18. September 2014
Joa, wir saßen da am Flughafen, guckten unserem Kapitän durchs Fenster bei den Vorbereitungen zu und wunderten uns, dass die unseren Flug immer noch nicht aufgerufen hatten. Ich guckte auch ein, zwei Mal auf die Anzeigetafel über dem Gate, da war noch nichts, und untendrunter stand auch niemand. Um uns herum machte keiner Anstalten, zum Gate zu gehen, also blieben wir sitzen. Auf einmal kam die Ansage des "letzten Aufrufes" für unseren Flug, sodass wir dann zum Gate wanderten. Dort wurden wir schon böse angefahren, wo wir denn blieben, die warteten offenbar schon auf uns. Okay, da ist wohl auf beiden Seiten was schiefgegangen, aber wenn man weder den Flug ausruft noch an den Anzeigetafeln über dem Gate irgendwas von "Boarding" stehen hat, muss man sich nicht so wirklich wundern, wenn es da, sagen wir, Missverständnisse gibt. Jedenfalls hätten wir wahrscheinlich ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt, wenn unser Flieger plötzlich ohne uns abgelegt hätte. So ging's dann also, Gepäck marsch, marsch, in den Flieger, wo es aber noch einmal eine Stunde dauerte, bis diverse Frachtgüter eingeladen waren. Ähem, zum Glück, sonst wäre das Ganze noch ein bisschen peinlicher gewesen. Wird mir jedenfalls eine Lehre sein, zumindest in Frankfurt mehrmals am Gate nachzufragen, ob sie wirklich noch nicht boarden ...
Der Flug war kurz und entspannt, nur waren wir vom Vorabend noch ein bisschen müde, sodass wir gelegentlich weggenickt sind. Der hochmoderne Flughafen von Prishtina begrüßte uns, die Einreise ging fix, unser Gepäck kam schnell (sie mussten ja sicherstellen, dass sie es schnell wieder hätten ausladen können, wenn wir wirklich nicht erschienen wären ...), und wir tranken dann im Empfangsbereich erstmal was und Marcel ging eine rauchen. Mit dem Taxifahrer wurden wir uns über einen Preis einig und schnell waren wir auf der ganz neuen und kaum befahrenen Autobahn nach Prizren unterwegs. Ich leitete dank Google Maps unseren Fahrer, bis wir an einem blau-weißen Komplex ankamen, an dem wir schon erwartet wurden. Der Pförtner geleitete uns zur Schulsekretärin und die führte uns bei unserem früheren Schuldirektor ein. Großes Hallo. Ein Praktikant aus Deutschland kam hinzu, mit dem wir uns hier eine geräumige Wohnung mit Einzelzimmern teilen: wunderbar. Nachdem wir uns ein wenig frischgemacht hatten, guckten wir - mit Wein und Schnaps bewaffnet - wieder beim Chef vorbei, der uns ein wenig die Sehenswürdigkeiten des Kosovo einordnete, sodass wir jetzt einen recht guten Reiseplan für die nächsten zwei Tage hier im Land haben. Er erzählte auch vom kosovarischen Alltag mit nicht immer ganz kooperativen staatlichen Behörden. Es war Nachmittag, als wir uns mit dem Bus nach Prizren aufmachen wollte (die Schule liegt etwas außerhalb). Leider hatten wir den genauen Ort der Bushaltestelle nicht ganz richtig verstanden, denn es kam ein Bus (aus der Stadt) an, fuhr vor uns auf einen kleinen Feldweg, wendete dort mit Karacho und knirschendem Getriebe, fuhr wieder vom Feldweg runter und hielt 150 Meter vor uns an. Eine Frau stieg ein, aber wir kamen nicht mehr rechtzeitig hin. Das war so ein Tag, an dem die Verkehrsmittel und wir keine richtigen Freunde mehr wurden.
