Das, oder etwas ganz verwandt Ähnliches, hat uns der alte Mann heute im Minibus von Bischkek nach Karakol erzählt. Ich schwöre.
Naja, jedenfalls sind wir heute sehr früh aufgestanden: Ich hatte den Wecker auf 2 Uhr (deutscher Zeit), also 6 Uhr, gestellt. Nach ein bisschen Kuscheln bin ich schließlich um 6.45 Uhr aufgestanden.
Wir waren früher als erwartet fertig und gingen runter zum Frühstück, das aus Blini mit Sauerrahm und Spiegelei mit Wurst (also scrambled eggs [sic!] with sausage) bestand.
Wir fragten unseren Rezeptionisten, was ein Taxi nach Karakol kosten würde. Nach seiner Auskunft ("200 Dollar") nahmen wir rasch von dieser Option Abstand. Dafür brachte er uns - er bekam ein extragroßes Trinkgeld - zum Awtowoksal, also zum Autobahnhof, vielmehr zum Busbahnhof. Dort vermittelte er uns an einen Schlepper, der uns den Koffer schleppte und uns in Richtung Minibusse nach Karakol führte. Dafür bekam er ebenfalls ein Trinkgeld, womit er wenig anfangen konnte. Behalten hat er die 100 Som trotzdem.
Wir waren um 8.45 Uhr am Minibus, der Fahrplan zeigte 9.30 Uhr. Ich war nicht ganz sicher, wie ernst diese Zeitangabe zu nehmen war, aber wir setzten uns schon einmal in das Gefährt. Es kamen immer mehr Leute dazu, auch ein geistig leicht behinderter Mensch wollte ein bisschen Geld erbetteln, und als er dieses nicht bekam, begann er, die auf dem Beifahrersitz sitzende Frau abwechselnd zu beleidigen und durch Geheule zu erweichen zu versuchen. Beides half nix.
Mit wenigen Minuten "Verspätung" fuhren wir los, 18 Mann oder so in unserem Gefährt.
Kurz nach der ersten Tankstelle sprach der alte Mann meine Ma und mich an, auf Russisch. Als die Beifahrerin ihm sagte, wir seien Deutsche, meinte er "Guten Morgen" und "Hände hoch". Sehr beruhigend ... Danach verwickelte er uns in ein Gespräch, zählte von eins bis zehn: eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, neun, zehn. Als meine Ma ihn darauf hinwies, dass dazwischen die 8 fehlte, fing er an vom "acht Marz" zu erzählen und von Rosa Luxemburg und Clara Zetkin. Kurz darauf suchte er das deutsche Wort für праздник, bis ihm der Fahrer erläuterte, dass das zumindest auf Englisch "holiday" hieß. Damit war für uns "Urlaub" gemeint. Und da Clara Zetkin am "acht Marz"
праздник, hatte also Clara Zetkin ab dem 8. März Urlaub. (Später fiel uns auf, dass "holiday" auch Feiertag heißen kann, der 8. März der Weltfrauentag ist und Clara Zetkin den maßgeblich mitbegründet hat, aber da war es schon zwei Stunden später, sodass wir das Gespräch nicht neu beleben wollten ...)
Stundenlang ging es durch das kirgisische Bergland, vorbei am wunderbaren Issyk Kul, der fast zwöf Mal so groß wie der Bodensee ist, vorbei an Radieschen- und Besenständen, unterbrochen nur von gelegentlichen Aus- und Zustiegen in unserem Sprinter. Für die Sechs-Stunden-Fahrt bezahlten wir - pro Person - 250 Som, also etwa 3,30 Euro. Auch wenn die Sprachbarriere nicht zu unterschätzen ist (unser Russisch ist wirklich quasi nicht-existent), spüren wir, dass die Menschen sehr (gast-)freundlich sind und wirklich interessiert an den bekloppten Ausländern scheinen, die ihr Land bereisen.
Gegen 16 Uhr kamen wir in Karakol an. Unser Taxifahrer versuchte uns, schön übers Ohr zu hauen, was wir aber abwehren konnten, indem wir statt 2,60 Euro nur 1,30 Euro für die Fahrt zahlten, was immer noch ein deutlicher Ausländerpreis war.
In unserem Hotel wurden wir - ohne unsere Pässe zu zeigen oder sonstwas - schon erwartet und aufs Zimmer geleitet. Das Zimmer ist sehr ordentlich, wir zahlten 54 Dollar (etwa 40 Euro) für die beiden Nächte ...
Anschließend gingen wir in Richtung "Innenstadt", fielen über die von der US-Entwicklungshilfe finanzierte Touristinformation, in der uns gut (und in sehr gutem Englisch!) geholfen wurde (auch wenn die Stadtpläne gerade aus waren) und liefen weiter in Richtung Dungan-Moschee und Basar.
Die Dungan-Moschee (Eintritt: wucherhafte 30 Cent pro Person) ist eine sehr interessante Moschee: Sie ist in einem dezidiert chinesischen Stil gehalten und von außen und innen sehr bunt. So eine Moschee habe ich noch nie gesehen. Hochinteressant. Der Moscheewächter enttarnte uns sofort als Deutsche. Woran das wohl liegt?
Der Basar war heute schon fast wieder im Schließen begriffen, sodass wir sowohl den Basarbummel als auch das Aufsuchen des Lokals, das uns empfohlen war, unterließen (naja, das Lokal fanden wir nicht ...). Überall waren wir "Langnasen" ein spannendes Besichtigungsobjekt.
Wir spazierten zurück in Richtung Hotel und blieben an einem "Kafesi" hängen. Da das Ding auch als "Bar" beschildert war, gingen wir rein, schließlich wollten wir ein Bierchen trinken.
Naja, aus dem Bierchen wurden vier, danach kam eine Viertelliterflasche Wodka (für 2,50 Euro), ein Teechen und ein bisschen Saft, dazu die (gar nicht soooo) scharfe kalte Nudelsuppe, Lagman, Beschbarmak und nachher zum Alkoholbekämpfen noch ein Schaschlik-Spieß. Am Ende zahlten wir 24 Euro für ein mittelprächtiges Gelage.
Karakol soll nicht so supersicher sein, vor allem im Dunkeln, aber die Gefahr lauert wohl eher in Pfützen und fehlenden Kanalisationsdeckeln denn in bösen Verbrechern. Jedenfalls fühlten wir uns bei dem Spaziergang zurück ins Hotel keineswegs unwohl.
Meiner Ma fällt auf, dass die jungen Leute westlich gekleidet sind und alle (auch die Älteren) ein Handy am Ohr haben. Die Infrastruktur (Straßen, Wohnblocks, Autos) wirkt manchmal noch wie in den Westler-Vorstellungen vom Ostblock, auch wenn schon deutlich mehr moderne deutsche und japanische Autos auf den Straßen unterwegs sind als Ladas und Moskwitschs. "Deutsche Autos" kann hier auch mal heißen, dass von der "Bäckerei Stamm" in sowieso oder vom Reisebüro Schlagmichtot in Südtirol noch Aufschriften auf den Gefährten prangen. Scheint ein Qualitätsmerkmal zu sein ...
Wir gehen nun, es ist Mitternacht hier, ins Bettchen. Morgen geht es vielleicht auf einen Ein-Tages-"Trek" ins Gebirge. Mal sehen. Erst einmal aber: gute Nacht!