Mir war also Mitte der letzten Woche die Kette sowas von vom Zahnkranz (Ritzel, keine Ahnung, habe ich eh alles gegoogelt) geflogen, dass ich gestern erst einmal sehr dringend meine Gedanken ordnen musste. Darunter mussten Jessi und Christian leiden, denen ich nach Vorankündigung am Donnerstag am Freitag Morgen dann wirklich für das geplante Wochenende bei ihnen absagen musste: Es ist immer sehr schön bei denen, aber eben auch sehr viel Ablenkung durch Speis, Trank, Gespräche und Ausflüge, und das konnte ich jedenfalls gestern so überhaupt nicht gebrauchen. Die beiden hatten dankenswerterweise sehr viel Verständnis für meine kurzfristige Absage, und so entschied ich mich zu einer Heidewanderung.
Erst einmal wollte ich aber meine Pfandflaschen wegbringen - das klappte erfolgreich beim Rewe im Hauptbahnhof. Eigentlich wollte ich aber nicht ganz so viel Wasser mitnehmen, sodass ich ein Guthaben von zwei Euro hatte. Leider funktioniert das an der Selbstbedienungskasse nicht mit dem Gutschreiben auf die Kreditkarte, sodass ich hektisch noch zwei weitere Flaschen holen wollte (eher mir jemand noch die Flasche, die ich schon bezahlt hatte, klaut ...). Dabei blieb ich aber mit meinem Rucksack im Kühlschrankgriff hängen, joa, und wo rohe Kräfte sinnlos walten, kann keine Tür den Türgriff halten ...
Jedenfalls meldete ich diesen offensichtlichen Haftpflichtschaden beim Security-Typen, der rief den Chef, aber der Chef war komplett entspannt, machte nicht einmal einen Versicherungsfall daraus - das fand ich sehr, sehr freundlich, vielen Dank dafür!
So erwischte ich dann auch meinen Zug nach Unterlüß in der Südheide problemlos.
Freunde aus der DDR wollten bei ihrem ersten (ermogelten) Besuch bei meinen Eltern unbedingt in die Alpen, und einer von ihnen fragte meinen Vater auf der Fahrt in die Schweiz die ganze Zeit ganz aufgeregt: "Wo sind denn jetzt die Berge?" So ähnlich hatte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn gedacht, dass ich, wenn ich aus dem Zug aussteige, praktisch schon in der Heide stehe, aber das war eine absolute Fehleinschätzung.
Ich hatte im Vorfeld mehrfach die Routenplanung umgeschmissen, aber jetzt lief ich erstmal aus dem Städtchen Unterlüß heraus in den Wald. Dort war es schön, dort war es leer, dort konnte ich in aller Ruhe meine Gedanken ordnen, während ich durch die - laut Wikipedia - Kiefernwälder dort marschierte. Nach ungefähr fünf Kilometern kam ich an einer Weggabelung an, nahm nach abermaliger Konsultation der diversen Wanderkartenapps zwar den ursprünglich geplanten Weg, bog von diesem aber nach wenigen hundert Metern wieder ab, denn da wurde mir eine Heidefläche angezeigt.
Irgendwie hatte ich die Heideblüte auf den August gelegt und war völlig sicher, dass ich die jetzt Mitte September schon verpasst hätte. Auch damit hatte ich mich getäuscht, denn die Heidelandschaft sah immer noch atemberaubend schön aus ...
Ich hatte natürlich überhaupt keine Ahnung, dass da öfter auch noch Bäume in der Gegend herumstehen, aber dieses sanfte Lila auf diesen Heideflächen, das war richtig, richtig schön.
So hatte alles gepasst: Wald - und Wald kenne ich schon, definitiv - fürs Gedankenordnen und dann Heide zum Genießen. Ich lachte das erste Mal seit Tagen wieder entspannt, und als an der riesigen Oberoher Heide vorbeilief, entdeckte ich einen Stein etwa zwanzig Meter in die Heide hinein. Auf den stellte ich mich und machte ein Panoramafoto in lila, es war so unglaublich schön ...