Wir marschierten zwanzig Minuten in Richtung Stadt, bis auf einmal ein Taxi an uns vorbeifuhr und anhielt, nachdem wir mit hektischen Winkbewegungen auf uns aufmerksam gemacht hatten. Der Taxifahrer sprach ganz gut Deutsch, weil er Anfang der 1990er-Jahre in Stuttgart gelebt hatte, und fuhr uns zum Shadervan, dem Hauptplatz der Altstadt von Prizren: Wow. Da fließt so ein kleines Flüsschen unter einer malerischen Festung entlang, von Steinbrücken (fast wie in Mostar) erschlossen. Auf der anderen Flussseite liegt dann ein hübsches Altstadtviertel mit etlichen Moscheen, relativ frisch restauriert aussehenden Häusern, vielen Straßencafés, doch, sehr, sehr schön. Wir spazierten ein wenig dort am Fluss entlang und kehrten dann in einem am Hang gelegenen Lokal ein. Dort aßen, tranken und versackten wir, ehe wir uns mit dem Taxi wieder zum Hotel zurückfahren ließen.
Die Hunde der Nachbarschaft bellten und jaulten uns noch ein schönes Mitternachtskonzert vor, ehe ich mit dann geschlossenem Fenster einschlief.
19. September 2014
Am Freitag Morgen waren wir dann zum Frühstück bei unserem alten Schuldirektor eingeladen: Bei Salami und Schinken (was im muslimischen Kosovo ja nicht gerade selbstverständlich ist ...), hausgemachtem Honig, frischem Fladenbrot und leckerem Tee fragten wir weiter zum Alltag im Allgemeinen und zum Schulalltag im Besonderen. Um 7.40 Uhr nahm er uns mit, damit wir das Ritual des Schulbetretens der Schüler mitverfolgen konnten: Vor 7.45 Uhr kommt kein Schüler ins Gebäude, und danach auch nur mit Kontrolle, ob die Krawatte der Schuluniform richtig sitzt. Das klingt jetzt strenger als es ist, aber es ist doch interessant zu sehen. Nichtsdestotrotz grüßten uns viele Schüler (wie auch die Lehrer) sehr freundlich, zum Teil sogar auf Deutsch. Süß war der Anmarsch der Grundschüler, die, sagen wir, weniger geordnet als die Älteren ihr Schulgebäude aufsuchten.
Danach ließen wir uns mit dem Bus in das Stadtzentrum von Prizren bringen. Leider fuhren wir am Busbahnhof ohne Halt vorbei, sodass wir ein Stückchen später uns den Ausgang erkämpfen mussten und einen kurzen Bummel zurück zum Busbahnhof machten. Die Strecke zwischen Prizren und Prishtina ist ein ziemlich heiß umkämpfter Markt, entsprechend häufig fahren dort die Busse. Für vier Euro, die wir im Bus bezahlten, ging es anstatt über die Autobahn über die landschaftlich noch schönere Landstraße, bis wir kurz vor Prishtina ausstiegen. Dort warteten schon diverse Taxen und eine derselben brachte uns nach Gračanica. Es war wieder einmal beeindruckend, dass viele Werbeschilder auf einmal vom Albanischen ins Serbische wechselten. Der Taxifahrer ließ uns direkt an der Kirche raus (Weltkulturerbe), wo ich ja 2008 mit meiner Ma schon einmal gewesen war. Immer noch und schon wieder war das Ensemble sehr beeindruckend. Besonders die Ruhe im Innenhof im Vergleich zur quirligen Stadt fand ich interessant. Mit meinen begrenzten Serbisch-Kenntnissen kamen wir mit der Aufseherin ein wenig ins Gespräch, die uns auch einige Szenen dort erläuterte. Ich mag orthodoxe Kirchen einfach, die sind (außer in Armenien) alle so schön bunt bemalt mit Heiligen und Bibelszenen. Danach gingen wir raus und suchten Ulpiana, eine Ausgrabungsstätte mit Kirchenbauten aus dem 3. und 4. Jahrhundert. Sehr beeindruckend, zumal man den ganzen Umfang der Anlage erst so richtig mit Google Maps erfassen kann ... (Man sollte hier aber ein Taxi aus der Stadt nehmen, man läuft sich sonst einen Wolf!)
