... bin ich heute Nacht, und das lag weniger an der langwierigen Heimreise denn an den Aktionen der deutschen Nationalmannschaft. Dieser Boateng zum Beispiel ist ja ganz bestimmt ein guter Nachbar, aber manchmal spielt der so ultralässig, dass ich einen Herzkasper kriege, wenn er etwa als letzter Mann einen Ball so weit springen lässt, dass er hinterhergrätschen muss, damit kein ukrainischer Konter entsteht ...
Gestern um kurz vor acht fuhr ich im Schwarzwald los, und außer dem gelegentlichen Regen und der Tatsache, dass mir mein Scheibenwischer keine rechte Freude machte, ging die Fahrt über Stuttgart nach Wiesbaden ziemlich problemlos.
Dort lud ich mein Auto aus und meinen Pass ein. Nachdem mein Bruder mich kurz nach Abfahrt angerufen hatte und ich mich am Kreuz Nahetal in der Folge verfahren hatte, verlief der Rest der Tour völlig problemlos: Ich ließ Köln rechts linken, fuhr bei Aachen über die Grenze nach Belgien (eine Menge Polizei stand auf einem Parkplatz, aber die wollten nix von einem), dort über Lüttich, Namur und Mons in Richtung Lille und überraschenderweise konnte ich die belgisch-französische Grenze ohne jede Kontrolle überwinden. Ich hätte echt gedacht, dass die Franzosen da zumindest pro forma stehen und mal in die Autos reingucken, aber da war nix - und das, obwohl die schiere Masse an deutschen Autos auf der belgischen Autobahn durchaus darauf schließen ließ, dass etliche Landsleute ebenso wie ich Google Maps bedienen (oder eine Karte lesen) können ...
In Lille ignorierte ich die Hinweise zu den Park+Ride-Parkplätzen um Stadion, denn ich hatte mich ausnahmsweise mal wieder ein bisschen vorbereitet: Das Stadion liegt am einen Ende der Metrolinie 1, und am anderen Ende dieser Metrolinie ist auch ein Park+Ride-Parkplatz. Den fuhr ich an und war - gegen 16 Uhr - völlig perplex, wie leer der war - da standen ein paar französische Autos, aber keinerlei Ausländer - das Beste war, dass ich am Sonntag nix zahlen musste ...
Ich ging die paar Schritte zur Metrostation, kaufte eine Tageskarte und stieg dann in die Metro ein. Die Metro in Lille ist das größte fahrerlose Metronetzwerk der Welt - es ist und bleibt ein bisschen gespenstisch, in dieses Gefährt einzusteigen, in dem kein Fahrer sitzt, aber das Ding ist so gut eingestellt, dass man das nach ein paar Minuten nicht mehr merkt. 25 Minuten später kam ich an der U-Bahn-Station in Triolo, einen viertelstündigen Fußmarsch vom Stadion entfernt, an.
Die Gegend da ist ein bisschen trostlos, mit einem Centre Commercial, das seine beste Zeiten schon vor Jahrzehnten gesehen hat, aber wirklich gefährlich erschien es mir nicht, auch wenn ich froh war, dass die dortigen Jugendlichen am Kiffen und nicht am Saufen waren ...
Eine Viertelstunde später war ich an der Ticketausgabestelle, war wieder einmal perplex, wie leer es auch dort war (obwohl schon ganz gut deutsche Fans unterwegs waren), nahm mein Ticket in Empfang (die wollten wirklich meinen Pass sehen ...) und entschied mich, für eine halbe Stunde, Stunde in die Stadt zurückzufahren und mir zumindest den Grand Place anzugucken.
Gesagt, getan, Lille war - völlig überraschenderweise - proppevoll, aber der Grand Place und die umgebende Innenstadt waren wirklich sehr schön anzusehen. Die Stimmung unter den Fans war sehr schön, sehr entspannt, ausgesprochen friedlich (die 50 Vollidioten kamen erst, als ich schon weg war) . so soll EM sein (oder Fußballfans vor dem Spiel insgesamt).
Gegen 17.30 Uhr fuhr ich zurück zum Stadion und war gegen 17.50 Uhr da - das Stadion war noch nicht offen, aber drum herum gibt es einige Kneipen. Da ich erst einige Stunden später zurückfuhr, genehmigte ich mir -- ein Kollege meinte neulich, ich würde so oft von Bier schreiben --, also, ich genehmigte mir ein Glas - Milch! Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.
Kurz nach 18 Uhr durfte man dann rein, und auch den Zeitpunkt hatte ich mir gut ausgesucht, ich war nach der einigermaßen strengen Personenkontrolle gerade sicher im Stadion gelandet, als draußen ein Wolkenbruch hernieder ging, der alles und jeden einweichte - die armen Leutchen ...
