Meine Länder

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Freitag, 2. September 2022

Kamel auf Kamel und auf Pferd

Joa, da saß ich Kamel nun auf meinem Bett im Royal Camp Terenj, der letzten Unterkunft auf dieser Reise (und königlich fühlte es sich nach den vorherigen zwei Unterkünften definitiv an). Das hatte meine Reiseführerin psychologisch sehr geschickt gemacht, aber bevor ich es vergesse: ganz großes Lob an Tsatsa, meine Reiseführerin, und an Bimba, den Fahrer, das hat erstens nicht nur richtig Spaß mit den beiden gemacht, sondern ich fühlte mich bei den beiden nicht (nur) als zahlender Kunde, sondern fast als ein Freund, dem die beiden ein bisschen ihre Heimat zeigen.

Ich konnte die letzten Nächte nicht ganz so gut schlafen, aber das liegt ziemlich sicher daran, dass es so unglaublich viele Eindrücke gab, dass ich ganz großen Mist träumte, während mein Hirn versuchte, diese ganzen Eindrücke zu verarbeiten. Entsprechend war es auch erst kurz vor sechs, als ich anfing, diesen Blogeintrag zu schreiben, die Sonne ging bald auf, aber im Hotel - nach der Dusche - überarbeitete ich ihn noch (und fluchte darüber, wie ich die Bilder an die richtige Stelle kriege).

Ich wurde ja am Dienstag, dem 30. August, um 10 Uhr abgeholt, und als ich ausgecheckt, meinen Koffer im Hotel gelassen und selbiges verlasse hatte, kam schon eine junge Frau auf mich zugestürmt und begrüßte mich. Tsatsa hatte mir schon per WhatsApp geschrieben gehabt und stellte sich als die Chefin ihres kleinen (?) Reiseveranstalters Green Clover (Grüner Klee) heraus - so richtig mitgekriegt habe ich das zwar erst später, aber da ich den Verein ja schon über den grünen Klee gelobt habe (auf das Wortspiel habe ich Tage gewartet!), muss ich das an dieser Stelle nicht noch einmal tun.

Wir stiegen in eine Art Bully russischer Bauart ein, von dem Tsatsa sinngemäß meinte, das Ding (das
ich liebevoll "Panzer" zu nennen begann) sei unkaputtbar, aber wenn doch etwas kaputt ginge, könnte man das unterwegs meist schnell flicken. Nun denn! Ich hatte die Wahl, auf der Beifahrerseite Platz zu nehmen oder aber auf dem Rücksitz, und da ich vielleicht doch vorhatte, einige Fotos aus dem rollenden Panzer zu machen, wuchtete ich mich auf den Beifahrersitz, auf dem ich die ganze Reise über meinen Platz hatte. Bimba, der kein Englisch spricht, grinste mich schon an, und wir rollten an in diesem Gefährt, in dem kein so unnötiges Gedöns wie eine Klimaanlage zu finden war (Fenster auf und gut), aber dafür am Zigarettenanzünder ein Mehrfach-USB-Port, in dem später auch mein Handyladekabel Platz fand. Eine Sorge (ob ich zumindest einen meiner Fotografierapparate geladen kriege) war damit schon einmal weg.

Es ging durch den - es war Werktag - dichten Vormittagsverkehr in Ulan Bator, bis wir an einer der Ausfallstraßen anhielten. Wir betraten dieses Geschäft, und ich dachte, ich bin bei der Metro (einschließlich der Tatsache, dass jeder mit Kreditkarte zahlte): Hier gab es gefühlt alles, vom Bett bis zur Großflasche Jägermeister, es gab etliche deutsche Produkte, wir kauften noch ein großes Fass Wasser (für alle Fälle), ein paar Snacks und Cola für Tsatsa (die hatte sich den Magen verstimmt - hey, wer ist hier der Ausländer?!), und dann ging es wirklich in Richtung Westen, aus der 1,5-Millionen-Einwohner-Großstadt Ulan Bator heraus.

Das erste offizielle Ziel war ein kleines Halbwüstengebiet namens Elsen Tasarchai, aber die 280 Kilometer lange Fahrt dorthin war schon das erste Faszinosum. So stellte ich mir die Mongolei vor: eine Spur in jede Richtung, kilometerweit geradeaus, links und rechts weite, offene Flächen (manchmal sogar so eine Art Heidelandschaft), da hinten sind Berge, auf den offenen Flächen sieht man ein paar Jurten herumstehen und diverse Tiere grasen (im Wesentlichen Pferde, Rindviecher, Schafe und Ziegen, es gibt wohl 222 Millionen Tiere in der Mongolei, bei drei Millionen Einwohnern), gelegentlich muss man bremsen, weil die Herde die Straße überquert (oder auch kurzzeitig okkupiert), es kommt einem kaum ein Auto entgegen, am Straßenrand steht ab und zu eine bunt beflaggte Stupa, und nach jeder Kurve bietet sich eine neue fantastische Aussicht. Eine Stupa ist dabei (ich glaube, ich habe gar kein Foto gemacht unterwegs) eine Art Steinhaufen mit einer Spitze und oft mit Gebetsflaggen, die in diesen Fällen als Grabmal dient an Stellen, an denen der Verstorbene sich wohl gerne aufhielt, gerade weil die Nomaden eben keine festen Ortschaften mit einem Friedhof haben, sondern eben umherziehen von Camp zu Camp, im jahreszeitlichen Rhythmus.

Ich machte ein Fotos nach dem anderen (irgendwann meinten die beiden, ich mache wohl gerne Fotos von der Straße - nicht unbedingt von der Straße, Kinners, aber diese Weiten jenseits der Straße, das war - und blieb - für mich unglaublich, gerade weil da weit und breit kaum Menschen zu sehen waren, zumindest, als wir dann wirklich aus dem vorstädtischen Gebiet draußen waren), und als wir zur Mittagspause an einer Raststätte anhielten, musste ich erstmal ganz dringend auf die andere Straßenseite und diese Weite jetzt ohne die Begrenzungen der Windschutzscheibe angucken. Unfassbar!