Zurück in Gračanica tranken wir ein Bierchen und machten uns dann auf nach Prishtina. Wir ließen uns am Alten Hamam absetzen, wollten in die älteste Moschee des Landes, wo wir aber abgewiesen wurden, weil gerade Gebetszeit war, und gingen dann ein paar Meter, um schließlich auf die Fußgängerzone zu stoßen. An Denkmälern für Skenderbeg und Ibrahim Ruguva vorbei begutachteten wir das Parlament der Republik Kosovo. Die Fußgängerzone ist inzwischen sehr, sehr schön, es gibt sehr viele Geschäfte und Cafés, doch, in Prishtina lässt es sich schon aushalten.
Am Ende der Fußgängerzone landeten wir in einer Veranstaltung zu Ehren der fünfzehnjährigen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Kosovo. Auf vielen Ständen wurde über die deutsch-kosovarischen Bemühungen zur Rechts- oder Katasterreform, zur Mülltrennung und zur Wiedereingliederung von Flüchtlingen hier im Land berichtet. Durchaus interessant. Wir suchten eine im Reiseführer empfohlene Gaststätte und aßen dort recht gut, ehe wir uns gegen halb acht mit dem Taxi zurück zum Busbahnhof machten. Unsere leichten Zweifel, ob um die Zeit noch ein Bus fährt, waren ziemlich unbegründet, weil um kurz vor acht noch gut Betrieb auf dem Busbahnhof war.
Um halb zehn waren wir wieder in Prizren und kurz danach wieder an der Schule hier: Es war ganz schön anstrengend, und wir wollten ins Bett ...
20. September 2014
Als ich nach dem Duschen aus dem Fenster schaute, war unten der Frühstückstisch für drei Leute gedeckt. Wir waren zwar nicht explizit eingeladen, aber ich wanderte ein wenig über das Gelände und sah "zufällig" unseren Chef beim Frühstücken sitzen. "Guten Morgen", und er bot mir den Platz an. Wieder einmal gab es viel zu viele Fragen, die wir zu stellen hatten, und viel zu wenig Zeit, um sie ausführlich zu diskutieren. Nach dem Frühstück organisierte er uns freundlicherweise ein Taxi für den Rückweg zum Flughafen, ehe wir uns nach einem Zwischenstopp bei unserer inzwischen angestammten Kaffeebar wieder per Bus nach Prizren aufmachten. Diesmal hielt ich unseren Bus am Busbahnhof an und wir hatten Glück, weil gerade im Moment unserer Ankunft am Busbahnhof der Bus in Richtung Peja im Aufbruch war. Fliegender Wechsel, und ab nach Nordwesten.
Nach eindreiviertelstündiger Fahrt kamen wir in Deçan/Dečani an (ich verwende ja normalerweise im Kosovo inzwischen die albanischen Städtenamen, aber hier bietet sich der serbische mit an, weil wir das serbisch-orthodoxe Kloster besuchen wollten). Die Taxifahrer wollten für die zwei Kilometer zum Kloster Mondpreise haben (anfangs zehn Euro, von fünf ließ man sich keinesfalls herunterhandeln), sodass wir am Ende zu Fuß gingen. Der Weg war zum Glück nicht sonderlich steil, zudem war das Wetter keineswegs zu warm (eher zu nass). Nach einem hübschen Spaziergang an einem italienischen Wachposten vorbei ("buongiorno!") lag rechts vom Weg das Kloster. Der italienische Wachposten wollte nix von uns und so gingen wir rein. Es erwartete uns hier im Kloster von Dečani ein wunderschöner Vorhof (leider sind überall Fotografieren-verboten-Schilder, für das Kircheninnere verstehe ich das ja, aber für die Außengelände nicht wirklich) und eine noch viel schönere Kirche. Wahnsinn. Der einzige "Kritikpunkt" ist, dass das Kircheninnere ein bisschen dunkel ist; es gibt Techniken, das besser auszuleuchten, wie wir in Gračanica und auch später in Peć gesehen haben. Um 14 Uhr sollte das Ding schließen, aber das interessierte niemanden, schon gar nicht die Delegationen von polnischen und amerikanischen Soldaten, die sich das Kloster auch anschauen wollten.
