... haben die Abchasen das am ersten
Tag, um mal den Fachausdruck aus der Tourismusforschung zu verwenden,
auch wenn er ein bisschen derb ist, aber so ist nun einmal die Situation ... Und wie so oft waren es die
Grenzer, die den schönen Spruch meines Uni-Rektors, den ich hier
auch schon öfter zum Besten gegeben haben, wieder einfach bestätigt
haben: You never get a second chance to make a first impression. (Du kriegst keine zweite Chance, um einen ersten Eindruck zu machen.)
Ich bin gestern - für meine Verhältnisse in diesem Urlaub relativ spät, so gegen 20 Uhr - noch ins Apra gegangen (draußen am Steg, wo ich auch schon zu Mittag gegessen hatte). Diesmal nahm ich mir mehr Zeit, die Karte zu studieren (und ein Studium ist das Russische immer noch regelmäßig für mich, weil ich das Ganze zwar - mühsam - lesen kann, aber natürlich die meisten Worte nicht verstehe, selbst wenn ich sie entziffert habe; aber es wird, wenn ich mal ein paar Wochen im russischen Sprachraum wäre - haha -, bekäme ich das mit der Zeit hin mit dem Essenbestellen ohne zu verhungern, wobei das jetzt ja auch geklappt hat), und siehe da: Ich konnte den "Salat Waldorf" mit krevetki (Garnelen) und rukkola entziffern, prompt war die Vorspeise gebongt. Als Hauptspeise nahm ich ein stek vom Rind ("Rind" kriegte ich am zweiten Tag dann entziffert), dazu wieder eine abchasische Soße und irgendwas mit kartofel, was für einen Deutschen dann doch verständlich ist.
Am Ende bekam ich sowas wie eine Pizza mit vier Garnelen, Rucola-Salat, Apfelschnitzen und Walnüssen (nein, Mutter, wir fahren hier trotzdem nicht her, auch wenn die hier viele Sachen mit Walnüssen anrichten), das war wirklich lecker. Und mein Surf & Turf wurde von einem Steak vervollständigt, das zwar ein bisschen zu durch war, aber ansonsten, vor allem aufgrund der Gewürzmarinade, ganz hervorragend war. Da habe ich mir gestern Abend tatsächlich was gegönnt (der gekaufte Schokoladenkuchen war ganz okay, die Kugel Eis eher naja) und am Ende 28 Euro oder so gezahlt in einem der, nein im bestgelegenen Restaurant in Suchumi ... Lecker war's. Und falls es mich doch noch einmal irgendwann nach Abchasien verschlägt, werde ich dort wieder essen ...
Heute Morgen war ich um 4.30 Uhr wach, und obwohl ich nicht viel geschlafen hatte, fühlte ich mich irgendwie ausgeruht. Meine Blase am Ringzeh war auch deutlich weniger schmerzvoll geworden, sodass ich voller Elan aufstand, duschte, meine sieben Sachen packte und um 8.30 Uhr auscheckte. Die haben sich bei meinen Minibar-Entnahmen vertan, weil sie mir nur zwei statt vier Sachen abgerechnet haben, aber meine Versuche, das aufzuklären (indem ich in kyrillischen Buchstaben malte, was ich hatte ...), fruchteten nicht - na gut, dann zahlte ich eben nur zwei Entnahmen, auch gut ...
Mein Fahrer war überpünktlich um 8.45 Uhr da (nachdem ich noch ein Auto mit Dresdner Kennzeichen vor dem Hotel entdeckt hatte) und hatte sich zur Feier des Tages sogar ein frisches Hemd angezogen, sodass wir um 8.50 Uhr schon in Richtung Grenze unterwegs waren.
Die Fahrt war gemächlich (er fragte, ob es okay sei, wenn er nur 80 statt 120 führe, was ich bejahte - meinen Bus um 19 Uhr würde ich ja hoffentlich erreichen - Spannungsbogen, merkt man, gell?), und weil heute richtig gutes Wetter war, hatten wir einen fantastischen Ausblick auf den Kaukasus.
Der Fahrer fragte (und ich gebe den Originalwortlaut des längsten Gesprächs wieder, das wir in den beiden Tagen unserer Geschäftsbeziehung hatten): "Abkhazia good?" Ich antwortete: "Abkhazia da, granitsa njet." ("Abchasien gut?" "Abchasien ja, Grenze nein.") Er brummte Zustimmung und hatte verstanden ...
