Meine Länder

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Sonntag, 4. August 2024

"Champs-, Champs-Élysées"

Gestern, meine Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser, war richtig Stimmung in der Bude. Die Sprachbarriere war definitiv vorhanden, denn während die Franzosen in den Halbzeiten aus voller Kehle "Non, je ne regrette rien" und eben "Champs-Élysées" mitsangen, beschränkte sich das bei mir auf "Non, je ne regrette rien, baaa, bababababababaaaaa, bababaaa, bababaaa, bababaaa, je ne regrette rieeeeeeeeeen" und "Champs-, Champs-Élysées, badabadabadaaaa, Champs-, Champs-Élysées, badabadabadaaaa, bada, badaba, bada, badaba, babada, badababa, Champs-Élysées!" ... Dafür war ich bei "Sweet Caroline" und "Country Roads" deutlich textsicherer, ich denke, insgesamt haben wir uns ganz gut ergänzt ...

Das Aufstehen gestern Morgen war erwartbar grausam, aber wir waren so viel zu früh in Neustadt, dass wir noch tanken fahren konnten. Danach legte die Deutsche Bahn ein ganz besonderes Meisterwerk vor: Der erste Zug des Tages wurde nicht rechtzeitig bereitgestellt. Ich dachte erst, der Schaffner will uns veräppeln, als er behauptete, die beiden Zugteile hätten nicht kuppeln wollen, weil ich die Zugführerin sah, wie sie (erst) sehr spät in den einen Zugteil stieg und den rangierte. Ich hatte sie schon im Verdacht, verpennt zu haben, aber es kann schon sein, dass sie die manuell die Wagenreihenfolge tauschen mussten.

Das Ergebnis davon war, dass wir 17 Minuten zu spät losfuhren (und der Schaffner uns um 8.20 Uhr allen Ernstes mitteilte, dass wir um 8.17 Uhr Titisee erreichen würden - Saftladen!!!) und Freiburg elf Minuten verspätet erreichten.

Glücklicherweise war auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn Verlass, denn hinter Denzlingen war ein Oberleitungsschaden, sodass der ICE in Freiburg noch ewig stehenbleiben musste und ich ihn also doch erwischte.

Ebenfalls glücklicherweise baue ich als leidgeprüfter Bahnfahrer immer wieder Puffer ein, sodass ich in Karlsruhe dann doch viel Zeit hatte. Dort frühstückte ich erst einmal (ich hatte Mutters Gemüsesnacks wirklich - wirklich! - vergessen) und stieg dann in den ICE nach Paris ein, der natürlich ordentlich Verspätung hatte.

Hinter Straßburg wechselte ich auf einen freien Doppelplatz, dann blieben wir nochmal kurz stehen, aber danach ging es zügig (und mit halbwegs akzeptablem WLAN) über die französischen Hochgeschwindigkeitsstrecken. Mit zwanzig, fünfundzwanzig Minuten Verspätung kamen wir in Paris-Est an, die Metro fand ich sehr schnell - und mein vor Wochen ausgeheckter Plan, schon vor Wochen eine Zehnerkarte zu kaufen, um den Halsabschneidern bei der Pariser ÖPNV-Gesellschaft nicht noch mehr Geld in den Hals zu werfen, ging voll auf: So hatte ich für 17,85 Euro oder so zehn Einzelfahrkarten und konnte die beliebig nutzen - für die zwei Tage hätte ich sonst 30 Euro zahlen müssen, zwar inklusive Flughafenzug, aber da ich ausnahmsweise nicht geflogen bin, brauchte ich das nicht (und die Einzelfahrkarte kostet während Olympia 4 Euro statt normalerweise 2,15 Euro oder so ...). Zwar habe ich jetzt noch vier oder fünf Fahrkarten übrig, aber vielleicht komme ich ja nochmal nach Paris, und dann werden die halt verfahren ...

Mit einmaligem Umsteigen ging es zu meiner Unterkunft, und der Vermieter hatte kurzfristig darum gebeten, ihm eine halbe Stunde Vorwarnung zu geben. So viel konnte ich ihm nicht geben, weil erst ich seine Nachricht zu spät sah und dann er meine, aber ich fand ein hübsches Kneiplein gegenüber des Hauses, und dort genehmigte ich mir erst einmal zwei (kleine) herrlich eiskalte Biere und dann für die Dressurreiter noch ein Siegbier, als der Vermieter kam und mich hieß, erst einmal in Ruhe auszutrinken.