Wir wanderten wieder zurück und stiegen in den Bus nach Peja/Peć. Dort verpassten wir den richtigen Ausstieg und stiegen dann am Schluss am Busbahnhof aus, was ein bisschen spät war. Der Taxifahrer hier war deutlich vernünftiger und fuhr uns für einen akzeptablen Preis zum Patriarchat. Im einsetzenden Starkregen gingen wir - nach einer Kontrolle durch kosovarische Polizisten samt Eintragung des Passes ins Besucherbuch - über eine kleine Straße in Richtung Kloster. Wieder kamen uns "unsere" polnischen Soldaten entgegen ... Im Patriarchat war - außer zwei Nonnen - niemand, und das ist völlig unverständlich: Die Patriarchatskirche ist fantastisch. Allein der Narthex, die Vorhalle, ist toll, aber wenn die Schwestern in den drei angrenzenden Kirchen jeweils das Licht anmachen, dann ist das absolut phänomenal. Unglücklicherweise galt auch hier: Fotografieren verboten ... Als wir die Kirche verlassen wollten (und auch schon eine großzügige Spende hinterlassen hatten), fiel der einen Nonne "plötzlich" ein, dass sie "vergessen" hatte, uns die zwei Euro Eintritt abzuverlangen. Abgesehen davon, dass ich höchst ungern für eine Kirche Eintritt bezahle, hätte man das jedenfalls am Anfang kenntlich machen sollen. Mir geht es da gar nicht um die zwei Euro (für die wir im Übrigen eine 55-Prozent-Schnapsprobe bekamen), sondern um die völlig unnötige Abzocke. Jetzt regnete es endgültig wie aus Kübeln, sodass wir uns aus der Kirche in eine nahegelegene Kneipe retteten und uns dort erst einmal durch den Konsum von drei Bier erholten ... Das Peja-Bier ist einfach lecker.
Danach machten wir uns zu Fuß auf zu einem Punkt, an dem auf alle Fälle ein Bus nach Prizren würde vorbeifahren müssen. Leute kamen, warteten, stiegen in irgendwelche Laster oder Privatautos ein, aber ein Bus kam keiner. Nach längerer Wartezeit kam Marcel auf die glorreiche Idee, einfach mal einen Mitwartenden anzuquatschen. Der Typ sprach hervorragend Deutsch und erläuterte uns, dass allenfalls noch ein Bus nach Deçan fahren würde und man vielleicht im 23-Uhr-Bus nach Tirana mitgenommen werden könnte. Danach ließen wir es gut sein und nahmen ein Taxi. Das Taxi, das wir angehalten hatten, war kaputt (weihnachtsbaumartige Warnleuchtenanzeige), aber der Fahrer beorderte einen Ersatzwagen her und alle drei stiegen in diesen um. Über dunkle, aber meist ziemlich gute Straßen bretterten wir gen Prizren und ließen uns am Shadervan nieder. Eine Suppe und ein paar Köfte tun einfach Wunder. Es war jetzt doch schon spät geworden, sodass wir uns schnell heimmachten und um 0 Uhr im Bett lagen.
21. September 2014
Drei Stunden später mussten wir schon wieder aufstehen. Ui, anstrengend. Wir schafften es aber, pünktlich unser Taxi zu erreichen. Wir kamen 80 Minuten vor Abflug am Flughafen an, konnten entspannt einchecken und begaben uns dann zum Gate, wo wir diesmal ohne Sonderaufruf einsteigen konnten. Schön war's, anstrengend war's, lecker war's, wir haben alle Wetterlagen im Kosovo (außer Schnee) mitbekommen, viel gesehen und viel über das Land gelernt. Ich bin gar nicht so pessimistisch für dieses kleine Ländchen, obwohl ich ihm schon angedroht habe, in nicht allzuferner Zukunft mal wieder vorbeizuschauen.
Ausführliches Fazit vielleicht nächstes Wochenende oder so.
