... ("Deutschland ist unser Paradies") sagte der Sudanese beim Tanz der Derwische zu mir.
Entwarnung vorneweg: Dem Schweizer Hund geht es wieder gut, so gut, dass er heute Morgen nur knapp eine Katze verfehlt hat, die er erjagen wollte - das gab großes Miau ...
Mit seinem Herrchen war ich beim Frühstück ins Gespräch gekommen, und der Mann erzählte, wie er vom Nordkapp erst einmal in die Schweiz und von dort in die Türkei fuhr mit seinem Fahrrad. Dort kam er aber nicht weiter, wollte nicht von Athen aus fliegen und fuhr also wieder mit dem Rad zurück in die Schweiz. Von dort flog er dann vor zwei Monaten oder so nach Ägypten und radelt seitdem durch Nordostafrika, übernachtet regelmäßig unter freiem Himmel und will mal gucken, wie und wann er weiter in Richtung Kapstadt kommt. Beeindruckend ...
Ich wartete auf den Verwalter, wechselte bei ihm 100 Euro in fast 2.000 sudanesische Pfund (mit dem offiziellen Kurs wären es nur 700 oder so geworden!) und verließ dann das Hotel.
Wie vom Verwalter empfohlen, stellte ich mich an die nahegelegene Hauptstraße und hielt mir einen solchen Mini-Minibus an. Diese Anjads funktionieren wie klassische Taxis, scheinen aber günstiger zu sein - "günstiger" ist relativ, der Sudan ist wie erwähnt nicht ganz billig, aber andererseits zahlte ich für eine halbstündige Taxifahrt (oder so) dann am Ende vier Euro, das ist dann auch wieder okay. Beim Einstiegen legte sich mit Schädel aber mit der Türverkleidung an, verlor und bereut das Ganze jetzt mit einem hübschen Bluterguss unter meinem üppigen Haupthaar. Wenn das eine Gehirnerschütterung ist, dann eine leichte, aber auch das werde ich hoffentlich überleben ...
Es ging also zum Hotel Corinthia bringen, einem Fünf-Sterne-Hotel in libyschem Besitz und baulich die kleine, fette Schwester des Burj al-Arab in Dubai (die Übernachtung ab 240 Dollar, ein Schnäppchen ...). Dort ging ich - wie immer - stolzen Schrittes rein und fuhr in den 18. Stock, um von dort einen Überblick über Khartum, Omdurman und Khartum-Nord zu gewinnen, wie es mein Verwalter empfohlen hatte - der hatte die Rechnung allerdings ohne den aufziehenden Sandsturm gemacht (keine Sorge, der kommt wahrscheinlich erst heute Nacht und dauert wohl auch nicht ewig), denn der Ausblick war eher diesig ...
Ich fuhr also wieder runter und stellte die Empfehlung des Verwalter, mir unter der Nil-Brücke gegenüber gleich mal ein Boot zu mieten und zum Nilzusammenfluss zu fahren, hintan. Vielmehr lief ich bis zu der Brücke über den Weißen Nil, von wo aus man den Zusammenfluss gut sehen können sollte. Das war insofern ein Fehler, als dass ich a) die Strecke - mal wieder - unterschätzt hatte, denn es war a1) heiß und a2) bürgersteigtechnisch nicht ganz hasenrein, was da an der Nile Road entlangführt, und b) darf man - das wusste ich zwar theoretisch schon vorher, aber ja, gut, äh ... - an der Brücke wohl nicht fotografieren. Das Schild, das da stehen sollte, sah ich zwar nicht, und sehen konnte man mich eigentlich auch nicht von dem Polizeiposten an der Brücke aus, aber ein Risiko will ich hier im Sudan erstmal nicht eingehen (das Photo Permit braucht mal in Khartum selbst angeblich nicht ...).
Den Weg zurück zur Brücke nahm ich - für einen Euro - wieder so einen Anjad, der Fahrer sprach ganz gut Englisch, wollte mir auch keinen Preis am Anfang nennen, da er - richtig - vermutete, dass ich auch von mir aus einen angemessenen Touristenpreis zahlen würde ...