An den großen Straßen gibt es viele Restaurants, und einige von denen sind sehr dezidiert auch für westliche Touristen (damit meine ich auch Koreaner, die laut Tsatsa im Moment 80-90 % der Touristen ausmachen; eine Koreanerin war mit einem Aufkleber "Lügner" auf ihrem Pullover unterwegs, keine Ahnung, ob die wusste, was das bedeutet) gedacht, was man nicht nur an der (auch) englischen Speisekarte im Schnellrestaurant, sondern auch an den Toiletten merkt. Bimba und ich aßen lustigerweise immer das Gleiche, an diesem Tag gab es so etwas Ähnliches wie Lammhäxle, das war durchaus lecker, auch wenn ich natürlich nicht sicher war, wie das mit den Toiletten im bzw. am Ger so funktionieren und wie ich das Essen vertragen würde. (Beim Teeeinschütten machte ich mich vor versammelter Mannschaft zum Brot, weil ich nicht wusste, dass das Teil auf der Kanne ein Pfropfen war und also nicht auf der Kanne bleiben kann, wenn man einschenken will ...) 

Weiter ging es - Foto, Foto, aber gelegentlich auch mal bisschen Ermüdung mit kurzzeitigem Pendelschlaf - durch die mongolische Weite, als Tsatsa in der Ferne auf eine dünenartige Landschaft hinwies. Das war Elsen Tasarchai, und darauf steuerten wir zu. Wir hielten in Sichtweite von Pferden und Kamelen, aber Tsatsa machte erst einmal mit mir einen Spaziergang durch die Halbwüste, über Dünen, und es war ziemlich surreal, einerseits diese Wüste mit Dünen und Sand und wenig (ein bisschen, aber wenig) Grün und praktisch außen herum das saftige Grün (überhaupt ist die Mongolei viel grüner als ich es mir vorstellte) der Steppe zu sehen, mit den Bergen dahinter - das war ein schräger, aber ein weiterer sehr, sehr schöner Ausblick.

Waren die Straßen bis dahin völlig in Ordnung gewesen (ja, es gab mal ein paar Schlaglöcher, aber im Großen und Ganzen war das nichts, was mein Fiesta nicht auch hätte bewältigen können), stellte sich bei der folgenden Fahrt heraus, wieso Tsatsa diesen Panzer mitgebracht hatte: Es ging nämlich jetzt off-road. Wobei, "off-road" ist Definitionssache, denn die Strecke war zwar nicht befestigt, aber so festgefahren, dass da so schnell nichts mehr wächst. Klar erkennbar war der Weg auf alle Fälle, auch wenn die Fahrer hier bei allzu tiefen Schlaglöchern (die man in diesen Tagen gut durch die Wasserlachen darin erkennen konnte) nötigenfalls eine neue Strecke außen herum eröffnen: Da fahren halt alle konsequent eine Strecke übers Gras, sodass die dann am Ende ausgefahren ist. So richtig nachhaltig ist das wahrscheinlich nicht, aber vielleicht unterschätze ich auch die Kraft der Natur, sich die alte, aufgegebene Piste schnell wieder anzueignen.

Die Blicke auch hier auf dieser Piste waren fantastisch, gerade weil wir auf die Berge zufuhren, ehe wir - nach vielleicht 15 Minuten Pistenraserei (Bimba rödelt da gerne mal mit 60, 70 Sachen über die Piste, wenn es denn geht; es gibt aber auch mal Vollbremsungen, wenn er eine böse Rille zu spät gesehen hat - überhaupt großen Respekt davor, mit dem Ding so über Stock und Stein zu vagabundieren!) - bei ein paar Jurten ankamen.

Tsatsa hatte unterwegs ein paar Mal mit der Familie, bei wir die erste Nacht übernachteten, telefoniert, und ich fragte mich zwischendurch, wie die Nomaden wohl das Handy aufgeladen kriegen, um zu telefonieren. Als ich ankam und die Solarzelle (und die Satellitenschüssel) sah, die neben der einen Jurte stand, wusste ich, wie! Wir wurden vom Vater der Familie begrüßt und gingen erst einmal in die Jurte, in der ich später übernachten würde. Mir wurde Airag, also die berühmte fermentierte Stutenmilch, und eine Art Käse gereicht, und obwohl ich ein bisschen Sorge hatte wegen des Airag, der soll nämlich Ungeübten gleich mal den Magen durchputzen und den Darm gleich mit, nippte ich an dem Zeug, denn alles andere wäre grob unhöflich gewesen.

Ui, nach dem ersten Nippen war mir Magen und Darm wurscht, denn das Zeug schmeckt mir: Ich habe in diesen Tagen lange gesucht, womit ich den Geschmack vergleichen kann, und bin beim Neuen Süßen, also ganz frisch vergorenem Wein (wenn ich das mit dem Neuen Süßen richtig verstehe!), angekommen, natürlich mit einer sehr milchigen Note. Ein bisschen alkoholisch ist das aufgrund des Fermentierungsprozesses schon, aber nicht so, dass man gleich betrunken würde - durchaus lecker. Auch der Käse - ziemlich hart, aber das muss so sein, der soll bis zu einem Jahr haltbar bleiben - war lecker, denn sobald man den mit Speichel vermischt im Mund, wird der auch weich und schmeckt sehr zart bis milchig, wunderbar (dieses deutsche Wort gefällt den Mongolen übrigens auch sehr!).