Joa, wir saßen da am Flughafen, guckten unserem Kapitän durchs Fenster bei den Vorbereitungen zu und wunderten uns, dass die unseren Flug immer noch nicht aufgerufen hatten. Ich guckte auch ein, zwei Mal auf die Anzeigetafel über dem Gate, da war noch nichts, und untendrunter stand auch niemand. Um uns herum machte keiner Anstalten, zum Gate zu gehen, also blieben wir sitzen. Auf einmal kam die Ansage des "letzten Aufrufes" für unseren Flug, sodass wir dann zum Gate wanderten. Dort wurden wir schon böse angefahren, wo wir denn blieben, die warteten offenbar schon auf uns. Okay, da ist wohl auf beiden Seiten was schiefgegangen, aber wenn man weder den Flug ausruft noch an den Anzeigetafeln über dem Gate irgendwas von "Boarding" stehen hat, muss man sich nicht so wirklich wundern, wenn es da, sagen wir, Missverständnisse gibt. Jedenfalls hätten wir wahrscheinlich ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt, wenn unser Flieger plötzlich ohne uns abgelegt hätte. So ging's dann also, Gepäck marsch, marsch, in den Flieger, wo es aber noch einmal eine Stunde dauerte, bis diverse Frachtgüter eingeladen waren. Ähem, zum Glück, sonst wäre das Ganze noch ein bisschen peinlicher gewesen. Wird mir jedenfalls eine Lehre sein, zumindest in Frankfurt mehrmals am Gate nachzufragen, ob sie wirklich noch nicht boarden ...
Der Flug war kurz und entspannt, nur waren wir vom Vorabend noch ein bisschen müde, sodass wir gelegentlich weggenickt sind. Der hochmoderne Flughafen von Prishtina begrüßte uns, die Einreise ging fix, unser Gepäck kam schnell (sie mussten ja sicherstellen, dass sie es schnell wieder hätten ausladen können, wenn wir wirklich nicht erschienen wären ...), und wir tranken dann im Empfangsbereich erstmal was und Marcel ging eine rauchen. Mit dem Taxifahrer wurden wir uns über einen Preis einig und schnell waren wir auf der ganz neuen und kaum befahrenen Autobahn nach Prizren unterwegs. Ich leitete dank Google Maps unseren Fahrer, bis wir an einem blau-weißen Komplex ankamen, an dem wir schon erwartet wurden. Der Pförtner geleitete uns zur Schulsekretärin und die führte uns bei unserem früheren Schuldirektor ein. Großes Hallo. Ein Praktikant aus Deutschland kam hinzu, mit dem wir uns hier eine geräumige Wohnung mit Einzelzimmern teilen: wunderbar. Nachdem wir uns ein wenig frischgemacht hatten, guckten wir - mit Wein und Schnaps bewaffnet - wieder beim Chef vorbei, der uns ein wenig die Sehenswürdigkeiten des Kosovo einordnete, sodass wir jetzt einen recht guten Reiseplan für die nächsten zwei Tage hier im Land haben. Er erzählte auch vom kosovarischen Alltag mit nicht immer ganz kooperativen staatlichen Behörden. Es war Nachmittag, als wir uns mit dem Bus nach Prizren aufmachen wollte (die Schule liegt etwas außerhalb). Leider hatten wir den genauen Ort der Bushaltestelle nicht ganz richtig verstanden, denn es kam ein Bus (aus der Stadt) an, fuhr vor uns auf einen kleinen Feldweg, wendete dort mit Karacho und knirschendem Getriebe, fuhr wieder vom Feldweg runter und hielt 150 Meter vor uns an. Eine Frau stieg ein, aber wir kamen nicht mehr rechtzeitig hin. Das war so ein Tag, an dem die Verkehrsmittel und wir keine richtigen Freunde mehr wurden.
