Mein Vater hätte diese Art von Musik mit deftigen Worten abqualifiziert, der war mehr beim Donaulied zuhause, aber als Mathematiker habe ich ja einen Hang dazu, Fragestellungen bis ins (absurde) Extremum zu treiben, und da fand ich 4'33" immer ziemlich cool (auch wenn ich es selbst nie "offiziell" gehört habe).
Eine ähnliche Kategorie des Extremkomponierens stellt Cages Stück Organ2/ASLSP (As Slow as Possible) aus dem Jahr 1987 dar, ein Orgelstück, das titelgemäß "so langsam wie möglich" gespielt werden soll. Nun, in Halberstadt in Sachsen-Anhalt hatten sie um das Jahr 2000 herum halt eine alte Kirche, die Sankt-Burchardi-Kirche, übrig, dort haben sie eine - kleine - Orgel aufgebaut, und seit dem Jahr 2001 spielen sie dieses Stück mit einem geplanten Enddatum im Jahr 2640, also über 639 Jahre.
Seit Jahren wollte ich mir mal dieses kleine Spektakel ansehen, und heute kam ich eher zufällig dazu, denn ich war auf dem Weg nach Halle (Saale) zu Freunden, als ich in Halberstadt meinen Anschluss verpasste. Ich bat meine Freunde darum, dass ich statt der unvermeidlichen Stunde Verspätung derer zwei Stunden haben dürfte, der Antrag wurde genehmigt, weil ich immer noch pünktlich zum Fußball aufschlagen sollte, und so kaufte ich mir im keineswegs hässlichen Bahnhof von Halberstadt eine Tageskarte für die Straßenbahn (ja, blöderweise gibt es in Halberstadt kein City-Ticket, sodass ich mir wirklich eine Fahrkarte kaufen musste).
Mit der Straßenbahn fuhr ich an der - teilweise sehr, sehr schönen - Altstadt von Halberstadt vorbei (es gibt aber auf dem Weg vom Hauptbahnhof in die Altstadt auch einige sehr hässliche Bauruinen) und weiter zum Torteich. Dort stieg ich aus und lief zum alten Kloster. Der Klosterhof wird derzeit umgebaut, daher war viel abgesperrt (als ich rausging, kamen mir zwei Frauen entgegen und dachten - wie ich zunächst -, dass der Zugang gesperrt ist; man musste aber nur einen kleinen Umweg laufen und durch eine Tür, die abgeschlossen erscheint, aber es gar nicht ist), aber nachdem ich die Umleitung gefunden und mich durch die Tür getraut hatte, hatte ich die Sankt-Burchardi-Kirche ganz für mich allein.
Nun, ich war beeindruckt: Ich hatte gedacht, dass die Orgel dort sei, wo sie bei normalen Kirchen ist, nämlich entweder oberhalb oder gegenüber des Altars, aber die - sehr kleine - Orgel steht auf dem Boden der - ansonsten leeren und recht schmucklosen - Kirche, aber der Ton war schon draußen zu hören und natürlich erst recht, als ich in der Kirche drinnen war. (Der letzte Tonwechsel war am 5. Februar 2022, der nächste soll am 5. Februar 2024 erfolgen, und der erste von acht Teilen der Partitur ist im Sommer 2071 beendet.)
Ich guckte mich um, schaute mir die Souvenirs an, die man erwarten konnte, aber vor allem fand ich die Tafeln (eine für jedes Jahr von 2001 bis 2640) spannend, von denen man die meisten käuflich erwerben (für den stattlichen Preis von 1.200 Euro) und mehr oder weniger nach eigenem Wunsch gestalten konnte und die wirklich sehr individuell gestaltet waren. Manche Firmen machten da Werbung, andere erinnerten an den 500. oder 600. Geburts- oder Hochzeitstag von sich selbst oder von ihren Lieben, das werden die Menschen im Jahr 2640 wahrscheinlich durchaus interessant finden, wenn das wirklich in mehr 600 Jahren noch jemand sieht ...
Danach fuhr ich zurück zum Bahnhof und bin jetzt auch dem Weg nach Halle. In Sachsen-Anhalt gibt es seit Donnerstag keine Maskenpflicht mehr im öffentlichen Nahverkehr, und kaum jemand trägt noch Maske. Auch ich habe das Ding bei Überfahren der Grenze von Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt abgenommen, es ist noch recht ungewohnt, wieder ohne Maske im Zug zu sitzen, aber ich hatte das ja in England zuletzt auch schon erlebt.
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Am vorletzten Sonntag hatte ich ja meine Ersatzoma und meine Ma vom Flughafen in Stuttgart abgeholt; der Abend wurde im Schnitzer verbracht, da guckten wir auch das glorreiche 1:1 gegen Spanien, bevor ich 30. November wieder nach Hannover fuhr.
Eine arbeitsreiche Woche endete am Freitag Abend, als ich in Richtung Erfurt fuhr und dort wieder auf einen Großteil meines Bonndorfer Ü75-Rudels traf: Wir trafen uns mit einer alten Studienfreundin, deren Eltern und Freund und verbrachten einen wunderbaren Abend in einer Gaststätte am Wenigemarkt. Am nächsten Vormittag fuhren wir auf den Weihnachtsmarkt, tranken dort ein Glühweinchen, aßen - es war kühl - in einem Restaurant-Bar-Kneipen-Fastfood-Gemisch (sehr schön!) eine Bratwurst und tranken zwei Bierchen, trafen uns dann wieder mit alten Studienfreunden von mir, ich verspeiste ein Würzfleisch (das war auch lecker!), und dann wollten die Damen ins Hotel, während wir jungen Leute (höhöhöhö, aua, jetzt tut mir vom Lachen das Kreuz weh ...) noch zum Anger und dann zu einem (leckeren!) Italiener zum Abendessen weiterzogen.
Am Sonntag Morgen frühstückten wir noch gemütlich in unserem schönen Hotel an der Erfurter Messe, bevor die Damen zurück in den Schwarzwald fuhren. Ich verpasste meinen Zug nach Göttingen knapp, fuhr nochmal kurz nach Jena (im Zug war es wärmer), stieg dort aber sofort in den Gegenzug ein, sodass ich am frühen Nachmittag in Hannover war.
Über die letzte Arbeitswoche breiten wir den Mantel des Schweigens, und jetzt freue mich sehr auf die Hallenser Freunde mit ihren wunderbaren Kindern. Das wird schön ... (Achso, und auf geht's, England und Marokko!)
Erfurter Dom |
Erfurter Weihnachtsmarkt - steht doch da! |
Halberstädter Dom |
Downtown Halberstadt |
Orgel und Gang in der Kirche |
Orgel in Kirche |
Klosterhof |
Sankt-Burchardi-Kirche |
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