Nach dem Konsum des Glases Milch hatte ich jetzt Hunger und Durst, die Preise im Stadion waren gerade noch kein Verstoß gegen die Menschenrechte, sodass ich mir in zwei Etappen zwei Colas, ein Hähnchen-Sandwich und eine Portion Merguez mit Pommes hineintat, während ich auf der Großleinwand den Rest des Polen-Nordirland-Spiels genoss.
Das Unterhaltungsprogramm war dem Spiel war leidlich unterhaltsam, der deutsche und der ukrainische "Einpeitscher" waren durch UEFA-Regularien deutlich eingezäunt worden, dieses gekünstelte Singen des DFB-Liedes (von dem außer dem Refrain eh keiner den Text kennt - "Schwarz und weiß, wir stehen auf deiner Seite" usw. usf.) kann man lassen, da soll man die Fans lieber singen lassen.
Die deutschen Fans in der Stadt mit Pickelhaube hätten sich das auch sparen können (speziell in Frankreich), ansonsten finde ich, dass "Die Nummer eins der Welt sind wir" nur von Leuten als politisch-nationalistisch missverstanden werden kann, die das unbedingt missverstehen und nicht auf dem WM-Titel beziehen wollen.
Vor und während des Spiels erlebte ich einige, sagen wir, spezielle Leute um mich herum. Für die Mutter mit ihrem Sohn habe ich volles Verständnis, auch wenn die beiden nicht die Typen waren, die normalerweise ein Deutschland-Trikot anziehen würden. Da war der ultracoole Jugendliche, der bestialisch nach Schweiß roch, die vier Franzosen vor uns, die sich einen Spaß daraus machten, deutsche Worte mehr oder weniger passend durch die Gegend zu grölen, das deutsche Schicki-Micki-Pärchen neben mir, bei dem er und ich uns ohne große Worte trotzdem gut verstanden und bei dessen Begleitung ich wirklich nicht sicher bin, ob sie sich fürs Spiel interessierte; der Engländer hinter mir, der den armen besoffenen Duisburger neben sich in ein Gespräch verwickelte und dann selber ein armer Engländer wurde, weil der Duisburger nicht mehr aufhörte, sich mit seinem gräuslichen Englisch an dem armen Mann abzuarbeiten, und da waren die Dänen drei Plätze neben mir (die drei Plätze dazwischen blieben frei, die Karten waren wohl nicht verkauft worden), die mit einigermaßen unglücklichem Gesichtsausdruck das Spiel verfolgten (Dänemark ist ja nicht dabei). Am besten gefallen haben mir aber die paar Holländer im Stadion, die sich mit wunderbarer Selbstironie in volle Oranje-Montur geschmissen hatten; einer trug sogar ein T-Shirt, wieso die Holländer bei dieser EM für Deutschland jubeln - niedlich ...
Fußball ist einfach ein wunderbarer Sport, auch wenn ich mich im Stadion irgendwie noch mehr, sagen wir, engagiere als zuhause vor dem Fernseher, was dazu führt, dass ich heute Morgen unter der Dusche vor lauter Heiserkeit nicht mehr mein normales Gesangsprogramm abziehen konnte.
Dass Deutschland 2:0 gewonnen hat, dass der Jubel bei den beiden Toren und die Erleichterung nach der Boateng-Aktion und dem Abseitstor der Ukrainer groß war, sind Binsenweisheiten.
Relativ bald nach Spielende verließ ich das Stadion, die Metro - die keine großen Wagen hat - war alles andere als überfüllt (wo sind die denn alle hin???), ab dem Hauptbahnhof war die Metro ziemlich leer, die letzten zwei Stationen hatte ich die gesamte Metro für mich alleine! Um 23.30 Uhr war ich am Auto, musste noch dringend tanken, was trotz Kommunikationsschwierigkeiten des Belgiers und mir (ich war um kurz vor Mitternacht wieder in Belgien) dann funktionierte, und fuhr dann mit etlichen anderen Deutschen über die nächtliche belgische Autobahn.
Um 2.01 Uhr war ich in Deutschland, die Rückfahrt war problemlos, nur fand ich in Wiesbaden nachts um vier trotz eifriger Suche keinen Parkplatz in meiner Nähe. Naja, dann stellte ich mich halt unten an die Reisingeranlage und fuhr heute Morgen um halb elf nach fünf Stunden Schlaf mit dem Auto zur Arbeit. Insgesamt bin ich in diesen 24 Stunden über 1.300 Kilometer gefahren ...
