... bin ich heute glücklicherweise nur im übertragenen Sinn, aber jedenfalls war ich um 5.50 Uhr auf dem Weg zum Bahnhof in Donaueschingen. Hallo? Hallo? Kann mal bitte jemand nach dem treuen Leser gucken, der da hinten gerade einen Lachanfall bekommen hat? Wie? Alles gut? Okay, danke! Naja, gegen 4 Uhr war ich wach, weil ich gestern Abend nach einem Aufenthalt in der Schweiz ..., sagen wir, sehr früh im Bett war: Die Tagesschau habe ich jedenfalls nicht mehr geschafft.
In Donaueschingen kaufte ich mir wieder ein Baden-Württemberg-Ticket und fuhr die knappe Stunde im Dunkeln nach Hausach. Dort stieg ich um in den Gegenzug nach Wolfach, denn hier war ich ja letzten Samstag ans Ziel meiner Wanderung gelangt. In der Morgendämmerung kam ich in Wolfach an und lief von hier an eigentlich immer in Richtung Norden - mit (fast) jedem Schritt erreichte ich also immer wieder den jeweils nördlichsten Punkt meiner Reise ... (Am Ende landete ich bei 48° 25' n. B.)
Ich lief durch den Torbogen des fürstenbergischen Schlosses in die wunderschön restaurierte Altstadt von Wolfach, bog aber gegenüber des Rathauses in Richtung Kinzig ab. Ich überquerte die Kinzig, lief ein Stück an der Wolf (oder Wolfach) entlang und überquerte dieselbe schon auf Oberwolfacher Gebiet.
Oberwolfach ist durch das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach zumindest unter dem kleinen Völkchen der Mathematiker weltberühmt - ich erinnere mich gerne an meinen alten Mathematiklehrer, der mit Begeisterung von Oberwolfach erzählte ...
Ich lief ein paar Kilometer an der Wolf entlang, überquerte diese kurz vor bzw. in Oberwolfach-Walke zweimal, ging dann am Rathaus vorbei und machte mich auf, den Spinnerberg zu erklimmen. Keine Ahnung, ob das eine Anspielung auf die Mathematiker ist (wahrscheinlich nicht, denn es ist die falsche Seite der Wolf), jedenfalls passte es ...
Ich hatte mich glücklicherweise sechs Kilometer oder so eingelaufen, sodass die plötzliche Steilheit erträglicher war ... Auf den ersten sechs Kilometern hatte ich meine dicke Jacke mal an-, mal ausgezogen gehabt, sodass im zweiten Fall mein Kurzarmhemd zum Vorschein kam und ich von den Passanten da hinten zum Spinnerberg geschickt wurde ... Nun, am Spinnerberg war es dann endgültig vorbei mit Jacke, die wurde - unter Mühen - im Rucksack verstaut, dann ging es aufwärts ...
Ich zählte immer bis 150, dann müsste ich 100 Meter und durchschnittlich zehn Höhenmeter erklommen haben, aber ich zählte nicht, wie oft ich bis 150 zählte ...
Ich machte drei Kreuze, als ich nach 200 Höhenmetern auf dem ersten Plateau ankam, wo ich zwar nur einen schmalen Pfad beging, aber es ging wenigstens halbwegs eben voran ...
Die kommenden Anstiege waren zwar steil, aber auch vergleichsweise kurz, sodass ich zwar immer weiter im Kurzarmhemd laufen konnte/musste, aber es ging von der Anstrengung her (geschnauft hab ich schon, keine Sorge, gerade nach dem vielen guten Essen gestern!) ...
Unterhalb des Hasenhauses pfiff der Wind, aber ich entschied mich, die blanken Arme im Wind zu lassen (die waren schon ein bisschen rot angelaufen, und ein bisschen Taubheitsgefühle in den Händen hatte ich auch schon, aber hey, "Indianer kennt kein Schmerz", oder ist das schon politically incorrect?). Nach dem unmittelbar anschließenden scharfen Anstieg (auf dem Weg etwas weiter unten lief ein Mann mit Hund, der mich wahrscheinlich in meinem Hemdchen auch für verrückt erklärte, obwohl ich nicht einmal mehr im Spinnerberg war ...) kam ich in den Wald, begegnete dort vergleichsweise vielen Menschen, die mich alle angrinsten (das mag auch an meiner "Will you shut up, man?"-Kappe liegen ...), und zog mir nun, da ich keinen so steilen Anstieg mehr vor mir hatte (und weil ich mir kalt war ...), auch meinen Kapuzenpulli über ...
Ich war ganz gut in der Zeit (ich hatte ein bisschen Zeitdruck, weil ich um 12.48 Uhr den Zug in Bad Peterstal erreichen wollte), als ich an der Mooshütte vorbei auf die Haaghütte zulief, von der es dann z. T. relativ steil hinunter nach Bad Peterstal gehen sollte.
