängig würde. Nun, Irakisch-Kurdistan ist im Sinne meiner Regeln eindeutig identifizierbar (unter anderem wegen der eigenständigen Visumpolitik - ich bräuchte im Rest-Irak ein Visum, aber hier nicht ...), daher wäre ich nach einer Abspaltung dieses Gebietes in Kurdistan gewesen und nicht mehr im Irak (denn dass ich morgen in den Teil des Iraks reise, der beim Irak verbleiben würde, bezweifle ich jetzt mal ganz stark, das ist mir zu gefährlich ...). Kurdistan wäre also mein 119. Land und der (Rest-)Irak stünde weiter auf meiner Liste der noch zu besuchenden Staaten auf meinem Weg zu (dann) 208 Ländern ... Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
"Zu gefährlich" - wer auf die Karte schaut, sieht, dass Mosul (wo gerade der IS gegen die irakische Armee und die kurdischen Peschmerga kämpft) und Erbil, je nach Maßstab der Karte, höhö, nicht so weit auseinanderliegen, es sind ca. 80 km, das ist so weit wie von Bonndorf im Schwarzwald nach Colmar im Elsass, wie von Wiesbaden nach Heidelberg oder wie von Jena nach Suhl, aber jeweils mit einer scharf kontrollierten Grenze dazwischen, denn die Kurden kontrollieren (anscheinend) sehr intensiv, damit hier in ihrem Kurdistan möglichst nichts passiert.
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