Schnapsidee 2016, die zweite, war toll und schön, aber auch ein bissel anstrengend. Ich hätte mit dem Enkel meiner Ersatzoma nächsten Sonntag nochmal nach Lille zum Schweiz-Spiel gekonnt, aber das hätte ich konditionell nicht mehr geschafft ...
Gestern um kurz vor acht fuhr ich im Schwarzwald los, und außer dem gelegentlichen Regen und der Tatsache, dass mir mein Scheibenwischer keine rechte Freude machte, ging die Fahrt über Stuttgart nach Wiesbaden ziemlich problemlos.
Dort lud ich mein Auto aus und meinen Pass ein. Nachdem mein Bruder mich kurz nach Abfahrt angerufen hatte und ich mich am Kreuz Nahetal in der Folge verfahren hatte, verlief der Rest der Tour völlig problemlos: Ich ließ Köln rechts linken, fuhr bei Aachen über die Grenze nach Belgien (eine Menge Polizei stand auf einem Parkplatz, aber die wollten nix von einem), dort über Lüttich, Namur und Mons in Richtung Lille und überraschenderweise konnte ich die belgisch-französische Grenze ohne jede Kontrolle überwinden. Ich hätte echt gedacht, dass die Franzosen da zumindest pro forma stehen und mal in die Autos reingucken, aber da war nix - und das, obwohl die schiere Masse an deutschen Autos auf der belgischen Autobahn durchaus darauf schließen ließ, dass etliche Landsleute ebenso wie ich Google Maps bedienen (oder eine Karte lesen) können ...
In Lille ignorierte ich die Hinweise zu den Park+Ride-Parkplätzen um Stadion, denn ich hatte mich ausnahmsweise mal wieder ein bisschen vorbereitet: Das Stadion liegt am einen Ende der Metrolinie 1, und am anderen Ende dieser Metrolinie ist auch ein Park+Ride-Parkplatz. Den fuhr ich an und war - gegen 16 Uhr - völlig perplex, wie leer der war - da standen ein paar französische Autos, aber keinerlei Ausländer - das Beste war, dass ich am Sonntag nix zahlen musste ...
Ich ging die paar Schritte zur Metrostation, kaufte eine Tageskarte und stieg dann in die Metro ein. Die Metro in Lille ist das größte fahrerlose Metronetzwerk der Welt - es ist und bleibt ein bisschen gespenstisch, in dieses Gefährt einzusteigen, in dem kein Fahrer sitzt, aber das Ding ist so gut eingestellt, dass man das nach ein paar Minuten nicht mehr merkt. 25 Minuten später kam ich an der U-Bahn-Station in Triolo, einen viertelstündigen Fußmarsch vom Stadion entfernt, an.
Die Gegend da ist ein bisschen trostlos, mit einem Centre Commercial, das seine beste Zeiten schon vor Jahrzehnten gesehen hat, aber wirklich gefährlich erschien es mir nicht, auch wenn ich froh war, dass die dortigen Jugendlichen am Kiffen und nicht am Saufen waren ...
Eine Viertelstunde später war ich an der Ticketausgabestelle, war wieder einmal perplex, wie leer es auch dort war (obwohl schon ganz gut deutsche Fans unterwegs waren), nahm mein Ticket in Empfang (die wollten wirklich meinen Pass sehen ...) und entschied mich, für eine halbe Stunde, Stunde in die Stadt zurückzufahren und mir zumindest den Grand Place anzugucken.
Gesagt, getan, Lille war - völlig überraschenderweise - proppevoll, aber der Grand Place und die umgebende Innenstadt waren wirklich sehr schön anzusehen. Die Stimmung unter den Fans war sehr schön, sehr entspannt, ausgesprochen friedlich (die 50 Vollidioten kamen erst, als ich schon weg war) . so soll EM sein (oder Fußballfans vor dem Spiel insgesamt).
Gegen 17.30 Uhr fuhr ich zurück zum Stadion und war gegen 17.50 Uhr da - das Stadion war noch nicht offen, aber drum herum gibt es einige Kneipen. Da ich erst einige Stunden später zurückfuhr, genehmigte ich mir -- ein Kollege meinte neulich, ich würde so oft von Bier schreiben --, also, ich genehmigte mir ein Glas - Milch! Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.
Kurz nach 18 Uhr durfte man dann rein, und auch den Zeitpunkt hatte ich mir gut ausgesucht, ich war nach der einigermaßen strengen Personenkontrolle gerade sicher im Stadion gelandet, als draußen ein Wolkenbruch hernieder ging, der alles und jeden einweichte - die armen Leutchen ...