Ich hatte allerdings die Rechnung ohne Baumfällarbeiten gemacht, deretwegen der Wanderweg gesperrt war. Was nun, sprach Zeus? Von unten kamen zwei Mountainbiker über den gesperrten Weg, meinten, dass da heute - am Sonntag - nichts los sei, aber ich strebe natürlich in meinem Leben immer danach, keine Ordnungswidrigkeit zu begehen, und eine solche wäre das Belaufen des gesperrten Weges ...
Jedenfalls kam ich nach einem - öhm - kleinen Umweg am unteren Ende der gesperrten Strecke heraus, da waren heute wirklich keine Arbeiten sicht- oder hörbar gewesen, und ging weiter meines Weges ... Die Strafe für die gute Tat (höhö) folgte auf dem Fuße, denn ich lief an einer Gabelung den falschen Zweig. (Da fällt mir Yogi Berra, einer der größten Baseballer aller Zeiten, ein, der gerne mal absurd-weise Sprüche absonderte wie "Wenn du an eine Weggabelung kommst, nimm sie!")
Ich merkte das Malheur noch einigermaßen frühzeitig, musste nur noch einmal einen erträglichen Anstieg hoch, und dann ging es teilweise steil abwärts. Ich guckte, dass ich mich auf den manchmal grasigen Abschnitten nicht hinlege, was mir mittels sehr langsamem Laufen gelang, auf einer Wiese lag noch Reif, an den Weinbergen ging es brutal runter, aber irgendwann war ich in Bad Peterstal angekommen und hatte glücklicherweise nur noch einen kurzen Weg zum Bahnhof.
Trotz Streckensperrung und allem war ich zwanzig Minuten vor Zugabfahrt da, aber in den zwanzig Minuten fror ich trotz Jacke und Pulli wie ein Schneidermeister. Herrje, selbst im Zug zog ich - ich! - irgendwann die anfangs ausgezogene Jacke wieder an, so richtig intelligent war es wahrscheinlich nicht, Ende November drei Stunden ohne Jacke und Pullover durch den Schwarzwald zu wandern, aber hey, dafür wandert man doch den Spinnerberg hoch!
Apropos Spinner (ich bin immer wieder stolz auf meine gelungenen Überleitungen): Am Ende des heutigen Tages stehen 1.005,88 km auf der Uhr (davon 996,18 km im Schwarzwald, der Rest im Taunus und im Wandergebiet Pfälzerwald/Vogesen) - der Megameter ist vollendet (und der für den Schwarzwald kommt noch). Niemals, niemals, niemals hätte ich gedacht, dass ich - in gerade einmal einem Dreivierteljahr! - eintausend Kilometer wandern könnte, vor allem nicht freiwillig ... Aber Spaß gemacht hat es durchaus, auch wenn es so saukalt nicht immer sein muss ...
Auf dem Rückweg stieg ich nicht in Offenburg, sondern erst in Hausach um - so konnte ich ein mittelprächtiges Beziehungsdrama miterleben: Eine (sehr junge) Frau kam in Offenburg in den Zug, wenige Minuten später ihr Freund, der auf sie einredete. Irgendwann ging er in den anderen Waggonteil, was sie nutzte, um auszubüxen - er rief ihr auf dem Bahnsteig hinterher, dass er genug davon habe, und kam wieder in den Zug. Dann rief er jemanden an und beorderte diesen Jemand zum Bahnhof in Gaggenau ("Nein, es gibt keine Schlägerei. Ich will nur unter vier Augen mit dir sprechen. Wenn ich nicht allein komme, soll Gott mein Leben ficken!" Dass diese jungen Leute so gottesfürchtig sind ...) - mir fehlte ganz eindeutig Popcorn ...
Mit der Schwarzwaldbahn ging es nach Donaueschingen, mit dem Auto zurück nach Bonndorf, das Essen kam aus dem Schnitzer (mal wieder sehr, sehr lecker) und jetzt wird gleich Football geguckt.
Ein schöner, kalter, anstrengender Wandertag war das heute, aber so früh werde ich wahrscheinlich nicht wieder freiwillig aufstehen ...
Fotos (das Wetter war heute Morgen nicht so toll, es wurde erst gegen Nachmittag, als ich schon auf dem Heimweg im Zug war, deutlich besser):
Fürstenbergisches Schloss in Wolfach |
Altstadt Wolfach |
Rathaus Wolfach |
Kinzigbrücke |
Die Wolf |
Da guckste, gell? |
Erstes Etappenziel |
Blick auf den Schwarzwald |
Da oben ist Reif auf den Bäumen, es ist kühl ... |
Kurz vor Schluss in Bad Peterstal wurde das Wetter besser |