Und erst da fiel mir auf, was für einen granatenmäßigen Quatsch ich bestellt hatte, denn natürlich wollte ich ein "pint of Guinness" haben, also ein großes Guinness, denn ein "Stout" ist ein - so sagt es die Wikipedia - "opakes, tiefdunkles, obergäriges Bier", und demzufolge ist ein Guinness ein Stout. Wenn ich also das nächste Mal "ein Pils Rothaus, bitte" bestelle, weiß der geneigte Leser (und insbesondere der Schnitzer-Wirt!), dass ich wahrscheinlich seit 24 Stunden wach bin und einfach noch größeren Quatsch erzähle als ohnehin schon ... (Denn zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, dass ich das Ganze um 29 Uhr meiner Zeit, also heute Morgen um fünf Uhr morgens ohne großartigen Schlaf, bestellt hatte.)
Wider Erwarten hatte ich alle Utensilien, die ich mitnehmen wollte, in meinen Stoffbeutel eingepackt, und alle Utensilien, die ich im im Hotel untergestellten Rucksack lassen wollte, auch in selbigen. Flucherei gab es gestern Morgen trotzdem, weil ich die Haltestelle für den Bus zum Flughafen nicht fand, und als ich sie sah, war auch schon der Bus da, sodass ich diesen verpasste. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als die, keine Ahnung, 1.000 Meter zum Flughafen mit einer anderen Busverbindung (mit einmaligem Umsteigen!) zu überbrücken, und zur Belohnung geriet ich beim Umsteigen an ein Hundchen (naja, nein, es war ein Hund), der besonders eifrig sein Frauchen bewachen wollte und mich entsprechend lautstark anbellte. Am Ende war der Hund aber friedlich, als wir gemeinsam in den Bus einstiegen ...
Am Flughafen kam ich etwa zweieinhalb Stunden vor Abflug an, sprintete in Richtung Sicherheitskontrolle, hatte mich auf stundenlange Warterei eingestellt und war am Ende so schnell durch die Sicherheitskontrolle wie selten in meinem Leben: Die haben halt in Hamburg alle Kontrollspuren offen, auch die Business-Class-Spur, und da werden die Leute gut und schnell durchgeschleust, alles bestens. Am Ende wird Hamburg noch - Gott bewahre! - mein neuer Leib- und Magen-Flughafen. (Kann jemand mal bitte in Wiesbaden-Mitte nach der Dame gucken, die gerade vor Lachen vom Stuhl fällt?)
Meine Lounge war allerdings noch zu (die öffnet samstags erst um 10 Uhr, Saftladen!), sodass ich ein Salami-Brötchen an einem Stand kaufte und danach darauf wartete, dass die Ausreisekontrolle endlich aufmacht. Als die offen war, lief ich zügig durch die elektronische Kontrolle und setzte mich an einen - der in Hamburg knapp bemessenen - Akkuladepunkte, denn es war ja eine meiner großen Sorgen gewesen, dass mir irgendwann der Akku aus geht.
Der Flug nach Stansted war entspannt, am Ende saßen wir - der Mensch auf A setzte sich zu seiner Freundin, sodass ich mich auf A setzte und mein B-Platz freiblieb - in Business-Class-Belegung, sehr angenehm, denn sonst sind die Sitze bei Ryanair ja schon arg eng. Die Besatzung trug keine Masken, zwei Drittel der Passagiere ebenfalls nicht, ich selbst ... mache keine Aussage.
Ich guckte weiter "Stranger Things", guckte auf den niederländischen und den britischen Strand, und sehr bald waren wir schon gelandet. Die Einreise ging am Automaten - wie immer im Vereinigten Königreich - sehr fix, und um kurz vor 11 Uhr war ich in England eingereist. Ich hatte erstmal Mittagessenhunger, den ich bei Burger King stillte (überhaupt war das ein überaus gesundes Wochenende mit ausgewogener Ernährung, frischem Heilwasser und ausreichend Schlaf, höhö), dann lief ich die paar Schritte zum Busbahnhof und setzte mich dort in den Warteraum.
Dort zelebrierte eine junge Britin (die wird Anfang 20 gewesen sein) britische Höflichkeit auf ganz besonders absurde Weise: Es gab zwei Steckdosen, und sie lud ihr Handy ebenfalls auf, allerdings steckte ihr Stecker in der von ihr weiter entfernten Steckdose. Also steckte ich meinen Stromstecker (ich hatte sogar an einen Adapter gedacht!) in die ihr nähere Steckdose, woraufhin sie mich warnte, dass das Ding einen mechanischen Wackelkontakt hätte. Das konnte ich direkt bestätigen, also ließ ich es gut sein, denn ich hatte noch gut Saft im Akku. Wenige Minuten später steckte sie ihren Stecker dann um in den mit dem Wackelkontakt, lud mich (dringend!) ein, meinen Handystecker in die "gute" Steckdose zu drapieren, und hielt in der Folge ihren Stecker in einer schon vom Hingucken schmerzhaften Haltung mit der Hand über die Schulter fest.
