Meine Länder

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Sonntag, 1. November 2020

Wirklich geschafft

 ... habe ich es heute - und wirklich geschafft bin ich heute, denn das war der zweite 20-km-Tag in Folge, aber ich hatte heute mit dem Wetter richtig Glück, sodass ich nur kaputt und nicht durchnässt war.

Die Wettervorhersage heute Morgen war bescheiden, und der Abend gestern war - obwohl ich spät dazustieß - sehr, öhm, schön gewesen, sodass ich hin- und herüberlegte, ob ich meiner Mutter das wirklich antun sollte, gerade an ihrem heißgeliebten (Faul-)Sonntag mit mir in Richtung Liechtenstein zu fahren und da vier, fünf Stunden auf mich zu warten ... Irgendwann, es war schon halb zehn, kam ich geduscht aus dem Bad und eröffnete meiner Mutter, dass wir es versuchen ... Sie war total begeistert, machte sich aber auch schnell fertig, und gegen 10.15 Uhr waren wir unterwegs in Richtung Schleitheim.

Es regnete in Schleitheim, es regnete in Schaffhausen, es regnete in Winterthur, in St. Gallen tröpfelte es nur noch, und als ich in Diepoldsau aus dem Auto stieg, konnte ich das ohne Anorak tun. Ich lief los, meine Mutter hatte Instruktionen, dass sie in Ruggell in Liechtenstein warten möge, wo sie las und Walnüsse schälte und was weiß ich noch alles ... Achja, einen Kaffee wollte sie trinken, aber da in Liechtenstein schon seit einer Woche die Gaststätten zugesperrt sind, ging das nicht, außer, wenn sie sich als Schwester der Wirtin ausgegeben hätte ...

Ich lief in Diepoldsau los und überquerte über die Oberrieterstrasse den Rhein, der hier gerade nicht die Staatsgrenze zwischen der Schweiz und Österreich darstellt. Jenseits des Bahndammes stiefelte ich nun in Richtung Süden, mir begegneten nicht viele Menschen, allenfalls wurde ich vom einen oder anderen Fahrradfahrer überholt. Nach einigen Minuten zog ich mir den Pullover, den ich beim Start angezogen hatte, aus, was für karierte Blicke der wenigen Passanten in der Schweiz wie in Österreich sorgte ... So warm war es wirklich nicht, aber eiskalt eben auch nicht, und ich lief zügigen Schrittes.

Über die Brücke, die von der Autobahnausfahrt Kniessern nach Österreich führt, lief auch ich nach Vorarlberg. Der Blick auf den seltsam türkisen Rhein ist immer wieder schön, zumal ich bis dahin - von der anderen Seite des Damms - gar nicht so viel vom Rhein gesehen hatte.

War ich bisher eher auf (asphaltierten) Fahrradwegen unterwegs gewesen, lief ich auf der ersten Österreichetappe direkt am Rhein entlang, das war mehr so ein Hunde- und Pferde-Weg, aber zum Wandern war's auch okay ...

Das Wetter hielt, auch wenn ich mir da doch wieder den Pulli anzog (und bis Liechtenstein nicht mehr auszog), aber dafür, dass es während der gesamten Wanderung jedenfalls irgendwo immer regnen sollte, bin ich heute sehr angenehm trocken geblieben (außer ganz am Ende, als es auf den letzten Metern in Ruggell nochmal zu tröpfeln anfing ...).

Die nächste Rheinbrücke ignorierte ich, blieb also in Österreich. Über den Ehbach und die Frutz ging es in die Gemeinde Meiningen und von dort wieder hinüber in die Schweiz. Es fügte sich, dass ich exakt auf der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz 12,31 Kilometern am heutigen Tag gelaufen war - das war die 900-Kilometer-Marke (insgesamt, nicht nur im Schwarzwald) - Zufälle gibt's ...

Jetzt hatte ich noch fünf Kilometer in der Schweiz, 600 Meter in Österreich und drei Kilometer in Liechtenstein zu gehen - und diese 8,6 Kilometer zogen sich. Die Sonne tat ihr Bestes, um durch die Wolken zu kommen, tat sich jedoch sehr schwer, aber die Blicke auf den Rhein und die bereits schneebedeckten Berge entschädigten für den bedeckten Himmel. (Und das Beobachten der Autos auf der Autobahn hat übrigens auch einen entspannenden Effekt auf mich ...)

Kurz vor dem erneuten Übertritt in die Schweiz führte mich die Wanderapp auf eine Straße ohne Bürgersteig, und ich war fast sicher, dass das ein Fehler in der Planungssoftware war. Aber tatsächlich führte der einzige Weg zu dieser Brücke über den Rand dieser Straße, weil alle anderen Wege und Straßen unter der Brücke hindurchführten. Wenn ich da meinem Gefühl vertraut hätte, wäre das noch ein übler Umweg geworden - nochmal Glück gehabt.

Ich hatte in Österreich und der Schweiz die Grenzsteine heruntergezählt, die - teilweise auf dem Rheindamm, also ziemlich weit von der Grenze im Rhein entfernt - diese beiden Staaten voneinander abgrenzen. Jetzt war ich in Österreich an der Nummer 7, und die letzten sieben Grenzsteine kamen ziemlich schnell nacheinander.

Zwischenzeitlich war ich unsicher geworden, ob ich das heute wirklich bis Liechtenstein schaffe, aber jetzt war ich nur noch fünfhundert Meter vom eigentlichen Ziel entfernt und da fing ich doch an, die eine oder andere Freudenträne zu verdrücken.

Ich weiß noch genau, wie ich vor einigen Monaten bei der Geburtstagsfeier eines guten Freundes gesponnen hatte und mir die Strecke von Diessenhofen nach Liechtenstein hatte ausgeben lassen. 133 Kilometer zeigte das Ding damals an, und ich hielt es für völlig utopisch, dass ich tatsächlich bis nach Liechtenstein wandern könnte. Und jetzt war ich praktisch da!

Ein Ententanz wurde nicht aufgeführt, dafür war ich zu fertig, aber ich lief jubelnd durchs Ziel (neben dem österreichisch-liechtensteinischen Grenzstein) und riss mir zweimal vor Überglücklichkeit die Kappe vom Kopf. Die Leute, die mir entgegenkamen, fragten sich auch, wo der denn ausgerissen ist, aber mir war's egal ...

Jetzt hatte ich aber das eigentliche Ziel erreicht, und dementsprechend waren die letzten drei Kilometer bis zum Auto meiner Mutter richtig, richtig hart ... Es ging am Binnenkanal vorbei, über den Rheindamm, dann runter auf eine landwirtschaftliche Straße, an einer weiteren Wachkuh vorbei, die mich ständig anmuhte, und dann ins Industriegebiet. Zwei Bushaltestellen wurden ignoriert, meine Mutter hatte sich schon strategisch gut aufgestellt, aber den gestrigen Tagesrekord überbot ich nochmals - um 230 Meter -, sodass ich heute 20,85 Kilometer durch drei Länder gewandert bin.

Liechtenstein ist das fünfte Land (nach Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Österreich), das ich von Bonndorf aus erwandert habe - so'n kleines bisschen bin ich schon stolz auf mich, das wird man hier vielleicht sogar heraushören ...

Erste Grenzüberquerung

Berge & Fluss

In Österreich

Grenzübertritt Österreich-Schweiz

Die Sonne wollte, aber sie konnte nicht (ganz)

Blick nach vorn ...

... und zurück

Verdammte Axt, ich hab's wirklich geschafft ...

Wachkuh II

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