Meine Länder

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Sonntag, 29. Dezember 2019

No cameras of any kind

..., also keine Kameras jedweder Art, dürfe man auf der Skybridge im Kingdom Centre benutzen, stand unten beim Eingang auf den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Gehalten hat sich da oben natürlich keiner dran, nicht einmal ich, weil es einfach zu verlockend war, aus 300 Metern Höhe den Panoramablick auf die Hauptstadt von Saudi-Arabistan (so sagen es die Türken) abzulichten.

"Jugendtraum" wäre zu viel gesagt, denn als das Kingdom Centre 2002 fertig wurde, war ich schon aus meiner Jugend raus, aber es war ein langgehegter Traum, mal oben im Bügel des "Flaschenöffners" zu stehen, wie ich den Turm des Kingdom Centres aufgrund seiner eindeutigen Form liebevoll nenne, und heute konnte ich ihn mir erfüllen. Ich hatte das Ausmaß des Glücksgefühls, das mich überkam, als ich da oben stand, ehrlich gesagt, nicht erwartet, aber es war wieder einer dieser Momente, in denen das Honigkuchenpferd einen Ententanz vollführt ... So, so schön ...

Nach diesem Stilmittel des "cold open", des direkten Einstiegs in den Tag, kommen wir nun aber zur konventionellen Erzählform, die am Anfang anfängt ...

Aller Anfang war schwer, denn um halb zehn war ich wach. Nach kaum fünf Stunden Schlaf (der gestrige Tag war zu spannend gewesen, als dass ich sofort hätte einschlafen können) brauchte ich noch nicht einmal einen Wecker, sehr schräg das alles, aber natürlich war es da auch schon halb zwölf deutscher Zeit, sodass ich also aufstand.

Das Hotel bekommt einen Punktabzug in der B-Note, weil das Ding, das sich auf "abduschbarer Nehmkopf" reimt, fehlte, aber trotzdem tat die Dusche gut. Ich checkte aus, begab mich in mein Auto, einer der Aufpasser hier verscheuchte ein anderes Auto, das mich zugeparkt hatte, und auf ging es durch den nun stärkeren Verkehr hier in Riad.

Sagen wir so: Die Leute hier in Riad fahren ein bisschen anders als in Deutschland, da wird schon mal rechts und links überholt, und wenn man sich drei Meter vor der Ausfahrt umentscheidet, dann macht man das halt so. Andererseits passen alle auf, kaum jemand besteht hundertprozentig auf seinem Recht, und so kommt es, dass ich heute nur an zwei Unfällen vorbeifuhr (die aber waren im Abstand von 50 Metern ...). Nach aktuellem Stand passt das schon, zumal die verkehrsreichen Straßen groß und breit sind und die kleinen Straßen eben weniger Verkehr haben, außerdem steht man so oft im Stau oder im Stop-and-go, dass man meist gar nicht in Gefahr gerät, zu schnell zu fahren ...

Ich fuhr also in Richtung des Nationalmuseums, also über die Schnellstraße, verfuhr mich (eine Abfahrt zu früh), fand aber dann einen Parkplatz und lief von da durch die Wärme und den Sonnenschein (ich Illigenzbestie hatte mich nicht eingecremt und natürlich meinen Hut vergessen ...) in Richtung Nationalmuseum.

Als ich dort nach einer Viertelstunde Fußmarsch ankam, sah ich, dass ich einfach davor hätte parken können, aber das war mir nicht so ganz klar gewesen, sodass ich nun also weit entfernt stand (wenigstens zahlt man hier nix fürs Parken ...).

Ich zahlte 2,50 Euro Eintritt, musste mein Wasser vor dem Betreten austrinken, weil Essen und Trinken da drin verboten ist, und muss schon sagen, dass Wikivoyage sicher nicht komplett danebenliegt, wenn es das Nationalmuseum als größte Sehenswürdigkeit Riads hervorhebt. Museumspädagogisch wertvoll ist meines Erachtens, dass sie viele Visualisierungen machen, vom Dinosaurierskelett bis zum Nabatäergrab in Madain Saleh, sodass man sich ein bisschen was vorstellen kann, wenn man da durch geht ...

Was das Koran-Zitat in der Nähe des Dinosaurierskeletts und des Film zur Plattentektonik macht, sei mal dahingestellt, und natürlich kommen außer den Muslimen und insbesondere der Familie al-Saud alle anderen irgendwie schlecht weg, aber im Reiseführer stand noch etwas von Chorgesängen, wenn man die Rolltreppe hochfährt zum Beginn der Ausstellung zum Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm), das haben sie jetzt entschärft bzw. entkitschisiert, sehr gut ...