Ich guckte mir das Schauspiel fünf Minuten an, dann konnte ich das nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, zog meinen Stecker raus und bat sie eindringlich, zugunsten meines Seelenfriedens doch bitte mit dem Aufladen in der Weise fortzufahren, die sie vor meinem Eintreffen praktiziert hatte. Sie blieb regelrecht stur, meinte, sie hätte zwei Arme, um diese in der unbequemen Haltung abzuwechseln, und weigerte sich, ihren Stecker umzustecken. Na gut, ich seufzte, steckte mein Handy wieder ein und beließ es dabei ... Vielen, vielen Dank für diese übergroße Freundlichkeit unter Inkaufnahme körperlichen Schäden!
Ich überbrückte die knapp zwei Stunden Wartezeit mit meiner Serie, dann lief ich mal raus, suchte die - am Flughafen-Busbahnhof kostenfreie! - Toilette auf und stellte mich dann, als der Bus pünktlich kam, in die kurze Schlange. Meine Fahrkarte wurde vom Fahrer gescannt, dann durfte ich mir einen Platz aussuchen. Aus unerfindlichem Grunde schalten die National-Express-Fahrer die Steckdosen immer erst nach Aufforderung an, aber sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt nahm mir jemand die Aufgabe ab, sodass ich mein Handy zumindest auf der Hinfahrt wunderbar voll aufgeladen halten konnte.
Es ging durch von Getreidelandwirtschaft geprägte südenglische Landschaft zwischen London, Cambridge und Oxford, durch wunderschöne Städtchen wie Harlow, Hertford und Hetfield, am Flughafen Luton wurde auch Zwischenstation gemacht, und nach kurzweiligen zweieinhalb Stunden Aus-dem-Fenster-Gucken kam ich sehr entspannt am Busbahnhof in Milton Keynes an.
Von EM war hier genau nitschewo zu spüren, der Bus in die Innenstadt kam ewig nicht, die Busse aus der Innenstadt waren verwirrend beschriftet (nämlich mit "Innenstadt"), am Ende machte ich mich zum Brot, indem ich dem ersten Bus, der tatsächlich in die Stadt fuhr, übertrieben theatralisch anzeigte, dass er anhalten möge ... Der Fahrer wird sich auch gefragt haben, was für ein Idiot da einsteigt, aber er verkaufte mir die Fahrkarte in die Stadt ohne Beanstandung.
Nach zwanzig Minuten kamen wir am Bahnhof Milton Keynes an, und ich strebte sofort zum dort befindlichen Fanfest. Pickepackevoll ... sieht anders aus, aber es gab Bier (eins trank ich), vom (deutschen) Fanclub Nationalmannschaft sackte ich mir eine Deutschland-Flagge ein, aber dann entschied ich mich, vergleichsweise früh zum Stadion zu fahren.
Ich hatte mir noch auf der Überlandfahrt nach Milton Keynes die Shuttle-Bus-Fahrkarte gekauft, aber das war - jedenfalls in gewisser Weise - ein Fehlkauf: Kein Mensch kontrollierte die Fahrkarten, und ich bezweifle, dass alle oder auch nur die meisten Leute, die da in den Bus einstiegen, eine solche hatten. Aber sei's drum, ich hatte meine Fahrkarte und meinen Seelenfrieden, und 5,50 Pfund machen mich jetzt auch nicht arm.
Die Damen vom FC Penzing (nicht "Pätzing", wie ich zunächst verstanden hatte) sangen eifrig, insbesondere das inzwischen berühmt-berüchtigte "Layla", mit großer Inbrunst und im steten Bemühen, die Töne zu treffen ... Aber auch so tiefschürfendes deutsches Liedgut wie - ich hoffe, ich kriege das noch zusammen - "Meine Freundin, die kann Blasen, Blasen, Blasen ... nicht vertragen und ist so eng-, eng-, enge Schuhe nicht gewohnt." führten dazu, dass ich einigermaßen froh war, dass viele von den Deutschland-Fans Briten waren, die hoffentlich kein Deutsch verstanden ...
Der zehnminütige Fußmarsch zum Stadion (ich bin einigermaßen sicher, dass diese lange Strecke insbesondere für nach dem Spiel dafür sorgen soll und sorgt, dass sich da alles ein bisschen entzerrt) wurde auch überstanden, und ich bin immer noch begeistert, wie entspannt und freundlich die Ordner alle waren. Da gibt es in Deutschland oft so richtige Miesepeter, hier hatte jeder ein Lächeln im Gesicht ...