Jetzt war erst einmal ein bisschen Erholung angesagt, denn Tsatsa musste noch meine Kameltour organisieren (die Kamele waren noch nicht wieder vom Haupttouristenschauplatz zurück), also saß ich da in meiner Jurte und ließ erst einmal den Tag Revue passieren. Während ich da so saß, guckte ich mir die Konstruktion der Jurte erst einmal genauer an: Die Grundkonstruktion ist eine Art runder Lattenrostzaun, auf dessen oberem Umlauf sicher 80 bis 100 Stäbe aufgesetzt werden, die dann die Kuppel der Jurte stabilisieren. In der Decke ist ein (mit Zeltstoff verschließbares) Loch in der Jurte, durch das Licht und Luft rein und das Ofenrohr (in den traditionellen Jurten sind Öfen, deren Abgase natürlich raus müssen) raus kann. Um die ganze Konstruktion herum gibt es diesen mehr oder weniger bekannten weißen Zeltstoff, und auf dem Boden ist eine Bodenplatte, damit man nicht im Matsch steht. Rein und raus kommt man durch eine (niedrige) Tür (an der ich mir gerne mal den Schädel einrenne), und in der Jurte stehen nun allerlei Dinge, meist Sitzgelegenheiten in Form von zwei Betten, aber auch Schränke und in meinem Fall eine Autobatterie, mit der ich für Licht sorgen konnte, indem ich mittels eines Rings an der Leitung den Stromkreis herstellte. Abenteuerlich, im wahrsten Sinne des Wortes!

Nun ging es aber erst einmal zur Kameltour, und als der Kameltreiber mich anwackeln sah, machte er sich erkennbar erstmal Sorgen um seine Viecher. Das größte und kräftigste Kamel wurde mir zugeteilt, und als ich auf das Kamel (das sich dankenswerterweise hingekniet hatte) aufsteigen wollte, trat ich ihm erst einmal versehentlich kräftig gegen den hinteren Höcker. Der Kameltreiber verdrehte die Augen, zeigte mir noch einmal, wie es geht, und beim zweiten Versuch passte das dann auch.

Als sich das Kamel erhob, wäre ich fast seekrank geworden, aber instinktiv fühlte ich mich auf dem Tier wohl, das an der kurzen Leine hinter dem Kameltreiber durch die Steppe auf einen kleinen Teil der Halbwüste zustapfte. Wenn es bergauf oder bergab ging, hielt ich meine Hände um den vorderen Höcker griffbereit, um mich nötigenfalls festzuhalten, aber das war nicht nötig, auch wenn das Kamel sehr trockenes und ein bisschen stumpfes Fell hat (jaha, ich weiß, wie sich ein Kamelhaarmantel anfühlt, aber trotzdem!), sodass es keineswegs unangehm war, dem Viech ab und zu trotzdem mal ins Fell zu greifen. Ich fühlte mich auf dem Vieh so wohl, dass Tsatsa meinte, es sähe ganz "natürlich" aus, wie ich auf dem Tier reite, denn andere Touristen hätten Angst auf dem Kamel. Nö, das war ja ein kampferprobtes Tier, dem konnte selbst ein Kamel wie ich wenig anhaben. Vor einer Düne wurden Fotos vom Kamel auf dem Kamel gemacht, dann ging es auch schon zurück - toll!

Beim Absteigen verletzte ich das Kamel nicht erneut, es gab ein ordentliches Trinkgeld für das Kamel (ich hoffe, das Tier kriegt dafür wirklich ein Extraleckerli!), und nun gab es Abendessen in der Küche der Familie, bei der wir wohnten. Zum Kochen wird die Platte auf dem Ofen herausgenommen und durch ein wok-artiges Kochgeschirr ersetzt, und in dem Wok befanden sich an dem Abend im Wesentlichen Nudeln, Lammfleisch und möglicherweise noch ein bisschen Kartoffeln. Dieses Tsuiwan genannte Gericht schmeckte mir sehr gut und ist anscheinend eines der Hauptgerichte der nomadischen Küche - wirklich lecker, vor allem, weil auch das Lamm praktisch nicht böckelte (das Fett, das mitgekocht und mitgegeben wird, vielleicht ein bisschen).

Jetzt war aber - es war schon dunkel - Schlafenszeit gekommen, und die Mongolen grinsten mich an, als ich sagte, dass ich keinen Ofen bräuchte, weil mir die Kühle gerade recht war. (Mir wurden sogar traditionelle mongolische Gewänder angelegt, um deren Ablegen ich aber gleich wieder ersuchte, weil ich selbst draußen anfing zu schwitzen ...) Ich bekam eine vernünftige Daunendecke, dann ging ich ins Bett. Die Toilette musste ich nicht mehr aufsuchen, trotz Airag und ungewohnten Essens, da ist mein Hirn sehr eigen und befiehlt dem Darm, friedlich zu sein, denn das Problem war keineswegs die Toilette selbst - ja, Plumpsklo im Häuschen ein bisschen abseits, so wie man es früher wohl kannte, aber mit westlichem, sauberem Toilettensitz -, das Problem war, dass ich kein frisches Wasser zum Händewaschen hatte (meine Wasservorräte waren eher sparsam, und die wollte ich zum Trinken nutzen), und dem Desinfektionsmittel traute ich dann doch nicht hundertprozentig über den Weg.

Nun denn, ich schlief gar nicht so schlecht, nur ging um 22 Uhr das Handy meiner Gastgeberin los, das sie in meiner Jurte vergessen hatte. Daraufhin bellte der Hund los, woraufhin alle anderen Hunde in der Umgebung auch ins Gebell einstimmten. Zwischenzeitlich wieherte ein Pferd, der Alarm war schon lang aus, da bellten fernab noch die Hunde, sodass unser Hund nochmal Laut gab, dass es aber Ruhe sein soll. Unter der warmen Decke war mir nicht kalt (auch wenn es in der Jurte dann doch ziemlich kühl wurde), aber ich war trotzdem heilfroh, dass der Ofen nicht angeheizt worden war, sondern wäre ich da drin erschwitzt.

Am nächsten Tag, am Mittwoch, dem 31. August, stand ich also in der kühlen Jurte auf, zog mir frische Unterwäsche an (mit Duschen war hier halt nix, das hatte ich vorher schon vermutet, aber so fühlte ich mich zumindest ein bisschen sauberer), machte die Tür auf - und war begeistert. Ich hatte schon am Dienstag Glück mit dem Wetter gehabt, und der Tag heute schien ebenfalls ein guter zu werden (und wurde es auch, ebenso wie der Donnerstag und der Freitag). Wir frühstückten mit mongolischem Gebäck, das Tsatsa mitgebracht hatte, und Milchtee, den die Familie uns zur Verfügung stellte, dann verabschiedeten wir uns.