Liebe Abchasen, wenn die ersten Stunden an der Grenze nicht gewesen wären, würde ich euer Ländchen zwar nicht euphorisch, aber doch für einen entspannten kleinen Abenteuerurlaub wirklich empfehlen; das waren hier keine monsterschönen Strände, und natürlich ist es mühsam, dass außer der - einen - Hotelrezeptionistin wirklich kein Mensch auch nur drei Worte Englisch spricht, aber andererseits ist das irgendwie lustig ... Man verhungert nicht, jedenfalls dann, wenn man sich bemüht, sich kurzzeitig ein paar Brocken Russisch anzueignen, und man kommt dorthin, wo man hinwill (auch wenn ich sicher mehr gezahlt habe als ein Einheimischer, keine Frage), es gibt ein paar schöne Sächelchen zu sehen, und schwimmen gehen kann man auch ganz gut, auch wen die Kiesstrände nicht das Nonplusultra sind, vor allem nicht, wenn es vorher Hunde und Katzen geregnet hat. Aber mit dem Verhalten eurer Grenzer, liebe Abchasen, haben die euch so richtig schön fett ins Knie geschossen, tut mir leid.
Es kam die Stunde der Wahrheit: die Ausreise ... Ich stellte mich in der Schlange an, ging am Zoll vorbei, wurde zurückgepfiffen, tat etwas, was mir leicht fällt, und stellte mich dumm und unverständig, die Zöllner winkten mich weiter und lachten, die ganze Schlange lachte über den Witz auf meine Kosten, aber das ist mir sowas von wurscht, das könnt ihr gerne machen ...
Und dann, liebe Leute, geschah das Unfassbare: Der Typ, der einem das Kontrollhäuschen zuwies, war - man halte sich fest - freundlich und zeigte gar ein L-ä-c-h-e-l-n! Man glaubt es nicht, es ist ganz und gar unfassbar - ein abchasischer Grenzer, der dir nicht das Leben schwermacht, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, würde ich es als Fake News bezeichnen.
Das Strohfeuer abchasischer Grenzerfreundlichkeit loderte nur kurz, denn der eigentliche Kontrolleur legte wieder die sowjetische Art der Freundlichkeit an den Tag, fragte, ob ich Russisch spräche, was ich verneinte, woraufhin er sein Kabuff verließ und wild in der Gegend herumlief, erst nach hinten, dann nach vorn, schließlich war er weg - das konnte ja heiter werden ...
Drei Minuten später war er wieder da, gab mir meinen Pass, murmelte was von "okay" und ich machte, dass ich wegkam ..
Als ich auf der Brücke und damit außerhalb des Zugriffsbereichs der Abchasen war (jedenfalls vermute ich, dass die Brücke sowas wie Niemandsland ist und die Abchasen meinetwegen keinen Krieg anfangen wollten), atmete ich erstmal auf - schade, dass es soweit kommt, aber Abchasien ist jetzt neben Aserbaidschan das zweite Land, wo ich einzig und allein aufgrund der Grenzer sage, dass ich da freiwillig nicht mehr hingehe.
Ich lief - in sommerlichen Temperaturen, d. h. ich schwitzte, und mit tollem Blick auf den Kaukasus - über die Brücke, betrat wieder unumstritten georgischen Boden, der georgische Grenzer, äh, nein, Polizist plusterte sich schon auf, um mich zu sich zu zitieren, als er sah, dass ich ja freiwillig kam, diesmal war er genauso wortkarg wie ich und bedeutete mir mit einer Handbewegung, ich solle verschwinden. Naja, besser unfreundlich als langwierig, würde ich sagen ...
Der Taxifahrer, die mich in sein Taxi verfrachtete, war insgesamt sehr übereifrig, sodass ich ihm extra nochmal mit meinen zehn Fingern (ja, auch ich habe zehn Finger ...) den Fahrtpreis signalisierte, was er zur Kenntnis nahm. Als wir zu meiner Busgesellschaft kamen, fuhr gerade der 12-Uhr-Bus raus, den ich nicht gebucht hatte, was meinen Fahrer aber nicht davon abhielt, zunächst hinter dem Bus herzufahren und diesen dann - ernsthaft! - auszubremsen, um dem Fahrer zu signalisieren, dass ich noch mitwolle (was ich ja gar nicht wollte). Der Fahrer zeigte ihm wahrscheinlich den Vogel, ich machte jetzt auch ganz besonders deutlich, dass ich nur zur Haltestelle wollte, und jetzt sah er es auch ein.