Die Bootsleute wollten erst 400 Pfund haben (20 Euro), aber ich handelte sich auf 100 herunter und stieg in das Gefährt ein. Jetzt wurde es lustig: Zunächst sprach der Motor nicht an. Mit viel gutem Zureden und beim zwölften Versuch klappte es doch, wir fuhren aber erstmal nur auf die andere Nilseite, damit der "Maat" Sprit einkaufen konnte. Zwischendurch wurde mein "Kapitän" angerufen und fuhr wieder zurück auf die Ausgangsnilseite, um dort - mit Hilfe eines anderen Kapitäns - den Motor zu reparieren. Finalmente ging es wieder auf die andere Nilseite, den Maat wieder einsammeln. Jetzt aber ging es tatsächlich in Richtung Nilzusammenfluss, der Wind stand für diese Strecke ungünstig, sodass ich mehr als eine Ladung Spritzwasser abbekam (woooohooo ...) - die Jungs (die waren kaum älter als 20, 25) gaben mir eine Schwimmweste, die aber im Falle des Falles sowieso sofort von meinem Körper weggespült worden wäre, weil schon der Wind sie fast von mir wegfegte - und außerdem bin ich fast sicher, dass ich besser schwimmen kann als die beiden ...
Wir fuhren bis zum Nilzusammenfluss, ich machte ein paar Fotos und dann ging's zurück. Der Maat machte den kläglichen Versuch, nochmal 50 Pfund aus mir herauszupressen - mit dem Hinweis, dass das ja fast eine einstündige Fahrt gewesen wäre. Ja, klar, Kollegen, weil ihr erst euren Kutter flusstauglich basteln musstet! Folgerichtig lautete mein Ansage "Nix gibt's", was dann (natürlich) auch in Ordnung war ...
Beim Aussteigen hielt ich mich nicht an den Rat des Maates und wäre fast vom Boot gepurzelt, konnte mich aber gerade noch abfangen und machte dann im zweiten Versuch, was der Typ sagte ... Juchhe, wieder festen Boden unter den Füßen.
Diesmal ging es - nachdem endlich ein Anjad gekommen war, es war schließlich Freitag - nach Omdurman zu einem Friedhof. Was macht der Typ jetzt schon wieder auf einem Friedhof? Nunja, auf diesem Friedhof gibt es jeden Freitag (außer im Ramadan) eine, naja, Zeremonie der Sufis, die im Deutschen oft auch "Derwische" genannt werden. Und die empfahl mein Verwalter, die empfahl mein Reiseführer, also fuhr ich dahin.
Nun war ich viiiiel zu früh da (gegen 13.30 Uhr, und losgehen sollte das Ganze zwischen 16 und 17 Uhr), also lief ich einmal um den Friedhof herum (auf der Suche nach einer Essgelegenheit), fand nix, nur ein paar Kioske, kaufte dort einen Kuchen, einen sudanesischen Softdrink (Gummibärensaft, igitt, igitt, lecker ...) und Wasser (achso, das Ganze für 13 Pfund, also 65 Cent ...).
Ich lief weiter und weiter und weiter, stand am Rande des Friedhofs und entschied mich dann, so gegen 15 Uhr oder so, einfach mal den Friedhof in Augenschein zu nehmen.
Islamische Gräber sind - jedenfalls auf diesem Friedhof - relativ schmucklos, in der Regel ist da nur ein Erdhaufen und es steht ein Schild daran, auf dem - mit den für uns fremden arabischen Zahlen, aber in der Regel in unserer Zeitrechnung (muslimische Zeitrechnung gelegentlich darunter) - das Todesdatum geschrieben ist und - wahrscheinlich, es ist ja auf Arabisch - der Name des Verstorbenen.
In der Mitte des sicherlich einige Hektar großen Friedhofs stehen aber ein paar große Grabstellen, die eine gewisse Ähnlichkeit von der Größe her mit unseren Friedhofskapellen haben, vielleicht ein bisschen größer. Und als ich über die Piste (man darf hier mit dem Auto auf den Friedhof fahren) in Richtung dieser Gebäude ging, schallte aus einem schon Getrommle. Weil das Gebäude aber viel zu klein war, ging ich dort nicht hinein, sondern setzte mich auf einen der großen Reifen, die hier als Begrenzung der Piste fungieren (damit man nicht versehentlich auf den Gräbern parkt, vermute ich - ernsthaft!), und beobachtete das wuselige Treiben auf diesem Friedhof (da werden religiöse Schriften feilgeboten, Tee und andere Getränke sowieso, viele sitzen einfach nur auf ihren Plastikstühlchen).