Hier begegneten mir jetzt auch die ersten Menschen auf dieser Tour, und in der Heide wird schon gemoint, während ich bei meinem Spaziergang eben in Hannover feststellte, dass hier noch gehallot wird.
Ich konnte mich kaum sattsehen an dieser unwirklichen Farbe, aber leider entschloss ich mich erst zu einem so späten Zeitpunkt dafür, dass nach zehn Kilometern Wanderung Schluss sei, als ich aus dieser unglaublichen riesigen Heidefläche schon wieder ein Stück draußen war. Da hätte ich mich auf eine Bank setzen und das Ganze noch ein bisschen mehr genießen sollen, auch wenn das Wetter nicht so ganz grandios toll war.
Sei es, wie es sei, ich merkte, dass ich die eigentlich angepeilte Station des Wanderbusses nicht erreichen würde, und strebte nun nach der Wanderbusstation zwischen der geplanten und Unterlüß. Dadurch hatte ich jetzt viel Zeit, lief noch um zwei kleine Seen herum, kam nochmal an einer hübschen Heidefläche vorbei und setzte mich schließlich ins Wartehäuschen.
Die Betreiber des Wanderbusses warnen vor, dass es keine Mitnahmegarantie gebe, aber als ich einstieg und dem Busfahrer mein Deutschlandticket hinhielt, sah ich, dass ich der einzige (!) Fahrgast sei. Der Bus fuhr mich gut nach Unterlüß, es hatte schon angefangen zu regnen, aber den Regionalzug nach Hannover erwischte ich gut, und zuhause aß ich noch eine Kleinigkeit und ging dann ins Bett.
Meinem Zeh hatte die Wanderung gestern nicht so gut gefallen, der tat heute Morgen nämlich weh, sodass ich mich dagegen entschied, noch einmal eine Heidewanderung zu machen. Da ich aber dann doch nicht den ganzen Tag faul im Bett liegen wollte, fuhr ich zum Hauptbahnhof und stieg dann kurz entschlossen in einen ICE nach Hamburg ein.
Nach diesem alles in allem sehr erfolgreichem und schönem Wochenende entschied ich mich, bei meiner Stammfischbrötchenbude neben dem üblichen Matjesbrötchen auch ein Krabbenbrötchen für sage und schreibe 15 Euro zu verspeisen. Ja, viel Geld, aber heute gönnte ich mir das mal, und es war auch wirklich sehr, sehr lecker, das muss ich schon sagen.
In Hamburg war die Hölle los, viel zu viele Menschen, ich schubste aber keinen von den Landungsbrücken, sondern war gaaaanz geduldig, auch wenn sie mir alle im Weg standen, und erwischte auf der Fähre nach Finkenwerder sogar noch einen Deckplatz. Meine Jacke hatte ich heute nicht dabei, da oben war es kühl (andere trugen Mütze und Anorak, frisch war es mir in meinem Kurzarmhemd aber schon).
So ging es nach Finkenwerder, von dort mit dem Stück ein Stück ins Alte Land, aber dann gleich in die S-Bahn nach Harburg. Dort erwischte ich im ICE, dessen Wagenreihenfolge kurzfristig noch gedreht worden war, am Ende einen Platz und kam gemütlich in Hannover an.
Ich brachte meinen Rucksack in meine Bude und machte eine - umleitungsbedingte größer als geplant werdende - Runde um die Ricklinger Seen, bis ich jetzt nach Hause kam und den Sonntag gemütlich ausklingen lasse.
Ungeplant war das Wochenende, sehr ungeplant, aber es war auch wunderbar. Morgen geht es sehr erfrischt in die neue Woche, hoffentlich hält das wenigstens ein bisschen vor - und am Freitag Abend geht es in den Schwarzwald ...
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