Zurück ging es über den Feldweg auf die Hauptstraße bei Elsen Tasarchai und von dort noch ein Stückchen weiter in den Westen in die alte Hauptstadt Karakorum. Auch wenn diese Straße bei Google Maps nur als Nebenstraße eingezeichnet ist, war sie völlig ausreichend asphaltiert, obwohl sie nicht direkt nach Ulan Bator führt. An einer T-Kreuzung bogen wir ab und waren kurz darum in Karakorum.

Wir suchten zuerst das Museum auf und Tsatsa war so freundlich, mich auf die Toilette hinzuweisen. Schwupps, weg war ich und ward erst etliche Minuten später wieder gesehen ... Auf der Toilette stellte ich fest, dass das Museum WLAN hat und konnte also erste Lebenszeichen von mir geben - wenn man so regelmäßig von sich hören lässt, machen die Menschen sich offensichtlich Sorgen, wenn man mal 24 Stunden lang nichts von sich gibt ...

Es gab eine kleine Sonderausstellung zu einem neulich gefundenen Grab (hochinteressant), und der Film dazu wurde auf Deutsch gezeigt, weil neben mir noch eine Vierergruppe anderer Deutscher dort war. Dass der Film ein bisschen später anfing, weil ... öhm, jemand auf der Toilette verschollen war, gehört ins Reich der Legenden!

Die anschließende Führung durch das Museum, auf dem mit vielen Landkarten (was ich ja liebe) die Geschichte der heutigen Mongolei von den Hunnen bis mindestens zur Aufteilung des Reichs unter dem Enkel Dschingis Khans gezeigt wurde, mit vielen hochinteressanten Ausstellungsstücken, war großartig, zumal Tsatsa und ich am Ende die Führung für uns allein hatten, weil die anderen Deutschen nicht hinterherkamen und auch nicht so wahnsinnig interessiert an den Schilderungen der Führerin schienen.

Danach ging es zum Klosterkomplex Erdene Dsuu, und das ist wahrscheinlich einer der wichtigsten Gründe, wieso Menschen in die Mongolei reisen, denn dieser riesige Komplex ist - obwohl ein großer Teil inzwischen leer ist, weil die dazugehörigen Tempel spätestens im Kommunismus zerstört wurden - unglaublich toll.

Glücklicherweise haben selbst die Kommunisten einige der Tempel noch stehen lassen (Religionsfreiheit und so ...), sodass man sie heute entweder als gläubiger Buddhist oder eben als Tourist besuchen kann. Von den einst 62 Gebäuden gibt es nur noch 18, und zu diesen 18 Gebäuden gehören vier Tempel, von denen einer heute noch bzw. wieder als Kloster von Mönchen bewohnt wird. Diese ganze Anlage, die von einer Mauer mit vielen Stupas begrenzt wird, wirkt so riesig und die Tempel so klein, obwohl sie - wenn man sie besichtigt - gar nicht so klein sind. Dazu gibt es noch einige Meditationsräume, aber am eindrücklichsten ist es einfach, wenn man durch diese Tempellandschaft aus dem späten 17. Jahrhundert läuft und die Seele baumeln lässt.

Wir machten noch einen kleinen Abstecher (Bimba, wieso fährst du auf einmal auf die Wiese???) zu einem kleinen Felsbrocken, der wie eine Schildkröte aussieht und auf der eine Säule, die jetzt im Museum gezeigt wird, stand - ich habe, vor lauter Eindrücken, leider vergessen, was es mit dieser Säule auf sich hat, aber dieser kleine Spaziergang zu diesem von anderen Touristen ignorierten Kleinod war auch noch einmal sehr schick.

Jetzt aber ging es auf die Tour zurück in Richtung Ulan Bator, wobei wir aber noch im Nationalpark Chustain Nuruu Station machten. Weiteres Abenteuer!

Es mag Menschen geben, die eine drei-, vierstündige Fahrt durch die Mongolei langweilig finden - ich gehöre ganz definitiv nicht dazu, denn hinter jeder Kuppe, hinter jeder Kurve bietet sich ein neues atemberaubendes Panorama, und obwohl wir die gleiche Strecke wie auf dem Hinweg fuhren, fuhren wir eben diesmal in die andere Richtung und hatten ganz andere Aussichten als auf der Hinfahrt. Ich habe viele Fotos gemacht, aber die geben die Weite dieses Landes nicht wirklich wieder. Das muss man mit eigenen Augen gesehen haben, sonst kann man sich das als mitteleuropäischer Stadtmensch gar nicht vorstellen.

Wir machten unterwegs wieder Rast, diesmal an einem Khaan-Buuz-Schnellrestaurant, und den Aufenthalt dort - ich aß Hackbällchen mit Nudeln - nutzte ich, um im dortigen (superschnellen!) WLAN mal wieder ein Lebenszeichen von mir zu geben.

Ich hatte - aus Spaß an der Freud und weil ich im Auto ja mein Handy laden konnte und nicht Akku sparen musste - mal das Navi angemacht, und das sagte, man möge in drei Kilometer rechts abbiegen, als Bimba in die Walachei abbog. Holla, die Waldfee, das hat so gerumpelt, dass ich fürchte, ich habe den Beifahrersitz mit meiner Wuchtmasse zerstört, denn das Ding wackelte nach hinten und nach vorne, zur Seite, ein paar Mal flogen wir ein paar Zentimeter durch die Luft mit dem Gefährt (die Decke war zum Glück gepolstert), und ich frage mich immer noch, wieso Bimba bei manchen Schlaglöchern scharf bremste und bei anderen mit Karacho drüberhobelte, denn für mich sahen die ungefähr gleich aus ...