Ein Lächeln im Gesicht hatte ich definitiv auch im Gesicht, als ich - superschnell - durch die Einlasskontrolle gekommen war und meinen Platz im Stadionrund aufgesucht hatte - so ein Stadionbesuch ist einfach immer großartig.
Jetzt war ich aber zwei Stunden vor Anpfiff im Stadion und genehmigte mir ein erst einmal ein Bierchen: Die Bars (die alkoholische Getränke verkaufen) sind - fast verschämt - hinter Sichtschutzen, und du darfst in englischen Stadien - das ist wohl gesetzlich geregelt - die alkoholischen Getränke nicht auf die Galerie und schon gar nicht in die Schüssel mitnehmen. Ich sprach einen Ordner an, da kam gleich ein zweiter hinzu (ausnahmsweise war ich wirklich überhaupt nicht aggressiv!), und die erläuterten mir die Gesetzeslage, aber so richtig verstehen, wieso es diese Regelung gibt, konnte ich immer noch nicht: Wenn ich mir in den sichtgeschützten Bereichen einen hinter die Binde kippe und dann - ohne Alkohol in der Hand, aber rotzbesoffen - im Stadion Ärger mache, ist doch auch keinem geholfen ... Aber gut, ich muss ja nicht alles verstehen, sodass ich das Bierchen austrank und dann an einen (offenen) Stand ging, um mir eine Cola und einen - übrigens recht leckeren - Cheeseburger zu holen.
Das Ganze (Bier, Cola, Burger) wiederholte ich noch einmal, denn ich hatte Hunger und merkte das Bier, und noch immer hatte ich keinen einzigen Penny britischen Bargeldes transferiert - in den Bussen kann man wohl noch bar zahlen, aber es ist nicht so richtig erwünscht, doch im Stadion geht mit Bargeld gar nichts mehr.
Jetzt war ich gestärkt, um den Rest des Aufwärmens zu beobachten, und dann ging es auch schon los mit den Hymnen (nun war ich dran, schief zu singen).
Joa, zum Spiel gibt es nicht viel zu sagen, außer dass die Deutschen mit ihren zahlreichen Großchancen nach meinem Geschmack arg fahrlässig umgingen. Ja, klar, 3:0 gewonnen, alles gut und schön, aber Deutschland war so drückend überlegen, dass das 1:0 schon deutlich vor der 40. Minute hätte fallen müssen. Auch wenn es nicht mehr um wirklich etwas ging, war ich keineswegs entspannt, gab Anweisungen an die Spielerinnen, dass Frau Voss-Tecklenburg stolz auf mich gewesen wäre, und auch an die Schiedsrichterin, aber meistens hörten sie alle nicht auf mich ... (Aber wenn Frau Däbritz das liest: Bitte beim Torschuss nicht immer auf die gegnerische Torhüterin zielen, das könnte helfen ...)
Das hat richtig Spaß gemacht, zwischenzeitlich saß auf meinem Platz mal wieder ein grinsendes Honigkuchenpferd, nämlich immer dann, wenn ich mir klarmachte, dass ich hier gerade für ein paar Stunden nach England geflogen war, um dieses wunderbare Spiel hautnah im Stadion zu verfolgen.
Für das Mitjohlen bei der La Ola reichte meine Stimme Mitte der zweiten Halbzeit schon nicht mehr aus, aber fürs Aufstehen und Armehochreißen schon ... Eine so lange Welle mit so vielen Umläufen habe ich noch nicht erlebt, auch wenn das natürlich immer ein schlechtes Zeichen für die Spielqualität ist ...
Am Ende blieb ich noch ein bisschen im Stadion, um die Spielerinnen zu beklatschten, die fanden meine gesammelten Vorschläge während des Spiels wohl gut, denn sie klatschten zurück, und als alle alle beklatscht hatten, verließ ich das Stadion.
Auf dem Weg zum Shuttlebus kaufte ich noch zum Rabattpreis von fünf Pfund (und bar!) einen Schal zur Erinnerung an dieses Spiel zwischen "Finland Women" und "Germany Women", dann machte ich mich auf den beschwerlichen Fußweg zurück. Unter der Brücke stand auf einmal alles, aber das lag daran, dass zwei (zwei!) Ordner einfach nur mit großer Freundlichkeit die nachströmenden Fans ab und zu anhielten, damit es beim eigentlichen Einstieg kein so großes Gedränge gibt. Da hielt sich auch jeder dran, da waren keine Ordnerkette und keine Wellenbrecher nötig, sondern einfach nur zwei freundliche Menschen, die vernünftig mit den Fans sprachen - großartig! (Und ja, beim Fußball der Frauen ist die Vollidiotendichte schon deutlich geringer als beim Fußball der Männer, aber trotzdem!)