Nach einigen Minuten war ich von einigen Kindern umgeben, die mir - die Mädels in der Regel durchaus forscher als die Jungs - ihre englischen Sprachkünste vorführten (wir kamen nicht sehr weit mit der Konversation, leider), aber andererseits erkennbar nicht so richtig nachvollziehen konnten, dass ich sie schlicht nicht verstand, wenn sie auf Arabisch (und noch dazu wahrscheinlich im sudanesischen Dialekt - nicht dass das bezüglich meines Verständnisses einen Unterschied gemacht hätte ...) auf mich einredeten ...
Nach einigen Minuten waren sie weg und so langsam ging ich die paar Meter zurück in Richtung des größeren Platzes, von dem ich - zutreffend - vermutete, dass hier demnächst etwas stattfinden würde. Vor mir wurde ein gerolltes, menschenlanges Paket vom Pick-up gewuchtet, sodass ich mich angesichts der offenbar unmittelbar bevorstehenden Bestattungsfeierlichkeiten schnell verzog ...
Ich stand nun da also ein wenig abseits in der Gegend herum wie bestellt und nicht abgeholt, als ein vielleicht 50, 55 Jahre alter Herr auf mich zukam und - in ziemlich gutem Englisch - ein Gespräch mit mir anfing. Woher ich denn komme (klar), wie ich den Sudan fände (toll, abgesehen davon, dass man das in so einer Situation immer sagt, ist es nicht einmal unbedingt gelogen) und wo ich denn von dieser Zeremonie gelesen hätte (in Anbetracht der Tatsache, dass, wie sich später herausstellte, sämtliche 20 Touristen, die derzeit in Khartum sind, anwesend waren, eine berechtigte Frage ...). Er fragte, wo ich Geld getauscht hätte, und weil ich aufgrund der immer wieder vorgebrachten schreckhaften Fragen von Familie und Kollegen inzwischen selbst ein bisschen paranoid geworden war und hinter seiner Frage einen geheimpolizeilichen Ausforschungsversuch vermutete, verweigerte ich die Aussage ... Wir sprachen danach über Gott und die Welt (naja, vor allem die Welt, und zwar die politische Situation im Sudan, wobei der Kollege nicht mit Kritik an der Regierung sparte, aber ich mich zurückhielt), er erläuterte mir, dass die Sufis so ein bisschen einen liederlichen Lebensstil hätten (die Sunniten - wie er - und - wie er nachschob - die Christen wären natürlich alle ganz ordentlich), er wurde von vielen Umstehenden begrüßt (auch von einigen der Sufis, die dann auch mich mit Handschlag begrüßten - "how are you?" konnte man fast jeder) und irgendwie hatten wir uns jetzt so die Zeit vertrieben, dass die Zeremonie losging.
Es ist immer schwer, eine religiöse Zeremonie zu beschreiben, wenn man nicht so richtig versteht, worum es geht, dennoch versuche ich es mal: Am Anfang laufen da fünf Männer (die sich abwechseln und auch durchaus mal einen Touristen in ihre Reihen "beordern") in einem Kreis von einem Durchmesser von etwa zehn Metern herum und singen, tanzen, "schauspielern" (plötzlich rennt einer der Umstehenden in den Kreis und "erschreckt" die anderen) - es ist eine ganz eigentümliche Prozession, die da vor sich geht.
Nach einer Stunde, als mir schon vom langen Laufen und noch mehr jetzt vom Stehen die Füße wehtaten, wurde der Kreis auf einmal wesentlich vergrößert - und ab hier kann ich mir, sorry, Gehirnerschütterung, nicht den Verweis zur Bonndofer Fasnet verkneifen: Es gibt eine "Guggenmusik", die trommelt und singt, während es - in dem nun vielleicht dreißig Meter im Durchmesser betragenden - Kreis jetzt im wahrsten Sinne des Wortes rundgeht. Da gibt es ein Fotzli-Hansili (einen Mann, der mit einem Gewand aus kleinen Fetzen bekleidet ist) und es gibt einen Narrenpolizisten (mit Pickelhaube, naja, Pickelmütze, ohne Scheiß!) - okay, jetzt hören die Gemeinsamkeiten auf, denn Masken oder so etwas werden nicht getragen, damit hier kein falscher Eindruck entsteht.