Nach dem Konsum des Glases Milch hatte ich jetzt Hunger und Durst, die Preise im Stadion waren gerade noch kein Verstoß gegen die Menschenrechte, sodass ich mir in zwei Etappen zwei Colas, ein Hähnchen-Sandwich und eine Portion Merguez mit Pommes hineintat, während ich auf der Großleinwand den Rest des Polen-Nordirland-Spiels genoss.
Das Unterhaltungsprogramm war dem Spiel war leidlich unterhaltsam, der deutsche und der ukrainische "Einpeitscher" waren durch UEFA-Regularien deutlich eingezäunt worden, dieses gekünstelte Singen des DFB-Liedes (von dem außer dem Refrain eh keiner den Text kennt - "Schwarz und weiß, wir stehen auf deiner Seite" usw. usf.) kann man lassen, da soll man die Fans lieber singen lassen.
Die deutschen Fans in der Stadt mit Pickelhaube hätten sich das auch sparen können (speziell in Frankreich), ansonsten finde ich, dass "Die Nummer eins der Welt sind wir" nur von Leuten als politisch-nationalistisch missverstanden werden kann, die das unbedingt missverstehen und nicht auf dem WM-Titel beziehen wollen.
Vor und während des Spiels erlebte ich einige, sagen wir, spezielle Leute um mich herum. Für die Mutter mit ihrem Sohn habe ich volles Verständnis, auch wenn die beiden nicht die Typen waren, die normalerweise ein Deutschland-Trikot anziehen würden. Da war der ultracoole Jugendliche, der bestialisch nach Schweiß roch, die vier Franzosen vor uns, die sich einen Spaß daraus machten, deutsche Worte mehr oder weniger passend durch die Gegend zu grölen, das deutsche Schicki-Micki-Pärchen neben mir, bei dem er und ich uns ohne große Worte trotzdem gut verstanden und bei dessen Begleitung ich wirklich nicht sicher bin, ob sie sich fürs Spiel interessierte; der Engländer hinter mir, der den armen besoffenen Duisburger neben sich in ein Gespräch verwickelte und dann selber ein armer Engländer wurde, weil der Duisburger nicht mehr aufhörte, sich mit seinem gräuslichen Englisch an dem armen Mann abzuarbeiten, und da waren die Dänen drei Plätze neben mir (die drei Plätze dazwischen blieben frei, die Karten waren wohl nicht verkauft worden), die mit einigermaßen unglücklichem Gesichtsausdruck das Spiel verfolgten (Dänemark ist ja nicht dabei). Am besten gefallen haben mir aber die paar Holländer im Stadion, die sich mit wunderbarer Selbstironie in volle Oranje-Montur geschmissen hatten; einer trug sogar ein T-Shirt, wieso die Holländer bei dieser EM für Deutschland jubeln - niedlich ...
Fußball ist einfach ein wunderbarer Sport, auch wenn ich mich im Stadion irgendwie noch mehr, sagen wir, engagiere als zuhause vor dem Fernseher, was dazu führt, dass ich heute Morgen unter der Dusche vor lauter Heiserkeit nicht mehr mein normales Gesangsprogramm abziehen konnte.
Dass Deutschland 2:0 gewonnen hat, dass der Jubel bei den beiden Toren und die Erleichterung nach der Boateng-Aktion und dem Abseitstor der Ukrainer groß war, sind Binsenweisheiten.
Relativ bald nach Spielende verließ ich das Stadion, die Metro - die keine großen Wagen hat - war alles andere als überfüllt (wo sind die denn alle hin???), ab dem Hauptbahnhof war die Metro ziemlich leer, die letzten zwei Stationen hatte ich die gesamte Metro für mich alleine! Um 23.30 Uhr war ich am Auto, musste noch dringend tanken, was trotz Kommunikationsschwierigkeiten des Belgiers und mir (ich war um kurz vor Mitternacht wieder in Belgien) dann funktionierte, und fuhr dann mit etlichen anderen Deutschen über die nächtliche belgische Autobahn.
Um 2.01 Uhr war ich in Deutschland, die Rückfahrt war problemlos, nur fand ich in Wiesbaden nachts um vier trotz eifriger Suche keinen Parkplatz in meiner Nähe. Naja, dann stellte ich mich halt unten an die Reisingeranlage und fuhr heute Morgen um halb elf nach fünf Stunden Schlaf mit dem Auto zur Arbeit. Insgesamt bin ich in diesen 24 Stunden über 1.300 Kilometer gefahren ...
Schnapsidee 2016, die zweite, war toll und schön, aber auch ein bissel anstrengend. Ich hätte mit dem Enkel meiner Ersatzoma nächsten Sonntag nochmal nach Lille zum Schweiz-Spiel gekonnt, aber das hätte ich konditionell nicht mehr geschafft ...
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