Wir kamen an das - menschenleere - Besucherzentrum des Nationalparks, wir guckten uns kurz die Ausstellung an, die Auskunft darüber gab, wie hier Anfang der 1990er-Jahre sogenannte Przewalski-Wildpferde, die letzte existierende Art echter Wildpferde und in der freien Wildbahn damals ausgestorben, wieder ausgewildert wurden, und Tsatsa versicherte mir, sie hätte da ein Ass im Ärmel.

Wir fuhren - bei schon untergehender Sonne - durch den Park ... naja, "fahren" ist übertrieben, als wir - entweder ist Tsatsa eine gute Schauspielerin oder sie war wirklich überrascht - zunächst einmal ein paar Rehe und einen Hirsch sahen. Als die uns kommen sahen (wir stiegen aus dem Auto aus, damit wir Fotos machen konnten), liefen sie aber auf großem Abstand vor uns weg, sodass wir weiterfuhren.

Ein paar Meter weiter sah Bimba dann ein Murmeltier und sagte Tsatsa (aufgrund seiner gestischen Untermalung verstand auch ich, was er vorschlug), er würde am liebsten das Murmeltier jetzt fangen, schlachten und verspeisen. Ich fragte Tsatsa, ob das erlaubt sei, und sie erwiderte, nein, das sei im ganzen Land - und nicht nur im Nationalpark - verboten ...

Wieder ein paar Meter sahen wir jetzt ein paar Wildpferde auf der anderen Seite des Bachbettes (deswegen die späte Anreise, weil sie dann zum Trinken dorthin gehen), wieder stiegen wir aus und guckten uns an, wie diese hübschen Tiere da durch die Gegend galoppierten. Ich glaube, ich habe acht Tiere gezählt, und während wir die Wildpferde fotografisch dokumentierten, machte Bimba das, indem er seinen beiden Kindern mit Hilfe eines Videoanrufs die Tiere zeigte. Ja, richtig, er hatte genug Netz für einen Videocall mitten in der Wildnis, weit weit von jeder festen Behausung, umringt von Bergen. Tsatsa hielt mich für verrückt, als ich ihr erklärte, dass das in Deutschland schon technisch kaum möglich wäre, jemanden anzurufen in dieser Situation, geschweige denn, einen Videocall zu führen ... Technologienation Deutschland, klar!

Nun aber kommt das Allerbeste des Tages: Wir fuhren weiter (die Pferde querten noch einmal unseren Weg) und schauten, dass wir - ich denke, das war in der an den Nationalpark angrenzenden Pufferzone - unser Nachtquartier finden. Wir fuhren ein bisschen und kamen zu zwei Jurten, doch Tsatsa und Bimba schauten ratlos. Sie sprachen die Jurtenbesitzer an, und Tsatsa erklärte mir hinterher, dass unsere Gastgeber schon vom Sommer- ins Herbstcamp umgezogen seien. Nomaden halt.

Der Bewohner dort erläuterte den beiden, wie wir zum Herbstcamp kämen, das sah mehr nach Karate als einer Wegbeschreibung aus, aber die beiden nickten, und wir fuhren los (es sei nicht weit, meinte Tsatsa, zehn Kilometer vielleicht).

Wir fuhren aus dem etwas bergigeren Nationalpark heraus, in eine weite Ebene, und auf die Berge in der Ferne schien die Abendsonne - ich habe leider kein Foto machen können, weil ich den Eindruck hatte, dass wir zeitlich wirklich ein bisschen in die Bredouille kamen, und wir daher machten, dass wir noch vor Einbruch der Dunkelheit ins Quartier kamen. Immer wieder wurde der Gastgeber angerufen - ganz so fantastisch war die Qualität dann doch nicht, das Gespräch brach öfter ab -, die beiden diskutierten, bis plötzlich ein kleines Schildchen mit einem Warnhinweis oder so etwas am Feldweg stand. Die beiden lachten erleichtert, denn jetzt wussten sie offenbar, wo wir waren. Bimba fuhr links und rechts, mal durch einen kleinen Wald mit einem kleinen Flusslauf durch, bis - gaaaaanz da hinten - auf einmal ein paar weiße Jurten zu sehen waren.

Wir kamen mit den letzten Sonnenstrahlen an der Wohnjurte der Gastgeber zum Stehen, und wurden hereingebeten. Wieder gab es Airag, diesmal trank ich zwei Schalen, denn das Zeug schmeckte mir ja, dazu gab es wieder Käse und bald darauf - anstatt umzurühren wird das Kochgefäß hier geschüttelt - auch wieder Tsuiwan, diesmal mit Käse zu den Nudeln und zum Lamm. Während des Essens brauten die Männer des Hauses frischen Airag, und Tsatsa erklärte mir, dass es Glück bringe, wenn man dabei sei, während in einem Haushalt neuer Airag gebraut werde. Na dann, auch alles Gute!

Nach dem Essen fuhren wir - nun schon im Dunkeln - die wenigen Meter bis zum eigentlichen Campbereich, und wir bezogen unsere Jurten. Ich hatte auf der Tour jeweils meine eigene Jurte, während Tsatsa und Bimba sich eine Jurte teilten. Die Jurte hier war touristischer, sprich: unpersönlicher, wie ein - ungewöhnlich gebautes - Jugendherbergszimmer, aber ich hatte eben auch weniger das Gefühl, hier in eine Familienstruktur einzudringen als in der Nacht zuvor.

Touristischer war das Ganze aber auch dahingehend, als dass es ein Sanitärhaus gab. In der Hochsaison kann man die dort vorbereiteten Duschen auch benutzen, aber jetzt war ich schon in der Nebensaison (und noch dazu in einem Noch-Corona-Jahr) unterwegs, sodass nur (aber immerhin!) die wunderbar eingerichteten Toilettenräume benutzt werden konnten. Mein Gehirn realisierte, dass ich hier die Hände waschen könnte, und prompt machte der Airag doch, was er tun sollte ...

Auch hier bat ich darum, keinen Ofen anzumachen, auch hier wurde es in der Nacht kühl, aber mit der Decke war alles bestens, der Sternenhimmel auf dem Weg zum Sanitärhaus war atemberaubend, der Halbmond stand am Himmel, aber ich träumte den allerallergrößten Mist und schlief entsprechend nicht so richtig gut ...