Die Männer laufen da in der Gegend herum (abseits stand eine in bunten Kleidern vollverschleierte Frau, die aber zu dem Trommeln abtanzte, als gäbe es kein Morgen - Sachen gibt's), singen, tanzen und machen halt das, was Derwische machen: sich im Kreis drehen. Das sieht nicht so kunstfertig aus wie bei den türkischen oder ägyptischen Derwischen, aber das ist hier halt nicht für Touristen gemacht, sondern echt (die meisten Touristen machten aus allen möglichen und - vor allem - unmöglichen Punkten heraus Fotos, die standen oft einfach im Weg herum, "schossen" die Leute in der Zeremonie einfach so fotografisch ab - ohne zu fragen, natürlich -, da kam ich mir richtig vernünftig vor, weil ich in der dritten Reihe stand und das ganze Geschehen nur von oben fotografierte).
Währenddessen kam ich immer wieder mit älteren und jüngeren Männern ins Gespräch, die allesamt fragten, wo ich herkäme (ich glänzte mit meinen Arabisch-Kenntnissen und antwortete mit dem arabischen Wort für "Deutschland"), wie ich den Sudan fände, wie ich hierherkäme. Naja, und als der eine Typ mich halt fragte, wo ich herkomme, und ich Antwort gegeben hatte, gab der Typ so einen Seufzer von sich und sagte, Deutschland sei das Paradies für alle Afrikaner, das Ziel ihrer Sehnsüchte, dass ich ganz plötzlich hier in einer hochpolitischen Situation war - sehr krass. Dass die Sudanesen alle außerordentlich freundlich sind, den Ausländer auch einfach mal so grüßen, man viele Hände schütteln darf, das ist wirklich beeindruckend. Der Sudan wird sicherlich kein Land sein, in das jedes Jahr wiederkomme (dafür ist es mir allein schon zu heiß), aber die Freundlichkeit der Menschen hier werde ich nicht so schnell vergessen ...
Nach gut zwei Stunden war ich heilfroh, dass die Zeremonie vorbei war, nicht, weil es nicht interessant gewesen wäre (auch wenn ich nach der ersten Stunde, die sich ein bisschen zog, fast gegangen wäre ...), sondern mir die Beine so dermaßen wehtaten, dass ich kaum mehr stehen und kaum mehr laufen konnte - oooooooh ...
Nun denn, zurück Marsch Marsch an den Friedhofsrand, dort stand schon ein Anjad, mit dessen Fahrer ich mich auf sieben Euro für die dreiviertelstündige Rückfahrt zum Hotel einigte, im Hotel erstmal viiiiiel Cola getrunken und das typisch sudanesische Gericht "Spaghetti Bolognese" gegessen (sehr lecker, vor allem, weil ich richtig Kohldampf hatte, aber morgen Abend esse ich auswärts) und danach ins Zimmer, kurz geduscht, daheim angerufen und jetzt Blog geschrieben.
Das war ein anstrengender, aber auch an Eindrücken sehr reicher Tag. Morgen geht's wahrscheinlich nach Omdurman auf den Markt - ohne Pass, denn der muss in die Registrierung, das macht das Hotel. Durch den Schwarzmarktkurs ist der Preis der Registrierung (600 Pfund) natürlich bei weitem nicht mehr so happig wie gedacht - aus fast 90 Euro werden jetzt noch verkraftbare 30 Euro - eine schöne Überraschung, zumal der Reiseführer von Schwarzmarktkurs überhaupt nichts gesagt hat. Da waren wohl schon länger keine Touristen mehr hier unterwegs ...
Entwarnung vorneweg: Dem Schweizer Hund geht es wieder gut, so gut, dass er heute Morgen nur knapp eine Katze verfehlt hat, die er erjagen wollte - das gab großes Miau ...