Nachdem das geschehen war, zeigte er mir die Wohnung, nichts Großartiges, aber völlig akzeptabel für eine Nacht, sogar mit (französischem) Balkon, Küche, Bad, alles okay, aber - wie üblich - hielt ich mich nicht lange auf, denn sooooo viel Zeit hatte ich nicht mehr bis zu Spiel ...

Ich lief also zur Straßenbahn, die fuhr auch, aber nur die halbe Strecke bis zum Ziel, und es gab auch keinen Ersatzverkehr, sodass ich dann eine Station lief und mich dann doch in die U-Bahn setzte. Dort stieg ich einmal um und kam dann direkt an der Arena raus.

Ich hatte jetzt doch ein bisschen Zeit, guckte aufs Handy, wo ich jetzt hier was zu essen kriege, da baute sich schon ein Volunteer vor mir auf und fragte, ob er mir helfen könnte. Konnte er leider nicht, denn eine Essensempfehlung konnte er auch nicht abgeben, also lief ich ein bisschen weiter.

Hier war jetzt einigermaßen viel Polizei und Militär, auch mit großen Knarren, das war am Ostbahnhof nicht so zu sehen gewesen (heute Morgen dafür dann schon), aber insgesamt machen die Franzosen das ziemlich gut - das sieht zwar ein bisschen martialisch aus (soll es wahrscheinlich auch), aber es wirkt - jedenfalls gegenüber dem harmlosen Besucher wie mir (nicht lachen da hinten!) - nicht so aggressiv wie es anderswo wäre (ja, USA, ich gucke zu euch!).

Ich lief dann doch in Richtung meines ursprünglich angepeilten Straßenbahnhaltes, denn dort waren ein paar Peruaner, die auch die Mittagszeit über offen haben sollten (eine Seltenheit in Paris). In einen fiel ich ein, störte die Familie beim Essen, wurde trotzdem bedient, kommunizierte dort auf Spanisch, bekam eine sehr genießbare Platte mit frittiertem Fisch und frittierten Meeresfrüchte, nicht das Beste, was ich je gegessen habe im Leben, aber alles andere als verkehrt.

Dazu trank ich ein schwarzes peruanisches Bier - das hätte kühler sein können -, schließlich zahlte ich und lief zur Halle. Der Einlass war völligst entspannt, die Ordner hielten mich (mich!) für so harmlos, dass ich selbst ohne Taschenkontrolle durch durfte und schon war auf dem Gelände der Arena Paris-Süd 6. Halleluja!

Die Halle war sehr angenehm gekühlt, ich kaufte mir jetzt doch eine sündhaft teure Paris-2024-Kappe und ging an meinen Platz. Ich saß in der zweiten Reihe, direkt hinter den Arena-Einheizern, auf Höhe der Siebenmetermarkierung für den Torwart, ich persönlich mag es etwas höher und übersichtlicher, aber dafür war ich seeeehr nah dran am Geschehen.

Ich möchte wissen, was der eine Einheizer genommen hat, und davon möchte ich eine Menge, denn der strahlte die ganze Zeit eine derartige Glückseligkeit aus, dass es fast eine Freude war, ihn zu beobachten.

Die 5.700 Zuschauer aus aller Herren Länder machten ganz gut Stimmung, die deutschen Fans waren ein bisschen leise (nachdem ich bei der Hymne mitgesungen hatte, traute sich wahrscheinlich im weiteren Umkreis keiner mehr, sich als Deutscher zu erkennen zu geben ...), die deutschen Frauen führten schnell 3:0, hatten danach aber fast keine Chance mehr. Mitte der zweiten Halbzeit keimte noch einmal ein bisschen Hoffnung, aber dann setzten sich die brutal stark verteidigenden Norwegerinnen dann doch mit 30:18 durch.

Also hieß es jetzt "Dänemark anfeuern", das machte ich, das war hilfreicher, und Dänemark gewann 28:20, sodass die deutschen Frauen trotz eines einzigen (hohen) Sieges in fünf Spielen ins Viertelfinale einzogen - dort kriegen sie von Frankreich fast sicher auf die Mütze, aber jetzt heißt es erst einmal Viertelfinale olé, Viertelfinale olé, Viertelfinale oléééééééééé ...

Ich will aber gar nicht so viel vom Sportlichen schreiben, das hat jeder gesehen, der es sehen wollte (angeblich war ich so weit vorne recht gut zu erkennen im Fernsehbild ...), sondern von der Stimmung, und die war gerade in den Halbzeitpausen wirklich ganz, ganz großartig ...