Wir marschierten zwanzig Minuten in Richtung Stadt, bis auf einmal ein Taxi an uns vorbeifuhr und anhielt, nachdem wir mit hektischen Winkbewegungen auf uns aufmerksam gemacht hatten. Der Taxifahrer sprach ganz gut Deutsch, weil er Anfang der 1990er-Jahre in Stuttgart gelebt hatte, und fuhr uns zum Shadervan, dem Hauptplatz der Altstadt von Prizren: Wow. Da fließt so ein kleines Flüsschen unter einer malerischen Festung entlang, von Steinbrücken (fast wie in Mostar) erschlossen. Auf der anderen Flussseite liegt dann ein hübsches Altstadtviertel mit etlichen Moscheen, relativ frisch restauriert aussehenden Häusern, vielen Straßencafés, doch, sehr, sehr schön. Wir spazierten ein wenig dort am Fluss entlang und kehrten dann in einem am Hang gelegenen Lokal ein. Dort aßen, tranken und versackten wir, ehe wir uns mit dem Taxi wieder zum Hotel zurückfahren ließen.
Die Hunde der Nachbarschaft bellten und jaulten uns noch ein schönes Mitternachtskonzert vor, ehe ich mit dann geschlossenem Fenster einschlief.
19. September 2014
Am Freitag Morgen waren wir dann zum Frühstück bei unserem alten Schuldirektor eingeladen: Bei Salami und Schinken (was im muslimischen Kosovo ja nicht gerade selbstverständlich ist ...), hausgemachtem Honig, frischem Fladenbrot und leckerem Tee fragten wir weiter zum Alltag im Allgemeinen und zum Schulalltag im Besonderen. Um 7.40 Uhr nahm er uns mit, damit wir das Ritual des Schulbetretens der Schüler mitverfolgen konnten: Vor 7.45 Uhr kommt kein Schüler ins Gebäude, und danach auch nur mit Kontrolle, ob die Krawatte der Schuluniform richtig sitzt. Das klingt jetzt strenger als es ist, aber es ist doch interessant zu sehen. Nichtsdestotrotz grüßten uns viele Schüler (wie auch die Lehrer) sehr freundlich, zum Teil sogar auf Deutsch. Süß war der Anmarsch der Grundschüler, die, sagen wir, weniger geordnet als die Älteren ihr Schulgebäude aufsuchten.
Danach ließen wir uns mit dem Bus in das Stadtzentrum von Prizren bringen. Leider fuhren wir am Busbahnhof ohne Halt vorbei, sodass wir ein Stückchen später uns den Ausgang erkämpfen mussten und einen kurzen Bummel zurück zum Busbahnhof machten. Die Strecke zwischen Prizren und Prishtina ist ein ziemlich heiß umkämpfter Markt, entsprechend häufig fahren dort die Busse. Für vier Euro, die wir im Bus bezahlten, ging es anstatt über die Autobahn über die landschaftlich noch schönere Landstraße, bis wir kurz vor Prishtina ausstiegen. Dort warteten schon diverse Taxen und eine derselben brachte uns nach Gračanica. Es war wieder einmal beeindruckend, dass viele Werbeschilder auf einmal vom Albanischen ins Serbische wechselten. Der Taxifahrer ließ uns direkt an der Kirche raus (Weltkulturerbe), wo ich ja 2008 mit meiner Ma schon einmal gewesen war. Immer noch und schon wieder war das Ensemble sehr beeindruckend. Besonders die Ruhe im Innenhof im Vergleich zur quirligen Stadt fand ich interessant. Mit meinen begrenzten Serbisch-Kenntnissen kamen wir mit der Aufseherin ein wenig ins Gespräch, die uns auch einige Szenen dort erläuterte. Ich mag orthodoxe Kirchen einfach, die sind (außer in Armenien) alle so schön bunt bemalt mit Heiligen und Bibelszenen. Danach gingen wir raus und suchten Ulpiana, eine Ausgrabungsstätte mit Kirchenbauten aus dem 3. und 4. Jahrhundert. Sehr beeindruckend, zumal man den ganzen Umfang der Anlage erst so richtig mit Google Maps erfassen kann ... (Man sollte hier aber ein Taxi aus der Stadt nehmen, man läuft sich sonst einen Wolf!)