Die Lebensgeschichte von Mohammed (Friede und Segen seien mit ihm!) ist interessant, wenn auch das "Friede sei mit ihm" wirklich jedes Mal hinter Mohammeds (Friede sei mit ihm!) Namen steht, sodass das selbst den Muslimen zu lang wurde und sie das "Peace be upon him" mit "Pbuh" absetzen. Mohammed (Fsmi) also bekommt hier also mit seiner Lebensgeschichte ganz breiten Raum, das ist wenig überraschend, aber durchaus interessant ...

Die Erzählung geht dann von Mohammed über die "rechtgewiesenen" Kalifen, danach zu den Umayyaden, den Abbasiden, den Mamluken, den Osmanen und schließlich, die Briten auslassend, zur Familie al-Saud, die streng und gerecht Frieden auf der Arabischen Halbinsel gebracht haben. Nun denn ...

Das Museum kann man sich wirklich mal angucken, ich blieb mit fast zwei Stunden länger als erwartet, zumal es noch eine Ausstellung moderner Kunst gab, dir mir gar nicht so schlecht gefallen hat ..

Der Murabba-Palast nebenan hatte zu, aber das mit den Öffnungszeiten ist hier sowieso so eine Sache - am besten kommt man, gerade als Westler, am besten einfach hin, denn theoretisch war heute Männertag im Nationalmuseum, was aber die ausländischen Frauen nicht davon abhielt, mit ihren Partnern und Kindern auch hier aufzutauchen ... Es scheint mir, siehe auch die Einstiegsgeschichte und den Straßenverkehr, hier ein bisschen so zu sein, dass es zwar viele Regeln gilt, aber ob man sie dann auch einhält, ist eine ganz andere ...

Ich lief zurück zum Auto, fand - fast - auf Anhieb das Parkhaus des Kingdom Centre, wurde dort vom Wächter per Handschlag begrüßt (nachdem er fragte, ob ich aus Dänemark [!] käme) und konnte - ohne Kosten - mein Auto abstellen, nachdem ich nach mehrmaligem Herumkurven einen Parkplatz gefunden hatte.

Der Foodcourt im Kingdom Centre hat von morgens bis abends offen, die Geschäfte angeblich nur bis 12.30 Uhr und wieder ab 16.30 Uhr, aber auch daran hielten sich bei weitem nicht alle Geschäfte - Regeln und so, der geneigte Leser erkennt möglicherweise ein Schema.

Ich hatte bestialischen Hunger (das Frühstück hatte ich mir geschenkt) und ziemlich bestialischen Durst, also guckte ich mir die Auswahl amerikanischer und saudischer Fast-Food-Ketten an, entschied mich für eine saudische und verspeiste ein Hühnchen-Sandwich mit Pommes und Cola. Alles andere als eine Offenbarung, aber erstens ist das halt Fastfood und zweitens hatte ich Hunger, da war ich über alles froh ...

Ich lief ein bisschen durch das Centre, auf der Suche nach dem Zugang zur Skybridge, hob erstmal Geld ab, was genau richtig war, denn als ich den Zugang zur Skybridge sah, sah ich auch, dass die nur Cash nehmen. Bis dahin hatte ich alles (naja, okay, das Hotel, den Museumseintritt und das Sandwich) mit Kreditkarte zahlen können, da verstehe ich nicht so ganz, wieso das bei diesem vermeintlichen (ne, tatsächlichen)! Touristenmagnet nicht geht, aber ich hatte ja Bargeld.

Nach ein bisschen Warten ging es - mit Fahrstuhlführer! - in den 77. Stock, dann mit einem anderen Fahrstuhl in den 99. Stock. Naja, und dann halt: Wow! Ganz, ganz toll, zumal diese Skybridge wirklich wie eine alte Brücke gebogen ist, sehr schick ...

Nach einer halben Stunde war ich überglücklich, fuhr wieder runter, ging kurz raus, um den Flaschenöffner von unten in voller Pracht zu fotografieren, grinste wieder wie ein unfotogenes Honigkuchenpferd in meine Selfies und ging dann - unter Verzehr eines Softeises - zu meinem Auto.