Die Franzosen wissen schon, wie sie ihre Leute zum Feiern kriegen (und die Mehrheit der Zuschauer waren Franzosen), aber die Balance zwischen französischer und englischer Ansprache war praktisch perfekt, sodass auch die ganzen Ausländer immer gerne mitgemacht haben - mitgrölen können die/wir bei den bekanntesten französischen Liedern auch, und die englischen Texte kriegen die Dänen und Niederländer und Norweger und Deutschen auch meist hin, es war herrlich - und bei der Slow-Motion-La Ola habe ich am Anfang nicht kapiert, was die Einheizer da von uns wollten, aber das sah völlig surreal aus, weil alle bei der langsamen La Ola mitgemacht haben und dann auch - auf Ansage - schneller geworden sind. Das sah richtig, richtig toll aus!

Nach dem Spiel ging es - wenig überraschend - aus der Halle raus, und da war eine Engstelle auf dem Weg zur U-Bahn, die ich persönlich ziemlich gefährlich fand (zumal Volunteers auch völlig entspannt gegen den Strom liefen ...), sodass ich erst einmal eine Weile wartete und mich dann auf den längeren Weg zur U-Bahn machte. Auch auf dem Weg war die Stimmung noch sehr gut, viele Lokale waren noch auf, es war jetzt auch viel Polizei unterwegs, aber nie so, dass man vor lauter Polizei Sorge bekommen hätte.

Ich hätte in der U-Bahn bis "nach Hause" sitzen bleiben können, stieg aber an der École Militaire aus, denn ich wollte noch einen Blick vom beleuchteten Eiffelturm erhaschen. Es war wirklich nur ein Erhaschen, denn die Arena am Marsfeld blockierte den schönen Blick auf den Eiffelturm, aber auch da im Dunkeln fühlte ich mich sehr wohl (nur einmal drehte ich mich um, weil jemand schnellen Schrittes hinter mir herkam, da war das ein Security-Mensch ...).

Jetzt aber war ich müde, stieg wieder in die Metro, fuhr heim und ging ins Bett, schwitzend, erschöpft, aber glücklich vom Viertelfinaleinzug der deutschen Handballerinnen und von der tollen Stimmung in der Arena.

Ich schlief einigermaßen zügig ein und war beim Klingeln des Weckers nicht überglücklich, aber ein paar Stunden hatte ich durchaus geschlafen ...

Ich duschte (mit katastrophal schlechtem Wasserdruck), packte meine sieben Sachen und begab mich mit der Metro unfallfrei zum Pariser Ostbahnhof. Dort überbrückte ich die Wartezeit bis zur Bekanntgabe des Abfahrtsgleises mit dem Genuss (wirklich!) eines Salamibaguettes, boardete dann (in Paris legt man seine Fahrkarte wie am Flughafen auf einen Scanner und darf dann durch), wollte einsteigen, blieb aber dann doch lieber noch ein bisschen draußen.

Ich verstehe nicht, wieso so viele Menschen vom TGV so schwärmen - das Ding ist eng, die Wendeltreppe hoch in den zweiten Stock ist steil und eng, alles ist beengt, warm ist auch noch, ganz ehrlich, da lobe ich mir den deutschen ICE, da kommt man zwar eine halbe Stunde später an, aber man sitzt meist einigermaßen bequem.

So, ich schreibe diese Zeilen noch in Frankreich, gleich sind wir in Forbach, ich fahre bis Mannheim, steige dort in den Zug nach Freiburg um und gucke, dass ich dann einigermaßen bequem in den Schwarzwald hochkomme.

So im Nachhinein ärgere ich mich ein bisschen, dass ich nicht noch mehr Olympia gemacht habe, denn die Stimmung war gestern - falls das nicht schon klargeworden sein sollte - echt cool. Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass (Sommer-)Olympia in einem Nachbarland stattfindet, eine gute Freundin hat immer von Athen 2004 geschwärmt, und jetzt werde ich zukünftig halt (auch) von Paris 2024 schwärmen. Zu den Basketballerinnen heute Abend wäre ich schon noch gerne, aber von Lille wäre ich nicht mehr gut nach Hause gekommen ...

Naja, hoffen wir auf 2040, aber dann bin ich auch schon ein alter Sack, andererseits ist Brisbane 2032 ja auch nicht so weit, und vielleicht gibt es dann da auch ein paar Länder im Umkreis, die ich bis dahin noch nicht alle besucht habe ...

Also, Paris, c'était super, auf die Übersetzung von "es war toll" muss man erstmal kommen ...

Fotos wollen im Moment nicht (wir sind wieder in Deutschland, kein Wunder), die kommen heute Abend oder morgen in einem Nachklapp

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