Mit seinem Herrchen war ich beim Frühstück ins Gespräch gekommen, und der Mann erzählte, wie er vom Nordkapp erst einmal in die Schweiz und von dort in die Türkei fuhr mit seinem Fahrrad. Dort kam er aber nicht weiter, wollte nicht von Athen aus fliegen und fuhr also wieder mit dem Rad zurück in die Schweiz. Von dort flog er dann vor zwei Monaten oder so nach Ägypten und radelt seitdem durch Nordostafrika, übernachtet regelmäßig unter freiem Himmel und will mal gucken, wie und wann er weiter in Richtung Kapstadt kommt. Beeindruckend ...
Ich wartete auf den Verwalter, wechselte bei ihm 100 Euro in fast 2.000 sudanesische Pfund (mit dem offiziellen Kurs wären es nur 700 oder so geworden!) und verließ dann das Hotel.
Wie vom Verwalter empfohlen, stellte ich mich an die nahegelegene Hauptstraße und hielt mir einen solchen Mini-Minibus an. Diese Anjads funktionieren wie klassische Taxis, scheinen aber günstiger zu sein - "günstiger" ist relativ, der Sudan ist wie erwähnt nicht ganz billig, aber andererseits zahlte ich für eine halbstündige Taxifahrt (oder so) dann am Ende vier Euro, das ist dann auch wieder okay. Beim Einstiegen legte sich mit Schädel aber mit der Türverkleidung an, verlor und bereut das Ganze jetzt mit einem hübschen Bluterguss unter meinem üppigen Haupthaar. Wenn das eine Gehirnerschütterung ist, dann eine leichte, aber auch das werde ich hoffentlich überleben ...
Es ging also zum Hotel Corinthia bringen, einem Fünf-Sterne-Hotel in libyschem Besitz und baulich die kleine, fette Schwester des Burj al-Arab in Dubai (die Übernachtung ab 240 Dollar, ein Schnäppchen ...). Dort ging ich - wie immer - stolzen Schrittes rein und fuhr in den 18. Stock, um von dort einen Überblick über Khartum, Omdurman und Khartum-Nord zu gewinnen, wie es mein Verwalter empfohlen hatte - der hatte die Rechnung allerdings ohne den aufziehenden Sandsturm gemacht (keine Sorge, der kommt wahrscheinlich erst heute Nacht und dauert wohl auch nicht ewig), denn der Ausblick war eher diesig ...
Ich fuhr also wieder runter und stellte die Empfehlung des Verwalter, mir unter der Nil-Brücke gegenüber gleich mal ein Boot zu mieten und zum Nilzusammenfluss zu fahren, hintan. Vielmehr lief ich bis zu der Brücke über den Weißen Nil, von wo aus man den Zusammenfluss gut sehen können sollte. Das war insofern ein Fehler, als dass ich a) die Strecke - mal wieder - unterschätzt hatte, denn es war a1) heiß und a2) bürgersteigtechnisch nicht ganz hasenrein, was da an der Nile Road entlangführt, und b) darf man - das wusste ich zwar theoretisch schon vorher, aber ja, gut, äh ... - an der Brücke wohl nicht fotografieren. Das Schild, das da stehen sollte, sah ich zwar nicht, und sehen konnte man mich eigentlich auch nicht von dem Polizeiposten an der Brücke aus, aber ein Risiko will ich hier im Sudan erstmal nicht eingehen (das Photo Permit braucht mal in Khartum selbst angeblich nicht ...).
Den Weg zurück zur Brücke nahm ich - für einen Euro - wieder so einen Anjad, der Fahrer sprach ganz gut Englisch, wollte mir auch keinen Preis am Anfang nennen, da er - richtig - vermutete, dass ich auch von mir aus einen angemessenen Touristenpreis zahlen würde ...