Nach ein bisschen Gekurble und zweimal Verfahren kam ich an einer Tankstelle an, tankte für vier Euro 10 Liter Benzin (ich musste den Tank auf ein Viertel zurückgeben, es wurde dann doch fast die Hälfte ...). Den Car rental return fand ich ebenfalls, auch wenn die Beschilderung okay, aber nicht ganz optimal ist, gab das Auto ab und fuhr im Shuttlebus vom internationalen zum nationalen Terminal. (Ich hätte das Auto auch dort abgeben können, aber das erfuhr ich erst, als ich schon am internationalen Terminal an der Abgabe stand, da wollte ich nicht wieder los, und der Shuttlebus fährt alle zehn Minuten und ist kostenlos ...)

Der Check-in für den Flug nach Dschidda ging sehr schnell, die Sicherheitskontrolle auch (das Wasser in meinem Handgepäck interessierte keinen ...) und jetzt sitze ich in der Lounge und schreibe Blog, der nach der Ankunft in Dschidda hochgeladen wird.

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Das Boarding ging relativ schnell, aber dann saßen wir eine Weile im - heißen - Flieger ... Mich kümmerte es nicht wirklich, ich spielte meine neu entdeckten Handyspiele. Nach eineinhalb Stunden Flug oder so kamen wir in Dschidda an, wurden mit dem Cobus zum Terminal gefahren, mein Gepäck kam bald, die Autovermietung hier ist ein wenig versteckt, aber dafür deutlich professioneller als in Riad, auch wenn mir der Typ von Avis sagte: "You have to drive like a gangster." ("Du musst hier wie ein Gangster fahren.") Na, Prost Mahlzeit (apropos "Prost Mahlzeit": Ich war eben im Supermarkt, da gibt es - natürlich alkoholfreies - Holsten-Bier, das hatte ich auch schon im Iran gesehen. Die scheinen sich da "spezialisiert" zu haben ...)

Ich fand erst die Ausfahrt nicht, dann sind da manchmal so Richtungsspieße im Boden, über die ich extrem ungern drüberfahren, aber nach endlicher Zeit war ich auf der - imVergleich zu heute Nacht deutlich belebteren - Stadtautobahn rein nach Dschidda.

Ich verfuhr mich, weil ich die Abfahrten nicht so schnell erwischte (Google Maps will einen dann immer quer über die sechsspurige Autobahn jagen, da mache ich nicht mit, auch wenn die Saudis das durchaus so machen ...), kam - mit Google Maps, ohne das wäre ich völlig aufgeschmissen hier - über dunkle Stadtgassen auf die richtige Spur (unterwegs nahm mir einer bei meinem Abbiegen nach rechts von rechts - im Gegenverkehr! - kommend fast die Spur weg ...), aber dann war ich in meinem - sehr schönen - Hotel ... Es gibt sogar einen abnehmbaren Duschkopf, und auf den - extra bezahlten - Meerblick bin ich sehr gespannt ...

Eine kurze Runde um den Block folgte, mitsamt Einkauf von Süßkram (hier ist es ja schon wieder Mitternacht jetzt), den verspeise ich jetzt, und morgen schlafe ich aus, jawoll!

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Saudi-Arabien erscheint mir - nach dem ersten Tag - bei weitem nicht so fremd wie ich es erwartet hatte. Ja, viele männliche Saudis laufen in ihrem weißen Kaftan und mit dem rot-karierten Tuch auf dem Topf herum, die meisten saudischen Frauen tragen Kopftuch und Abaya (diesen schwarzen Umhang) und viele auch Nikab (also Tuch vor dem Mund, sodass man nur noch die Augen sieht). Andererseits laufen die meisten nicht-muslimischen Ausländerinnen komplett ohne Tuch durch die Gegend, und auch wenn viele eine Abaya tragen, tun das längst nicht alle - das scheint also wirklich nicht mehr notwendig zu sein, selbst im angeblich so konservativen Riad. Im Foodcourt habe ich auch ein paar Gruppen von Freundinnen/Kolleginnen gesehen, innerhalb derer einige Nikab trugen und andere die Haare offen. Ich bin sehr gespannt, wie das hier in Saudi-Arabien weitergeht, zumal es in der Mall auch Geschäfte gab, die im Schaufenster kurze Kleidchen hatten ... (Und eine "Kamps"-Bäckerei macht hier bald auf ....)

Das Internet funktioniert hier übrigens einwandfrei (anders als in der Türkei, in der das alles kompliziert und die Wikipedia immer noch gesperrt ist).

Fotos:

Im Nationalmuseum

Im Nationalmuseum (bisschen wie Piraten in Batavia)

Seidentuch, das die Tür der Kaaba bedeckte

Moderne Kunst im Nationalmuseum

Blick nach Norden

Blick nach Süden

Blick nach unten (300 Meter)

Panorama

Wow, die Flasche muss ganz schön groß sein ...

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