Der Shuttlebus fuhr und kam wenige Minuten vor meinem ersten möglichen (nunmehr stündlich fahrenden) Bus zurück zum Busbahnhof an. Ich entschied mich (ich hatte jetzt auch genug Bier getrunken und hatte keine große Lust auf Siegesfeier), den gleich zu nehmen, und kam am Ende zweineinhalb Stunden vor Abfahrt am Busbahnhof an.
Die Situation dort empfand ich als kalt, aber in keinster Weise bedrohlich, da saß zunächst nur ein Sicherheitsmensch herum - später gab es wohl noch einen Vorfall, denn plötzlich standen sechs, sieben Polizisten da an den Bussteigen herum, aber auch die sprachen vernünftig mit zwei, drei Männern, die da unterwegs waren - am Ende war da anscheinend auch wieder alles gut (falls überhaupt etwas schlecht gewesen sein sollte).
Ich guckte in der angenehm temperierten Wartehalle weiter meine Serie, machte den Akku dann doch alle, hatte zum Glück meine Fahrkarte auf mein Diensthandy transferiert, sodass ich dem Fahrer beim - ebenfalls pünktlichen - Eintreffen des Busses auf diesem die Fahrkarte zeigen wollte, aber der wollte sie gar nicht sehen, sodass ich einfach so in den Bus einstieg.
Der Bus war recht voll, ein - Entschuldigung - Riesenarschloch hörte Musik so dermaßen laut (auf Kopfhörer, aber immer noch in fünf Reihen Entfernung hörbar), dass erst eine Mitreisende und dann der Busfahrer ihn aufforderten, das Ding auszustellen, die zweite Warnung (vom Busfahrer) fruchtete dann, dann war a Ruh'.
Zwischen Luton und Stansted schlief ich dann doch ein, für ein Stündchen oder so, ehe ich kurz vor dem Flughafen Stansted aufwachte, als wir - um 4.20 Uhr! - im Stau standen ... Nach der Ankunft stürmte ich - ich hatte ja doch "nur" zwei Stunden für die Sicherheitskontrolle, das war der einzige wirklich knappere Anschluss - zur Sicherheitskontrolle, geriet zweimal in die Welle neu eingerichteter Kontrollen und war dann auch ziemlich schnell durch.
Im Terminalbereich war die Hölle los, Menschen saßen auf dem Boden, meine Lounge hatte auch schon kapituliert und den Zugang beschränkt, auf der Toilette gab es - selbst bei den Männern, und das habe ich selten erlebt - Schlangen (und nicht nur drei Leute, sondern, als ich herauskam, 30, 40 Meter!), unfassbar, unfassbar ...
Ich hatte aber relativ früh eine Anzeige bekommen, dass ich zum Gate 45 sollte, direkt daneben war eine Bar, wo ich um kurz nach 5 Uhr schon ein Guinness bekam, ich boardete als einer der Letzten, saß unbequem auf dem B-Sitz und war froh, dass der Flug auch recht kurz war (70 Minuten waren es am Ende ungefähr).
Inzwischen beherrscht die Hamburger Bundespolizei es auch, den Knopf zur Freigabe der elektronischen Einreise zu drücken, sodass ich selbst da nichts mehr zu meckern hatte, ebenfalls unglaublich. Der Zoll wollte ebenfalls nichts von mir, also fuhr ich mit dem Bus zum Hotel von Freitag Nacht, holte meinen Rucksack ab, erwischte noch den Bus zurück zum Flughafen, fuhr mit der S-Bahn (im Fahrstuhl runter zur S-Bahn wäre ich fast steckengeblieben, und auf der Gleisebene ging die Fahrstuhltür nicht auf ...) zum Hauptbahnhof, verpasste dort fast den Ausstieg, stieg in den ICE ein, fluchte, weil an allen Plätzen "ggf. reserviert" stand - Saftladen! -, war dann aber beruhigt, als der Schaffner durchsagte, dass alle Reservierungen ungültig seien ...
Jetzt bin ich zwischen Hamburg und Hannover und werde gegen 12.20 Uhr in Hannover sein. Dann werde ich noch kurz brunchen, dann nach Hause fahren, duschen, Zähne putzen und mich - wahrscheinlich - ins Bett legen ...
Eine verrückte, wunderbare, unglaublich kurzweilige kleine Reise war das, das hat sehr großen Spaß gemacht, jetzt muss Deutschland nur noch Europameister werden, aber gelohnt hat sich die Reise so oder so ...
Unterwegs in England |
Fanfest |
... mit Fanclub-Bus |
Stadion zwei Stunden vor Anpfiff |
Hymnen |
Fußball |
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