Das war aber völlig wurscht, denn als ich mich gestern, am Donnerstag, dem 1. September, erhob und die Tür der Jurte öffnete, war ich schon wieder (jaha, ich weiß, dass das hier einreißt, aber es ist halt so schön!) ganz hin und weg.

Der Blick auf das noch im leichten Morgennebel liegende Gebirge am Ende der Ebene, das war einfach fantastisch schön, unfassbar, richtig, richtig toll. Ich zog mich wieder an, wieder mit frischer Unterwäsche, ging im Sanitärhaus Zähne putzen (so mit fließendem Wasser auch toll), dann gab es auch schon Frühstück vor Tsatsas und Bimbas Jurte. Sie hatten den Campingkocher eingepackt, also gab es heißen Tee, Gebäck, Marmelade von einer Beere, die ich so gar nicht identifizieren konnte, ganz lecker, und bei dem Blick schmeckte sowieso alles.

Auf, auf, marsch, marsch, nach der Verabschiedung von der Gastgeberfamilie fuhren wir - mit einem kurzen Abstecher zu mitten in der Gegend herumstehenden und völlig ungeschützten - alten Grabmalen, die so aussahen wie die, die das Museum in Karakorum auf die Bronzezeit datiert hatte (das ist jetzt aber völlig ohne Gewähr), in Richtung Ulan Bator.

Allein, es war der 1. September und anscheinend gleichzeitig Schul- und Unibeginn, und dementsprechend voll sollten wohl die Einfallsstraßen nach Ulan Bator sein. Auf alle Fälle ging es jetzt zweieinhalb bis drei Stunden auf Feldwegen im Abstand von fünf bis zehn Kilometern mehr oder weniger parallel zur Hauptstraße durch die Gegend - es war eine wahre Freude. Ich fahre ja gerne off-road (bzw. lasse gerne fahren), das habe ich schon im Sudan festgestellt, und mit Bimba hat das richtig Spaß gemacht, wie der da Berge hoch- und runterheizte, sich mal verfuhr, dann halt über die Wiese wieder auf die richtige Piste kam, einmal fuhren wir durch eine große Pfütze durch, gegen Schluss fuhren wir auf einer sehr geneigten Piste, dass ich meinen Schwerpunkt möglich in die Mitte des Gefährts verlagerte, damit ich die Kippgefahr reduzierte (hat bestimmt voll viel gebracht ...), ich fand es großartig und soooo schön ...

Wir überquerten den Fluss Tuul (der ein Stück weiter östlich durch Ulan Bator fließt) und fuhren dann wieder auf einer Hauptstraße in Richtung des alten Flughafens. Dort ging es geradeaus, sodass wir auf der südlichen - naja - "Umgehungsstraße" um/durch Ulan Bator fuhren, ohne stundenlang im Stau zu stehen. Das erste Ziel des gestrigen Tages war nämlich die Reiterstatue des Dschingis Khan östlich von Ulan Bator, und ganz im Süden herum wollten die beiden aus mir nicht ganz erklärlichen Gründen nicht fahren, zumal das - zumindest auf der Google-Karte - nicht wirklich viel weiter aussieht. Auf alle Fälle hat man von dieser Südstraße wahnsinnige Ausblicke nicht nur auf das unfassbar riesige (vor allem, wenn man gerade aus dem Nationalpark kommt) Ulan Bator, sondern auch auf den schönen Wald (ja, es gibt Bäume in der Mongolei, später mehr), der am Flussufer fast parkähnlich wächst.

Durch immer noch ziemlich bewohnte Landschaft (auch wenn eine Kuhherde die vierspurige Schnellstraße durch den Durchlass [!] für den Fußgängerweg überquerte, schlaue Tiere ...) ging es eine gute Stunde in Richtung Osten, bis recht plötzlich die silbrig glänzende, 40 Meter hohe Statue von Dschingis Khan auf seinem Pferd in der Landschaft steht, und das erst seit 2007.

Wir bogen ab, parkten (Bimba parkt genauso hervorragend wie ich ein, aber hier in der Mongolei ist meistens mehr Platz als in Deutschland, da kann man schonmal in zwei Parkbuchten stehen bleiben) und Tsatsa und ich liefen die Stufen hinauf bis zum Empfangsgebäude.

Die Kasse war verwaist, aber Tsatsa bekam die Ansage, sie solle beim Gehen für mich bezahlen, und schon waren wir im Empfangsgebäude. Ein riesiger mongolischer Stiefel begrüßt den weitgereisten Touristen, und Tsatsa erläuterte mir, dass die Sohlen der Stiefel so beschaffen seien, dass man nicht sehen können, in welche Richtung der Träger gelaufen sei. Zudem gebe es keine linken und rechten Stiefel ...

Wir gingen hinunter in die gar nicht einmal so uninteressante Ausstellung, auch wenn das - neben einer alten Flagge des mongolischen Reichen - interessanteste Stück, die Karte der maximalen Ausdehnung des mongolischen Reiches, von Russen okkupiert wurde (mit dem Okkupieren haben es die Russen ja), die sich davor über etwas anderes unterhielten, aber nicht sahen, dass ich mich wirklich für die Karte interessierte ... (Überhaupt war auf dem Weg zu dem Reiterstandbild erstmals ein ausländisches - russisches - Auto an uns vorbeigezogen.)

Die Mongolen waren ja bis nach Liegnitz in Niederschlesien gekommen, wo sie 1241 zwar die dortige Schlacht gewannen, sich aber dann doch wieder zurückzogen; mit Freude stellte ich fest, dass ich an einigen Stätten, an denen die Mongolen ihre Spuren hinterlassen hatten, schon war, so soll es doch sein, wenn man auf Karten schaut ...