Den Fahrtpreis hatte er mit 17 Lari verabschlagt, was überhaupt nicht in die Tüte kam, und mit zehn Lari (immer noch genug) zog er auch ab, weil der Schlingel genau wusste, dass er mit mehr einfach wirklich nicht durchkam.
Nach einiger Verwirrung konnte ich mein Gepäck für den 19-Uhr-Bus (die haben einfach den Bus von 18 auf 19 Uhr umgestellt, ohne mich vorab zu informieren, was ja auch nicht die feine englische Art ist, mir aber relativ egal war) unterstellen und ich lief, befreit von allem, zu Fuß zu meiner Stammkneipe in Sugdidi. Dort landete ich gegen 12.30 Uhr, wollte kein Bier dort trinken und stattdessen Wein haben. Naja, die hatten nur Dreiviertelliterflaschen, also nahm ich eine Dreiviertelliterflasche, und dazu Wasser und Cola sowie eine mingrelische Spezialität, Huhneintopf in einer sehr würzigen (und sehr knoblauchigen) Soße. Sehr, sehr lecker, vor allem, weil ich mit viel Brot noch die Soße halb austupfte ...
Beim Bestellen des zweiten Wassers bekam ich einen freundschaftlichen Anschiss, ich solle mehr Wein und weniger Wasser trinken, dem ich aber nicht folgte, aber ob des Konsums von so viel Wein und so viel Knoblauch bekam ich gegen 15 Uhr das Gefühl, ich müsste noch ein paar Chinkali bestellen (ich hatte ja auch nicht gefrühstückt). Naja, gesagt, getan, und gegen 17.45 Uhr konnte man mich aus dem Lokal herausrollen.
Ich marschierte zur Bushaltestelle, stand dort noch eine Dreiviertelstunde im Schatten herum, und dann konnten wir einsteigen.
Ich schaute zwei Filme, die ich schon kannte, auf Russisch an (beim zweiten schenkte ich mir den Ton und hörte zum Film Musik), surfte ein bisschen im Internet und vertrieb mir so die Zeit. Unterwegs setzte sich mein Nebenmann nach hinten in den Bus, sodass wir beide mehr Platz hatten. Mit etwas Verspätung kamen wir um 0.30 Uhr am Busbahnhof in Tiflis an, ich wurde praktisch sofort von einem Taxifahrer beschlagnahmt, der mir einen sehr vernünftigen Preis zum Flughafen anbot (ich habe mich also am Mittwoch bei meiner Ankunft abzocken lassen, was für eine Überraschung ...) und los ging's; naja, fast ging's los, denn das war ein japanisches Auto, und als ich auf der rechten Seite einsteigen wollte, lachte der Fahrer, weil das bei dem Auto die Fahrerseite war. Ich lachte, bot ihm an, selbst zu fahren, worauf er nicht wirklich einging, und setzte mich auf die andere Seite.
Am Tifliser Flughafen sind sie insofern unter die Unvernünftigen gegangen, als dass sie eine Eingangskontrolle zum Gebäude aufgebaut haben (aber unter die Vernünftigen, was die echte Sicherheitskontrolle betrifft, denn die ist jetzt vor der Passkontrolle und vor allem muss man die Schuhe nicht mehr ausziehen), aber das überstand ich auch. Ich verzog mich auf die Toilette, um meine neuen Kontaktlinsen herauszunehmen (ich habe mir in Sugdidi Augentropfen als Kontaktlinsenflüssigkeit andrehen lassen, aber mein Georgisch ist halt echt nicht so der Brüller ...), wartete ein wenig und konnte dann - an chaotischen Schaltern - einchecken.
Jetzt sitze ich in der Lounge, in einer knappen Stunde wird geboardet.
In Istanbul habe ich planmäßig fünf Stunden und zwanzig Minuten Aufenthalt, das ist zum Leben (in die Stadt fahren) fast ein bissel zu wenig und zum Sterben (am Flughafen bleiben) zu viel. Mal sehen, wie wir weg- und ankommen, vielleicht werden aus den fünfeindrittel ja fünfdreiviertel Stunden und dann würde ich einmal in die Stadt fahren, Fähre hin und zurück und wieder zum Flughafen. Bescheuert? Ich? Nein! Erstens, weil ist nicht, und zweitens, weil Fährefahren in Istanbul immer geht ...
Ich werde berichten, was ich in gut zwölf Stunden bis zu meiner Ankunft in Deutschland noch so angestellt habe.
Sonnenuntergang gestern in Suchumi |
Blick auf den Kaukasus heute auf der Fahrt zur Grenze |
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