Die Bootsleute wollten erst 400 Pfund haben (20 Euro), aber ich handelte sich auf 100 herunter und stieg in das Gefährt ein. Jetzt wurde es lustig: Zunächst sprach der Motor nicht an. Mit viel gutem Zureden und beim zwölften Versuch klappte es doch, wir fuhren aber erstmal nur auf die andere Nilseite, damit der "Maat" Sprit einkaufen konnte. Zwischendurch wurde mein "Kapitän" angerufen und fuhr wieder zurück auf die Ausgangsnilseite, um dort - mit Hilfe eines anderen Kapitäns - den Motor zu reparieren. Finalmente ging es wieder auf die andere Nilseite, den Maat wieder einsammeln. Jetzt aber ging es tatsächlich in Richtung Nilzusammenfluss, der Wind stand für diese Strecke ungünstig, sodass ich mehr als eine Ladung Spritzwasser abbekam (woooohooo ...) - die Jungs (die waren kaum älter als 20, 25) gaben mir eine Schwimmweste, die aber im Falle des Falles sowieso sofort von meinem Körper weggespült worden wäre, weil schon der Wind sie fast von mir wegfegte - und außerdem bin ich fast sicher, dass ich besser schwimmen kann als die beiden ...
Wir fuhren bis zum Nilzusammenfluss, ich machte ein paar Fotos und dann ging's zurück. Der Maat machte den kläglichen Versuch, nochmal 50 Pfund aus mir herauszupressen - mit dem Hinweis, dass das ja fast eine einstündige Fahrt gewesen wäre. Ja, klar, Kollegen, weil ihr erst euren Kutter flusstauglich basteln musstet! Folgerichtig lautete mein Ansage "Nix gibt's", was dann (natürlich) auch in Ordnung war ...
Beim Aussteigen hielt ich mich nicht an den Rat des Maates und wäre fast vom Boot gepurzelt, konnte mich aber gerade noch abfangen und machte dann im zweiten Versuch, was der Typ sagte ... Juchhe, wieder festen Boden unter den Füßen.
Diesmal ging es - nachdem endlich ein Anjad gekommen war, es war schließlich Freitag - nach Omdurman zu einem Friedhof. Was macht der Typ jetzt schon wieder auf einem Friedhof? Nunja, auf diesem Friedhof gibt es jeden Freitag (außer im Ramadan) eine, naja, Zeremonie der Sufis, die im Deutschen oft auch "Derwische" genannt werden. Und die empfahl mein Verwalter, die empfahl mein Reiseführer, also fuhr ich dahin.
Nun war ich viiiiel zu früh da (gegen 13.30 Uhr, und losgehen sollte das Ganze zwischen 16 und 17 Uhr), also lief ich einmal um den Friedhof herum (auf der Suche nach einer Essgelegenheit), fand nix, nur ein paar Kioske, kaufte dort einen Kuchen, einen sudanesischen Softdrink (Gummibärensaft, igitt, igitt, lecker ...) und Wasser (achso, das Ganze für 13 Pfund, also 65 Cent ...).
Ich lief weiter und weiter und weiter, stand am Rande des Friedhofs und entschied mich dann, so gegen 15 Uhr oder so, einfach mal den Friedhof in Augenschein zu nehmen.
Islamische Gräber sind - jedenfalls auf diesem Friedhof - relativ schmucklos, in der Regel ist da nur ein Erdhaufen und es steht ein Schild daran, auf dem - mit den für uns fremden arabischen Zahlen, aber in der Regel in unserer Zeitrechnung (muslimische Zeitrechnung gelegentlich darunter) - das Todesdatum geschrieben ist und - wahrscheinlich, es ist ja auf Arabisch - der Name des Verstorbenen.
In der Mitte des sicherlich einige Hektar großen Friedhofs stehen aber ein paar große Grabstellen, die eine gewisse Ähnlichkeit von der Größe her mit unseren Friedhofskapellen haben, vielleicht ein bisschen größer. Und als ich über die Piste (man darf hier mit dem Auto auf den Friedhof fahren) in Richtung dieser Gebäude ging, schallte aus einem schon Getrommle. Weil das Gebäude aber viel zu klein war, ging ich dort nicht hinein, sondern setzte mich auf einen der großen Reifen, die hier als Begrenzung der Piste fungieren (damit man nicht versehentlich auf den Gräbern parkt, vermute ich - ernsthaft!), und beobachtete das wuselige Treiben auf diesem Friedhof (da werden religiöse Schriften feilgeboten, Tee und andere Getränke sowieso, viele sitzen einfach nur auf ihren Plastikstühlchen).