Jetzt aber ging es endlich - erst mit dem Aufzug und dann noch ein paar Treppen - hinauf zur Aussichtsplattform auf dem Kopf des Pferdes von Dschingis Khan. Auch hier ist der Ausblick fantastisch (auch wenn hier natürlich viel Zivilisation ins Bild ragt), und der Blick auf Dschingis Khan ist auch nicht zu verachten, wie er da auf dich herabschaut ... Wir waren einige Minuten alleine oben, bis ein deutschsprachiger Reiseführer mit einer älteren Frau hinaufspaziert kamen, woraufhin wir wieder nach unten gingen.


Weiter ging es nun in den nahegelegenden Tereldsch-Nationalpark, der - wie Tsatsa erklärte - für die Ulan-Batorer (nennt man die so?) eine Art Naherholungsgebiet ist, und das merkt man, denn ein Jurtencamp reiht sich ans nächste (und die schönsten Camps besitzen Parlamentsabgeordnete, zufällig). Zunächst schauten wir uns eine Gesteinsformation an, die - wenn man aus dem richtigen Winkel schaut - an eine Schildkröte erinnert, aber der eigentliche Star an dieser Stelle ist die Natur. Wenn man, wie ich vorher, denkt, dass die Mongolei nur baumlose Steppe sei, wird man im Tereldsch-Nationalpark ganz schnell eines Besseren belehrt, denn da stehen Fichten und anderes Gebäums ohne Ende in der Gegend herum, dass man fast meint, man wäre im Schwarzwald.


Das wurde bestätigt, als Tsatsa mich zu einem (ziemlich neuen) Tempel geleitete. Einziges Problem an der ganzen Sache war, dass es da ziemlich steil den Berg hoch ging. Wir fuhren zwar mit dem Panzer so weit hoch wie erlaubt, aber auch danach mussten wir noch etliche Höhenmeter überwinden. Das taten wir im Wettlauf mit einer russischen Reisegruppe, aber da die noch unfittere Gestalten als mich in der Gruppe hatten, überholten wir diese zügig. Über eine sehr wackelige Brücke ging es zum Fuß der Treppe hinauf zum Tempel, und dort zog sich Tsatsa, die noch vom kalten Morgen eine Leggins unter der Jeans hatte, ebendiese - außer Sichtweite anderer Menschen natürlich - aus.

Die Treppe überstanden wir mit mehreren Pausen, und als wir da oben in den Tempel kamen, wollte ich dort am liebsten für die Nacht bleiben, denn da oben drin war es sooooooooooooooo schön kühl. Wir blieben sitzen und erholten uns vom Aufstieg, bis die Russen kamen, dann machten wir noch einen kleinen Abstecher zu einem anderen Tempel (unterwegs wollten mich vier russische Damen nicht aus dem Zwischentempel rauslassen, bis ich mich an denen vorbeidrückte ... sachma!), der auch hübsch war, aber vor allem mit seiner Aussicht auf diesen wunderbaren bewaldeten Parkteil besticht.

Der Abstieg - wieder über die wacklige Brücke und über eine Abkürzung - ging besser, auch wenn ich natürlich noch mehr geschwitzt hatte als die letzten zweieinhalb Tage zusammen. So langsam sehnte ich mir eine Dusche herbei ...

Zunächst aber fuhren wir ein anderes Camp an, und nach ein bisschen Hin und Her hatte Tsatsa für mich einen Ausritt (diesmal auf einem Pferd) organisiert. Erst schien das nicht ganz zu klappen, aber am Ende war ich mit den vier Südkoreanern zusammen unterwegs, wobei der Chef des Hauses die Pferde der beiden Damen führte. Dadurch hätte er mich nicht mehr mitnehmen können, aber seine Tochter sprang ein und ritt mit, sodass sie meinen Gaul im Griff haben konnte.

Es ging - am Ende war es eine gute Stunde - einmal um den Berg herum, durch den Fichtenwald hindurch, steil den Berg rauf (der arme Gaul!), nur damit die Tochter des Hauses auf dem Bergrücken ein Foto von mir machen konnte. Ich vermute, dass sie mein Ego streicheln wollte, indem ich auf dem Bild so aussehe, als hätte ich das Pferd selbst unter Kontrolle (das hatte der Kameltreiber auch schon so gemacht) - allein, ich hatte das Tier nicht unter Kontrolle, denn Sekunden, nachdem sie mir ihre Leine in die Hand gegeben hatte, fing das Pferd an, sich zu bewegen, und ich wusste nicht so recht, was ich machen sollte. Ja, ich zog die Zügel an, aber das Vieh blieb nicht stehen, sondern bewegte sich weiter, bis sich Madame endlich meiner erbarmte und den Gaul wieder unter ihre Kontrolle brachte ... Uiuiui ...

Bergab war für mich anstrengender, denn ich wollte mich ja mit den Oberschenkeln auf dem Sattel festhalten (und zudem lief uns ständig der Schäferhund der Familie vor die Hufe), sodass ich froh war, als wir schließlich unten im Tal ankamen und ich - nachdem ich beim Aufstieg einen zweiten Anlauf gebraucht hatte, weil mein Schwung nicht langte - unfallfrei abgestiegen war. "Unfallfrei" betone ich deswegen so, weil bei meinem letzten Reitversuch im zarten Alter von ungefähr fünf Jahren (jetzt hatte ich gerade ein Déjà-vu, weil ich den Satz genau so vor zwei Jahren geschrieben habe, als ich in Aichen über die Pferdekoppel musste, um an mein Wanderziel zu gelangen) unmittelbar nach dem Aufstieg kopfüber wieder abgestiegen war. Diesmal ging alles glatt, vielleicht ist mein Pferdetrauma jetzt auch passé (auch wenn ich mich auf dem Kamel wohler gefühlt hatte ...).

Tsatsa hatte gekocht und gewarnt, dass es etwas schärfer werde, und nach vier Tagen Mongolei mit den relativ wenig gewürzten Speisen schmeckt fast jedes schärfere Essen wirklich scharf, aber gefühlt konnte ich nach dem - sehr leckeren! - Hühncheneintopf Feuer spucken ...