Zurück in Gračanica tranken wir ein Bierchen und machten uns dann auf nach Prishtina. Wir ließen uns am Alten Hamam absetzen, wollten in die älteste Moschee des Landes, wo wir aber abgewiesen wurden, weil gerade Gebetszeit war, und gingen dann ein paar Meter, um schließlich auf die Fußgängerzone zu stoßen. An Denkmälern für Skenderbeg und Ibrahim Ruguva vorbei begutachteten wir das Parlament der Republik Kosovo. Die Fußgängerzone ist inzwischen sehr, sehr schön, es gibt sehr viele Geschäfte und Cafés, doch, in Prishtina lässt es sich schon aushalten.
Am Ende der Fußgängerzone landeten wir in einer Veranstaltung zu Ehren der fünfzehnjährigen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Kosovo. Auf vielen Ständen wurde über die deutsch-kosovarischen Bemühungen zur Rechts- oder Katasterreform, zur Mülltrennung und zur Wiedereingliederung von Flüchtlingen hier im Land berichtet. Durchaus interessant. Wir suchten eine im Reiseführer empfohlene Gaststätte und aßen dort recht gut, ehe wir uns gegen halb acht mit dem Taxi zurück zum Busbahnhof machten. Unsere leichten Zweifel, ob um die Zeit noch ein Bus fährt, waren ziemlich unbegründet, weil um kurz vor acht noch gut Betrieb auf dem Busbahnhof war.
Um halb zehn waren wir wieder in Prizren und kurz danach wieder an der Schule hier: Es war ganz schön anstrengend, und wir wollten ins Bett ...
20. September 2014
Als ich nach dem Duschen aus dem Fenster schaute, war unten der Frühstückstisch für drei Leute gedeckt. Wir waren zwar nicht explizit eingeladen, aber ich wanderte ein wenig über das Gelände und sah "zufällig" unseren Chef beim Frühstücken sitzen. "Guten Morgen", und er bot mir den Platz an. Wieder einmal gab es viel zu viele Fragen, die wir zu stellen hatten, und viel zu wenig Zeit, um sie ausführlich zu diskutieren. Nach dem Frühstück organisierte er uns freundlicherweise ein Taxi für den Rückweg zum Flughafen, ehe wir uns nach einem Zwischenstopp bei unserer inzwischen angestammten Kaffeebar wieder per Bus nach Prizren aufmachten. Diesmal hielt ich unseren Bus am Busbahnhof an und wir hatten Glück, weil gerade im Moment unserer Ankunft am Busbahnhof der Bus in Richtung Peja im Aufbruch war. Fliegender Wechsel, und ab nach Nordwesten.
Nach eindreiviertelstündiger Fahrt kamen wir in Deçan/Dečani an (ich verwende ja normalerweise im Kosovo inzwischen die albanischen Städtenamen, aber hier bietet sich der serbische mit an, weil wir das serbisch-orthodoxe Kloster besuchen wollten). Die Taxifahrer wollten für die zwei Kilometer zum Kloster Mondpreise haben (anfangs zehn Euro, von fünf ließ man sich keinesfalls herunterhandeln), sodass wir am Ende zu Fuß gingen. Der Weg war zum Glück nicht sonderlich steil, zudem war das Wetter keineswegs zu warm (eher zu nass). Nach einem hübschen Spaziergang an einem italienischen Wachposten vorbei ("buongiorno!") lag rechts vom Weg das Kloster. Der italienische Wachposten wollte nix von uns und so gingen wir rein. Es erwartete uns hier im Kloster von Dečani ein wunderschöner Vorhof (leider sind überall Fotografieren-verboten-Schilder, für das Kircheninnere verstehe ich das ja, aber für die Außengelände nicht wirklich) und eine noch viel schönere Kirche. Wahnsinn. Der einzige "Kritikpunkt" ist, dass das Kircheninnere ein bisschen dunkel ist; es gibt Techniken, das besser auszuleuchten, wie wir in Gračanica und auch später in Peć gesehen haben. Um 14 Uhr sollte das Ding schließen, aber das interessierte niemanden, schon gar nicht die Delegationen von polnischen und amerikanischen Soldaten, die sich das Kloster auch anschauen wollten.