Nach einigen Minuten war ich von einigen Kindern umgeben, die mir - die Mädels in der Regel durchaus forscher als die Jungs - ihre englischen Sprachkünste vorführten (wir kamen nicht sehr weit mit der Konversation, leider), aber andererseits erkennbar nicht so richtig nachvollziehen konnten, dass ich sie schlicht nicht verstand, wenn sie auf Arabisch (und noch dazu wahrscheinlich im sudanesischen Dialekt - nicht dass das bezüglich meines Verständnisses einen Unterschied gemacht hätte ...) auf mich einredeten ...
Nach einigen Minuten waren sie weg und so langsam ging ich die paar Meter zurück in Richtung des größeren Platzes, von dem ich - zutreffend - vermutete, dass hier demnächst etwas stattfinden würde. Vor mir wurde ein gerolltes, menschenlanges Paket vom Pick-up gewuchtet, sodass ich mich angesichts der offenbar unmittelbar bevorstehenden Bestattungsfeierlichkeiten schnell verzog ...
Ich stand nun da also ein wenig abseits in der Gegend herum wie bestellt und nicht abgeholt, als ein vielleicht 50, 55 Jahre alter Herr auf mich zukam und - in ziemlich gutem Englisch - ein Gespräch mit mir anfing. Woher ich denn komme (klar), wie ich den Sudan fände (toll, abgesehen davon, dass man das in so einer Situation immer sagt, ist es nicht einmal unbedingt gelogen) und wo ich denn von dieser Zeremonie gelesen hätte (in Anbetracht der Tatsache, dass, wie sich später herausstellte, sämtliche 20 Touristen, die derzeit in Khartum sind, anwesend waren, eine berechtigte Frage ...). Er fragte, wo ich Geld getauscht hätte, und weil ich aufgrund der immer wieder vorgebrachten schreckhaften Fragen von Familie und Kollegen inzwischen selbst ein bisschen paranoid geworden war und hinter seiner Frage einen geheimpolizeilichen Ausforschungsversuch vermutete, verweigerte ich die Aussage ... Wir sprachen danach über Gott und die Welt (naja, vor allem die Welt, und zwar die politische Situation im Sudan, wobei der Kollege nicht mit Kritik an der Regierung sparte, aber ich mich zurückhielt), er erläuterte mir, dass die Sufis so ein bisschen einen liederlichen Lebensstil hätten (die Sunniten - wie er - und - wie er nachschob - die Christen wären natürlich alle ganz ordentlich), er wurde von vielen Umstehenden begrüßt (auch von einigen der Sufis, die dann auch mich mit Handschlag begrüßten - "how are you?" konnte man fast jeder) und irgendwie hatten wir uns jetzt so die Zeit vertrieben, dass die Zeremonie losging.
Es ist immer schwer, eine religiöse Zeremonie zu beschreiben, wenn man nicht so richtig versteht, worum es geht, dennoch versuche ich es mal: Am Anfang laufen da fünf Männer (die sich abwechseln und auch durchaus mal einen Touristen in ihre Reihen "beordern") in einem Kreis von einem Durchmesser von etwa zehn Metern herum und singen, tanzen, "schauspielern" (plötzlich rennt einer der Umstehenden in den Kreis und "erschreckt" die anderen) - es ist eine ganz eigentümliche Prozession, die da vor sich geht.
Nach einer Stunde, als mir schon vom langen Laufen und noch mehr jetzt vom Stehen die Füße wehtaten, wurde der Kreis auf einmal wesentlich vergrößert - und ab hier kann ich mir, sorry, Gehirnerschütterung, nicht den Verweis zur Bonndofer Fasnet verkneifen: Es gibt eine "Guggenmusik", die trommelt und singt, während es - in dem nun vielleicht dreißig Meter im Durchmesser betragenden - Kreis jetzt im wahrsten Sinne des Wortes rundgeht. Da gibt es ein Fotzli-Hansili (einen Mann, der mit einem Gewand aus kleinen Fetzen bekleidet ist) und es gibt einen Narrenpolizisten (mit Pickelhaube, naja, Pickelmütze, ohne Scheiß!) - okay, jetzt hören die Gemeinsamkeiten auf, denn Masken oder so etwas werden nicht getragen, damit hier kein falscher Eindruck entsteht.