Der letzte Ritt des Tages, diesmal aber mit dem Panzer, ging zum Royal Camp. Die Jurte dort war groß und geräumig, mit Fußbodenheizung, die der Besitzer auf Tsatsas Bitte nicht so stark einstellte (ich wollte ja schlafen können), aber die Toilette - alles roch noch frisch, der Chef hatte vor drei Jahren aufgebaut, zum wegen Corona unglücklichsten Zeitpunkt - war fantastisch geräumig nach ganzen zwei Tagen der Entbehrung, und ich hätte sogar duschen gehen können, verzichtete aber darauf, weil ich dann trotzdem in meinen verschwitzten Schlafanzug gemusst hätte und weil ich Hoffnung hatte, dass ich heute zeitig ins Hotel einchecken könnte.

Wir saßen noch ein bisschen in meiner Jurte zusammen, tranken ein Bier auf Tsatsas Rechnung (nachdem sie für mich schon eines für nach dem Reiten geholt hatte, das war herrlich!), und dann ging es ins Bett.

Ich konnte wieder nicht gut schlafen, war dann um 5 Uhr wach, entschied mich aufzustehen, wanderte ein bisschen durch die Anlage, setzte mich auf die Hollywoodschaukel und hörte den Tieren des Waldes zu, schrieb schonmal ein bisschen Blog vor, setzte mich dazu auf mein Höckerchen vor die Jurte und guckte dem Sonnenaufgang zu - es war großartig, auch wenn ich das in diesen Tagen hier öfter schreibe.

Nach dem Frühstück im Haupthaus (mit kurzem Rundgang durch die Anlage mit Besichtigung der Duschräume - abnehmbarer Duschkopf! - und der beiden Hotelzimmer - mit eigenem Bad, aber weniger schöner Aussicht als aus den Jurten) schöpften wir noch ein bisschen Quellwasser ab, und dann ging es eineinhalb Stunden nach und durch Ulan Bator (auf der sechsspurigen Stadtautobahn mussten wir einen Gabelstapler überholen ...) bis zu meinem Hotel.

Wir verabschiedeten uns mitsamt Umarmung, ich konnte schon einchecken, ging duschen (heeeeeeeeerrrrrrrrrlich) und schreibe jetzt seit vier Stunden an diesem Blogeintrag, der wahrscheinlich alle Rekorde sprengen wird.

Es war ein fantastischer Ausflug, sicherlich auch anstrengend, körperlich, ja, aber vor allem geistig, weil es so viele unglaubliche Eindrücke gab, allein auf den Fahrten, aber auch in der Halbwüste, in Karakorum, in Erdene Dsuu, die Wildpferde, der Sonnenuntergang und -aufgang in der Weite, das Reiterstandbild, das in die Landschaft gepflanzt wurde, die Vielfalt des Tereldsch-Nationalparks und natürlich die beiden Ausritte. Ich werde die Herzlichkeit von Tsatsa und Bimba - auch wenn gerade bei ihm da eine ziemliche Sprachbarriere war - vermissen und werde wirklich wieder bei Green Clover Tours buchen, wenn es mich mal wieder in die Mongolei verschlägt (ein bisschen Werbung darf ich ja machen).

Ich habe mich mit Tsatsa viel unterhalten, über die Mongolei und den Rest der Welt, über ihre Zeit in Salzburg und ihre Reisen durch Europa, aber auch - und das nach wenigen Tagen des Kennens - über sehr persönliche Dinge. Tsatsa ist keine Nomadin in traditioneller mongolischer Kleidung, sondern eine moderne Großstädterin (und Geschäftsfrau), die in Turnschuhen und Ripped Jeans durch die Gegend läuft und in vielen Fragen eine sehr westliche Denkweise hat (dass die jungen Leute hier, egal ob Nomade oder Großstadtbewohner, mit Handys umgehen können, versteht sich völlig von selbst). Man möge da nichts hineininterpretieren (vor allem mein Bruder nicht!), aber es hat mich schon beeindruckt, so einen Menschen aus einem dann doch so anderen Kulturkreis nicht nur mal ein paar Minuten flüchtig kennenzulernen (wie ich es auf meinen Touren sonst meist tue), sondern mehr als drei Tage ununterbrochen zusammen unterwegs zu sein und auch mal tiefergehende Themen ansprechen zu können. Noch einmal spannender fand ich, wie sie dann aber auch die traditionellen Lebensweisen der Nomaden für mich übersetzen konnte (sprachlich und kulturell), das war unglaublich interessant - und dafür ganz herzlichen Dank!

Noch ein paar Feststellungen, die ich nicht oben einbauen will, weil das den Bericht noch mehr überladen würde:

Wenn man ein Tier umfährt, dann schaut man als Fahrer erstmal, ob der Besitzer der Tiere den Unfall gesehen hat - wenn nein, fährt man weiter, wenn ja, zahlt man das Tier (Kfz-Versicherungen und Versicherungen insgesamt sind hier ein relativ neuartiges Produkt), eine Ziege kostet so ungefähr 30 Dollar.

Ein Lehrereinkommen liegt bei ungefähr 300 bis 400 Euro im Monat.

Man soll nicht mit dem Zeigefinger auf irgendetwas oder (schon gar nicht) irgendwen zeigen, sondern eher mit der ganzen Hand - blöd wird das, wenn du mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf etwas zeigen willst, dann an diese Sitte denkst, die ganze Hand ausstreckt und auf einmal mit einer historisch belasteten Armhaltung da stehst - wie du's machst, machst du's falsch. Ähnlich soll man seine Mütze nicht mit der Öffnung nach oben auf eine Unterlage legen - das hat Assoziationen mit dem Tod, Öffnung nach unten ist in Ordnung.

So, es hat einen Grund, wieso ich normalerweise die Bilder gesammelt am Schluss des Blogs hinklatsche, aber heute wollte ich - bei so viel Bericht - die Fotos zumindest einigermaßen in der Nähe des dazugehörigen Textes haben, aber so richtig toll geklappt hat auch das nicht immer ...

Sei's drum, ich gucke mal, ob ich gleich noch in eine Karaoke-Bar gerate.

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