Wir wanderten wieder zurück und stiegen in den Bus nach Peja/Peć. Dort verpassten wir den richtigen Ausstieg und stiegen dann am Schluss am Busbahnhof aus, was ein bisschen spät war. Der Taxifahrer hier war deutlich vernünftiger und fuhr uns für einen akzeptablen Preis zum Patriarchat. Im einsetzenden Starkregen gingen wir - nach einer Kontrolle durch kosovarische Polizisten samt Eintragung des Passes ins Besucherbuch - über eine kleine Straße in Richtung Kloster. Wieder kamen uns "unsere" polnischen Soldaten entgegen ... Im Patriarchat war - außer zwei Nonnen - niemand, und das ist völlig unverständlich: Die Patriarchatskirche ist fantastisch. Allein der Narthex, die Vorhalle, ist toll, aber wenn die Schwestern in den drei angrenzenden Kirchen jeweils das Licht anmachen, dann ist das absolut phänomenal. Unglücklicherweise galt auch hier: Fotografieren verboten ... Als wir die Kirche verlassen wollten (und auch schon eine großzügige Spende hinterlassen hatten), fiel der einen Nonne "plötzlich" ein, dass sie "vergessen" hatte, uns die zwei Euro Eintritt abzuverlangen. Abgesehen davon, dass ich höchst ungern für eine Kirche Eintritt bezahle, hätte man das jedenfalls am Anfang kenntlich machen sollen. Mir geht es da gar nicht um die zwei Euro (für die wir im Übrigen eine 55-Prozent-Schnapsprobe bekamen), sondern um die völlig unnötige Abzocke. Jetzt regnete es endgültig wie aus Kübeln, sodass wir uns aus der Kirche in eine nahegelegene Kneipe retteten und uns dort erst einmal durch den Konsum von drei Bier erholten ... Das Peja-Bier ist einfach lecker.
Danach machten wir uns zu Fuß auf zu einem Punkt, an dem auf alle Fälle ein Bus nach Prizren würde vorbeifahren müssen. Leute kamen, warteten, stiegen in irgendwelche Laster oder Privatautos ein, aber ein Bus kam keiner. Nach längerer Wartezeit kam Marcel auf die glorreiche Idee, einfach mal einen Mitwartenden anzuquatschen. Der Typ sprach hervorragend Deutsch und erläuterte uns, dass allenfalls noch ein Bus nach Deçan fahren würde und man vielleicht im 23-Uhr-Bus nach Tirana mitgenommen werden könnte. Danach ließen wir es gut sein und nahmen ein Taxi. Das Taxi, das wir angehalten hatten, war kaputt (weihnachtsbaumartige Warnleuchtenanzeige), aber der Fahrer beorderte einen Ersatzwagen her und alle drei stiegen in diesen um. Über dunkle, aber meist ziemlich gute Straßen bretterten wir gen Prizren und ließen uns am Shadervan nieder. Eine Suppe und ein paar Köfte tun einfach Wunder. Es war jetzt doch schon spät geworden, sodass wir uns schnell heimmachten und um 0 Uhr im Bett lagen.
21. September 2014
Drei Stunden später mussten wir schon wieder aufstehen. Ui, anstrengend. Wir schafften es aber, pünktlich unser Taxi zu erreichen. Wir kamen 80 Minuten vor Abflug am Flughafen an, konnten entspannt einchecken und begaben uns dann zum Gate, wo wir diesmal ohne Sonderaufruf einsteigen konnten. Schön war's, anstrengend war's, lecker war's, wir haben alle Wetterlagen im Kosovo (außer Schnee) mitbekommen, viel gesehen und viel über das Land gelernt. Ich bin gar nicht so pessimistisch für dieses kleine Ländchen, obwohl ich ihm schon angedroht habe, in nicht allzuferner Zukunft mal wieder vorbeizuschauen.
Ausführliches Fazit vielleicht nächstes Wochenende oder so.
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