Die Männer laufen da in der Gegend herum (abseits stand eine in bunten Kleidern vollverschleierte Frau, die aber zu dem Trommeln abtanzte, als gäbe es kein Morgen - Sachen gibt's), singen, tanzen und machen halt das, was Derwische machen: sich im Kreis drehen. Das sieht nicht so kunstfertig aus wie bei den türkischen oder ägyptischen Derwischen, aber das ist hier halt nicht für Touristen gemacht, sondern echt (die meisten Touristen machten aus allen möglichen und - vor allem - unmöglichen Punkten heraus Fotos, die standen oft einfach im Weg herum, "schossen" die Leute in der Zeremonie einfach so fotografisch ab - ohne zu fragen, natürlich -, da kam ich mir richtig vernünftig vor, weil ich in der dritten Reihe stand und das ganze Geschehen nur von oben fotografierte).
Währenddessen kam ich immer wieder mit älteren und jüngeren Männern ins Gespräch, die allesamt fragten, wo ich herkäme (ich glänzte mit meinen Arabisch-Kenntnissen und antwortete mit dem arabischen Wort für "Deutschland"), wie ich den Sudan fände, wie ich hierherkäme. Naja, und als der eine Typ mich halt fragte, wo ich herkomme, und ich Antwort gegeben hatte, gab der Typ so einen Seufzer von sich und sagte, Deutschland sei das Paradies für alle Afrikaner, das Ziel ihrer Sehnsüchte, dass ich ganz plötzlich hier in einer hochpolitischen Situation war - sehr krass. Dass die Sudanesen alle außerordentlich freundlich sind, den Ausländer auch einfach mal so grüßen, man viele Hände schütteln darf, das ist wirklich beeindruckend. Der Sudan wird sicherlich kein Land sein, in das jedes Jahr wiederkomme (dafür ist es mir allein schon zu heiß), aber die Freundlichkeit der Menschen hier werde ich nicht so schnell vergessen ...
Nach gut zwei Stunden war ich heilfroh, dass die Zeremonie vorbei war, nicht, weil es nicht interessant gewesen wäre (auch wenn ich nach der ersten Stunde, die sich ein bisschen zog, fast gegangen wäre ...), sondern mir die Beine so dermaßen wehtaten, dass ich kaum mehr stehen und kaum mehr laufen konnte - oooooooh ...
Nun denn, zurück Marsch Marsch an den Friedhofsrand, dort stand schon ein Anjad, mit dessen Fahrer ich mich auf sieben Euro für die dreiviertelstündige Rückfahrt zum Hotel einigte, im Hotel erstmal viiiiiel Cola getrunken und das typisch sudanesische Gericht "Spaghetti Bolognese" gegessen (sehr lecker, vor allem, weil ich richtig Kohldampf hatte, aber morgen Abend esse ich auswärts) und danach ins Zimmer, kurz geduscht, daheim angerufen und jetzt Blog geschrieben.
Das war ein anstrengender, aber auch an Eindrücken sehr reicher Tag. Morgen geht's wahrscheinlich nach Omdurman auf den Markt - ohne Pass, denn der muss in die Registrierung, das macht das Hotel. Durch den Schwarzmarktkurs ist der Preis der Registrierung (600 Pfund) natürlich bei weitem nicht mehr so happig wie gedacht - aus fast 90 Euro werden jetzt noch verkraftbare 30 Euro - eine schöne Überraschung, zumal der Reiseführer von Schwarzmarktkurs überhaupt nichts gesagt hat. Da waren wohl schon länger keine Touristen mehr hier unterwegs ...
Burj al-Arab nach dem übermäßigen Konsum von Burgern und Cola |
Irgendwo dahinten fließen Blauer und Weißer Nil zusammen |
Friedhof in Khartoum |
Zeremonie I |
Da dreht er sich ... |
Links Fotzli-Hansili, rechts (in bunt) der Narrenpolizist |
Im Zentrum der Narrenpolizist |
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